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DE BELLO GALLICO
IN TEDESCO
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IL DE BELLO GALLICO IN
LINGUA TEDESCA |
Liber I
1.
Gallien in seiner Gesamtheit ist in drei Teile geteilt, von denen den einen die Belgier bewohnen, den anderen die Aquitaner und den dritten,
die welche in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer Gallier heißen. (2) Diese alle sind nach Sprache, Einrichtungen und Gesetzen
untereinander verschieden. Die Gallier trennt von den Aquitanern der Fluß Garonne (Garunna), von den Belgiern die Marne (Matrona)
und die Seine (Sequana). (3) Von diesen allen die tapfersten sind die Belgier, deswegen weil sie von der Lebensweise und Bildung der
römischen Provinz am weitesten entfernt sind, keineswegs bei ihnen Kaufleute häufig ein- und ausgehen und das, was zur Verweichlichung
der Gemüter dient, und weil sie am nächsten benachbart den Germanen sind, die jenseits des Rheines (Rhenus) wohnen, mit denen sie
ununterbrochen Krieg führten. (4) Aus diesem Grunde übertreffen auch die Helvetier die übrigen Germanen an Tapferkeit, weil sie sich in
fast täglichen Kämpfen mit den Germanen messen, indem sie entweder von ihren eigenen Grenzen sie abwehren oder selbst in deren
Lande Krieg führen. (5) Von ihnen ein Teil, den, wie gesagt, die Gallier innehaben, beginnt an der Rhone (Rhodanus); er wird begrenzt von
der Garonne (Garunna), dem Ozean und von dem Lande der Belgier; er berührt auch von der Seite der Sequaner, und Helvetier aus den
Rhein; er 1iegt nach Norden zu. (6) Das Gebiet der Belger beginnt an den äußersten Grenzen Galliens; es erstreckt sich bis zum unteren
Teile des Rheines; es schaut (ist gerichtet) nach Nordosten. (7) Aquitanien erstreckt sich von der Garonne bis zum Pyrenäengebirge und
demjenigen Teile des Ozeans, der bei Spanien (Hispania) ist; es schaut nach Nordwesten.
2.
Bei den Helvetiern war bei weitem am angesehensten und reichsten Orgetorix. Dieser, unter dem Konsulat des Marcus Messala und
Marcus Piso (61 v. u. Z.) von Verlangen nach der Königsherrschaft veranlaßt, stiftete eine Verschwörung des Adels an und überredete die
Bürgerschaft, ihr Land mit allen Vorräten (mit Sack und Pack) zu verlassen: (2) es sei sehr leicht, da sie an Tapferkeit alle überträfen, sich
der Herrschaft über ganz Gallien zu bemächtigen. (3) Dazu überredete er sie um so leichter, weil die Helvetier auf allen Seiten durch die
Natur des Landes (durch natürliche Schranken) eingeengt sind: auf der einen Seite durch den sehr breiten und sehr tiefen Rhein, der die
Helvetier von den Germanen trennt, auf der anderen Seite durch das so hohe Juragebirge, das zwischen den Sequanern und Helvetiern
liegt; auf der dritten durch den Genfer See und die Rhone, die unsere Provinz von den Helvetiern trennt. (4) Dadurch kam es, daß sie
sowohl weniger weit Streifzüge unternehmen als auch weniger leicht ihre Grenznachbarn angreifen konnten; in dieser Hinsicht waren die
kriegslustigen Leute sehr bekümmert (wörtlich: wurden ... mit großem Kummer behaftet). (5) Im Verhältnis zur Bevölkerungsmenge, ihrem
Kriegsruhme und ihrer Tapferkeit glaubten sie ein zu kleines Land zu haben, das sich 240 Meilen (360 km) in die Länge und 180 Meilen
(270 km) in die Breite erstreckte.
3.
Hierdurch (durch diese Gründe) veranlaßt und durch das Ansehen des Orgetorix bewogen, beschlossen sie, das, was nach ihrer Meinung
zum Auszug gehörte, vorzubereiten, (d.h.) eine möglichst große Zahl Zugtiere und Karren aufzukaufen, möglichst große Saaten zu machen
(möglichst viel Land zu bestellen) damit unterwegs der Getreidevorrat lange, und mit den nächsten Stämmen Frieden und Freundschaft zu
schließen (zu sichern). Zur Erledigung dieser Dinge (zur Durchführung dieser Maßnahmen) genüge ihnen, glaubten sie, ein Zeitraum von
zwei Jahren; (2) auf das dritte Jahr setzen sie durch ein Gesetz den Aufbruch fest. (3) Zur Ausführung dieser Maßnahmen wird Orgetorix
gewählt. (4) Dieser nahm die Gesandtschaft zu den Stämmen auf sich (dieser unternahm es, die einzelnen Stämme aufzusuchen). Dabei
(wörtlich: auf diesem Wege) überredet er den Casticus, des Catamantaloedes Sohn einen Sequaner, dessen Vater bei den Sequanern viele
Jahre die Königsherrschaft innegehabt hatte und vom Senate des römischen Volkes "Freund" genannt worden war, sich in seinem Stamme
des Thrones zu bemächtigen, den sein Vater vorher innegehabt hatte. Und ebenso überredet er den Häduer (5) Dumnorix, den Bruder des
Diviciacus, der zu dieser Zeit die erste Stelle in seinem Stamme einnahm und beim Volke am meisten beliebt war, das gleiche zu versuchen,
und gibt ihm seine Tochter zur Frau. (6) Es sei sehr leicht auszuführen, macht er jenen klar, die Unternehmungen durchzuführen, deswegen
weil er selbst in seinem Stamme die Macht übernehmen werde; es sei nicht zweifelhaft, daß von ganz Gallien die Helvetier die größte
Macht besäßen; (7) er verichert, er werde mit seinen Mitteln und seiner Heeresmacht ihnen zur Königsherrschaft verhelfen. (8) Durch
diese Rede verleitet, leisten sie (d. h. Dumnorix, Casticus und Orgetorix) untereinander den Treueid und geben sich der Hoffnung hin, daß
sie nach Besitzergreifung der Königsherrschaft sich mit Hilfe der drei mächtigsten und stärksten Stämme ganz Gallien unterwerfen
können.
4.
Dieser Plan wurde von den Helvetiern durch eine Anzeige gemeldet (verraten). Ihren Sitten gemäß zwangen sie Orgetorix, seine Sache
gefesselt (d. h. als Festgenommenen) zu führen; daß dem Verurteilten (der Verurteilung) die Strafe folgte, daß er verbrannt wurde, war
erforderlich. (2) An dem für die Verhandlung festgesetzten Tage ließ Orgetorix an der Gerichtsstätte seine gesamte Familie (alle seine
Leibeigenen) - an die 10000 Mann - von überall her sich einfinden, und alle seine Klienten sowie Schuldner, deren er eine große Menge
hatte, führte er ebendort zusammen; durch diese (dank diesen) befreite er sich davon, daß er sich verantwortete. (3) Als der Stamm,
deswegen erbittert, mit den Waffen sein Recht geltend zu machen versuchte und die Behörden eine Menge Menschen vom Lande (eine
Menge Landvolk) zusammenbrachten, starb Orgetorix, (4) und es liegt der Verdacht nicht fern, wie die Helvetier glauben, daß er selbst
sich den Tod gegeben hat.
5.
Nach dessen Tode versuchen die Helvetier nichtsdestoweniger, das, was sie beschlossen hatten, auszuführen, daß sie nämlich aus ihrem
Lande ausziehen. (2) Sobald sie nun glaubten, sie seien dazu (genügend) gerüstet, stecken sie alle ihre Städte, an Zahl etwa zwölf, ihre etwa
400 Dörfer und die übrigen Einzelgeschäfte in Brand, (3) verbrennen alles Getreide, außer dem, das sie mitzunehmen gedachten, damit sie,
wenn die Aussicht auf eine Rückkehr in die Heimat genommen sei, bereiter zum Ertragen aller Gefahren seien, und befehlen, daß nur für
drei Monate gemahlenes Getreide ein jeder für sich von daheim mitnehme. (4) Sie uberreden die Rauricer, Tulinger und Latobriger, ihre
Grenznachbarn, denselben Plan benutzend ... nach Einäscherung ihrer Städte und Dörfer zusammen mit ihnen zu ziehen, und die Bojer, die
jenseits des Rheines gewohnt hatten, in die Norische Mark hinübergezogen waren und Noreja (Neumarkt in der Steiermark) belagert
hatten, machen sie als bei sich aufgenommene sich zu Bundesgenossen.
6.
Es gab im ganzen nur zwei Wege, auf denen die Helvetier die Heimat verlassen konnten, einen durch das Gebiet der Sequaner, schmal und
beschwerlich, zwischen dem Jura und der Rhone, wo die Karren kaum einzeln fahren konnten; ein sehr hoher Berg aber hing herüber, so
daß mit Leichtigkeit sehr wenige sperren konnten: (2) der andere, durch unsere Provinz, (war) viel leichter und bequemer deswegen, weil
zwischen dem Lande der Helvetier und dem der Allobroger, die unlängst erst bezwungen worden waren, die Rhone fließt und diese an
einigen Stellen durch eine Furt überschritten wird. (3) Die letzte Stadt der Allobroger und nächste dem Helvetiergebiete ist Genf (Genava).
Aus dieser Stadt führt eine Brücke zu den Helvetiern. Sie würden die Allabroger, so glaubten die Helvetier, entweder überreden, weil sie
noch nicht gutgesinnt gegen das römische Volk zu sein schienen, oder mit Gewalt zwingen, daß sie gestatteten, durch ihr Gebiet zu ziehen.
(4) Nachdem alles zum Aufbruch vorbereitet ist, setzen sie einen Tag fest, an dem sich alle am Rhoneufer einfinden sollen. Dieser Tag war
der 5. vor den Kaleriden des April (28. März) im Konsulatsjahre des Lucius Piso und Aulus Gabinius.
7.
Als Cäsar das gemeldet wurde, daß sie durch unsere Provinz zu ziehen versuchten, beeilt er sich, von der Stadt (vor, Rom) aufzubrechen
und reist, so schnell er kann, ins jenseitige Gallien und trifft in der Gegend von Genf (Genava) ein. (2) Der gesamten Provinz befiehlt er,
eine möglichst große Anzahl Soldaten zu stellen - es stand im ganzen im jenseitigen Gallien nur eine Legion die bei Genf war, läßt er
abbrechen. (3) Sobald die Helvetier von seiner Ankunft benachrichtigt worden sind, schicken sie als Gesandte zu ihm die Vornehmsten
ihres Stammes, in welcher Gesandtschaft Nammejus und Veruclötius die erste Stelle einnahmen (die Führung hatten), die sagen sollten, sie
hätten im Sinne, ohne irgendwelche Gewalttätigkeit durch die Provinz zu ziehen, deswegen, weil sie keinen anderen Weg hätten: sie bäten
darum, daß es ihnen erlaubt sei, das mit seiner Genehmigung zu tun. (4) Weil sich Cäsar erinnerte, daß von den Helvetiern der Konsul
Lucius Cassius getötet und sein Heer geschlagen und unters Joch geschickt worden war (107 v. u. Z.), glaubte er nicht einwilligen zu dürfen;
(5) auch glaubte er nicht, daß Leute von feindlicher Gesinnung, wenn die Gelegenheit, durch die Provinz zu ziehen, geboten sei, einer
Rechtsverletzung und Gewalttat enthalten werden. (6) Damit jedoch eine Zeit dazwischen vergehen könne, bis die Leute, die er verlangt
hatte, zusammenkommen, antwortete er den Gesandten, er werde sich eine Frist zum überlegen nehmen; wenn sie etwas wollten, sollten sie
an den Iden des April (13. April) wiederkommen.
8.
Unterdessen legt er mit der Legion, die er bei sich hatte, und mit den Soldaten, die aus der Provinz zusammengekommen waren, vom
Genfer See, der in die Rhone fließt bis zum Juragebirge, das das Gebiet der Sequaner von den Helvetiern trennt, eine Mauer von 19 000
Doppelschritt Länge (27,5 km) und 16 Fuß (4,8 m) Höhe an und einen Graben davor. (2) Nachdem dieses Werk vollendet ist, stellt er an
verschiedenen Punkten Schutzpfosten auf und ließ Bastionen errichten, damit er um so leichter abwehren könne, falls sie wider seinen
Willen überzusetzen versuchen sollten, (3) Sobald der Termin, den er mit den Gesandten vereinbart hatte, gekommen ist und die
Gesandten zu ihm zurückgekehrt sind, erklärte er, er könne nach Herkommen und Brauch des römischen Volkes keinem den Zug durch die
Provinz erlauben, und macht klar, daß er es verhindern werde, falls sie Gewalt anzuwenden versuchen sollten. (4) Die Helvetier, in dieser
Hoffnung getäuscht, versuchten auf zusammengekoppelten Schiffen und mehreren dazu gezimmerten Flößen, andere an seichten Stellen
der Rhone, wo die Tiefe des Flusses am geringsten war, bisweilen bei Tage, häufiger bei Nacht, ob sie durchbrechen könnten, wurden aber
durch die Stärke der Verschanzung, den Zusammenlauf der Soldaten und die Geschosse zurückgetrieben und standen von diesem Versuch
ab.
9.
So blieb nur der Weg durch das Land der Sequaner übrig auf dem sie aber wegen seiner Enge gegen den Willen der Sequaner nicht ziehen
konnten. (2) Da sie diese von sich aus nicht überreden konnten, schicken sie Gesandte an den Häduer Dumnorix, um es (die Erlaubnis zum
Durchzug) durch seine Fürsprache von den Sequanern zu erwirken. (3) Dumnorix besaß durch Beliebtheit und Freigiebigkeit bei den
Sequanern einen sehr großen Einfluß und war den Helvetiern Freund, weil er aus diesem Staate des Orgetorix Tochter als Gattin
heimgeführt hatte, aus Verlangen nach der Königsherrschaft auf Neuerungen sann und möglichst viele Stämme durch persönliche
Gunstbezeigung verpflichtet haben wollte. (4) Daher übernimmt er die Sache und erreicht von den Sequanern, daß sie die Helvetier durch
ihr Land ziehen lassen, und setzt durch, daß sie untereinander Geiseln stellen: die Sequaner, damit sie die Helvetier nicht am Marsch
hindern, die Helvetier, damit sie ohne Gewalttat und Untat hindurchziehen.
10.
Cäsar wird gemeldet, die Helvetier hätten im Sinne, durch die Mark der Sequaner und Häduer ins Gebiet der Santoner zu ziehen, die nicht
weit vom Gebiet der Tolosaten entfernt sind, eines kriegerischen Stammes in der Provinz. (2) Cäsar sah ein, daß es, wenn dies geschehe,
mit großer Gefahr für die Provinz (verbunden) sein werde, daß sie kriegslustige Menschen, Feinde des römischen Volkes, mit ihrem
offenen und ganz besonders getreidereichen Gegenden als Grenznachbarn habe. (3) Infolgedessen stellte er diejenige Befestigung, die er
hatte anlegen lassen, unter den Befehl des Legaten; er selbst reist in Eile nach Italien (Oberitalien, ins diesseitige Gallien), hebt daselbst
zwei Legionen aus, führt die drei Legionen, die bei Aquileja (blühende Handelsstadt im lsonzodelta) überwinterten, aus dem Winterlager
heraus und beeilte sich, wo der nächste Weg ins jenseitige Gallien über die Alpen führte, mit diesen fünf Legionen zurückzukehren. (4) Dort
versuchen die Ceutronen, Grajoceler und Caturigen nach Besetzung der Anhöhen das Heer am Weitermarsch zu hindern. (5) Nachdem
diese in mehreren Gefechten geschlagen worden sind, gelangt Cäsar von Ocelum, weiches die letzte Stadt der diesseitigen Provinz ist, ins
Gebiet der Vocoritier in der jenseitigen Provinz am siebenten Tage: von dort führt er sein Heer ins Gebiet der Allobroger, von den
Allobrogern zu den Segusiavern. Diese sind außerhalb der Provinz jenseits der Rhone die ersten.
11.
Die Helvetier hatten bereits ihre Scharen durch den Engpaß und das Gebiet der Sequaner hindurchgeführt, waren ins Gebiet der Häduer
gelangt und verwüsteten deren äcker. (2) Da die Häduer sich und das Ihrige vor ihnen nicht schätzen konnten, schicken sie Gesandte zu
Cäsar, um Hilfe zu erbitten; (3) So hätten sie sich jederzeit um das römische Volk verdient gemacht, daß beinahe im Angesichts unseres
Heeres die äcker nicht hätten verwüstet werden, ihre Kinder nicht hätten in die Sklaverei weggeführt werden und die Städte nicht hätten
erobert werden dürfen. (4) Zu derselben Zeit teilen die Ambarrer, Schützlinge und Blutsverwandte der Häduer, Cäsar mit, daß sie nach
Verwüstung ihrer Fluren nicht leicht von ihren Städten den Ansturm der Feinde fernhalten. (5) Ebenso flüchten sich die Allobroger, die
(soweit sie) jenseits der Rhone Dörfer und Ländereien besaßen, zu Cäsar und tun dar, daß ihnen außer ihrem Grund und Boden ihres
Landes nichts übrig (nichts geblieben) sei. (6) Durch diese Mitteilungen bewegen, sagte sich Cäsar, daß er nicht warten dürfe, bis die
Helvetier nach Vernichtung der gesamten Habe seiner Bundesgenossen ins Gebiet der Santoner gelangten.
12.
Es gibt den Fluß Arar, der durch das Land der Häduer und Sequaner der Rhone zufließt in unglaublicher Langsamkeit, so daß man mit den
Augen nicht beurteilen kann, nach welcher Seite er fließt. Die Helvetier waren gerade dabei, ihn auf Flößen und zusammengekoppelten
Kähnen zu überschreiten. (2) Sobald Cäsar durch Kundschafter erfuhr, daß die Helvetier bereits drei Viertel ihrer Streitkräfte über diesen
Fluß geführt hatten, daß etwa ein Viertel noch diesseits der Saine übrig sei, gelangte er, noch während der dritten Nachwache (0 - 3 Uhr)
mit drei Legionen aus dem Lager aufgebrochen seiend, zu dem Teile, der noch nicht den Fluß überschritten hatte. (3) Er griff sie, die nicht
kampfbereit und ahnungslos waren, an und machte einen großen Teil von ihnen nieder; die übrigen flohen (vertrauten sich der Flucht an)
und verbargen sich in den nächsten Wäldern (ganz in der Nähe). (4) Dieser Gau hieß Tigurinischer (12@: denn die gesamte helvetische
Bevölkerung zerfällt in vier Gaue. (5) Dieser eine Gau hatte, als er die Heimat zur Zeit unserer Väter verlassen hatte, den Konsul Lucius
Cassius getötet und sein Heer unters Joch geschickt. (6) SO mußte, sei es durch Zufall oder nach dem Ratschlag der unsterblichen Götter,
derjenige Teil der helvetischen Bevölkerung, der dem römischen Volke eine empfindliche Niederlage beigebracht hatte, zuerst büßen
Strafe zahlen). (7) Dabei rächte Cäsar nicht nur staatliches, sondern auch privates (nicht nur dem Staate, sondern auch ihm persönlich
zugefügtes) Unrecht, weil seines Schwiegervaters Lucius Piso Großvater, den Legalen Lucius Piso, die Tiguriner in demselben Treffen wie
den Cassius getötet hatten.
13.
Nachdem dieses Treffen stattgefunden hatte, ließ Cäsar, um die übrigen Scharen der Helvetier einholen zu können, eine Brücke über die
Saine schlagen und führt so sein Heer hinüber. (2) Die Helvetier, durch sein plötzliches Erscheinen beeindruckt, da sie einsahen, daß das,
was sie selbst in zwanzig Tagen nur mit größter Mühe fertig gebracht hatten, daß sie nämlich den Fluß überschritten, jener (Cäsar) an
einem Tage geschafft hatte, schicken Gesandte zu ihm; dieser Gesandtschaft Führer war Divico, der im Kriege mit Cassius Führer der
Helvetier gewesen war. (3) Dieser verhandelte folgendermaßen mit Cäsar: Wenn das römische Volk mit den Helvetiern Frieden schließe,
so würden die Helvetier dorthin ziehen und dort sich aufhalten, wo Cäsar sie ansiedele und wünsche, daß sie sich aufhielten: (4) suche er sie
aber weiter mit Krieg heim, so möge er sowohl des alten Mißgeschickes des römischen Volkes als auch der alten Tapferkeit der Helvetier
gedenken. (5) Wenn er unversehens einen einzigen Gau angegriffen, da diejenigen, die den Fluß überschritten hätten, den ihrigen keine
Hilfe bringen konnten, so solle er deswegen entweder nicht stolz auf seine Tätigkeit sein oder sie selbst geringschätzen. (6) Sie hätten es so
von ihren Vätern und Ahnen gelernt, daß sie mehr mit Tapferkeit kämpften als sich auf List oder Hinterhalt verließen. (7) Deshalb solle er
nicht Veranlassung geben, daß der Ort, wo sie stünden, von einer Niederlage des römischen Volkes einen Namen erhalte und die
Erinnerung daran (der Nachwelt) überliefere.
14.
Diesen antwortete Cäsar folgendermaßen: Umso weniger gebe es für ihn Bedenken, weil er das, was die helvetischen Gesandten erwähnt
hätten, noch im Gedächtnis habe, und er empfinde es um so schmerzlicher, jewenigeres sich durch das Verschulden des römischen Volkes
ereignet habe: (2) wenn sich dieses nämlich irgendeines Unrechts bewußt gewesen wäre, so wäre es nicht schwer gewesen, auf der Hut zu
sein; aber darin habe es sich getäuscht, insofern es weder einsehe, daß von ihm etwas begangen sei, weshalb es sich zu fürchten habe, noch
glaube, ohne Grund zu fürchten zu sein. (3) Wenn er aber auch die alte Schmach vergessen wolle, könne er etwa auch die Erinnerung an die
eben erst verübten Gewalttätigkeiten, daß sie gegen seinen Willen gewaltsam versucht hätten, durch die Provinz zu ziehen, daß sie die
Häduer, daß sie die Ambarrer und daß sie die Allobroger heimgesucht hätten, aus seinem Gedächtnisse tilgen (4) Wenn sie sich ihres
Sieges so ungebührlich rühmten und wenn sie sich wunderten, daß sie so lange straflos mit ihren Gewalttätigkeiten durchgekommen seien,
so weise das gleichfalls darauf hin. (5) Die unsterblichen Götter seien es nämlich gewähnt, damit Menschen um so heftigeren Schmerz
infolge eines Wechsels ihres Geschicks empfänden, denjenigen, die sie für ihre Ruchlosigkeit büßen lassen wollten, bisweilen größeres
Glück und längere Straflosigkeit zu bewältigen. (6) Obgleich dem so sei, werde er dennoch mit ihnen Frieden schließen, wenn Geiseln von
ihnen ihm gestellt wurden, damit er einsehe, daß sie das, was sie versprechen, tun würden, und wenn sie den Häduern für die
Gewalttätigkeiten, die Einigen selbst und ihren Bundesgenossen zugefügt hätten, ebenso wenn sie den Allobrogern Genugtuung leisteten.
(7) Divico antwortete: So seien die Helvetier von ihren Vorfahren unterwiesen worden, daß sie Geiseln anzunehmen (sich stellen zu lassen),
nicht zu stellen gewohnt seien: dessen sei das römische Volk Zeuge. Nachdem er diese Antwort gegeben hatte, ging er weg.
15.
Am folgenden Tag brechen die Helvetier von diesem Platze auf. Das gleiche tut Cäsar, und er schickt die gesamte Reiterei, an Zahl etwa 4
000 Mann, die er aus der ganzen Provinz und den Ländern der Häduer und ihrer Bundesgenossen zusammengezogen hatte, voraus, die
sehen soll (w6tti.: sollen), nach welchen Seiten die Feinde ziehen. (2) Diese, der Nachhut zu hitzig nachgesetzt habend, geraten auf
ungünstigem Gelände mit der Reiterei der Helvetier ins Gefecht, und nur einige wenige von den Unsrigen fallen, (3) Durch dieses Treffen
übermütig gemacht, weil sie mit nur 500 Reitern eine so große Menge von Reitern geworfen hatten, begannen sie, mit größerer Kühnheit
von Zeit zu Zeit haltzumachen und mit ihrer Nachhut die Unsrigen zum Kampfe herauszufordern. (4) Cäsar hielt seine Leute von einem
Kampfe zurück und begnügte sich für den Augenblick damit, den Feind an Räubereien, Streifzügen nach Futter und Verwüstungen zu
hindern. (5) Etwa 15 Tage marschierte man in der Weise, daß zwischen der Nachhut der Feinde und unserer Vorhut nicht mehr als fünf oder
sechs Meilen (7-9 km) Zwischenraum war.
16.
Inzwischen verlangte Cäsar täglich von den Häduern das Getreide, das sie im Namen ihres Stammes versprochen hätten. (2) Dann wegen
der kalten Witterung, weil Gallien nach Norden, wie oben erwähnt, liegt, war nicht nur das Getreide auf den Feldern nicht reif, sondern es
war auch nicht einmal an Grünfutter eine genügend große Menge vorhanden: (3) dasjenige Getreide aber, das Cäsar auf der Saine in
Schiffen nachgeführt hatte, konnte er deshalb weniger verwenden, weil die Helvetier von der Saine abgebogen waren, von denen er nicht
weggehen wollte. (4) Von Tag zu Tag zogen die Häduer die Sache hin: man liefere ab, man speichere auf, das Getreide sei da, sagten sie.
(5) Sobald Cäsar einsah, daß er zu lange hingehalten wurde und daß der Tag bevorstand, an dem man den Soldaten ihr Getreide zuteilen
müßte, (14) nachdem Ihre Fürsten zusammengerufen waren, von denen er eine große Menge im Lager hatte, unter diesen Diviciacus und
Liscus, der das nächste Amt verwaltete, den die Häduer Vergobret nennen, der jährlich gewählt wird und Gewalt über Leben und Tod den
Untergebenen gegenüber besitzt (6) klagt er sie schwer an, daß er, obgleich weder gekauft noch von den Feldern genommen werden
könnte, in so gefährlicher Zeit, bei solcher Nähe der Feinde von ihnen nicht unterstützt werde, zumal da er, zu einem großen Teile durch
ihre Bitten veranlaßt, den Krieg unternommen habe, viel schwerer noch beklagt er sich, daß er hintergangen sei.
17.
Jetzt erst bringt Liscus, durch die Rede Cäsars veranlaßt, vor, was er vordem verschwiegen hatte: Es gebe einige, deren Ansehen beim
niederen Volke sehr viel gelte, die als Privatleute größeren Einfluß besäßen als selbst die Behörden. (2) Diese hielten durch aufrührerische
und boshafte Rede die große Masse davon zurück, das Getreide zu liefern, das sie liefern sollten: (3) es sei besser, wenn sie schon die
Führung in Gallien nicht behaupten könnten, das Regiment der Gallier als das der Römer zu ertragen; (4) auch zweifelten sie nicht daran,
daß die Römer, wenn sie die Helvetier überwunden hätten, zusammen mit dem übrigen Gallien den Häduern die Freiheit rauben würden. (5)
Von denselben (Leuten) würden unsere Pläne und was im Lager vor sich gehe den Feinden verraten; diese könnten von ihm nicht im Zaume
gehalten werden. (6) Ja, was er, durch die Notlage gezwungen, Cäsar mitgeteilt habe, so sehe er ein, unter welch großer Gefahr er das
getan habe, und aus diesem Grunde habe er, so lange er gekonnt, geschwiegen.
18.
Cäsar merkte, daß durch diese Rede des Liscus Dumnorix, der Bruder des Diviciacus, gemeint sei, aber, weil er nicht wollte, daß diese
Angelegenheiten in Anwesenheit mehrerer erörtert würden, entläßt er schnell die Versammlung, den Liscus behält er zurück. (2) Er befragt
ihn unter vier Augen über das was er in der Zusammenkunft geäußert hatte. (3) Er äußert sich freier und kühner. Nach dem gleichen
erkundigt sich Cäsar im geheimen bei anderen; er fand, daß es wahr war. Dumnorix selbst sei es, von äußerster Verwegenheit, von großer
Beliebtheit beim niederen Volke wegen seiner Freigiebigkeit und begierig nach Neuerungen (auf Umsturz sinnend). Mehrere Jahre habe er
die Zölle und alle übrigen staatlichen Einkünfte der Häduer für einen geringen Preis gekauft (gepachtet) und zwar deswegen, weil, wenn er
biete, niemand dagegen zu bieten wage. (4) Dadurch habe er sowohl sein persönliches Vermägen vergrößert als auch reiche Mittel zum
Schenken erworben; (5) eine große Zahl Reiterei unterhalte er immer auf eigene Kosten und habe sie um sich, (6) und nicht nur in der
Heimat, sondern auch bei den Nachbarstämmen sei sein Einfluß groß, und dieses Einflußes wegen habe er seine Mutter im Lande der
Bituriger an einen äußerst vornehmen und mächtigen Mann verheiratet, (7) er selbst habe eine Frau aus Helvetien und eine Schwester von
mütterlicher Seite (Stiefschwester) sowie seine (übrigen) weiblichen Verwandten in andere Stämme verheiratet. (8) Wegen dieser
Verwandtschaft sei er den Helvetiern günstig gesinnt und gewogen, er hasse auch aus persönlichen Gründen Cäsar und die Römer, weil
durch ihre Ankunft seine Macht geschwächt und sein Bruder in seine alte Stellung von Gunst und Ansehen wieder eingesetzt worden sei.
(9) Wenn den Römern etwas widerfahre, so komme er in die höchste Hoffnung, mit Hilfe der Helvetier die Königsherrschaft zu erlangen;
unter der Herrschaft des römischen Volkes gebe er die Hoffnung nicht nur auf die Königsherrschaft auf, sondern auch auf die Behauptung
des Einflußes, den er besitze. (10) Cäsar bekam auch bei der Untersuchung nach und nach heraus, daß in dem unglücklichen Reitertreffen
vor wenigen Tagen der Anfang mit seiner Flucht (d. h. mit der in ihm vorgekommenen Flucht) von Dumnorix und seinen Reitern gemacht
worden sei - denn die Reiterei, die die Häduer Cäsar zu Hilfe geschickt hatten, stand unter dem Befehle des Dumnorix; durch deren Flucht
sei die übrige Reiterei erschreckt worden
19.
Nachdem dies in Erfahrung gebracht worden war, da zu diesen Verdachtsgründen die völlig sicheren Tatsachen hinzukamen, daß er die
Helvetier durchs Land der Sequaner geführt habe, daß er unter ihnen habe Geiseln stellen lassen, daß er dies alles nicht bloß ohne seinen
und des Stammes Befehl, sondern sogar ohne ihr Wissen getan habe und daß er von dem Oberhaupts der Häduer (dem Vergobreten)
beschuldigt werde, glaubte Cäsar, es sei genügend Grund vorhanden, daß er gegen ihn entweder selbst einschreite oder dem Stamme
einzuschreiten befehle. (2) Diesen Gründen allen stand nur das eine dagegen, daß er seines Bruders Diviciacus Ergebenheit dem
römischen Volke gegenüber, als die nächste, sein Wohlwollen gegen ihn persönlich als das nächste, seine ausgezeichnete Treue,
Gerechtigkeit und Maßhaltung kennengelernt hatte; denn er fürchtete, durch seine (des Dumnorix) Hinrichtung Diviciacus zu kränken. (3)
Daher läßt er, bevor er etwas unternimmt, Diviciacus zu sich rufen, und nach Entfernung der alltäglichen (d. h. der alltäglich verwendeten)
Dolmetscher bespricht er sich mit ihm durch Vermittlung des Gajus Valerius Procillus, eines Fürsten der Provinz Gallien, eines guten
Freundes von ihm, dem er in allen Dingen das höchste Vertrauen schenkte; (4) zugleich erinnert er daran, was in seiner Gegenwart in der
Versammlung der Gallier über Dumnorix gesagt worden ist, und offenbart, was jeder einzeln über ihn bei ihm gesagt hat. (5) Er bittet und
fordert ihn auf (er bittet ihn dringend), daß er ohne eine Kränkung seinerseits entweder selbst inbetreff seiner (seines Bruders) nach
Untersuchung der Sache beschließen oder dem Stamme zu beschließen befehlen dürfe.
20.
Diviciacus, unter vielen Tränen Cäsar umarmend, begann, ihn zu beschwören, er möge nicht zu streng gegen seinen Bruder vorgehen. (2)
Er wisse, daß jenes wahr sei und niemand empfinde darüber mehr Kummer als er, und zwar deshalb, weil, während er selbst den größten
Einfluß in seiner Heimat und im übrigen Gallien besessen habe, jener wegen seiner Jugend ganz wenig gegolten habe und durch ihn
emporgekommen sei: diese Machtmittel und diesen Einfluß benutze er nicht nur zur Schwächung seines (des Diviciacus) Ansehens,
sondern beinahe zu seinem Verderben. (3) Er jedoch lasse sich durch Bruderliebe und die Meinung des Volkes bewegen (d. h. zum Mitleid).
(4) Wenn ihm nun etwas zu Schweres von Cäsar widerfahre, obgleich er selbst diese freundschaftliche Stellung bei ihm einnehme, werde
niemand glauben, es sei nicht mit seinem Willen geschehen; die Folge davon werde sein, daß sich des gesamten Galliens Gesinnung (d. h.
alle Gallier) von ihm abwenden würde. Als er dies mit mehr Worten weinend von Cäsar erbat, ergreift dieser seine Rechte; er tröstet und
bittet ihn, seinem Bitten ein Ende zu machen; er weist darauf hin, daß ihm seine Beliebtheit bei ihm so viel gelte, daß er sowohl das Unrecht
(des Dumnorix) dem (römischen) Staate gegenüber als auch seine persönliche Kränkung seinem (des Diviciacus) Wunsche und seiner
Fürbitte gleichsam schenke (d. h. seinem Wunsche und seiner Fürbitte zuliebe verzeihen) (6) Dumnorix ruft er zu sich; den Bruder zieht er
hinzu; was er an ihm zu tadeln hat, legt er dar; was er selbst wahrnimmt, worüber sich der Stamm beschwert, tut er ihm kund; für die
Zukunft möge er alle Veranlassungen zu Verdacht vermeiden; das Vergangene, so erklärt er, verzeihe er dem Bruder Diviciacus zuliebe.
Dem Dumnorix stellt er Wächter (heimliche Beobachter), damit er, was er tut, mit wem er sich bespricht, wissen kann.
21.
An demselben Tage von Aufklärern benachrichtigt, die Feinde hätten am Fuße eines Berges eine Stellung bezogen, 8000 Doppelschritt (12
km) von seinem eigenen Lager entfernt, schickte er Leute aus, die erkunden sollten, wie beschaffen die Natur des Berges und wie
beschaffen ringsum der Anstieg sei. Es wurde zurückgemeldet, er sei leicht. (2) Cäsar befiehlt dem Titus Labienus, seinem
stellvertretenden Legaten, noch während der dritten Nachtwache (24 - 3 Uhr) mit zwei Legionen und unter Führung derer, die den Weg
erkundet hatten, den Gipfel des Berges zu ersteigern was sein Plan ist, erklärt er. (3) Er selbst rückt noch während der vierten Nachtwache
(3 - 6 Uhr) auf demselben Wege, auf dem die Feinde gezogen waren, gegen sie in Eile an und schickt die gesamte Reiterei vor sich her. (4)
Publius Considius, der als sehr erfahren im Kriegswesen galt und im Heere des Lucius Sulla und danach in dem des Marcus Grassus
gedient hatte, wird mit Aufklärern vorausgeschickt.
22.
Bei Tagesanbruch, als der Gipfel des Berges von Labienus besetzt gehalten wurde, Cäsar selbst vom Lager der Feinde nicht weiter als
l500 Doppelschritte (etwas über 2 km) entfernt war und, wie er später von Gefangenen erfuhr, weder seine Ankunft noch die des Labienus
erkannt worden war, (2) kommt Considius in vollem Galopp zu ihm gesprengt und meldet, der Berg, von dem er gewollt habe, daß er von
Labienus besetzt werde, werde von den Feinden (besetzt) gehalten; das habe er an den gallischen Waffen und Abzeichen erkannt. (3) Cäsar
läßt seine Truppen auf den nächsten Hügel rücken, stellt sie in Schlachtordnung auf. Labienus wartete nach Besetzung des Berges auf die
Unsrigen und enthielt sich des Kampfes, wie ihm von Cäsar befohlen war, nicht anzugreifen, wenn nicht seine (Cäsars) Truppen in der Nähe
des Lagers der Feinde gesehen worden wären, damit von allen Seiten die Feinde gleichzeitig angegriffen würden. (4) Spät am Tage erfuhr
Cäsar schließlich durch Aufklärer sowohl, daß der Berg von seinen Leuten besetzt gehalten werde, als auch, daß die Helvetier
weitergezogen seien und daß Considius, durch Angst erschreckt (in seiner Bestürzung), was er nicht gesehen habe, als gesehen ihm
gemeldet habe. (5) An diesem Tage rückt Cäsar in dem Abstand, in dem er es gewohnt war, den Feinden nach und schlägt 3 000
Doppelschritte (4,5 km) von ihrem Lager entfernt sein Lager auf.
23.
Am Tage nach diesem Tage glaubte Cäsar, weil überhaupt nur noch zwei Tage übrig waren, bis man dem Heere das Getreide zumessen
mußte, und weil er von Bibracte, (1) der weit größten und reichsten Stadt der Häduer als 1 8 000 Doppelschritte (27 km) entfernt war, für
die Verpflegung sorgen zu müssen; er bog von den Helvetiern ab und zog in Eile auf Bibracte (15) zu. (2) Das wird durch Flüchtlinge des
Lucius ämilius, eines Zugführers der gallischen Reiter, den Feinden gemeldet. (3) Die Helvetier, sei es, weil sie glaubten, daß die Römer
sich aus Furcht von ihnen absetzten, um so mehr, weil sie tags zuvor, obgleich sie die Höhen besetzt hatten, nicht angegriffen hatten, oder
sei es deshalb, weil sie darauf vertrauten, daß sie (die Römer) von der Verpflegung abgeschnitten werden konnten, änderten ihren Plan,
machten kehrt und begannen, die Unsrigen von der Nachhut her zu verfolgen und anzugreifen.
24.
Nachdem Cäsar dies bemerkt hat, führt er seine Truppen auf den nächsten Hügel und schickte die Reiterei vor, die den Angriff der Feinde
auffangen sollte. (2) In der Zwischenzeit stellte er auf halber Höhe des Hügels die dreifache Schlachtreihe seiner vier alten Legionen auf (d.
h. er ließ seine vier alten Legionen in drei Treffen aufmarschieren), aber oben auf dem Hügel befahl er die zwei Legionen aufzustellen, die
er im diesseitigen Gallien ganz vor kurzem ausgehoben hatte, (3) sowie alle Hilfstruppen, und den ganzen Berg von Menschen dicht zu
besetzen und das ganze Gepäck inzwischen an eine Stelle zu schaffen und sie von diesen (d. h. von den eben genannten zwei neuen
Legionen) zu sichern. (4) Die Helvetier, die mit allen ihren Karren gefolgt waren, brachten ihren Troß an eine Stelle; (5) in dichtgedrängter
Schlachtstellung warfen sie unsere Reiterei zurück, bildeten eine Phalanx (Schlachthaufen, mehrere Glieder, tiefe Schlachtordnung der
Gallier und Germanen, die Schilde des ersten Gliedes wurden mit den Rändern übereinandergelegt) und rückten gegen unser erstes
Treffen von unten an.
25.
Cäsar ließ zuerst sein Pferd, dann die Pferde aller aus dem Gesichtskreise entfernen, um die Gefahr aller gleich zu machen und die
Aussicht zu nehmen, feuerte seine Leute an und begann den Kampf. (2) Die Soldaten durchbrachen (rissen Lücken) ohne Mühe mit ihren
von oben geworfenen Pilen (Wurfspeere, etwa 4,5 m lange und 1 kg schwere Holzschäfte mit Eisenspitze) die Phalanx der Feinde. (3)
Nachdem diese gesprengt war, machten sie mit gezückten Schwertern einen Angriff auf sie (die Helvetier). Diesen war es für den Kampf
ein großes Hindernis, daß, wenn mehrere ihrer Schilde durch einen Pilenwurf durchbohrt und aneinandergeheftet waren, da sich die
Eisenspitze umgebogen hatte und sie es weder herausreißen noch infolge der Verhinderung ihrer Linken nicht ordentlich kämpfen konnten,
(4) so daß viele, nachdem der Arm lange geschüttelt worden war, es vorzogen, den Schild wegzuwerfen und mit ungedecktem Körper zu
kämpfen. (5) Schließlich begannen sie, von Wunden erschöpft, zu weichen und, weil ein Berg in der Nähe war, in einer Entfernung von etwa
1 000 Doppelschritten (1,5 km), sich dorthin zurückzuziehen. (6) Als der Berg besetzt war und die Unsrigen von unten nachrückten, griffen
die Bojer und die Tulinger(in der Nordschweiz), die mit ungefähr 15 000 Mann den Zug der Feinde schlossen und der Nachhut zur Deckung
dienten, unmittelbar vom Marsch aus auf der ungedeckten (rechten) Seite an und suchten sie zu umzingeln, und das gesehen habend,
begannen die Helvetier, die sich auf den Berg zurückgezogen hatten, wiederum vorzudringen und den Kampf zu erneuern. (7) Die Römer
trugen die gewendeten Feldzeichen nach zwei Seiten (d. h. machten eine Schwenkung und griffen nach zwei Seiten hin an): das erste und
zweite Treffen, um den Geschlagenen und Zurückgeworfenen (d. h. den Helvetiern) Widerstand zu leisten, das dritte, um die Anrückenden
aufzuhalten.
26.
So wurde in einer Doppelschlacht lange und hitzig gekämpft. Als sie die Angriffe der Unsrigen nicht länger aushalten konnten, zogen sich
die einen, wie sie begonnen hatten, auf den Berg zurück, die anderen begaben sich zum Gepäck und ihren Karren. (2) Denn in dieser
ganzen Schlacht hat, obwohl von der 7. Stunde (gegen Mittag) bis gegen Abend gekämpft worden ist, einen fliehenden Feind niemand sehen
können. (3) Bis in die tiefe Nacht wurde auch beim Gepäck gekämpft, deshalb weil sie die Karren statt eines Walles entgegengestellt (eine
Wagenburg aus den Karren gebildet) hatten und von dem höheren Orte aus auf die anrückenden Unsrigen schossen und weil einige aus den
Zwischenräumen der Karren und Räder ihre Wurfspeere und Wurfspieße von unten her schleuderten und (die Unsrigen) verwundeten. (4)
Als lange gekämpft worden war, bemächtigten sich die Unsrigen des Gepäcks und des Lagers. (5) Hier wurden die Tochter der Orgetorix
und einer seiner Söhne gefangengenommen. Aus dieser Schlacht blieben ungefähr 130000 Menschen übrig, und sie zogen noch in dieser
ganzen Nacht ohne Aufenthalt weiter; nachdem der Marsch auch keinen Toll der Nacht ausgesetzt worden war, gelangten sie am vierten
Tage ins Gebiet der Ligoner (ins Quellgebiet der Maas und Mame; Hauptstadt Andematunnum, später Lingones, daher Langres), da die
Unsrigen sowohl wegen der Wunden der Soldaten (wegen der Verwundeten) als auch wegen der Bestattung der Gefallenen einen
Aufenthalt von drei Tagen gehabt und ihnen nicht hatten folgen können. (6) Cäsar schickte zu den Lingonen Boten mit einem Schreiben, sie
möchten sie (die Helvetier) nicht mit Getreide und nicht mit etwas anderem unterstützen; andernfalls (wenn sie sie unterstützt hätten)
werde er sie auf dieselbe Weise wie die Helvetier behandeln. Er selbst begann nach Verlauf von drei Tagen mit allen Truppen diesen zu
folgen.
27.
Die Helvetier, durch Mangel an allem bewogen, schickten Gesandte betreffs Unterwerfung an ihn (Cäsar). (2) Als diese ihn auf dem
Marsche getroffen und sich ihr(i zu Füßen geworfen hatten und er ihnen befohlen hatte an derjenigen Stelle, wo sie jetzt seien, auf sein
Kommen zu warten, gehorchten sie. (3) Nach dem Cäsar dorthin gelangt war, verlangte er Geiseln, ihre Waffen und die Sklaven, die zu
ihnen übergelaufen seien. (4) Während dies zusammengesucht und zusammengebracht wurde und es inzwischen Nacht geworden war,
verließen etwa 6000 Mann desjenigen Gaues, der Verbigenus heißt, zu Beginn der Nacht das Lager der Helvetier und zogen in Eile nach
dem Rheins und dem Gebiete der Germanen, sei es aus Furcht, daß sie nach Ablieferung der Waffen niedergemacht würden, oder sei es
durch die Aussicht auf Rettung bewogen, weil sie glauben mochten, daß bei der so großen Menge der Unterworfenen ihre Flucht entweder
verborgen bleiben oder überhaupt nicht gemerkt werden könne.
28.
Sobald Cäsar dies erfuhr, befahl er denen, durch deren Gebiet sie gezogen waren, sie sollten sie aufgreifen und zu ihm zurückführen, wenn
sie in seinen Augen gerechtfertigt sein wollten. (2) Die Zurückgeführten behandelte er als Feinde; die übrigen alle nahm er nach
Auslieferung der Geiseln, Waffen und überläufer als Untertanen auf. (3) Den Helvetiern, Tulingern und Latovicern (oder Latobrigern; die
T. u. L. geographisch unbestimmbar) befahl er, in die Gebiete, von wo sie ausgezogen waren, zurückzukehren, und weil nach Verlust aller
Feldfrüchte in der Heimat nichts war, womit sie den Hunger ertragen konnten, wies er die Allobroger an, sie sollten ihnen Gelegenheit zu
Getreide geben (sie mit Getreide unterstützen), ihnen selbst befahl er, die Städte und Dörfer, die sie eingeäschert hatten,
wiederaufzubauen. (4) Das tat er hauptsächlich aus dem Grunde, weil er nicht wollte, daß der Raum, aus dem die Helvetier weggezogen
waren, freibleibe, damit nicht wegen der guten Beschaffenheit des Bodens die Germanen, die jenseits des Rheines wohnen, aus ihrem
Gebiete herüberkämen und dann der Provinz Gallien und den Allobrogern benachbart wären. (5) Den Häduern gestattete er auf ihre Bitte,
die Bojer, weil sie durch hervorragende Tapferkeit bekannt waren, in ihrem Lande anzusiedeln; diesen gaben jene Grund und Boden, und
später nahmen sie sie in das gleiche Verhältnis von Recht und Unabhängigkeit auf (gewährten sie ihnen die Gleichberechtigung und
Unabhängigkeit), in dem sie selbst standen.
29.
Im Lager der Helvetier fand man Listen in griechischer Schrift (mit griechischen Buchstaben hergestellt, in gallischer Sprache) und brachte
sie zu Cäsar. Auf diesen Listen war ein Verzeichnis unter Angabe von Namen zusammengestellt, welche Zahl ausgewandert sei von
denjenigen, die Waffen tragen könnten und ebenso gesondert die Jugendlichen, die Alten und die Frauen. (2) Aller dieser Rubriken
Gesamtzahl waren 263000 Helvetier, 36000 Tulinger, 14000 Latovicer, 23000 Rauricer und 32000 Bojer, unter diesen an die 92000, die
Waffen ragen konnten. (3) Die Gesamtzahl war etwa 368000. Von denen, die in die Heimat zurückkehrten, wurde, als eine Zählung
angestellt wurde, wie Cäsar befohlen hatte, eine Zahl von 110000 ermittelt.
30.
Nachdem der Krieg mit den Helvetiern beendet war, fanden sich Gesandte fast ganz Galliens, die Fürsten der Stämme, bei Cäsar ein, um
ihre Glückwünsche zu bringen. (2) Sie sähen ein, (sagten sie,) daß, obgleich er für die alten Übergriffe der Helvetier gegen das römische
Volk von ihnen durch den Krieg Buße gefordert habe, (3) dies dennoch nicht weniger vorteilhaft für das Land Gallien als für das römische
Volk sich ereignet habe, und zwar deshalb, weil die Helvetier trotz der blühendsten Verhältnisse ihre Heimat verlassen hätten, in der
Absicht, ganz Gallien mit Krieg zu überziehen, sich der Herrschaft zu bemächtigen, aus dem großen Bereiche die Gegend als Wohnsitz
auszuwählen, die sie von ganz Gallien für die günstigste und fruchtbarste hielten, und die übrigen Stämme alle als tributpflichtige zu haben.
(4) Sie baten darum, es möchte ihnen erlaubt sein, einen Landtag ganz Galliens für einen bestimmten Termin anzusagen und das mit Cäsars
Genehmigung zu tun; sie hätten etliches (gewisse Sachen), worum sie ihn auf Grund allgemeiner Zustimmung bitten wollten. (5) Nachdem
dies erlaubt worden war, setzten sie einen Termin für den Landtag fest und bestimmten feierlich durch einen Eid untereinander, daß
niemand eine Aussage machen sollte (über die Verhandlungen) außer denen, die auf gemeinsamen Beschluß den Auftrag dazu erhielten.
31.
Nachdem dieser Landtag entlassen worden war, kehrten dieselben Stammesfürsten, die vorher dagewesen waren, zu Cäsar zurück und
baten darum, daß es ihnen erlaubt sein möchte, mit ihm ohne Zeugen über ihr eigenes Heil und das aller zu verhandeln. (2) Als sie das
erreicht hatten, warfen sie sich alle weinend Cäsar zu Füßen. Ihr Streben und ihre Sorge (erklärte, sie,) seien nicht weniger darauf
gerichtet, daß das, was sie sagten, nicht verraten werde, als darauf, daß sie das, was sie wollten, erlangten. Deswegen weil sie sähen, daß
sie, wenn ein Verrat stattfinde, der schlimmsten Marter entgegengehen würden. (3) Für sie führte der Häduer Diviciacus das Wort:
Gesamtgallens Parteien seien an Zahl zwei; die Führung der einen hätten die Häduer inne, die der anderen die Aärnä. (4) Als diese so
erbittert um die Vormachtsstellung unter sich viele Jene stritten, sei es dahin gekommen, daß von den Arvernern und Sequanern
Germanen als Söldner herbeigeholt wurden (um 70 v. u. Z.). (5) Von diesen hätten zuerst etwa 15000 den Rhein überschritten; nachdem die
wilden und barbarischen Gesellen an Land, Lebensweise und Wohlstand der Gallier Geschmack gefunden hätten, seien noch mehr
herübergebracht worden; jetzt seien in Gallien an die 120000. (6) Mit diesen hätten sich die Häduer und ihre Klienten zu wiederholten
Malen im Kampfe gemessen; geschlagen hätten sie eine schwere Niederlage erlitten; ihren gesamten Adel, ihren gesamten Rat und ihre
gesamte Ritterschaft hätten sie eingebüßt. (7) Durch diese Kämpfe und Niederlagen gebrochen (geschwächt) seien sie, die sowohl durch
ihre Tapferkeit als auch durch ihre Gast- und Staatsfreundschaft mit dem römischen Volke den größten Einfluß vorher in Gallien gehabt
hätten, gezwungen worden, die Vornehmsten ihres Stammes den Sequanern als Geiseln zu geben und ihren Stamm durch einen Eid zu
verpflichten, weder die Geiseln zurückzuverlangen noch das römische Volk um Hilfe anzuflehen noch sich zu weigern, unter der dauernden
Botmäßigkeit und Herrschaft jener (der Sequaner) zu stehen. (8) Er (Diviciacus) sei der einzige aus dem gesamten Stamme der Häduer,
der nicht habe veranlaßt werden können, den Eid zu leisten oder seine Kinder als Geiseln zu geben. (9) Deswegen sei er aus dem Stamme
geflohen und nach Rom zum Senate gekommen, um Hilfe zu verlangen, weil er allein weder durch einen Eid noch durch Geiseln gebunden
sei. (10) Aber schlimmer sei es den siegreichen Sequanern als den besiegten Häduern ergangen, deswegen weil sich Ariovist, der König der
Germanen, in ihrem Gebiet festgesetzt und ein Drittel des Sequanerlandes, das das beste ganz Galliens sei, besetzt habe und jetzt den
Sequanern befehle, das zweite Drittel zu räumen, deswegen weil wenige Monate zuvor 24000 Mann, Haruden zu ihm gekommen seien,
denen Raum und Wohnsitze verschafft würden. (11) Innerhalb weniger Jahre würden sie alle aus dem Lande Gallien vertrieben werden und
alle Germanen den Rhein überschreiten; denn weder dürfe man das gallische Land mit dem der Germanen vergleichen noch die
Lebensweise hier mit der dort (noch diese Lebensweise mit jener). (12) Ariovist aber führe, nachdem er einmal die Scharen der Gallier im
Kampfe besiegt habe - ein Treffen, das bei Magetobriga (Lage unbekannt) geliefert worden sei - ein stolzes und grausames Regiment,
verlange die Kinder gerade des höchsten Adels als Geiseln und vollziehe an ihnen alle Arten von Strafen und Martern, wenn etwas nicht
nach seinem Wink und Willen geschehen sei. (1 3) Er sei ein roher, jähzorniger und leidenschaftlicher Mensch; es sei unmöglich, sein
Regiment noch länger zu ertragen. (14) Es sei denn, daß bei Cäsar und dem römischen Volke etwas Hilfe zu finden sei, sonst müßten alle
Gallier dasselbe tun, was die Helvetier getan hätten: sie müßten von daheim auswandern, eine andere Heimat, andere Wohnsitze, fern von
den Germanen, aufsuchen und ihr Glück, wie es auch ausfalle, versuchen. (15) Wenn dies Ariovist verraten worden sei, so zweifele er
(Diviciacus) nicht, daß er (Ariovist) an allen Geiseln, die bei ihm seien, die martervollste Todesstrafe vollziehen werde. (16) Cäsar sei
imstande, sei es durch sein und seines Heeres Ansehen oder sei es durch seinen jüngst errungenen Sieg oder sei es durch den Ruf des
römischen Volkes, davon abzuschrecken, daß eine noch größere Menge Germanen, über den Rhein herübergebracht werde, und ganz
Gallien vor der Gewalttätigkeit Ariovists zu schützen.
32.
Nachdem diese Rede von Diviciacus gehalten worden war, begannen alle, die anwesend waren, unter lautem Weinen Cäsar um Hilfe zu
bitten. (2) Cäsar bemerkte, daß als die einzigen von allen die Sequaner nichts von dem taten, was die übrigen taten, sondern traurig
gesenkten Hauptes zu Boden blickten. (3) Was der Grund davon sei, fragte sie Cäsar verwundert. (4) Die Sequaner antworteten nichts,
sondern verharrten schweigend in derselben Traurigkeit. Als er sie noch öfter fragte und überhaupt kein Wort herausbringen konnte,
antwortete derselbe Häduer Diviciacus: (5) Dadurch sei das Geschick der Sequaner bedauernswerter und druckender als das der anderen,
weil sie allein nicht einmal im geheimen zu klagen oder um Hilfe zu flehen wagten, und vor der Grausamkeit des abwesenden Ariovist
schauderten, als wenn er persönlich da sei, (6) deswegen weil den anderen doch wenigstens die Gelegenheit zur Flucht sich biete, die
Sequaner aber, die Ariovist innerhalb ihres Gebietes aufgenommen hätten und deren Städte alle in seiner Gewalt seien, alle Quälereien
ertragen müßten.
33.
Nachdem Cäsar, dies erfahren hatte, sprach er den Galliern Mut zu und versprach, er werde sich die Sache angelegen sein lassen: er hege
große Hoffnung, daß Ariovist, durch seine Gunstbezeugung und sein Ansehen bewogen, seinen Gewalttätigkeiten ein Ende lachen werde.
(2) Nachdem diese Rede gehalten worden war, entließ er die Versammlung. Und nächst dem bestimmte ihn vielerlei, weswegen er glaubte,
daß er diese Sache in Erwägung ziehen und in die Hand nehmen müsse, besonders weil er sah, daß die Häduer, die zu wiederholten Malen
vom Senate Brüder und Blutsverwandte genannt worden seien, in der Knechtschaft und unter der Botmäßigkeit der Germanen gehalten
wurden, und weil er wahrnahm, daß Geiseln von ihnen bei Ariovist und den Sequanern waren; das, so glaubte er, sei bei der so großen
Macht des römischen Volkes höchst schimpflich für ihn und den Staat. (3) Daß allmählich aber die Germanen sich daran gewöhnten, den
Rhein zu überschreiten, und, daß eine große Menge von ihnen nach Gallien komme, betrachtete er als gefährlich für das römische Volk. (4)
Auch war er der Meinung, die wilden und rohen Gesellen würden, wenn sie ganz Gallien in Besitz genommen hätten, sich nicht enthalten
können, wie es ehedem die Cimbern und Teutonen getan hätten, in die Provinz auszurücken (einzufallen) und von dort in Eile nach Italien zu
ziehen, zumal da die Sequaner von unserer Provinz nur die Rhone trenne; diesen Gefahren glaubte er so rasch wie möglich vorbeugen zu
müssen, (5) Ariovist selbst aber hatte einen solchen Hochmut und eine solche Anmaßung angenommen, daß er unerträglich schien.
34.
Deshalb beschloß Cäsar, Gesandte zu Ariovist zu schicken, die von ihm verlangen sollten, er möchte irgend einen Platz in der Mitte
zwischen ihnen beiden zu einer Unterredung auswählen; er wolle mit ihm über eine staatliche Angelegenheit und über für beide höchst
wichtige Fragen verhandeln. (2) Dieser Gesandtschaft antwortete Ariovist: Wenn er selbst etwas von Cäsar haben wolle, so wäre er zu ihm
gekommen; wenn Cäsar etwas von ihm wolle, so müsse er zu ihm kommen. (3) Außerdem wage er es weder ohne ein Heer in diejenigen
Teile Galliens zu kommen, die Cäsar in Besitz habe, noch könne er ein Heer ohne große Zufuhr und Anstrengung an einem Punkte
zusammenziehen. (4) Ihm aber komme es merkwürdig vor, was in seinem Gallien, das er im Kriege besiegt habe, entweder Cäsar oder das
römische Volk überhaupt zu schaffen habe.
35.
Nachdem diese Antwort Cäsar hinterbracht worden war, schickt er nochmals Gesandte zu Ariovist mit folgenden Aufträgen: (2) Weil er
denn, obgleich durch seine und des römischen Volkes so große Gunst ausgezeichnet, da er während seines Konsulates König und Freund
vorn Senate genannt worden sei, ihm und dem römischen Volke diesen Dank abstattete, daß er, aufgefordert, zu einer Unterredung zu
kommen sich weigere und nicht dar Ansicht sei, daß er über eine gemeinsame Angelegenheit sprechen und davon Kenntnis nehmen müsse,
so sei es folgendes, was er von ihm fordere: (3) erstens, daß er keine Menge Menschen mehr über den Rhein nach Gallien führe, sodann,
daß er die Geiseln, die er von den Häduern habe, zurückgebe und den Sequanern erlaube, daß es ihnen freistelle, diejenigen, welche sie
hätten, mit seinem Einverständnis jenen zurückzugeben; auch solle er die Häduer nicht durch Gewalttätigkeit reizen und sie und ihre
Bundesgenossen nicht mit Krieg überziehen. (4) Wenn er dies so tue, werde für ihn (Cäsar) und das römische Volk dauernde Gunst und
Freundschaft mit ihm bestehen; wenn er (Cäsar) nichts erreiche, so werde er, da ja unter dem Konsulate des Marcus Messala und Marcus
Piso der Senat beschlossen habe (61 v. u. Z.), daß, war auch immer die Provinz Gallien verwalte, die Häduer und die übrigen Freunde des
römischen Volkes schützen solle, soweit er es ohne Gefährdung des Staates tun könne, die Gewalttätigkeiten gegen die Häduer nicht
ungeahndet lassen.
36.
Darauf antwortete Ariovist: Es sei Kriegsrecht, daß diejenigen, die gesiegt hätten, denjenigen, die sie besiegt hätten, geböten, wie sie
wollten; ebenso pflege das römische Volk nicht nach der Vorschrift eines anderen, sondern nach seinem eigenen Gutdünken zu gebieten.
(2) Wenn er selbst dem römischen Volke nicht vorschreibe, wie es sein Recht auszuüben habe, so dürfe er auch vom römischen Volke in
seinem Rechte nicht gehindert werden. (3) Die Häduer seien ihm, da sie das Kriegsglück versucht und gekämpft hätten und überwunden
worden seien, tributpflichtig geworden. (4) Cäsar begehe ein großes Unrecht, da er ihm wodurch seine Ankunft die Steuereinkünfte
geringer mache (schmälere). (5) Den Häduern werde er die Geiseln nicht zurückgeben, doch werde er weder mit ihnen noch mit ihren
Bundesgenossen zu Unrecht Krieg anfangen, wenn sie bei dem verharrten, worüber man sich geeinigt habe, und ihm jährlich ihren Tribut
zahlten; täten sie das nicht, so werde ihnen der Brudertitel des römischen Volkes sehr wenig nützen. (6) Wenn Cäsar ihm ankündige, er
werde Gewalttätigkeiten gegen die Häduer nicht ungeahndet lassen, (so möge er wissen,) noch niemand habe mit ihm ohne sein Verderben
gekämpft. (7) Wenn er Lust habe, solle er nur kämpfen: er werde merken, was unbesiegte Germanen, überaus in den Waffen geübt, die
vierzehn Jahre lang unter kein Dach gekommen seien, durch Tapferkeit zu leisten vermochten.
37.
Zu ebenderselben Zeit wurde Cäsar dieser Bescheid (wörtl.: Plural) gebracht, und es kamen Gesandte von den Häduern und den
Treverern: (2) die Häduer, um sich zu beklagen, daß die Haruden, die unlängst nach Gallien herübergebracht worden seien, ihr Land
verwüsteten; sie hätten nicht einmal durch Stellung von Geiseln den Frieden mit Ariovist erkaufen können; (3) die Treverer aber (brachten
die Kunde), daß sich hundert Gaue der Sueben an den Ufern des Rheines festgesetzt hätten, die den Versuch machten, den Rhein zu
überschreiten; an der Spitze dieser ständen die Brüder Nasua und Cimberius. (4) Hierdurch stark beunruhigt, glaubte Cäsar sich beeilen zu
müssen, damit nicht, wenn sich die neuen Scharen der Sueben mit den alten Streitkräften Ariovists vereinigt hätten, weniger leicht
Widerstand geleistet werden könne. (5) Nachdem daher die Verpflegung möglichst schnell beschafft worden war, zog er in Eilmärschen
Ariovist entgegen.
38.
Als er einen Weg in drei Tagen vorgerückt war, wurde ihm gemeldet, Ariovist beeile ich mit alten seinen Truppen, um Vesentio zu
besetzen, welches die größte Stadt der Sequaner ist, und sei drei Tagesmärsche von seinem Lande aus vorgerückt. (2) Daß das geschehe,
glaubte Cäsar energisch verhüten zu müssen (3) Denn von allen Dingen, die für den Krieg von Nutzen sind, war in dieser Stadt der nächste
Vorrat, (4) und durch ihre natürliche Lage war sie so fest, daß sie eine günstige Gelegenheit bot, den Krieg in die Länge zu ziehen,
deswegen, weil der Doubs, wie mit einem Zirkel herumgezogen, fast die ganze Stadt umgibt; (5) die übrige Strecke, wo der Fluß aussetzt -
sie ist nicht länger als 1 600 Fuß (480 m) - nimmt ein Berg von großer Höhe ein, und zwar in der Weise, daß den Fuß des Berge auf beiden
Seiten die Flußufer berühren. (6) Diesen (Berg) macht eine umgeführte Mauer zu einer Burg und verbindet ihn mit der Stadt. (7) Hierher
zieht Cäsar in Eilmärschen Nacht und bei Tage, und nachdem er die Stadt besetzt hat, legt er eine Besatzung hinein.
39.
Während Cäsar wenige Tage bei Vesontio der Verpflegung und Zufuhr wegen verweilte, befiel infolge der Erkundigung der Unsrigen und
der Aussagen der Gallier und Kaufleute, die von der ungeheuren Körpergröße der Germanen, der unglaublichen Tapferkeit und übung in
den Waffen viel Rühmens machten wiederholten Malen seien sie, so sagten sie, mit ihnen zusammengestoßen und hätten nicht einmal ihre,
Gesichtsausdruck und das Feuer ihrer Augen ertragen können - plötzlich eine so große Furcht das ganze Heer, daß sie in nicht geringem
Grade aller Denken und Wollen in Verwirrung brachte. (2) Diese (Furcht) entstand zuerst bei den Kriegstribunen, den Präfekten und den
übrigen, die aus der Stadt (aus Rom) freundschaftshalber Cäsar gefolgt waren, aber keine große Erfahrung im Kriegswesen besaßen: (3)
von diesen bat der eine aus diesem, der andere aus jenem vor gebrachten Grunde, von dem er sagte, daß er für ihn zur Abreise zwingend
sei, daß es ihm mit seinem Einverständnis erlaubt sein möge heimzukehren; nur einige wollten bleiben, durch Schamgefühl bewogen, um
den Verdacht der Furcht zu vermeiden. (4) Diese konnten weder ihre Miene verstellen noch sich zuweilen der Tränen enthalten. Verborgen
in ihren Zelten klagten sie entweder über ihr persönliches Geschick, oder zusammen mit ihren vertrauten Freunden jammerten sie über die
gemeinsame Gefahr. (5) Allenthalben im ganzen Lager versiegelte man Testamente. Durch deren Gerede und Furcht gerieten allmählich
auch diejenigen, die große Erfahrung im Kriegsdienste hatten, Soldaten, Zenturionen sowie die die Reiterei befehligten, in Verwirrung. (6)
Diejenigen von ihnen, die für weniger furchtsam gehalten werden wollten, sagten, sie fürchteten nicht den Feind, sondern die Enge der
Wege und die Größe der Wälder, die zwischen ihnen und Ariovist lägen, oder (äußerten ihre Befürchtung), daß der Proviant nicht leicht
genug herangebracht werden könne. (7) Einige hatten Cäsar auch gemeldet, daß, wenn er den Befehl gebe aufzubrechen und
weiterzumarschieren, die Soldaten dem Befehle nicht Folge leisten und aus Furcht nicht weiterziehen würden.
40.
Als Cäsar dies wahrgenommen hatte, berief er eine Heeresversammlung ein unter Hinzuziehung der Zenturionen aller Rangstufen zu
dieser Versammlung und machte ihnen (den Versammelten) heftige Vorwürfe: zuerst darüber, daß sie fragen oder darüber nachdenken zu
müssen glaubten, wohin oder in welcher Absicht sie geführt wurden. (2) Ariovist habe unter seinem Konsulat sehr begierig nach der
Freundschaft des römischen Volkes gestrebt; warum jemand meinen sollte, daß er so ohne Grund seiner Pflicht werde untreu werden? (3)
Er für seine Person gewinne die überzeugung, daß Ariovist, wenn er von seinen Forderungen Kenntnis genommen und die Billigkeit seiner
Bedingungen erkannt habe, weder seine noch des römischen Volkes Gunst zurückweisen werde. (4) Wenn er aber, von Raserei und
Verblendung getrieben, Krieg anfange, was in aller Welt hätten sie zu fürchten. Oder warum sie an ihrer eigenen Tapferkeit oder an seiner
Umsicht verzweifelten. (5) Bestanden sei mit diesem Feinde die Probe zur Zeit der Väter, damals, als Gajus Marius die Cimbem und
Teutonen geschlagen und das Heer sich offenbar nicht geringeren Ruhm als der Feldherr erworben hat; bestanden sei sie auch unlängst (73
- 71 v. u. Z.) in Italien zur Zeit des Aufstandes der Sklaven, die doch die übung und Kriegszucht, die sie bei uns gelernt, einigermaßen
unterstützten. (6) Danach könne man beurteilen, wieviel Gutes Unerschrockenheit in sich habe, deshalb, weil sie diejenigen, die sie eine
Zeitlang ohne Grund als ungenügend Bewaffnete gefürchtet hätten, später als vollständig Bewaffnete und als Sieger überwunden hätten. (7)
Endlich sei dies derselbe Feind, mit dem die Helvetier zu wiederholten Malen gekämpft und den sie nicht nur in ihrem eigenen, sondern
auch in seinem Lande meistenteils überwunden hätten, der doch unserem Heere nicht habe gewachsen sein können. (8) Wenn manche das
ungünstige Treffen und die Flucht der Gallier beunruhige, so könnten sie, wenn sie nachforschten, finden, daß diese (die Gallier), als sie
durch die lange Dauer des Krieges erschöpft wren, Ariovist, nachdem er viele Monate lang im Lager und hinter Sümpfen geblieben sei und
nicht Gelegenheit gegeben habe, ihn zu fassen, plötzlich angegriffen habe, sie, die schon nicht mehr mit einem Kampfe rechneten und sich
(deshalb schon) zerstreut hatten, und so mehr durch kluge Berechnung und Kriegslist als durch Tapferkeit gesiegt habe. (9) Daß durch
diese Methode, die wilden und unerfahrenen Menschen gegenüber am Platze sei, unsere Heere getäuscht werden könnten, glaube er
(Ariovist) auch selbst nicht. (10) Diejenigen ferner, die ihre Furcht auf den Vorwand der Getreidebeschaffung und der Engen des Weges
schöben, handelten anmaßend, da sie entweder nicht an die Pflichterfüllung des Feldherrn (Cäsars) zu glauben oder Vorschriften zu machen
schienen. (11) Das sei seine Angelegenheit. Getreide lieferten die Sequaner, Leuker und Lingoner, und schon sei das Getreide auf den
Feldern reif. über den Weg würden sie selbst in kurzer Zeit urteilen (können). (12) Wenn man von ihnen sage, daß sie den Gehorsam
verweigern und nicht weiter mitziehen würden, so mache das auf ihn gar keinen Eindruck; er wisse nämlich, wenn auch immer ein Heer den
Gehorsam verweigert habe, der betreffende habe entweder einen Mißerfolg erlitten und kein Glück mehr gehabt oder durch
Bekanntwerden einer schlimmen Tat der Habsucht überführt worden sei, (13) seine Uneigennützigkeit aber sei sein ganzes Leben hindurch,
sein Glück im Kriege mit den Helvetiern erkannt worden. (14) Daher werde er, was er auf einen späteren Termin habe aufschieben wollen,
sofort ausfahren und in der nächsten Nacht, noch während der vierten Nachtwache (3 - 6 Uhr) aufbrechen, damit er so bald wie möglich
erkennen könne, ob, bei ihnen Scham- und Pflichtgefühl oder Furcht überwiege. (15) Sollte ihm nun auch sonst niemand folgen, so werde er
dennoch mit der zehnten Legion allein, an welcher er nicht zweifle, marschieren, und sie werde ihm seine Leibgarde sein. - Dieser Legion
hatte Cäsar eine ganz besondere Gunst erwiesen, und wegen ihrer Tapferkeit vertraute er ihr ammeisten.
41.
Nachdem er diese Rede gehalten hatte, wurden auf wunderbare Weise die Gemüter aller umgestimmt, und die höchste Begeisterung und
Begierde, Krieg zu führen, entstanden, (2) und zuerst dankte die zehnte Legion durch ihre Kriegstribunen Cäsar, daß er ein so günstiges
Urteil über sie gefällt habe, und versichert, sie sei völlig bereit zum Kriegführen. (3) Danach verhandelten die übrigen Legionen mit ihren
Kriegstribunen und den Zenturionen der obersten Rangstufen, um sich bei Cäsar zu entschuldigen; weder hätten sie jemals Zweifel oder
Furcht gehegt noch angenommen, daß die Entscheidung in der Kriegsleitung ihnen, sondern dem Feldherrn zustehe. (4) Nachdem Cäsar
ihre Entschuldigung angenommen und durch Diviciacus, dem er von den Galliern das größte Vertrauen schenkte, den Weg hatte ausfindig
machen lassen, so daß er das Heer auf einem Umwege von mehr als fünfzig Meilen (75 km) durch offenes Gelände führte (führen konnte),
brach er noch während der vierten Nachtwache, wie er gesagt hatte, auf. (5) Am 7. Tage, während er den Marsch nicht unterbrach, wurde
ihm von Aufklärern mitgeteilt, daß Ariovists Truppen von den unsrigen (nur noch) 24 000 Doppelschritte (36 km) entfernt seien.
42.
Als Ariovist die Ankunft Cäsars erfahren hat, schickt er Gesandte zu ihm: Was er (Cäsar) früher in betreff einer Unterredung gefordert
habe, das könne seinetwegen setzt) geschehen, da er näher herangekommen sei und er das ohne Gefahr tun zu können glaube. (2) Cäsar
wies den Vorschlag nicht zurück und meinte, Ariovist kehre schon zur Vernunft zurück, da er das, was er früher auf seine Bitte
abgeschlagen habe, aus freien Stücken verspreche, (3) und er machte sich große Hoffnung, daß er (Ariovist) zum Danke für seine und des
römischen Volkes so großen Gunstbeweise ihm gegenüber, wenn er von seinen Forderungen Kenntnis genommen habe, von seinem
Starrsinne abstehen werde. Als Tag wurde für die Unterredung der fünfte von diesem Tage aus bestimmt. (4) Als inzwischen wiederholt hin
und her Gesandte zwischen ihnen geschickt wurden, verlangte Ariovist, Cäsar solle keinen Mann zu Fuß zur Unterredung mitbringen; er
fürchte, er werde von ihm hinterlistigerweise umzingelt werden. Beide sollten nur mit Reiterei kommen; auf andere Weise werde er nicht
kommen. (5) Weil Cäsar weder wollte, daß die Unterredung durch einen vorgeschobenen Grund (Vorwand) zustande komme noch seine
Sicherheit gallischer Reiterei anzuvertrauen wagte, sagte er sich, es sei das zweckmäßigste, allen gallischen Reitern die Pferde zu nehmen
und darauf Legionssoldaten der zehnten Legion, der er am meisten vertraute, zu setzen, damit er, wenn etwas zu tun nötig sei, einen
möglichst ergebenen Schutz habe. (6) Als das geschah, sagte nicht unwitzig einer von den Soldaten der zehnten Legion, mehr als er
versprochen habe, tue Cäsar; versprochen habe er nur, er werde die zehnte Legion als Leibgarde betrachten, (und nun) erhebe er sie in den
Ritterstand.
43.
Die Ebene war weit, und auf ihr erhob sich ein ziemlich großer Erdhügel. Dieser Platz war fast gleichweit vom Lager beider entfernt. Dort,
wie man verabredet hatte, kamen sie zur Unterredung zusammen. (2) Die Legion, die er zu Pferde mitgebracht hatte, stellte Cäsar 200
Doppelschritte (300 m) von diesem Hügel entfernt auf. (3) Ebenso bezogen die Reiter Ariovists in gleicher Entfernung Stellung. Ariovist
verlangte, daß sie sich von den Pferden aus (zu Pferde) unterreden und daß sie außer sich je Zehn (Mann) zur Unterredung mitbrächten
(beide sollten also mit je zehn Mann kommen), (4) Sobald man dorthin gekommen war, gedachte Cäsar zu Beginn seiner Rede seiner und
des Senats Gunstbezeugungen ihm (Ariovist) gegenüber, daß er vom Senat den Titel König, daß er den Titel Freund erhalten habe, daß
(ihm) in reichstem Maße Geschenke geschickt worden seien; daß dies sowohl nur wenigen zuteil geworden sei als auch nur für wichtige
Dienste von Menschen verliehen zu werden pflege, legte er dar. (5) Ariovist habe, da er weder Anlaß noch einen triftigen Grund zu fordern
habe, nur durch seine und des Senats Gunst und Freigiebigkeit das erlangt. (6) Er tat auch dar, wie alte und berechtigte Gründe des engen
Verhältnisses mit den Häduern für sie bestanden, (7) weiche Senatsbeschlüsse, wie zahlreiche (wörtl.: wie oft) und wie ehrenvolle in bezug
auf sie gefaßt worden seien und wie zu jeder Zeit die Vormachtstellung in ganz Gallien die Häduer innegehabt hätten, eher sogar, als, sie
unsere Freundschaft begehrt hätten. (8) Das -1 die Gewohnheit des römischen Volkes, daß es wolle, daß seine Bundesgenossen und
Freunde nicht nur nichts von dem ihrigen einbüßten, sondern an Einfluß, Würde und Ehre zunähmen. Was sie vollends zur Freundschaft mit
dem römischen Volke mitgebracht hätten (d. h. was sie schon vor ihrem Freundschaftsbunde mit Rom besessen hätten), daß das ihnen
entrissen werde, wer könne das dulden? (9) Er forderte darauf dasselbe, was er den Gesandten aufgetragen hatte: Ariovist solle die
Geiseln zurückgeben; wenn er keinen Teil der Germanen in die Heimat zurückschicken könne, so solle er (wenigstens) nicht dulden, daß
noch hr über den Rhein herüberkämen.
44.
Ariovist antwortete auf die Forderungen Cäsars nur weniges, von seinen eigenen Heldentaten machte er viel Rühmens. (2) Über den Rhein
sei er gegangen nicht aus freien Stücken, sondern gebeten und zu Hilfe gerufen von den Galliern. Nicht ohne große Hoffnung und große
Belohnungen habe er Heimat und Verwandte verlassen, Wohnsitze in Gallien habe er, die ihm von den Galliern selbst eingeräumt worden
seien, die Geiseln seien Mit ihrer eigenen Zustimmung gegeben worden; Tribut nehme er nach Kriegsrecht, wie ihn die Sieger den
Besiegten aufzuerlegen pflegten. (3) Nicht er habe mit den Galliern, sondern die Gallier hätten mit ihm Krieg angefangen; alle Stämme
Galliens seien zu seiner Bekämpfung gekommen und hätten gegen ihn im Felde gestanden; dies, Truppen seien alle von ihm in einer
einzigen Schlacht in die Flucht geschlagen und überwunden worden. (4) Wenn sie es ein zweites Mal versuchen wollten, sei er ein zweites
Mal bereit, entscheidend zu kämpfen; wen, sie Frieden haben wollten, sei es unbillig, in betreff des Tributes zu verweigern, was sie bis zu
dieser Zeit freiwillig gezahlt hätten. (5) Die Freundschaft des römischen Volkes müsse ihm zur Ehre und zum Schutze, nicht zum Schaden
gereichen und nur in dieser Erwartung habe er sich darum bemüht. Wenn durch Vermittlung des römischen Volkes (den Galliern) der Tribut
erlassen und die Unterworfenen entzogen (abspenstig gemacht) würden, so würde er nicht weniger gern die Freundschaft mit dem
römischen Volke zurückweisen, als er sie begehrt habe. (6) Wenn er eine Menge Germanen nach Gallien herüberführe, so tue er das, um
sich zu sichern, nicht um Gallier zu bekämpfen. Beweis dafür sei, daß er (nur) gebeten (auf Bitten) gekommen sei und daß er den Krieg
nicht begonnen, sondern sich nur verteidigt habe (keinen Angriffs-, sondern nur einen Verteidigungskrieg geführt habe). (7) Er sei früher
nach Gallien gekommen als das römische Volk. Niemals vor dieser Zeit sei ein Heer des römischen Volkes über die Grenzen der Provinz
Gallien hinausgekommen (d. h. in das eigeniche Gallien gekommen). (8) Was er ihm wolle? Warum er in seine Besitzungen komme? Dieses
Gallien hier sei seine Provinz wie jenes dort die unsrige. Wie es ihm nicht erlaubt werden dürfe, wenn er auf unser Gebiet einen Angriff
mache, so sei es von uns unbillig, daß wir ihn in seinem Rechte (d. h, in der Ausübung seines guten Rechtes) hinderten. (9) Wenn er (Cäsar)
anführe, daß die Häduer vom Senat Brüder genannt worden seien, so sei er (Ariovist) doch nicht so ungebildet und so unkundig der
Sachlage, daß er nicht wüßte daß weder im letzten Kriege mit den Allobrogern die Häduer den Römern Hilfe gebracht noch selbst in diesen
Handeln, die die Häduer mit ihm und den Sequanern gehabt hätten, sich der Hilfe des römischen Volkes erfreut hätten. (10) Er müsse
argwöhnen, daß Cäsar, weil er ein Heer in Gallien habe, es auf Grund erheuchelter Freundschaft (mit den Häduern) es habe, um ihn zu
vernichten. (11) Wenn er (Cäsar) nicht abziehend sein Heer aus diesen Bezirken nicht wegführe, werde er ihn nicht als Freund, sondern als
Feind ansehen. (12) Wenn er ihn täte, werde er vielen Adligen und ersten Männern des römischen Volkes einen Gefallen tun; das wisse er
von ihnen selbst durch ihre Boten, und ihrer aller Dank und Freundschaft könne er mit seinem (Cäsars) Tode erkaufen. (13) Wenn er
(Cäsar,) nun abziehe und ihm (Ariovist) den freien Besitz Galliens überlasse, werde er es ihm mit reichern Lohne vergelten, und welche
Kriege auch immer er geführt wissen wolle, werde er ohne irgendwelche Anstrengung und Gefahr für ihn (Cäsar) erledigen.
45.
Vieles wurde von Cäsar in diesem Sinne gesagt, weswegen er von seinem Vorhaben nicht abstehen könne; weder seine noch des römischen
Volkes Gewohnheit lasse es zu, daß er die Bundesgenossen, die sich am meisten verdient machten, im Stiche lasse; auch glaube er nicht,
daß Gallien eher Ariovist als dem römischen Volke gehöre (daß Ariovist mehr Anspruch auf Gallien habe als Cäsar). (2) Im Kriege
überwunden von Quintus Fabius Maximus seien die Arverrier und Rutener (121 v. u. Z.; die Rutener sa6en in Südgallien; Hauptstadt
Segodunum, das heutige Rhodez); ihnen habe das römische Volk verziehen und es habe weder (ihr Land) zu einer Provinz gemacht noch
ihnen einen Tribut auferlegt. (3) Wenn also gerade die älteste Zeit (die Länge der Zeit) in Betracht gezogen werden müsse, so sei die
Herrschaft des römischen Volkes in Gallien die rechtmäßigste; wenn (dagegen) die Entscheidung des Senats befolgt werden müsse, so
habe Gallien frei zu sein, von dem er gewollt habe, daß es wenn auch im Kriege besiegt, seine eigenen Gesetze habe (seine Unabhängigkeit
behalte).
46.
Während dies in der Unterredung verhandelt wurde, meldete man Cäsar, daß die Reiter Ariovists näher an den Hügel herankämen, auf die
Unsrigen zuritten und Steine und Geschosse auf die Unsrigen würfen. (2) Cäsar machte der Unterredung ein Ende, zog sich zu den Seinigen
zurück und befahl den Seinigen, überhaupt kein Geschoß ihrerseits auf die Feinde zu schleudern. (3) Denn wenn er auch einsah, daß ein
Kampf mit der (feindlichen) Reiterei ohne jede Gefahr für die erlesene Legion sein werden so glaubte er doch, keine Veranlassung geben
zu dürfen, daß man, wenn die Feinde geschlagen seien, sagen könne, sie seien von ihm, indem sie dem gegebenen Worte geglaubt hätten,
während der Unterredung überfallen worden. (4) Nachdem unter der Menge der Soldaten bekannt geworden war, mit weicher Anmaßung
(weiche Anmaßung verwendend) in der Unterredung Ariovist ganz Gallien den Römern abgesprochen habe und wie seine Reiter auf die
Unsrigen einen Angriff gemacht hätten und wie dies zum Abbruch der Unterredung geführt hätte, wurden dem Heere ein noch viel größerer
Mut und ein noch viel größerer Kampfeseifer eingeflößt.
47.
Zwei Tage später schickte Ariovist zu Cäsar Gesandte: Er wolle mit ihm über die Angelegenheiten, deren Behandlung zwischen ihnen
begonnen, aber nicht beendet worden sei, verhandeln; er solle daher entweder wiederum einen Tag für die Unterredung festsetzen oder,
wenn er das weniger wolle, von seinen Leuten jemanden zu ihm schicken. (2) Zu einer Unterredung schien Cäsar kein Grund vorzuliegen,
und zwar um so mehr, weil tags zuvor die Germanen nicht konnten zurückgehalten werden, auf die Unsrigen zu schießen. (3) Er glaubte, daß
er einen Gesandten aus der Zahl seiner Leute nur unter großer Gefahr zu ihm schicken und den wilden Gesellen preisgeben werde. (4) Als
das Zweckmäßigste erschien es, den Gajus Valerius Procillus, des Gajus Valerius Caburus Sohn, einen höchst tapferer und gebildeten
jungen Mann, dessen Vater von Gajus Valerius Flaccus mit dem Bürgerrechte beschenkt worden war, sowohl wegen seiner Zuverlässigkeit
als auch wegen seiner Kenntnis der gallischen Sprache, deren sich Ariovist infolge seines langen Verkehrs schon vielfach bediente, und
weil an ihm sich zu vergehen, die Germanen keinen Grund hatten, zu Ariovist zu schicken und Marcus Metius, der mit Ariovist in
Gastfreundschaft stand. (5) Diesen trug er auf, das, was Ariovist sagen werde, zur Kenntnis zu nehmen und ihm zu berichten. (6) Als
Ariovist diese bei sich im Lager erblickt hatte, schrie er in Gegenwart seines Heeres, warum sie zu ihm kämen. Etwa um zu spionieren? Als
sie zu sprechen versuchten, hinderte er sie (daran) und ließ sie in Ketten legen.
48.
Am selben Tage rückte Ariovist vor und lagerte sich 6 000 Doppelschritte (9 km) vom Lager Cäsars entfernt um Fuße eines Berges. (2)
Tags darauf führte er seine Truppen an Cäsars Lager vorbei und schlug 2000 Doppelschritte (3 km) jenseits von ihm ein Lager auf in der
Absicht, Cäsar vom Getreide (von der Getreidezufuhr) und der Zufuhr Oberhaupt), die aus dem Sequaner- und Häduerlande herbeigebracht
werden sollte, abzuschneiden. (3) Von diesem Tage an ließ Cäsar fünf Tage nacheinander seine Truppen aus dem Lager ausrücken und
hielt die Schlachtreihe (hielt sie in Schlachtreihe) aufgestellt, damit, wenn Ariovist in einer Schlacht kämpfen wolle, ihm die Gelegenheit
nicht fehle. (4) Ariovist behielt an allen diesen Tagen sein Fußvolk im Lager, in einem Reitertreffen kämpfte er täglich. Folgendes war die
Art des Kampfes, in der sich die Germanen geübt hatten. (5) Reiter waren es 6000 an der Zahl, ebenso viele, überaus schnelle und tapfere
Leute zu Fuß, die sie aus der gesamten Masse jeder einen, zu seinem persönlichen Schutze ausgewählt hatten; mit diesen zusammen waren
sie in den Kämpfen. (6) Zu ihnen zogen sich die Reiter zurück; sie eilten herbei, wenn es etwas härter zuging; wenn etwa einer, schwerer
verwundet, vom Pferde gestürzt war, stellten sie sich um ihn herum; (7) wenn man irgendwohin weiter vorrücken oder sich schneller
zurückziehen mußte, war dieser Leute Schnelligkeit durch übung so groß, daß sie durch die Mähnen ernporgehoben (an den Mähnen sich
festhaltend), dem Laufe der Pferde gleichkommen (mit den Pferden Schritt hielten).
49.
Sobald Cäsar einsah, daß er (Ariovist) im Lager blieb, wählte er, um nicht länger von der Zufuhr abgeschnitten zu werden, jenseits
(oberhalb) des Ortes, an dem sich die Germanen gelagert hatten, ungefähr 600 Doppelschritte (900 m) von ihnen entfernt, einen für ein
(zweites) Lager geeigneten Platz aus und kam in dreifach aufgestellter Schlachtreihe (mit dem in drei Treffen zur Schlacht aufgestellten
Heere) an diesen Platz. (2) Dem ersten und zweiten Treffen befahl er, unter den Waffen zu bleiben, dem dritten das Lager zu schlagen. (3)
Dieser Platz war vom Feinde ungefähr 600 Doppelschritte (900 m), wie gesagt, entfernt. Dorthin schickte Ariovist an Zahl etwa 16 000
kampfbereite Leute zu Fuß mit der gesamten Reiterei. Diese Truppen sollten den Unsrigen Schrecken einflößen und am Lagerbau hindern.
(4) Nichtsdestoweniger befahl Cäsar, daß, wie er es vorher angeordnet hatte, zwei Treffen den Feind abwehren, das dritte die Schanzarbeit
beenden sollten. (5) Als das Lager befestigt (fertig) war, ließ Cäsar dort zwei Legionen und einen Teil der Hilfstruppen zurück, die vier
übrigen führte er in das größere Lager zurück.
50.
Am folgenden Tage ließ Cäsar seiner Gewohnheit gemäß seine Truppen aus beiden Lagern ausrücken und stellte sie, nachdem er ein
Stück vom größeren Lager vorgerückt war, in Schlachtordnung auf und bot den Feinden Gelegenheit zum Kämpfen. (2) Sobald er sah, daß
sie auch jetzt nicht vorrückten, führte er gegen Mittag die Truppen in die Lager zurück. Jetzt erst schickte Ariovist einen Teil seiner
Truppen vor, der das kleinere Lager angreifen sollte. Auf beiden Seiten kämpfte man erbittert bis zum Abend. Bei Sonnenuntergang führte
Ariovist, nachdem viele Wunden beigebracht und erlitten worden waren, seine Streitkräfte ins Lager zurück. (4) Als Cäsar die Gefangenen
fragte, weshalb Ariovist keine Entscheidungsschlacht liefere, erfuhr er das als Grund, daß bei den Germanen der Brauch herrsche, daß
ihre Familienmütter durch Losstäbchen und Weissagungen kund täten, ob es von Vorteil sei, eine Schlacht zu liefern oder nicht; diese
sprächen folgendermaßen; es sei nicht göttliches Recht (der Wille der Götter), daß die Germanen siegten, wenn sie sich vor dem
Neumonds in einen Kampf einließen.
51.
Am folgenden Tage ließ Cäsar in beiden Lagern eine Besatzung zurück, die ausreichend zu sein schien, und stellte alle Hilfstruppen
angesichts des Feindes vor dem kleineren Lager auf, weil er an der Zahl der Legionssoldaten im Verhältnis zu der Zahl der Feinde
schwächer war, damit er sich der Hilfstruppen zum Scheine bediente (d. h. um Legionssoldaten vorzutäuschen); er selbst rückte in
Schlachtstellung von drei Treffen bis ans Lager der Feinde heran. (2) Jetzt erst führten die Germanen ihre Scharen notgedrungen aus dem
Lager und stellten sie nach Völkerschaften in gleichen Abständen auf; Haruden, Markomarinnen, Tribocer, Vangionen, Nemeter, Sedusier
und Sueben, und ihre ganze Aufstellung umgaben sie mit ihren Wagen und Karren, damit keine Hoffnung in der Flucht bleibe. (3) Dorthin
(auf diese Wagenburg) brachten sie die Frauen, die die in die Schlacht Ziehenden mit ausgebreiteten Armen (Gebärde der flehenden) unter
Tränen anflehten, sie nicht in die Knechtschaft der Römer fallen zu lassen(wörtl.: zu übergeben).
52.
Cäsar stellte an die Spitze der einzelnen Legionen je einen Legaten (Generaladjutant) und Quästor (Generalintendent), damit sie jeder als
Zeugen seiner Tapferkeit habe; (2) er selbst begann auf seinem rechten Flügel den Kampf, weil er bemerkt hatte, daß dieser Teil der
Feinde am wenigsten stark war. (3) So hitzig griffen die Unsrigen die Feinde an, als das Signal gegeben war, und so plötzlich und schnell
stürmten die Feinde vor, daß keine Zeit blieb, die Wurfspeere auf die Feinde zu schleudern. So warf man die Speere beiseite und kämpfte
Mann gegen Mann mit den Schwertern. (4) Aber die Germanen bildeten schnell nach ihrer Gewohnheit eine Phalanx und fingen die
Schwerterangriffe auf. (5) Es fanden sich mehrere Soldaten von uns, die auf die Phalangen lossprangen, die Schilde mit den Händen
herunterrissen und (die Gegner) von oben herab verwundeten. (6) Während nun die Schlachtlinie der Feinde auf dem linken Flügel
geworfen und in die Flucht geschlagen war, bedrängten sie auf ihrem rechten Flügel infolge der Menge der Ihrigen unsere Schlachtlinie
heftig. (7) Als das der junge Publius Crasaus, der die Reiterei befehligte, bemerkte, weil er weniger behindert war (beweglicher war und die
Lage besser überschauen konnte) als diejenigen, die im Kampfe standen, schickte er das dritte Treffen den bedrängten Unsrigen zu Hilfe.
53.
So wurde der Kampf wiederhergestellt (wiederbegonnen), und die Feinde ergriffen alle die Flucht und härten nicht eher auf zu fliehen, als
bis sie an den Rheinstrom gelangten, ungefähr 5 000 Doppelschritte (7,5 km) von dieser Stelle (d. h. von dem wohl im Oberelsaß zu
suchenden Schlachtfelde) entfernt (2) Hier bemühten sich entweder nur sehr wenige, im Vertrauen auf ihre Kräfte hinüberzuschwimmen,
oder sie fanden auf aufgefundenen Kähnen für ihre Person Rettung. (3) Zu diesen gehörte Ariovist, der einen am Ufer angebundenen
Nachen zufällig erlangte und auf ihm entkam; alle übrigen holten die Unsrigen mit der Reiterei ein und töteten sie. (4) Darunter waren die
zwei Frauen Ariovists, die eine suebischer Nation, die er von daheim mit sich geführt hatte, die andere aus Noricum gebürtig, des Königs
Voccis Schwester, die er in Gallien geheiratet hatte, vom Bruder zugeschickt; beide kamen auf dieser Flucht um. Es waren auch zwei
Töchter vorhanden; von diesen wurde die eine getötet, die andere gefangengenommen. (5) Als Gajus Valerius Procillus, mit drei Ketten
gefesselt, von seinen Wächtern auf der Flucht mitgeschleppt wurde, stieß er auf Cäsar selbst, der die Feinde mit der Reiterei verfolgte. (6)
Dieser Umstand bereitete Cäsar nicht geringeres Vergnügen als der Sieg selbst, weil er den hochangesehenen Mann der Provinz Gallien,
seinen persönlichen Vertrauten und Gastfreund, den Händen der Feinde entrissen und sich wiedergegeben sah und weil das Geschick seine
so große Freude und seinen (so großen) Jubel nicht in irgendetwas durch dessen Tod vermindert hatte. (7) Dieser erzählte, daß in seiner
Gegenwart dreimal mit Losstäbchen beraten worden sei, ob er sogleich durch Feuer getötet oder für eine andere Zeit aufgespart werden
solle; durch die Gunst der Lose sei er noch wohlbehalten. Ebenso fand man Marcus Metius auf und führte ihn zu Cäsar zurück.
54
Als diese Schlacht jenseits des Rheines gemeldet worden war, fingen die Sueben, die an die Ufer des Rheines gekommen waren, sofort an
heimzukehren; die Uber, die dem Rheins zunächst wohnen, setzten ihnen, die in Schrecken geraten waren, nach und machten eine große
Zahl von ihnen nieder. (2) Nachdem Cäsar in einem Sommer zwei sehr große Kriege beendet hatte, führte er etwas zeitiger, als es die
Jahreszeit erforderte, sein Heer zu den Sequanern in die Winterquartiere. (3) Den Befehl über die Winterquartiere übertrug er Labienus;
er selbst brach nach dem diesseitigen Gallien auf, um Gerichtstage abzuhalten (eine der Obliegenheiten des Provinzstatthalters).
Liber II
1.
(1) Während Caesar sich im diesseitigen Gallien aufhielt und, wie wir oben berichteten, das Heer im Winterlager lag, drangen immer häufiger Gerüchte zu ihm, die durch Briefe des Labienus bestätigt wurden, dass sich alle Belger, die, wie erwähnt, einen der drei Teile Gallien bewohnen, gegen das römische Volk zusammenschlössen und untereinander Geiseln austauschten. (2) Die Gründe für die Verschwörung waren folgende: Erstens fürchteten sie, dass nach der Unterwerfung des gesamten übrigen Galliens unser Heer gegen sie geführt würde, (3) zweitens wurden sie von einigen Galliern in Unruhe versetzt, teils weil diese zwar dagegen gewesen waren, dass die Germanen länger in Gallien blieben, jedoch auch schlecht ertrugen, dass das Heer des römischen Volkes in Gallien überwinterte und auf die Dauer dort blieb, teils weil sie einen Umsturz herbeizuführen suchten, da sie von Natur aus unbeständig, und leichtfertig sind. (4) Da in Gallien oft mächtige Männer, die die Möglichkeit hatten, eine Gefolgschaft zu bilden, die Führung eines Stammes an sich rissen, versuchten einige auch deshalb Unruhe zu erregen, weil dies unter unserer Herrschaft nicht mehr so leicht möglich wäre.
2.
(1) Die Berichte und triefe veranlaßten Caesar, zwei neue Legionen im diesseitigen Gallien auszuheben und zu Beginn des Sommers dem Legaten Q. Pedius den Auftrag zu geben, sie in das Innere Galliens zu führen. (2) Er selbst kam zum Heer, sobald die Versorgung mit Futter in Gang gekommen war. (3) Die Senonen und die übrigen Gallier an der Grenze zu den Belgern erhielten von Caesar den Auftrag auszukundschaften, was bei den Belgern geschehe, und ihm darüber zu berichten. (4) Aus allen ihren Nachrichten ging immer wieder hervor, dass die Belger Truppen zusammenzögen und das Heer an einem Ort versammelten. (5) Da nun glaubte Caesar, mit dem Aufbruch gegen die Belger nicht länger zögern zu dürfen. (6) Nachdem er für den Getreidenachschub vorgesorgt hatte, brach er nach elf Tagen auf und gelangte in etwa 15 Tagen an die Grenzen des belgischen Gebietes.
3.
(1) Als Caesar dort überraschend und schneller als erwartet eintraf, schickte der belgische Stamm der Remer, der an der Grenze zu Gallien lebt, Iccius und Andecumborius, die Führer ihres Stammes, als Gesandte zu Caesar, (2) um ihm zu sagen, die Angehörigen ihres Stammes unterstellten sich und ihren ganzen Besitz dem Schutz und der Herrschaft des römischen Volkes; sie stimmten mit den übrigen Belgern nicht überein und seien auch in keiner Weise an der Verschwörung gegen das römische Volk beteiligt. (3) Sie seien bereit, ihm Geiseln zu stellen und seine Aufträge auszuführen, ebenso auch sein Heer in ihre Städte aufzunehmen und mit Getreide und anderem Notwendigem zu versorgen. (4) Alle übrigen Belger stünden unter Waffen, und die Germanen, die diesseits des Rheins lebten, hätten sich mit ihnen vereinigt. (5) Die Erregung sei so groß, dass sie, die Remer, nicht einmal die Suessionen von einer Verständigung mit den Belgern hätten abschrecken können, obwohl sie Brüder und Verwandte der Remer seien, die dieselbe Rechtsordnung wie sie und im Krieg einen gemeinsamen Oberbefehl, im Frieden eine gemeinsame Regierung hätten.
4.
(1) Als Caesar sich bei ihnen nach den einzelnen Stämmen, der zahlenmäßigen Stärke ihres Heeres und nach ihrer Kampfkraft erkundigte, erfuhr er, (2) dass die meisten Belger von den Germanen abstammten und in der Vergangenheit über den Rhein gekommen waren. Sie hätten sich wegen der Fruchtbarkeit des Bodens dort angesiedelt und die Gallier, die dort lebten, vertrieben. Zur Zeit unserer Väter seien sie die einzigen gewesen, die die Cimbern und Teutonen daran gehindert hätten, in ihr Gebiet einzudringen, als diese das gesamte übrige Gallien verheert hätten. (3) Die Erinnerung daran habe dazu geführt, dass sie großen Einfluß für sich in Anspruch nähmen und sich im Krieg sehr viel zutrauten. (4) Die Remer berichteten, sie hätten alles über ihre Stärke erfahren, weil sie auf Grund enger verwandtsihaftlicher und freundschaftlicher Beziehungen wüßten, wie viele Leute jeder bei der allgemeinen Versammlung der Belger für diesen Krieg in Aussicht gestellt habe. (5) Die Bellovacer seien die kriegstüchtigsten unter ihnen und den anderen an Bevölkerungszahl und Einfluß überlegen: Sie könnten 100000 Bewaffnete stellen und hätten davon 60000 besonders ausgewählte zugesagt. Dafür forderten sie die Führung im ganzen Krieg. (6) Die Suessionen seien ihre Grenznachbarn und hätten das größte und fruchtbarste Gebiet in Besitz. (7) Noch zu unseren Zeiten sei Diviciacus ihr König gewesen, der mächtigste Mann in ganz Gallien, der nicht nur über einen großen Teil des gallischen Gebietes, sondern auch über Britannien geherrscht habe. Nun sei Galba ihr König. Auf Grund seiner Gerechtigkeit und Klugheit sei ihm mit allgemeiner Zustimmung die Leitung des ganzen Krieges übertragen worden. (8) Die Suessionen besäßen zwölf Städte und sagten die Stellung von 50000 Soldaten zu, ebenso viele wie die Nervier, die bei ihnen selbst als besonders wild gälten und am weitesten entfernt lebten. (9) Die Atrebaten wollten 15000 Mann stellen, die Ambianer 10000, die Moriner 25000, die Menapier 9000, die Caleten, Veliocasser und Viromanduer je 10000, die Atuatucer 19000; (10) die Condrusen, Eburonen, Caeroser und Caemanen - sie alle heißen Germanen - stellten vermutlich 40000 Mann.
5.
(1) Caesar bestärkte die Remer in ihrer Haltung, erwiderte ihnen sehr entgegenkommend und forderte ihren samten Senat auf, sich bei ihm einzufinden und die Kinder der vornehmsten Adligen als Geiseln zu ihm zu bringen. Die Remer erfüllten seine Aufträge sorgfältig und zum festgesetzten Termin. (2) Caesar selbst stellte dem Haeduer Diviciacus eindringlich vor Augen, wie große Bedeutung für den römischen Staat und das Schicksal ihrer beider Völker habe, dass die feindlichen Gruppen getrennt blieben, damit man nicht auf einmal mit einer so großen Zahl kämpfen müßte. (3) Man könne das erreichen, wenn die Haeduer ihre Truppen in das Gebiet der Bellovacer eindringen ließen, um deren Felder zu verwüsten. Mit diesen Aufträgen entließ er ihn. (4) In der Zwischenzeit war die Gesamtmacht der Belger, wie Caesar erfuhr, an einem Ort konzentriert und gegen ihn in Marsch gesetzt worden. Da zudem vorausgesandte Späher und die Remer meldeten, die Feinde seien nicht mehr weit entfernt, ließ Caesar eiligst das Heer über den Fluß Axona setzen, der durch das Grenzgebiet der Remer fließt, und errichtete dort sein Lager. (5) Dadurch schützten die Flußufer die eine Seite des Lagers, und es entstand im Rücken Caesars ein Raum, der vor den Feinden sicher war. Außerdem erreichte Caesar dadurch, dass der Nachschub von den Remern und den übrigen Stämmen ungefährdet zu ihm gelangen konnte. Über den Fluß führte eine Brücke. (6) Dorthin verlegte Caesar eine Wachmannschaft und ließ auf dem anderen Ufer den Legaten Q. Titurius Sabinus 156 mit sechs Cohorten zurück. Schließlich ließ er das Lager mit einem 12 Fuß hohen Wall und einem 18 Fuß breiten Graben befestigen.
6.
(1) Bibrax, eine Ortschaft der Remer, war etwa 8 Meilen von diesem Lager entfernt. In einem Sturmangriff gingen die Belger unmittelbar aus dem Marsch heraus dazu über, den Ort zu belagern. Nur mit Mühe konnten sie an diesem Tag aufgehalten werden. (2) Die Belger gehen bei der Belagerung genauso vor wie die Gallier: Sobald sie die Mauern völlig mit einer starken Streitmacht eingeschlossen haben, fangen sie an, von allen Seiten Steine auf die Mauern zu schleudern. Sobald die Mauern von Verteidigern entblößt sind, bilden sie ein Schilddach, rücken gegen die Tore vor und versuchen, die Mauern zum Einsturz zu bringen. (3) Eben dies gelang damals mühelos. Denn als eine so gewaltige Anzahl von Gegnern Steine und Wurfgeschosse schleuderte, konnte sich niemand mehr auf den Mauern halten. (4) Als die Nacht dem Ansturm ein Ende setzte, schickte der Remer Iccius, der in der Stadt das Kommando hatte, Boten zu Caesar; als Angehöriger des höchsten Adels besaß er in seinem Volk großes Ansehen und war einer der Gesandten gewesen, die zu Caesar gekommen waren, um über den Frieden zu verhandeln. Er ließ Caesar melden, er könne dem Feind nicht länger standhalten, wenn ihm keine Verstärkung geschickt werde.
7.
(1) Um Mitternacht sandte Caesar den Bewohnern der Stadt Numider, kretische Bogenschützen und balearische Schleuderer zu Hilfe. Sie wurden von den Boten geführt, die von Iccius gekommen waren, (2) und ihre Ankunft ließ die Remer auf wirksame Verteidigung ihrer Stadt hoffen. Dadurch erhöhte sich ihr Kampfeseifer; während die Feinde aus dem gleichen Grund die Hoffnung aufgaben, sich der Stadt mit Gewalt bemächtigen zu können. (3) Daher blieben sie nur noch kurze Zeit in der Nähe der Stadt, verwüsteten das Land der Remer und zündeten alle Dörfer und Gehöfte an, zu denen sie sich Zugang verschaffen konnten. Dann aber zogen sie schnell mit ihrem gesamten Heer in Richtung auf das Lager Caesars und errichteten in einer Entfernung von weniger als 2 Meilen ihr eigenes Lager. (4) Wie man aus dem Rauch und den Lagerfeuern entnehmen konnte, war dieses Lager mehr als 8 Meilen breit.
8.
(1) Caesar beschloß zunächst mit Rücksicht auf die gewaltige Zahl der Feinde und den Ruf, der ihrer außerordentlichen Tapferkeit vorausging, eine Schlacht hinauszuzögern. (2) Er prüfte jedoch in täglichen Reitergefechten, wie groß einerseits die Tapferkeit der Feinde, andererseits der Wagemut unserer Soldaten waren. (3) Bald hatte er erkannt, dass unsere Soldaten nicht unterlegen waren. Auch eignete sich die natürliche Beschaffenheit des Geländes vor dem Lager besonders gut dazu, ein Heer in Schlachtordnung aufmarschieren zu lassen, denn die Anhöhe, auf der das Lager stand, erhob sich nur wenig über die Ebene, und ihre Vorderseite entsprach genau dem Raum, den man mit einem zur Schlacht aufgestellten Heer ausfüllen konnte. Auf beiden Seiten fiel sie steil ab, während sie auf der Vorderseite sanft geneigt in die Ebene überging. (4) Auf den beiden Seiten ließ Caesar Quergräben von etwa 400 Fuß ziehen und am Ende dieser Gräben Castelle errichten. Dort stellte er Schleudermaschinen 160 auf, damit die Feinde, deren Stärke vor allem in ihrer Zahl lag, nicht durch einen Angriff auf die Flanken sein Heer einkesseln könnten, nachdem es sich zur Schlacht formiert hatte. (5) Nach Ausführung dieser Maßnamen ließ er die zwei Legionen, die er gerade ausgehoben hatte, im Lager zurück, um sie einsetzen zu können, wenn er irgendwo Unterstützung brauchte. Die übrigen sechs Legionen ließ er vor dem Lager in Schlachtordnung aufmarschieren. Auch die Feinde hatten ihre Truppen aus dem Lager herausgeführt und zur Schlacht aufgestellt.
9.
(1) Zwischen unserem und dein feindlichen Heer lag ein kleiner Sumpf. Die Feinde warteten darauf, dass unsere Soldaten ihn überquerten; diese jedoch waren gerüstet, den Gegner anzugreifen, wenn dieser daranging, den Sumpf zu überschreiten, und daher kampfunfähig wäre. (2) Unterdessen fand zwischen beiden Fronten ein Reitergefecht statt. Da keines der beiden Heere Anstalten machte, über den Sumpf zu gehen, das Reitergefecht jedoch zu unseren Gunsten ausgegangen war, führte Caesar seine Soldaten ins Lager zurück. (3) Die Feinde rückten von hier aus weiter zum Fluß Axona vor, der, wie erwähnt, hinter unserem Lager vorbeifloß. (4) Dort fanden sie Furten und versuchten, einen Teil ihrer Truppen über den Fluß zu setzen, um, wenn es möglich wäre, den Brückenkopf, den der Legat Q. Titurius kommandierte, zu besetzen und die Brücke abzureißen. (5) Sollte sich das als undurchführbar erweisen, hatten sie die Absicht, die Felder der Remer zu verwüsten und dadurch die Versorgung des Heeres unmöglich zu machen, die in diesem Krieg vor allem von der Landwirtschaft der Remer abhing.
10.
(1) Von Titurius benachrichtigt, führte Caesar die gesamte Reiterei, die leicht bewaffneten Numider, Schleuderer und Bogenschützen über die Brücke und rückte schnell gegen die Feinde vor. Am Fluß kam es zu einem heftigen Gefecht. (2) Unsere Soldaten griffen die Gegner an, die beim Übergang über den Fluß keinen Widerstand leisten konnten, und töteten eine große Anzahl von ihnen. (3) Als die übrigen über ihre Leichen hinweg mit großer Unerschrockenheit versuchten, über den Fluß zu kommen, trieb sie der Hagel der Wurf Geschosse zurück. Unsere Reiterei kreiste zudem die ein, die als erste ans Ufer gelangt waren, und tötete sie. (4) Als die Feinde begriffen, dass sie vergeblich gehofft hatten, die Ortschaft zu erobern und den Fluß zu überschreiten, und sahen, dass unsere Soldaten nicht auf ungünstiges Gelände vorrücken würden, um zu kämpfen, während ihnen schon das Getreide auszugehen drohte, beriefen sie eine Versammlung ein, auf der sie beschlossen, es sei das beste, wenn jeder in seine Heimat zurückkehre. Sie wollten sich erst dann wieder treffen, wenn das Land, in das die Römer als nächstes einrückten, verteidigt werden müsse. Da sie in der Heimat auf die dort lagernden Kornvorräte zurückgreifen konnten,wollten sie die Entscheidung lieber im eigenen als im fremden Land herbeiführen. (5) Neben den genannten Gründen wurde ihre Entscheidung auch dadurch beeinflußt, dass sie erfahren hatten, Diviciacus nähere sich mit den Haeduern dem Gebiet der Bellovacer. Sie konnten daher die Bellovacer nicht überreden, länger zu bleiben und es zu unterlassen, ihren Stammesgenossen beizuspringen.
11.
(1) Nach diesem Beschluß verließen sie um die zweite Nachtwache mit viel Lärm und Geschrei ihr Lager, ohne feste Ordnung und Führung, da jeder als erster auf dem Marsch sein wollte und sich beeilte, in die Heimat zu kommen. Dadurch sah ihr Aufbruch ganz wie eine Flucht aus. (2) Als Caesar sofort durch Späher davon erfuhr, fürchtete er einen Hinterhalt, weil er noch nicht durchschaut hatte, warum sie aufbrachen. Er hielt daher das Heer und die Reiterei im Lager zurück. (3) Als er jedoch von Kundschaftern bei Tagesanbruch über die wahre Sachlage in Kenntnis gesetzt wurde, schickte er die gesamte Reiterei voraus, um die feindliche Nachhut aufzuhalten. An ihre Spitze stellte er die Legaten Q. Pedius und L. Aurunculeus Cotta. Dem Legaten T. Labienus befahl er, ihr sofort mit drei Legionen zu folgen. (4) Als die Reiter die letzten des feindlichen Zuges angriffen und auf einer meilenweiten Verfolgung eine große Zahl der Flüchtigen töteten, machte der Schluß des Zuges, zu dem auch unsere Fußsoldaten inzwischen vorgedrungen waren, plötzlich halt und leistete unserem Angriff tapfer Widerstand. (5) Die Feinde, die sich weiter vorn im Zug befanden, glaubten jedoch, ihnen drohe noch keine Gefahr, und da sie sich durch nichts verpflichtet fühlten und an kein Kommando gebunden waren, suchten sie alle in völliger Auflösung ihr Heil in der Flucht, als sie das Kampfgeschrei hörten. (6) Unsere Soldaten töteten daher ungefährdet den ganzen Tag über eine große Anzahl von ihnen. Erst bei Sonnenuntergang ließen sie davon ab und kehrten wie befohlen ins Lager zurück.
12.
(1) Bevor sich der Feind nach der panischen Flucht wieder sammeln könnte, führte Caesar am folgenden Tag das Herr in das Gebiet der Suessionen, das dem der Remer benachbart ist. In einem Gewaltmarsch eilte er sofort zur Stadt Noviodunum. (2) Da er hörte, dass sie von Verteidigern entblößt sei, versuchte er, sie aus dem Marsch heraus im Sturm zu nehmen. Obwohl sie nur schwach verteidigt wurde, hinderten ihn jedoch der breite Graben und die hohe Mauer daran, sie einzunehmen. (3) Nachdem er ein befestigtes Lager hatte errichten lassen, ließ er Laufgänge vertreiben und alles bereitstellen, was für einen Sturm notwendig war. (4) Währenddessen sammelte sich in der folgenden Nacht die gesamte Menge der flüchtenden Suessionen in der Stadt. (5) Als aber die Laufgänge rasch an die Stadt herangeführt, ein Damm aufgeworfen und Türme errichtet wurden, beeindruckte der gewaltige Belagerungsapparat, von dem die Gallier bisher nichts gesehen noch gehört hatten, und die Schnelligkeit der Römer die Suessionen so, dass sie Gesandte an Caesar schickten, um über eine Kapitulation zu verhandeln. Auf Grund der Bitten der Remer erreichten sie, dass sie verschont wurden.
13.
(1) Nachdem Caesar die Ersten des Stammes und sogar zwei Söhne des Königs Galba als Geiseln in Empfang genommen hatte und ihm alle Waffen aus der Stadt ausgeliefert worden waren, nahm er die Kapitulation der Suessionen an und zog mit seinem Heer gegen die Bellovacer. (2) Diese hatten sich mit ihrer gesamten Habe in die Stadt Bratuspantium geflüchtet. Als Caesar mit seinem Heer noch etwa 5 Meilen von Bratuspantium entfernt war, kamen alle erwachsenen Männer aus der Stadt, streckten ihm die Hände entgegen und bedeuteten mit Rufen, dass sie sich ihm auf Gnade oder Ungnade ergäben und nicht gegen das römische Volk kämpfen wollten. (3) Als er bei der Stadt angelangt war und dort sein Lager aufschlagen ließ, flehten von der Mauer herab auch die Knaben und Frauen nach ihrem Brauch mit ausgebreiteten Armen die Römer um Frieden an.
14.
(1) Diviciacus, der nach dein Abzug der Belger die Truppen der Haeduer entlassen hatte und zu Caesar zurückgekehrt war, machte sich zu ihrem Fürsprecher: (2) Seit jeher seien die Bellovacer die Schutzbefohlenen und Freunde der Haeduer gewesen. (3) Nur unter dem Druck ihrer führenden Männer seien sie von den Haeduern abgefallen und hätten das römische Volk angegriffen. Diese Adligen hätten behauptet, Caesar habe die Haeduer derartig geknechtet, dass sie gezwungen seien, jede nur denkbare entwürdigende Behandlung und Schmach zu ertragen. (4) Die Hauptvertreter dieser Politik seien nach Britannien geflohen,als sie erkannten, wieviel Unglück sie über ihren Stamm gebracht hätten. (5) Nicht nur die Bellovacer selbst, sondern auch stellvertretend für sie die Haeduer bäten ihn, Milde und Mäßigung gegen sie walten zu lassen. (6) Wenn er so verfahre, werde gleichzeitig das Ansehen der Haeduer bei allen Belgern steigen, mit deren Hilfstruppen und materieller Unterstützung sie im Kriegsfall bisher regelmäßig durchhielten.
15.
(1) Mit Rücksicht auf das große Ansehen des Diviciacus und der Haeduer sagte Caesar zu, ihre freiwillige Kapitulation anzunehmen und sie zu verschonen. Da es ein Stamm war, der bei den Belgern großen Einfluß besaß und an Zahl alle übertraf, forderte er 600 Geiseln. (2) Nach ihrer Übergabe und nach Auslieferung aller in der Stadt vorhandenen Waffen zog er von dort weiter in das Gebiet der Ambianer, die sich ihm mit ihrer gesamten Habe sofort ergaben. (3) An ihr Gebiet stieß das der Nervier. Als Caesar sich nach ihrer Natur und ihrer Lebensweise erkundigte, erfuhr er folgendes: (4) Kein Handelsmann erlange Zutritt zu ihnen. Es sei bei ihnen verboten, Wein und andere Luxusgüter einzufahren, weil sie glaubten, dass sie dies verweichliche und ihre Tapferkeit vermindere. 161 (5) Sie seien wild und außerordentlich tapfer. Sie machten den übrigen Belgern erbitterte Vorwürfe und klagten sie an, dass sie durch die Kapitulation vor dem römischen Volk ihre von den Ahnen ererbte Tapferkeit aufgegeben hätten. (6) Sie erklärten mit Entschiedenheit, keine Gesandten schicken und kein Friedensangebot annehmen zu wollen.
16.
(1) Als Caesar drei Tage durch ihr Gebiet gezogen war, erfuhr er von Gefangenen, dass sich jenseits des Flusses Sabis, der nicht weiter als 10 Meilen von seinem Lager entfernt war, (2) alle Nervier gelagert hätten und dort zusammen mit den Atrebaten und Viromanduern, ihren Grenznachbarn, die Ankunft der Römer erwarteten. (3) Die Nervier hatten nämlich die Atrebaten und Viromanduer überredet, mit ihnen im Kampf gegen die Römer ihr Kriegsglück zu versuchen. (4) Caesar erfuhr ferner, dass sie die Truppen der Atuatucer erwarteten, die sich bereits auf dem Marsch befänden. (5) Die Frauen und die auf Grund ihres Alters kampfuntauglichen Männer hätten sie eilends an einen Ort gebracht, zu dem es wegen der Sümpfe in der Nähe für ein Heer keinen Zugang gebe.
17.
(1) Als Caesar davon erfuhr, sandte er Späher und Centurionen voraus, um eine geeignete Stelle für ein Lager auszuwählen. (2) Da sich eine Anzahl von Belgern und anderen Galliern, die vor Caesar kapituliert hatten, in seinem Gefolge befanden und ihn auf dem Marsch begleiteten, wurden sie mit der Ordnung vertraut, die unser Heer in diesen Tagen gewöhnlich auf dem Marsch einhielt. Wie man später von Kriegsgefangenen erfuhr, kamen einige von bei Nacht zu den Nerviern und erklärten ihnen, nach jeder einzelnen Legion komme jeweils ein langer Zug Troß und Kriegsgerät, so dass es nicht schwierig sei, die erste Legion bei ihrem Eintreffen im Lager anzugreifen, bevor sie ihr Gepäck abgelegt hätte, da die übrigen Legionen dann noch weit entfernt seien. (3) Sei sie geschlagen und der Troß geplündert, würden die übrigen Legionen nicht wagen, weiteren Widerstand zu leisten. (4) Die Männer, die diesen Vorschlag unterbreiteten, erhielten Unterstützung durch folgenden Umstand: Da die Nervier nicht in der Lage waren, Reiterei einzusetzen bis heute kümmern sie sich nicht darum; ihre ganze Schlagkraft liegt bei den Fußtruppen -, hatten sie von alters er eine Methode entwickelt, die Reiterei ihrer Grenznachbarn abzuwehren, wenn sie bei ihnen eingefallen waren, um Beute zu machen: Sie schnitten junge Bäume ein und bogen sie. Zwischen ihre zahlreichen in die Breite wachsenden Zweige pflanzten sie Brombeer- und Dornbüsche und stellten so einen Schutzverhau her, der an die Stelle einer Mauer trat und undurchdringlich war, ja sogar jede Sicht versperrte. Weil unser Zug dadurch aufgehalten werde, glaubten die Nervier, man dürfe den Vorschlag nicht beiseiteschieben.
18.
(1) Das Gelände, das unsere Soldaten für ein Lager ausgesucht hatten, sah folgendermaßen aus: Eine Anhöhe fiel in gleichmäßiger Neigung zum Fluß Sabis ab, den wir oben erwähnten. (2) Vom Fuß aus stieg ein weiterer Hügel mit gleicher Neigung an, der dem ersten gegenüberlag und sein Gegenstück bildete. Sein unterer Teil war etwa auf 200 Schritt hin unbewaldet, während er in der Höhe mit Bäumen bestanden war, die die Sicht erschwerten. (3) In diesen Wäldern hielten sich die Feinde verborgen, Im freien Gelände, am Fluß entlang, wurden nur einzelne Reiterposten beobachtet. Der Fluß war ungefähr drei Fuß tief.
19.
(1) Caesar folgte der Reiterei, die er vorausgeschickt hatte, mit allen Truppen sofort nach. Die Organisation und Ordnung des Marsches sahen jedoch anders aus, als es die Belger den Nerviern hinterbracht hatten. (2) Denn weil das Heer in die Nähe des Feindes kam, setzte sich Caesar an die Spitze von sechs Legionen, die er nach seiner Gewohnheit kampfbereit marschieren ließ. (3) Ihnen schloß sich der Troß des gesamten Heeres an. Den Schluß des Zuges bildeten die zwei Legionen, die zuletzt ausgehoben worden waren und jetzt die Bewachung des Trosses übernahmen. (4) Unsere Reiter überquerten mit Schleuderern und Bogenschützen den Fluß und eröffneten den Kampf mit der feindlichen Reiterei. (5) Wiederholt zog sich diese in die Wälder zu ihrem Heer zurück, um von dort aus erneut unsere Reiter anzugreifen. Unsere Reiterei rückte zwar bis dahin vor, wo das offene Gelände aufhörte, wagte jedoch nicht, die zurückweichenden Feinde weiter als bis zum Rand des offenen Geländes zu verfolgen. Inzwischen maßen die sechs Legionen, die als erste eingetroffen waren, die Abschnitte für den Bau des Lagers aus und gingen daran, es zu befestigen. (6) Sobald die Feinde, die sich in den Wäldern versteckt hielten, die ersten Abteilungen unseres Trosses erblickten - sie hatten vorher diesen Augenblick für die Eröffnung des Kampfes vereinbart und schon in den Wäldern ihr Heer und dessen einzelne Einheiten in Schlachtordnung aufgestellt -, feuerten sie sich gegenseitig an, brachen plötzlich mit allen Truppen hervor und griffen unsere Reiter an. (7) Nachdem sie diese mühelos geschlagen und vertrieben hatten, wandten sie sich in unglaublicher Geschwindigkeit zum Fluß, so dass es aussah, als ob sie sich fast gleichzeitig bei den Wäldern, am Fluß und sogar schon im Handgemenge mit unseren Soldaten befänden. (8) Mit derselben Geschwindigkeit stürmten sie den Hügel hinauf, auf unser Lager und die Soldaten zu, die an diesem arbeiteten.
20.
(1) Caesar hätte alle Maßnahmen gleichzeitig treffen müssen: Die Fahne hissen, die signalisierte, dass man zu den Waffen greifen müsse, mit der Tuba Alarm geben, die Soldaten, die sich etwas weiter entfernt hatten, um Material für den Lagerwall zu beschaffen, von der Arbeit abrufen und herbeiholen, das Heer zur Schlacht aufstellen, die Soldaten anfeuern und das Zeichen zum Angriff geben. (2) Die Ausführung dieser Maßnahmen wurde zum großen Teil durch die kurze Zeit und durch den Angriff der Feinde erschwert. (3) Zwei Umstände verringerten diese Schwierigkeiten: einmal die praktische Erfahrung der Soldaten, die in den vergangenen Kämpfen so viel Übung erlangt hatten, dass sie imstande waren, die notwendigen Maßnahmen ebenso richtig auf sich selbst gestellt zu treffen, als wenn sie ihnen von anderer Seite vor geschrieben würden. Dazu kam, dass Caesar den einzelner Legaten verboten hatte, sich von ihren Legionen oder de Arbeit am Lager zu entfernen, solange die Befestigung nicht vollendet war. (4) Da der Feind so schnell und in nächster Nähe erschien, warteten sie nicht erst Befehl( Caesars ab, sondern trafen allein die Maßnahmen, die ihnen gut erschienen.
21.
(1) Caesar gab daher nur die notwendigsten Anordnungen und eilte herab, um seine Soldaten anzufeuern, wo immer er sie antraf. Dabei stieß er auf die 10. Legion. (2) Um sie anzufeuern, sagte er nicht vielmehr, als dass sie an ihre bewährte Tapferkeit denken, sich nicht verwirren lassen und dem Angriff der Feinde tapfer standhalten solle. (3) Da die Feinde schon in Wurfweite eines Geschosses standen, gab er das Zeichen zum Angriff. (4) Als er sich auf die andere Seite wandte, um auch hier die Soldaten anzufeuern, begegnete er schon Kämpfenden. (5) Die Zeit war so knapp bemessen und der Feind so auf Kampf eingestellt, dass die Soldaten nicht mehr dazu kamen, die Helme aufzusetzen oder die Hüllen von den Schilden zu ziehen, geschweige denn die Kampfabzeichen anzulegen. (6) Jeder stellte sich da auf, wohin er gerade von der Schanzarbeit kam und wo er das nächstbeste Feldzeichen erblickte, so dass niemand Zeit damit verlor, nach seiner Einheit zu suchen.
22.
(1) Da sich das Heer mehr nach den Gegebenheiten des Geländes, nach der Steigung der Anhöhe und den augenblicklichen Erfordernissen aufstellte als nach militärischer Regel, waren die Legionen voneinander getrennt und leisteten dem Feind an verschiedenen Stellen Widerstand. Sie wurden zudem durch die eben erwähnten dichten Verhaue behindert, die, auf dem Gelände verteilt, die Sicht versperrten. Daher konnten weder bestimmte Hilfstruppen zum Einsatz bereitgestellt werden, noch konnte man überblicken, was die Lage an den einzelnen Kampf abschnitten erforderte. Deshalb war es unmöglich, dass einer allein alle Befehle erteilte. (2) In dieser außerordentlich ungünstigen Lage nahm der Kampf einen unterschiedlichen Verlauf.
23.
(1) Auf dem linken Flügel der Front standen die Soldaten der 9. und 10. Legion den Atrebaten gegenüber, denen dieser Frontabschnitt zugefallen war. Unsere Soldaten schleuderten ihre Wurfspieße, und da die Atrebaten durch den schnellen Lauf erschöpft und durch Verwundungen geschwächt waren, gelang es unseren Soldaten, die Feinde schnell von der Anhöhe herab in den Fluß zu treiben. Als sie versuchten, über den Fluß zu entkommen, töteten unsere Soldaten bei der Verfolgung einen großen Teil der Kampfunfähigen mit dem Schwert. (2) Sie zögerten nicht, auch selbst den Fluß zu überschreiten, und obwohl sie dabei in ungünstiges Gelände gerieten und der Feind daraufhin den Kampf erneut aufnahm und Widerstand leistete, schlugen sie ihn in die Flucht. (3) Genauso hatten an einer anderen Stelle die 8. und 11. Legion, jeweils auf sich gestellt, die Viromanduer, auf die sie gestoßen waren, von der Höhe herab überwältigt und kämpften mit ihnen nun unmittelbar an den Ufern des Flusses. (4) Auf dem rechten Flügel hatte sich die 12. Legion und nicht weit davon die 7. festgesetzt. Dagegen war das Lager von vorn und auf der linken Seite ganz ungedeckt, so dass alle Nervier unter der Führung des Oberbefehlshabers Boduognatus in dichtgeschlossenen Reihen dorthin stürmten. (5) Ein Teil von ihnen ging daran, die Legionen von der ungeschützten Flanke her einzukreisen, ein Teil wandte sich unmittelbar gegen die Höhe, auf der das Lager stand.
24.
(1) Im selben Augenblick trafen unsere Reiter und die leichtbewaffneten Fußsoldaten, die zu den Heeresteilen gehörten, die der Feind, wie erwähnt, beim ersten Angriff in die Flucht geschlagen hatte, während des Rückzugs ins Lager wieder auf die Feinde und flohen erneut in anderer Richtung. (2) Die Troßknechte, die von der Porta Decumana und von der höchsten Stelle der Anhöhe aus zugesehen hatten, wie unsere siegreichen Soldaten über den Fluß gingen, verließen das Lager, um Beute zu machen. Als sie jedoch zurückblickten und bemerkten, dass der Feind schon in unserem Lager stand, flohen sie kopflos. (3) Zugleich erhob sich Lärm und Geschrei unter den Leuten, die mit dem Troß ankamen und sich jetzt, von Panik ergriffen, nach allen Seiten zerstreuten. (4) Der Stamm der Treverer, der bei den Galliern wegen seiner Tapferkeit einen einzigartigen Ruf genießt, hatte Caesar Reiter zur Unterstützung geschickt. Als diese jetzt sahen, wie sich unser Lager mit unzähligen Feinden füllte, dass die Legionen schwer bedrängt wurden und völlig eingekesselt waren, als sie zudem bemerkten, dass die Troß_ knechte, Reiter, Schleuderer und Numider aufgelöst und zerstreut in alle Richtungen flohen, gaben sie unsere Sache unter dem Eindruck all dieser Ereignisse verloren und wandten sich heimwärts. Zu Hause angelangt, meldeten sie ihrem Stamm, die Römer seien völlig geschlagen, der Feind sei im Besitz des Lagers und des Trosses.
25.
(1) Gleich nach den anfeuernden Worten an die 10. Legion wandte sich Caesar zum rechten Flügel, da er bemerkte, dass seine Soldaten dort hart bedrängt wurden. Die Soldaten der 12. Legion hatten die Feldzeichen an eine Stelle gebracht, und da sie sich dort eng zusammendrängten, behinderten sie sich gegenseitig beim Kampf. Die Centurionen der 4. Cohorte waren alle gefallen; auch der Feldzeichenträger war umgekommen, das Feldzeichen verloren und die Centurionen der übrigen Cohorten waren fast alle verwundet oder tot. Unter diesen befand sich auch der ranghöchste Centurio, P. Sextius Baculus, ein überaus tapferer Mann, der so oft und schwer verwundet worden war, dass er sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Caesar bemerkte, dass auch die übrigen langsamer wurden, dass sich in den hintersten Reihen einige versprengte Soldaten aus dem Kampfgetümmel zurückzogen und versuchten, den Wurfgeschossen auszuweichen, während die Feinde, die von vorn die Hügel hinaufkamen, den Kampf ununterbrochen fortsetzten und uns auch von beiden Seiten her bedrohten. Caesar sah, dass die Lage dort höchst gefährlich war, er hatte jedoch keinerlei Truppen zur Verfügung, die er hätte zu Hilfe schicken können: (2) Da nahm er einem Soldaten aus den hinteren Reihen den Schild weg, da er selbst ohne Schild gekommen war, drang bis zur ersten Reihe vor, rief die Centurionen alle beim Namen und feuerte die übrigen Soldaten an, während er ihnen befahl, zum Angriff überzugehen und die Manipel auseinanderzuziehen, damit sie ihre Schwerter leichter gebrauchen könnten. (3) Sein Erscheinen erfüllte die Soldaten mit neuer Hoffnung und frischem Mut. Da sich jeder vor den Augen des Feldherrn und in dieser besonders gefährlichen Situation anstrengen wollte, gelang es, dem Angriff der Feinde für eine Weile etwas von seiner Stoßkraft zu nehmen.
26.
(1) Als Caesar sah, dass die 7. Legion, die daneben stand, ebenso vom Feind bedrängt wurde, befahl er den Militärtribunen, die Legionen allmählich zu vereinigen und den Feind nach beiden Seiten hin anzugreifen. (2) Da sie sich hierdurch gegenseitig unterstützen konnten und nicht fürchten mußten, dass sie der Feind von hinten her einkreiste, begannen sie, härteren Widerstand zu leisten und tapferer zu kämpfen. (3) Inzwischen kamen für die Feinde auf der Höhe die Soldaten der zwei Legionen in Sicht, die als Nachhut den Troß gesichert und auf die Nachricht von der Schlacht hin ihren Marsch beschleunigt hatten. (4) Labienus, der das Lager der Feinde erobert hatte und von oben her beobachtete, was in unserem Lager vorging, schickte unseren Soldaten die 10. Legion zu Hilfe. (5) Sobald diese aus der Flucht der Reiter und Troßknechte entnahm, wo die Lage kritisch war und in welch bedrohlicher Situation sich das Lager und der Feldherr befanden, gab sie das Äußerste an Schnelligkeit her.
27.
(1) Mit ihrem Erscheinen änderte sich die Lage völlig, so dass unsere Soldaten den Kampf wieder aufnahmen, auch die, die schon verwundet zu Boden gesunken waren und sich jetzt auf ihre Schilde stützten. (2) Als die Troßknechte bemerkten, dass Panik die Feinde ergriff, gingen sie sogar unbewaffnet auf ihre bewaffneten Gegner los. Die Reiter, die nun mit Tapferkeit ihre schändliche Flucht wiedergutmachen wollten, kämpften überall mit und übertrafen die Legionäre noch an Eifer. (3) Die Feinde zeigten jedoch eine derartige Tapferkeit, auch als kaum noch Hoffnung auf Rettung bestand, dass sich, wenn die erste Reihe gefallen war, die folgende auf die am Boden liegenden Soldaten stellte und auf ihren Leichen stehend weiterkämpfte. (4) Als auch diese Soldaten fielen und die Leichen sich türmten, warfen die überlebenden von diesem Grabhügel aus Wurfgeschosse auf unsere Soldaten und schleuderten die Speere zurück, die sie von uns auffingen. (5) Man mußte zu dem Schluß kommen, dass Menschen von derart außergewöhnlicher Kampfkraft nicht unbegründet gewagt hatten, einen so breiten Fluß zu überqueren, so steile Ufer zu erklimmen und sich in so ungünstiges Gelände zu begeben: Die Größe ihres Mutes hatte die schwierigsten Unternehmungen mühelos aussehen lassen.
28.
(1) In dieser Schlacht wurde fast der gesamte Stamm der Nervier ausgelöscht. Daher waren die älteren Männer, die, wie erwähnt, mit den Knaben und Frauen überstürzt ins Watt und in die Sumpfgegenden gebracht worden waren, auf die Nachricht von der Schlacht hin der Überzeugung, dass der Sieger jetzt völlige Handlungsfreiheit habe, während die Besiegten alles zu gewärtigen hätten. (2) Sie schickten deshalb mit Zustimmung aller Überlebenden Gesandte an Caesar, um die Kapitulation anzubieten. Um das Unglück ihres Stammes deutlich zu machen, berichteten sie, dass von ihren 600 Senatoren noch drei, von 60 000 Stammesangehörigen knapp 500 übriggeblieben seien, die noch Waffen tragen könnten. (3) Damit deutlich würde, dass er gegen Unglückliche und Demütige Barmherzigkeit walten lasse, wandte Caesar seine ganze Aufmerksamkeit auf ihre Schonung. Er forderte die Nervier auf, weiterhin in ihrem Land und ihren Städten zu leben, und befahl ihren Grenznachbarn, ihren gesamten Stamm von jedem unrechtmäßigen und böswilligen Vorgehen gegen die Nervier abzuhalten.
29.
(1) Die oben erwähnten Atuatucer, die unterwegs waren, um den Nerviern zu Hilfe zu kommen, machten auf die Nachricht von der Schlacht hin kehrt und zogen in die Heimat zurück. (2) Sie verließen alle Städte und kleineren befestigten Orte und brachten ihre gesamte Habe in eine einzige Stadt"", die durch ihre Lage hervorragend geschützt war. (3) Ringsum fielen die Felsen auf allen Seiten steil ab und boten eine gute Fernsicht. Nur an einer Stelle ließen sie einen Zugang frei, der sanft abfiel und nicht mehr als 200 Fuß breit war. Diesen Ort hatten die Atuatucer mit einer überaus hohen doppelten Mauer befestigt. jetzt verstärkten sie die Mauer mit Felsblöcken von gewaltigem Gewicht und mit zugespitzten Pfählen. (4) Die Atuatucer stammten von den Cimbern und Teutonen ab. Diese hatten bei ihrem Zug in unsere Provinz und nach Italien alles Hinderliche, was sie nicht mit sich nehmen konnten, diesseits des Rheins untergebracht und eine Abteilung von 6000 Mann dort zur Bewachung und zum Schutz zurückgelassen. (5) Nach ihrem Untergang wurde dieser Teil des Stammes viele Jahre lang von den in der Nähe lebenden Stämmen umhergetrieben. Nachdem sie jedoch immer wieder selbst Angriffe unternommen oder sich gegen fremde verteidigt hatten, kamen alle Parteien überein, in Frieden miteinander zu leben. Die Cimbern und Teutonen hatten sich dann diesen Ort zum Wohnsitz ausgewählt.
30.
(1) In der ersten Zeit nach Erscheinen unseres Heers machten sie immer wieder Ausfälle aus der Stadt und verwickelten uns in kleinere Gefechte. (2) Später mußten sie in der Stadt bleiben,daCaesarsiedurcheinenWallvon15 Meilen Länge und einen dichten Ring von Wachposten eingeschlossen hatte. (3) Als sie bemerkten, dass in der Ferne die Laufgänge vorgetrieben, dann der Belagerungsdamm aufgeworfen und ein Belagerungsturm errichtet wurden, erhoben sie zuerst von der Mauer herab ein Gelächter und spotteten darüber, dass diese gewaltigen Vorbereitungen in so weiter Entfernung getroffen wurden: (4) Mit welchen Händen und mit welchen Kräften trauten wir uns wohl zu, einen Turm von derartigem Gewicht auf die Mauer schaffen zu können, besonders da wir doch von so kleiner Gestalt seien? Da sie selbst alle so groß sind, verachten uns die Gallier meistens wegen unseres kleinen Wuchses.
31.
(1) Als sie jedoch sahen, dass sich die Belagerungsmaschinen in Bewegung setzten und sich den Mauern näherten, erschütterte sie der neue und ungewohnte Anblick so, dass sie Gesandte an Caesar schickten, die über den Frieden verhandeln sollten und folgendes ausführten: (2) Sie glaubten, dass die Römer den Krieg nicht ohne göttliche Hilf e führten, da sie die Belagerungsmaschinen trotz ihrer großen Höhe mit derartiger Geschwindigkeit fortbewegten und dann aus der Nähe Mann gegen Mann kämpfen könnten. (3) Daher seien sie entschlossen, sich und ihre gesamte Habe Caesar auszuliefern. (4) Sie bäten nur inständig um eins: Wenn er sich vielleicht auf Grund seiner Milde und Güte, wovon sie über andere gehört hätten, entschließe, die Atuatucer zu schonen, möge er sie nicht ihrer Waffen berauben. (5) Fast alle umliegenden Stämme seien ihre Feinde und haßten sie wegen ihrer Tapferkeit. Wenn sie die Waffen auslieferten, könnten sie sich jedoch nicht mehr gegen sie verteidigen. (6) Falls sie in diese Lage gerieten, zögen sie es vor, jedes erdenkliche Unglück durch die Römer zu erleiden, als qualvoll von denen umgebracht zu werden, bei denen sie vorher stets die führende Rolle gespielt hätten.
32.
(1) Caesar erwiderte darauf: Er werde ihren Stamm verschonen, mehr seiner Gewohnheit folgend, als weil sie es verdient hätten, wenn sie kapitulierten, ehe der Sturmbock die Mauer berannt habe. Es gebe für sie aber keine Kapitulation ohne Auslieferung der Waffen. (2) Er werde das tun, was er auch bei den Nerviern getan habe, nämlich den angrenzenden Stämmen befehlen, nichts Unrechtmäßiges gegen Menschen zu unternehmen, die sich dem römischen Volk unterworfen hätten. (3) Als die Atuatucer von den Forderungen in Kenntnis gesetzt worden waren, erklärten sie sich über ihre Gesandten bereit, sie zu erfüllen. (4) Sie warfen so viele Waffen von der Mauer in den Graben, den Caesar vor der Stadt hatte 2hiehen lassen, dass die Berge von Waffen fast die Höhe der Mauer und des Belagerungsdammes erreichten. Dennoch hatten sie, wie sich später herausstellte, etwa ein Drittel davon in der Stadt zurückbehalten und versteckt. Am selben Tag wurden die Tore geöffnet und der Kriegszustand beendet.
33.
(1) Gegen Abend befahl Caesar, die Tore zu schließen und die Soldaten aus der Stadt abzuziehen, damit es nicht zu Ausschreitungen gegenüber den Einwohnern käme. (2) Wie sich herausstellte, hatten diese schon vorher Verrat geplant. Da sie glaubten, dass unsere Wachtposten nach der Kapitulation abgezogen würden oder wenigstens ihren Dienst nachlässiger erfüllten, machten sie plötzlich um die 3. Nachtwache an der Stelle, wo der Zugang zu unseren Befestigungswerken am wenigsten steil schien, mit allen Truppen einen Ausfall aus der Stadt. Teils benutzten sie dazu die Waffen, die sie zurückbehalten und verborgen hatten, teils hatten sie auch Schilde aus Baumrinde oder aus Rutengeflecht hergestellt und mit Fellen bezogen, wie es im Augenblick die kurze Vorbereitungszeit erforderte. (3) Durch Feuerzeichen wurde jedoch schnell Gefahr signalisiert, wie Caesar es vorher für einen solchen Fall befohlen hatte, so dass von den nächsten Wachtposten aus alles dorthin eilte. (4) Die Feinde kämpften so verbissen, wie man es von, tapferen Männern erwarten mußte, die auf ungünstigem Gelände mit dem Mut der Verzweiflung gegen Soldaten antraten, die vom Wall und von den Belagerungstürmen Wurfgeschosse schleuderten. Ihre einzige Hoffnung lag in ihrer Tapferkeit. (5) Nachdem etwa 4000 Mann gefallen waren, wurden die übrigen in die Stadt zurückgedrängt. (6) Am folgenden Tag wurden die Tore aufgebrochen, doch verteidigte sich niemand mehr. Caesar überließ unseren Soldaten die Stadt und verkaufte die gesamte Beute. (7) Die Einkäufer gaben ihm eine Zahl von 53 000 Menschen an.
34.
(1) Um dieselbe Zeit erhielt Caesar von P. Crassus, den er mit einer Legion zu den Venetern, Unellern, Osismern, Coriosoliten, Essuviern, Aulercern und Redonen geschickt hatte, die Nachricht, dass er alle diese Stämme in die Abhängigkeit und unter die Herrschaft des römischen Volkes gebracht habe. Sie sind Seevölker und leben an den Küsten des Ozeans.
35.
(1) Nach diesen kriegerischen Erfolgen herrschte in ganz Gallien Ruhe. Von dem Krieg drangen jedoch so eindrucksvolle Berichte zu den Barbaren, dass auch die Stämme, die jenseits des Rheins lebten, Gesandte an Caesar schickten mit der Zusage, Geiseln zu stellen und seine Aufträge auszuführen. (2) Da Caesar schnell nach Italien und Illyrien aufbrechen wollte, befahl er den Gesandtschaften, zu Beginn des nächsten Sommers zu ihm zurückzukehren. (3) Er ließ die Legionen im Land der Carnuten, Anden und Turonen und anderer Stämme, die in der Nähe des Kriegsschauplatzes lebten, ins Winterlager führen und reiste nach Italien ab. (4) Auf die Berichte Caesars hin beschloß der Senat für diese Erfolge ein Dankfest von 15 Tagen, was nie jemand zuvor erreicht hatte.
Liber III
1.
(1) Bei seinem Aufbruch nach Italien beauftragte Caesar Ser. Galba, mit der 12. Legion und einem Teil der Reiterei in das Gebiet der
Nantuaten, Veragrer und Seduner zu ziehen, das sich vom Gebiet der Allobroger, dem Genfer See und der Rhone bis zu den Gipfeln der
Alpen erstreckt. (2) Der Grund für diese Expedition lag in seiner Absicht, den Weg durch die Alpen zu öffnen, der für die Handelsleute
gewöhnlich mit großen Gefahren und hohen Zollkosten verbunden war. (3) Für den Fall, daß Ser. Galba es für notwendig erachtete, gab er
ihm die Vollmacht, dort eine Legion überwintern zu lassen. (4) Nach einigen für die Römer siegreichen Gefechten und der Eroberung
mehrerer Stützpunkte der dortigen Stämme schickten diese von allen Seiten Gesandte zu ihm und stellten Geiseln. Als der Frieden
wiederhergestellt war, verlegte Galba zwei Cohorten ins Land der Nantuaten und ging selbst mit den übrigen Cohorten der Legion in einem
Dorf der Veragrer mit Namen Octodurus ins Winterlager. (5) Dieses Dorf lag in einem Tal am Ende einer kleinen Ebene und war ringsum
von außerordentlich hohen Bergen umgeben. (6) Da es ein Fluß... in zwei Teile teilte, überließ Galba den einen Teil den Galliern zum
überwintern, während er sie den anderen räumen ließ und ihn seinen Cohorten zuwies. Diesen Teil schützte er mit Wall und Graben.
2.
(1) Als einige Tage im Winterlager verstrichen waren, gab Galba den Befehl, Getreide dorthin zu schaffen. Da erhielt er plötzlich von
Spähern die Nachricht, daß bei Nacht alle Gallier aus dem Teil des Dorfes, den er ihnen zugestanden hatte, abgezogen seien, daß aber die
Berge, die sich darüber erhoben, von einer großen Menge der Veragrer und Seduner besetzt seien. (2) Mehrere Gründe hatten den
Ausschlag dafür gegeben, daß die Gallier plötzlich den Plan faßten, den Krieg wieder zu eröffnen und die Legion zu vernichten. (3) Einmal
schätzten sie die Stärke einer einzelnen Legion gering ein, zumal da diese zahlenmäßig unvollständig war. Zwei Cohorten waren nämlich
abgezogen worden, und mehrere Soldaten hatten sich einzeln mit dem Auftrag entfernt, für Nachschub zu sorgen. (4) Außerdem glaubten
sie, daß in diesem ungünstigen Gelände ihr Ansturm keinen Augenblick aufgehalten werden könne, wenn sie von den Bergen in das Tal
herunterstürmten und dabei ihre Wurfgeschosse schleuderten. (5) Hinzu kam die Kränkung, daß man ihnen ihre Kinder als Geiseln
weggenommen hatte, und die Überzeugung, daß die Römer die Pässe der Alpen nicht zu besetzen versuchten, um Handelswege zu sichern,
sondern um davon auf die Dauer Besitz zu ergreifen und der Provinz die benachbarten Gebiete einzugliedern.
3.
(1) Da Galba auf Grund der Kapitulation und der Geiselnahme geglaubt hatte, er brauche keinen Krieg zu führen, waren die Arbeiten am
Lager und seiner Befestigung noch nicht abgeschlossen. Außerdem hatte er nicht ausreichend für Getreide und anderen Nachschub
vorgesorgt. Auf die erwähnte Meldung hin rief Galba deshalb sofort den Kriegsrat ein, um dessen Meinung zu hören. (2) Da ent2eeen aller
Erwartung so plötzlich eine sehr bedrohliche Lage entstanden war, man zudem beobachten konnte, daß fast sämtliche Höhen dicht mit
Bewaffneten besetzt waren, während andererseits unser Heer von jeder militärischen Unterstützung und der Nachschubversorgung
abgeschnitten war, (3) bestand nur noch wenig Hoffnung auf Rettung. Daher machten einige den Vorschlag, daß man den Troß
zurücklassen und versuchen sollte, sich schnell durch einen Ausbruch über denselben Weg, auf dem das Heer gekommen war, in Sicherheit
zu bringen. (4) Die Mehrheit beschloß jedoch, diesen Plan für den äußersten Notfall zurückzustellen, inzwischen die Entwicklung der Dinge
abzuwarten und das Lager zu verteidigen.
4.
(1) Man hatte kaum Gelegenheit gefunden, diesem Beschluß entsprechend Anordnungen zu treffen und Maßnahmen zu ergreifen, als auch
schon die Feinde nach kurzer Zeit das Signal zum Angriff gaben. Sie stürmten von allen Seiten herab und schleuderten Steine und Speere
gegen den Lagerwall. (2) Zunächst leisteten unsere Soldaten mit unverbrauchten Kräften tapfer Widerstand und schleuderten vom Wall
erfolgreich ihre Wurfgeschosse. Wenn ein Teil des Lagers von Verteidigern entblößt und bedrängt schien, liefen sie dorthin und sprangen
ein. (3) Während des lang anhaltenden Kampfes jedoch konnten die Feinde, die erschöpft waren, den Kampfplatz verlassen, während
andere mit frischer Kraft nachrückten, so daß unsere Soldaten ins Hintertreffen gerieten. (4) Denn auf Grund ihrer kleinen Zahl stand
ihnen diese Möglichkeit nicht offen; ein erschöpfter Soldat konnte sich nicht nur nicht zurückziehen, ja es war einem Verwundeten sogar
unmöglich, den Platz, auf dem er stand, aufzugeben und sich in Sicherheit zu bringen.
5.
(1) Als sich die Schlacht schon ununterbrochen über mehr als sechs Stunden hingezogen hatte, verließen unsere Soldaten die Kräfte, zudem
fehlte es an Wurfgeschossen, Die Feinde dagegen drängten immer heftiger vor, und während unsere Soldaten mehr und mehr erlahmten,
begannen die Feinde, den Lagerwall einzureisen und den Graben zuzuschütten. Als die Lage höchst kritisch wurde, (2) liefen der
ranghöchste Centurio der Legion, P. Sextius Baculus, der, wie erwähnt, in der Nervierschlacht mehrmals schwer verwundet worden war,
und ebenso der Militärtribun C. Volusenus, 197 ein außerordentlich einsichtsvoller und tapferer Mann, zu Galba und erklärten ihm, es
gebe nur noch eine einzige Hoffnung auf Rettung, die darin bestehe, daß man zum letzten Mittel greife und einen Ausbruch versuche. (3)
Galba ließ daher schnell die Centurionen kommen, um den Soldaten mitzuteilen, sie sollten den Kampf für kurze Zeit unterbrechen, nur vor
den Wurfgeschossen in Deckung gehen und sich etwas von der Anstrengung erholen, um danach auf ein Signal hin einen Ausfall aus dem
Lager zu machen und ihre ganze Hoffnung für die Rettung auf ihre Tapferkeit zusetzen.
6.
(1) Sie handelten befehlsgemäß, machten plötzlich aus allen Toren einen Ausfall, so daß den Feinden keine Gelegenheit blieb zu erkennen,
was vor sich ging, oder gar, sich zu sammeln. (2) So wandte sich das Glück. Während die Feinde in der Hoffnung gekommen waren, sich des
Lagers zu bemächtigen, kreisten unsere Soldaten sie jetzt überall ein, fingen sie ab und töteten aus einer Zahl, die 30 000 überstieg, mehr
als ein Drittel; es stand fest, daß so viele Feinde zum Lager gekommen waren. Die übrigen, die nun Panik ergriff, schlugen sie in die Flucht
und ließen nicht einmal zu, daß sie oben auf den Höhen haltmachten. (3) Als sie so alle Truppen der Feinde vertrieben und den Toten die
Waffen abgenommen hatten, zogen sie sich in die Lagerbefestigung zurück. (4) Galba wollte nach dieser Schlacht das Schicksal nicht noch
einmal herausfordern und rief sich ins Gedächtnis, daß die Dinge einen ganz anderen Verlauf genommen hatten, als er es bei seiner
Ankunft im Lager geplant hatte. Der Mangel an Getreide und Nachschub beunruhigte ihn am meisten, so daß er am nächsten Tag alle
Häuser des Dorfes in Brand stecken ließ und rasch in die Provinz zurückkehrte. (5) Da ihn hieran kein Feind hinderte oder den Marsch
aufhielt, konnte er seine Legion heil in das Gebiet der Nantuaten und von da in das der Allobroger bringen, wo er ins Winterlager ging.
7.
(1) In dem Glauben, daß nach diesen Erfolgen die Ruhe in Gallien in jeder Hinsicht wiederhergestellt sei, da die Belger besiegt, die
Germanen vertrieben und die Seduner in den Alpen geschlagen worden waren, brach Caesar im Verlauf des Winters nach Illyrien auf, um
auch die dortigen Stämme zu besuchen und das Land kennenzulernen. Da brach in Gallien plötzlich ein Krieg aus. (2) Die Ursache dafür
war folgende: Der junge P. Crassus hatte mit der 7. Legion in der Nähe der Küste bei den Anden das Winterlager bezogen. (3) Da in
diesem Gebiet Mangel an Getreide herrschte, schickte er mehrere Praefecten und Militärtribunen zu benachbarten Stämmen, um Getreide
und anderen Nachschub zu fordern. (4) Aus ihrem Kreis hatte er T. Terrasidius zu den Unellern und Essuviern, M. Trebius Gallus zu den
Coriosoliten und Q. Velanius gemeinsam mit T. Sillius zu den Venetern entsandt.
8.
(1) Der letztgenannte Stamm besaß im gesamten Küstengebiet dieser Gegend den größten Einfluß. Er verfügte nämlich über die meisten
Schiffe, mit denen er gewöhnlich nach Britannien fuhr, und übertraf alle anderen an Erfahrung und Kenntnissen in der Seefahrt. Da hier die
Brandung wegen des offenen Meeres besonders stark ist, gab es nur wenige vereinzelte Häfen, die die Veneter alle in Besitz hatten, so
daß sie von fast allen Völkern, die dort Seefahrt betrieben, Steuern erheben konnten. (2) Sie machten den Anfang damit, Sillius und
Velanius, dazu andere, deren sie habhaft werden konnten, festzuhalten, weil sie glaubten, sie könnten im Austausch gegen sie ihre eigenen
Geiseln, die sie Crassus gestellt hatten, wiedererlangen. (3) Da die Gallier zu schnellen und plötzlichen Entschlüssen neigen, veranlaßte ihr
Beispiel ihre Nachbarn, aus dem gleichen Grund Trebius und Terrasidius festzuhalten. Nach einem raschen Austausch von
Gesandtschaften verschworen sie sich, vertreten durch ihre führenden Männer, nur nach gemeinsamem Plan zu handeln und die Folgen
dieses Vorgehens gemeinsam zu tragen. (4) Auch die übrigen Stämme versetzten sie dadurch in Unruhe, daß sie verbreiteten, sie wollten
lieber weiter in Freiheit, die sie von den Ahnen her übernommen hätten, leben als die Versklavung durch die Römer ertragen. (5) Als es
den Venetern gelungen war, das gesamte Küstengebiet schnell für ihre Überzeugung zu gewinnen, schickten sie eine gemeinsame
Gesandtschaft an Crassus mit der Aufforderung, er möge ihnen ihre Geiseln zurückgeben, wenn er seine eigenen Leute zurückbekommen
wolle.
9.
(1) Als Caesar durch Crassus davon erfuhr, gab er den Auftrag, da er noch zu weit entfernt war, in der Zwischenzeit Kriegsschiffe auf dem
Liger zu bauen, der in den Ozean mündet. Außerdem sollten aus der Provinz Ruderer angefordert und dazu Seeleute und Steuerleute
aufgetrieben werden. (2) Nachdem diese Anordnungen umgehend ausgeführt worden waren, eilte er selbst zum Heer, sobald es die
Jahreszeit erlaubte. (3) Als seine Ankunft bekannt wurde, merkten die Veneter und ebenso die übrigen Stämme, daß sie vergeblich gehofft
hatten, ihre Geiseln zurückzuerhalten. Gleichzeitig wurde ihnen klar, welches Verbrechens sie sich schuldig gemacht hatten, als sie die
Gesandten, die bei allen Völkern stets als heilig und unverletzlich gelten, bei sich zurückgehalten und in Fesseln gelegt hatten. Sie
beschlossen daher, sich der Größe der Gefahr entsprechend für einen Krieg"' zu rüsten und sich vor allem um Schiffe und deren
Ausrüstung zu kümmern, denn da sie auf die Lage ihres Gebietes vertrauten, setzten sie hierauf die größte Hoffnung. (4) Es war ihnen
bekannt, daß das Watt unserem Fußvolk zeitweise den Weg abschnitt und daß für uns die Schiffahrt auf Grund mangelnder Ortskenntnis
und der kleinen Zahl an Häfen mit Schwierigkeiten verbunden war. (5) Außerdem vertrauten sie darauf, daß der Mangel an Getreide
unsere Heere daran hindern würde, sich länger in ihrer Gegend aufzuhalten: (6) Und wenn schon alles wider Erwarten ungünstig für sie
auslaufen werde, liege doch ihre Hauptstärke bei der Flotte, da die Römer weder mit Schiffen umgehen könnten noch die Untiefen, Häfen
und Inseln der Gegend kannten, in der sie Krieg führen wollten. (7) Sie wußten genau, daß sich die Seefahrt in einem Binnenmeer sehr von
der in dem riesigen und endlosen offenen Ozean unterschied. (8) Auf der Grundlage dieser Überlegungen befestigten sie ihre Städte,
schafften vom Land ungedroschenes Getreide dorthin und zogen möglichst viele Schiffe im Gebiet der Veneter zusammen, (9) wo Caesar
das stand für sie fest den Krieg eröffnen würde. (10) Als Bundesgenossen für diesen Krieg gewannen sie die Osismer, Lexovier,
Namneten, Ambiliater, Moriner, Diablinthen und Menapier. Außerdem holten sie Hilfstruppen aus Britannien, das ihrem Land gegenüber
liegt.
10.
(1) Obwohl die oben erwähnten Schwierigkeiten für eine Kriegführung bestanden, trieb Caesar dennoch vieles dazu, diesen Krieg zu
beginnen. (2) Das Unrecht, das in der Gefangennahme der römischen Ritter... bestand, der Aufstand, der nach erfolgter Kapitulation
ausgebrochen war, der Abfall trotz Geiselübergabe und eine Verschwörung, an der so viele Stämme beteiligt waren. Vor allem aber wollte
er verhindern, daß die übrigen Völker glaubten, sie könnten ebenso handeln, wenn er in diesem Fall nachlässig verfuhr. (3) Da er wußte,
daß die Gallier in der Regel alle geneigt sind, einen Umsturz herbeizuführen, und sich auf Grund ihrer wankelmütigen Gesinnung schnell zu
einem Krieg aufstacheln lassen, daß aber auch allgemein die menschliche Natur von Freiheitsdrang erfüllt ist und Sklaverei haßt, glaubte
er, sein Heer in einzelnen Einheiten über größere Gebiete verteilen zu müssen, ehe sich noch mehr Stämme der Verschwörung
anschlössen.
11.
(1) Er schickte daher den Legaten T. Labienus mit der Reiterei in das Gebiet der Treverer, die in unmittelbarer Nähe des Rheins leben. (2)
Labienus hatte den Auftrag, die Reiner und Belger aufzusuchen und dafür zu sorgen, daß sie ihre Verpflichtungen einhielten. Da das
Gerücht um .ging, die Gallier hätten Germanen zu Hilfe geholt, t' sie Labienus abwehren, falls sie versuchten, den Rhein mit Gewalt auf
Schiffen zu überqueren. (3) P. Crassus erhielt den Auftrag, mit zwölf Legionscohorten und einer großen Anzahl Reiter nach Aquitanien
aufzubrechen, um zu verhindern, daß Gallien von hier aus Hilfstruppen erhalte und daß sich diese beiden großen Völker vereinigten. (4)
Den Legaten Q. Titurius Sabinus schickte Caesar mit drei Legionen zu den Unellern, Coriosoliten und Lexoviern, um dafür zu sorgen, daß
sich ihre Truppen nicht vereinigten, (5) Dem jungen D. Brutus übertrug Caesar die Führung der Flotte und der gallischen Schiffe, die er von
den Pictonen, Santonen und den übrigen unterworfenen Gebieten hatte zusammenkommen lassen. Der Aufbruch gegen die Veneter sollte
er folgen, sobald es irgend möglich war. Caesar selbst eilte mit Fußtruppen dorthin.
12.
(1) In der Regel waren die Städte so angelegt, daß sie am Ende von Landzungen oder auf Vorgebirgen erbaut und zu Fuß unerreichbar
waren, wenn vom offenen Meer her die Flut heranströmte, was in einem Abstand von zwölf Stunden stets zweimal am Tag geschah. Da bei
zurückweichender Flut Schiffe auf Sandbänke aufliefen, waren die Städte auch für Schiffe schwer erreichbar. (2) Beides zusammen machte
daher die Belagerung einer Stadt sehr schwierig. (3) Wenn die Einwohner dennoch einmal einer großangelegten Belagerung nicht
gewachsen waren, wenn Damm und Molen das Meer gestaut und die Höhe der Stadtmauern erreicht hatten, so daß die Einwohner alle
Hoffnung aufzugeben begannen, ließen sie eine große Zahl von Schiffen landen, über die sie reichlich verfügten, schafften ihren ganzen
Besitz fort und zogen sich in die nächstgelegenen Städte zurück. (4) Dort verteidigten sie sich aufs neue unter den gleichen günstigen
Umständen. (5) Über lange Strecken des Sommers konnten sie so verfahren, um so leichter, als starke Stürme unsere Schiffe abhielten und
die Seefahrt vor fast unüberwindlichen Schwierigkeiten stand, denn es handelte sich um ein weites, offenes Meer mit starken Strömungen,
wo es nur wenige oder fast gar keine Häfen gab.
13.
(1) Ihre eigenen Schiffe waren folgendermaßen konstruiert und ausgerüstet: Ihre Kiele waren bedeutend flacher als die unserer Schiffe, so
daß sie leichter über Untiefen und das Niedrigwasser bei Ebbe hinwegsteuern konnten. (2) Dagegen ragten der Bug und ebenso das Heck
ziemlich hoch empor, für hohen Wellengang bei Flut und Stürmen sehr angemessen. (3) Die Schiffe waren ganz aus starkem Holz, um jede
gewaltsame Erschütterung aushalten zu können. (4) Die Ruderbänke, die aus fußhohen Balken bestanden, waren mit daumenstarken
Nägeln befestigt. (5) Die Anker hingen statt an Tauen an eisernen Ketten, (6) als Segel wurden Felle und ganz dünn gegerbtes Leder
verwendet, sei es, daß es zu wenig Leinen gab, sei es, daß sie seine Verwendung als Segel nicht kannten. Sehr viel wahrscheinlicher ist
jedoch, daß sie der Meinung waren, daß gewöhnliche Segel die gewaltigen Stürme auf dem Ozean und die mächtige Kraft der Böen nicht
aushielten und daß die außergewöhnlich schweren Schiffe mit Leinensegeln nicht zufriedenstellend zu lenken seien. (7) Ein Zusammenstoß
dieser Schiffe mit unserer Flotte zeigte, daß die unseren an Schnelligkeit und Kraft der Ruderschläge überlegen waren, während sich die
der Veneter in ihrer Bauart sehr viel besser für die geographischen Bedingungen und die Stärke der Stürme eigneten als unsere. (8) Diese
konnten ihnen nämlich nicht einmal mit dem Rammsporn Schäden zufügen, weil sie zu stabil gebaut waren, und nur unter Anstrengung
konnte man sie mit dein Wurfgeschoß erreichen, weil sie so hoch aufragten. Aus demselben Grund war es auch nicht einfach, sie mit
Enterhaken heranzuziehen. (9) Es kam hinzu, daß sie, wenn sie vor dem Wind liefen, seinen Ansturm sehr viel besser aushielten, außerdem
aber sich in seichtem Gewässer sicherer bewegten und bei Ebbe nicht die Felsen und Riffe zu fürchten brauchten. All dies trug dazu bei,
daß unsere Flotte begründete Furcht vor kommenden Gefechten hatte.
14.
(1) Als Caesar nach Eroberung einiger Städte einsah, daß es vergeblich war, so große Anstrengungen zu unternehmen, da er den Feind
nach Einnahme einer Stadt weder am Entkommen hindern noch ihm sonst Schaden zufügen konnte, beschloß er, auf die Ankunft der Flotte
zu warten. (2) Sobald die Feinde diese bei ihrem Eintreffen sichteten, ließen sie etwa 220 Schiffe aus dem Hafen auslaufen, die voll
einsatzfähig und mit jeder Art von Waffen bestückt waren. Sie stellten sie in Schlachtlinie unserer Flotte gegenüber auf. (3) Brutus, der den
Oberbefehl über unsere Flotte hatte, und die Militärtribunen und Centurionen, die die einzelnen Schiffe kommandierten, waren unsicher,
wie sie vorgehen und auf welche Taktik sie sich festlegen sollten. (4) Sie wußten, daß man die feindlichen Schiff e nicht mit den
Schiffsschnäbeln rammen konnte. Selbst wenn sie Türme 2" errichteten, waren die Hecks der barbarischen Schiffe diesen an Höhe
überlegen, so daß die Wurfgeschosse, die man von unten her schleuderte, nicht mit vollem Erfolg eingesetzt werden konnten, während die
Wurfgeschosse, die von den Galliern kamen, um so verheerender wirkten. (5) Eine einzige Vorkehrung, die unser Heer getroffen hatte, war
von großem Nutzen, nämlich überaus scharfe Sicheln, die in lange Stangen eingelassen und befestigt waren und große Ähnlichkeit mit den
Sicheln hatten, die für das Einreißen von Mauern verwendet werden. (6) Wenn man mit den Sicheln die Taue, die die Rahen mit dem Mast
verbanden, erfassen und anziehen konnte und gleichzeitig die Rudergeschwindigkeit des Schiffes steigerte, rissen die Taue. (7) Waren sie
durchgerissen, stürzten die Rahen herab, und da der Vorteil der gallischen Schiffe einzig und allein in den Segeln und in der Takelage
bestand, wurden die Schiffe augenblicklich manövrierunfähig, wenn die Taue rissen. (8) Der Ausgang des weiteren Kampfes hing dann
allein von der Tapferkeit ab, worin unsere Soldaten weit überlegen waren, und das um so mehr, als der Kampf vor den Augen Caesars und
des gesamten Heeres stattfand. (9) Da unser Heer alle Hügel und erhöhten Plätze, die eine gute Aussicht auf das nahe Meer boten, besetzt
hielt, konnte keine auch nur einigermaßen tapfere Tat verborgen bleiben.
15.
(1) Als, wie beschrieben, die Rahen niedergegangen waren und jeweils zwei oder drei unserer Schiffe ein einzelnes feindliches in die Mitte
genommen hatten, setzten unsere Soldaten ihre letzten Kräfte ein, um auf die Schiffe der Feinde hinüberzuklettern. (2) Als die Barbaren
dies bemerkten, suchten sie ihr Heil in der Flucht, weil schon mehrere Schiffe erobert worden waren und weil sie keine Gegenmaßnahme
gegen unser Vorgehen treffen konnten. (3) Als sich ihre Schiffe schon alle in Windrichtung gedreht hatten, trat plötzlich eine derartige
Windstille ein, daß sie sich nicht von der Stelle bewegen konnten. (4) Das bot die beste Gelegenheit, unser Vorhaben zu Ende zu führen, (5)
denn unsere Soldaten holten ein Schiff nach dem anderen ein und eroberten es, so daß nur ganz wenige aus der Gesamtzahl an Land
gelangten, als die Nacht hereinbrach. Der Kampf hatte ungefähr von der 4. Stunde bis zum Sonnenuntergang gedauert.
16.
(1) Mit dieser Schlacht war der Krieg gegen die Veneter und alle Stämme des Küstengebiets entschieden, (2) denn es waren nicht nur alle
jungen Männer, sondern auch alle älteren, soweit sie Erfahrung und Ansehen besaßen, dorthin gekommen; zugleich hatte man alle Schiffe,
die zur Verfügung standen, an diesem einen Ort zusammengezogen. (3) Nach ihrem Verlust bestand für die überlegenden keine
Möglichkeit mehr, irgendwohin auszuweichen oder die Städte zu verteidigen. Sie ergaben sich Caesar daher mit ihrer gesamten Habe. (4)
Caesar beschloß, sie mit aller Härte zu bestrafen, um zu erreichen, daß die Barbaren in Zukunft den völkerrechtlichen Schutz der
Gesandten gewissenhafter beachteten. Er ließ daher den gesamten Senat hinrichten und verkaufte die übrige Bevölkerung.
17.
(1) Während sich dies bei den Venetern zutrug, kam Q. Titurius Sabinus mit den Truppen, die ihm Caesar anvertraut hatte, in das Gebiet
der Uneller. (2) An deren Spitze stand Viridovix der im Besitz des Oberbefehls über alle abgefallenen Stämme war und aus ihrer
Bevölkerung ein großes Heer und andere große Truppenverbände aufgestellt hatte. (3) In diesen wenigen Tagen hatten die
Aulercer-Eburovicer und Lexovier ihren Senat umgebracht, der nicht am Krieg mitschuldig sein wollte. Sie hatten ihre Tore geschlossen
und sich mit Viridovix vereinigt. (4) Außerdem war von überall her aus Gallien eine große Menge von Verbrechern und Räubern
zusammengekommen, die die Hoffnung auf Beute und die Lust am Krieg veranlaßt hatten, ihre Landwirtschaft und ihre tägliche Arbeit
aufzugeben. (5) Sabinus blieb ruhig im Lager, das in jeder Hinsicht günstig gelegen war. Als Viridovix sich in einer Entfernung von nur zwei
Meilen ihm gegenüber gelagert hatte und täglich seine Truppen herausführte, um ihm den Kampf anzubieten, zog sich Sabinus allmählich
nicht nur die Verachtung der Feinde zu, sondern wurde auch durch die Äußerungen unserer Soldaten ziemlich scharf kritisiert. (6) Sein
Verhalten erweckte einen derartigen Eindruck von Furcht, daß die Feinde schon wagten, bis an den Lagerwall heranzukommen. (7) Der
Grund für seine Handlungsweise war seine Oberzeugung, daß vor allem während der Abwesenheit des Oberbefehtshabers ein Legat nicht
mit einer so großen feindlichen Übermacht kämpfen dürfe, wenn sich nicht ein günstiges Gelände oder ein anderer Vorteil böte.
18.
(1) Als sich der Eindruck von seiner Furcht verfestigt hatte, wählte Sabinus aus den gallischen Truppen, die er zur Unterstützung bei sich
hatte, einen geeigneten, verschlagenen Mann aus. (2) Diesen überredete er, gegen große Belohnung und Versprechungen, zum Feinde
überzugehen, und erklärte ihm seine Absichten. (3) Sobald der Gallier als Überläufer zu den Feinden gelangte, stellte er ihnen die Furcht
der Römer vor Augen und erläuterte, vor welch schwierige Lage sich Caesar selbst durch den Angriff der Veneter gestellt sehe. (4)
Sabinus sei nahe daran, das Heer in der folgenden Nacht heimlich aus dem Lager wegzuführen und in Marsch zu setzen, um Caesar zu
Hilfe zu kommen. (5) Als die Feinde das hörten, riefen alle, eine solche Gelegenheit, ihr Vorhaben zu einem guten Ende zu bringen, dürften
sie nicht vorbeigehen lassen; man müsse sofort zum Lager der Römer aufbrechen. (6) Viele Umstände sprachen für diesen Plan der Gallier.
Sabinus hatte sich in den vergangenen Tagen sehr zögernd verhaften, der Überläufer bestätigte seine Furcht, es fehlte ihnen auch an
Lebensmitteln, da sie nicht gründlich genug dafür Vorsorge getroffen hatten. Hinzu kamen die Erwartungen, die der Krieg mit den
Venetern weckte, und endlich der Umstand, daß die Menschen gewöhnlich gern glauben, was sie sich wünschen. (7) All dies veranlaßte die
Feinde dazu, Viridovix und die anderen Heerführer nicht eher aus der Versammlung fortzulassen, bis sie ihnen zugestanden hatten, zu den
Waffen zu greifen und zum Lager der Römer zu eilen. (8) Als sie ihnen die Einwilligung abgerungen hatten, sammelten sie voll Freude, als
ob sie bereits den Sieg errungen hätten, Reisig und Zweige, um damit die römischen Lagergräben aufzufüllen. Dann brachen sie zum
römischen Lager auf.
19.
(1) Das Lager befand sich auf einer Anhöhe, die auf eine Strecke von etwa einer Meile sanft von der Ebene her anstieg. Die Feinde
stürzten in schnellem Lauf dorthin. Da sie den Römern möglichst wenig Zeit lassen wollten, sich zu sammeln und zu bewaffnen, kamen sie
völlig atemlos an. (2) Sabinus feuerte seine Soldaten an, und während sie schon zum Kampf drängten, gab er das Signal, bereit zu sein.
Dann ordnete er an, aus zwei Toren zugleich einen überraschenden Ausfall zu machen, während die Feinde noch durch die Lasten, die sie
mit sich schleppten, im Kampf behindert waren. (3) Die Gunst des Ortes, die militärische Unerfahrenheit und die Erschöpfung der Feinde,
dazu die Tapferkeit unserer Soldaten, verbunden mit ihrer praktischen Erfahrung aus früheren Kämpfen, führten dazu , daß die Feinde
nicht einmal dem ersten Ansturm unserer Soldaten standhielten, sondern sich sofort zur Flucht wandten. (4) Da die Kräfte unserer Soldaten
noch unverbraucht waren, holten sie sie ein und töteten eine große Anzahl. Die Reiter verfolgten die übrigen und ließen nur wenige
entkommen, denen die Flucht gelang. (5) So erhielt Sabinus zum selben Zeitpunkt die Nachricht von der Seeschlacht, wie Caesar von
Sabinus' Sieg erfuhr, und umgehend ergaben sich alle Stämme dem Titurius. (6) Denn obwohl die Gallier schnell zu begeistern und in
demselben Grad bereit sind, Krieg anzufangen, sind sie ihrer Veranlagung nach weich und unfähig, Mißerfolge auszuhalten.
20.
(1) Etwa zur gleichen Zeit war P. Crassus nach Aquitanien gekommen, Wie oben beschrieben, umfaßt dieses Gebiet nach Ausdehnung und
Bevölkerungszahl schätzungsweise ein Drittel Galliens. Als Crassus sah, daß er in zu dem Gebiet Krieg führen müsse, in dem vor wenigen
Jahren der Legat L. Valerius Praeconinus mit seinem Heer eine Niederlage erlitten hatte und umgekommen war, während der Proconsul L.
Manlius nach dem Verlust seines Trosses die Flucht ergriffen hatte, erkannte er, daß er hier mit höchster Wachsamkeit zu Werke gehen
mußte. (2) Er sorgte deshalb für Getreidevorrat und kümmerte sich um die Bereitstellung von Reiterei und Hilfstruppen. Aus Tolosa,
Carcaso und Narbo, Städten der Provinz Gallien, die an den Grenzen zu diesem Gebiet liegen, rief er zahlreiche besonders tapfere Männer
namentlich zu den Waffen und führte dann das Heer in das Gebiet der Sotiater. (3) Als diese von seiner Ankunft erfuhren, zogen sie starke
Truppenverbände zusammen und griffen mit ihrer Reiterei, in der ihre Hauptstärke lag, auf dem Marsch unsere Nachhut an. Es kam
zunächst zu einen Reitergefecht, bei dem ihre Reiterei geschlagen wurde. (4) Als unsere Reiter darauf die Feinde verfolgten, erschienen
plötzlich die feindlichen Fußtruppen, die in einer Vertiefung im Hinterhalt gelegen hatten; sie griff en unsere Reiter an, die sich verstreut
hatten, und begannen den Kampf aufs neue.
21.
(1) Es wurde lange und hart gekämpft, da die Sotiater im Vertrauen auf frühere Siege glaubten, die Rettung ganz Aquitaniens hänge allein
von ihrer Tapferkeit ab. Dagegen wollten unsere Soldaten zeigen, was sie ohne ihren Feldherrn und die übrigen Legionen unter einem so
jungen Führer leisten konnten. Endlich wandten sich die feinde zur Flucht, da sie durch viele Wunden geschwächt waren. (2) Nachdem eine
große Zahl gefallen war, begann Crassus aus dem Marsch heraus den Sturm auf die Stadt der Sotiater. Da die Einwohner tapferen
Widerstand leisteten, ließ er Laufgänge und Belagerungstürme heranfahre (3) Die Einwohner versuchten mehrmals einen Ausbruch, einige
Male unterminierten sie den Damm und die Laufgänge. Die Aquitaner besitzen hierin die mit Abstand größte Erfahrung, weil es bei ihnen
an vielen Stellen Kupferbergwerke und sonstigen Erzbergbau gibt. Als sie jedoch sahen, daß sie auf Grund der Umsicht unserer Soldaten
damit nichts ausrichten konnten, schickten sie Gesandte an Crassus und baten, ihre freiwillige Kapitulation anzunehmen. Sobald sie das
erreicht hatten, lieferten sie auf seinen Befehl hin die Waffen aus.
22.
(1) Während die ganze Aufmerksamkeit unserer Soldaten hierauf gerichtet war, versuchte an einer anderen Stelle der Stadt Adiatuanus,
der den Oberbefehl hatte, mit 600 »Geweihten« einen Ausfall zu machen. Die Gallier nennen diese »Geweihten« »Soldurii«. (2) Ihre
Lebensweise sieht so aus, daß sie alle Annehmlichkeiten des Lebens gemeinsam mit denen genießen, mit denen sie Freundschaft
geschlossen haben; wenn einem von ihnen Gewalt widerfährt, tragen sie gemeinsam mit ihm sein Unglück oder begehen Selbstmord. (3) Bis
heute kann sich niemand an einen von ihnen erinnern, der sich nach dem Tod des Mannes, dem er Freundschaft gelobt hatte, zu sterben
geweigert hätte. (4) Als sich bei dem erwähnten Ausfall jedoch auf diesem Teil der Belagerungswerke ein Geschrei erhob und unsere
Soldaten zu den Waffen eilten, kam es dort zu einem heftigen Kampf. Obwohl Adiatuanus in die Stadt zurückgedrängt wurde, erreichte er
trotzdem von Crassus, daß er unter den vorherigen Bedingungen kapitulieren durfte.
23.
(1) Nach der Übergabe der Waffen und Geiseln brach Crassus in das Gebiet der Vocaten und Tarusaten auf. (2) Die Nachricht, daß
Crassus eine Stadt, die auf Grund ihrer Lage und Befestigung besonders geschätzt schien, wenige Tage nach seinem Eintreffen erobert
hatte, versetzte die Barbaren so in Unruhe, daß sie begannen, nach allen Richtungen Gesandtschaften zu schicken, geheime Bündnisse zu
schließen, sich untereinander Geiseln zustellen und ein Heer auszurüsten. (3) Sie schickten sogar Gesandte an die Stämme, die an den
Grenzen zu Aquitanien im diesseitigen Spanien leben, um von dort Hilfstruppen mit den Führern dazu herbeizuholen. (4) Mit deren
Eintreffen war ihre Bedeutung und die Zahl der Kriegsteilnehmer so gestiegen, daß sie den Versuch machten Krieg zu führen. (5) Man
hatte nämlich als Führer der spanischen Truppen Männer ausgewählt, die viele Jahre lang mit Q. Sertorius zusammengewesen waren, so
daß man von ihnen annahm, sie besäßen größte Erfahrung in der Kriegführung. (6) Sie ordneten auch ganz nach römischer Gewohnheit an,
strategisch wichtige Stellen zu besetzen, befestigte Lager zu errichten und die Unseren vom Nachschub abzuschneiden. (7) Crassus war sich
bewußt, daß er seine Truppen auf Grund ihrer geringen Zahl nur schwer auseinanderziehen könne, während der Feind umherschweifte,
gleichzeitig die Wege besetzte und eine ausreichende Bewachung im Lager zurücklassen konnte. Da er erkannte, daß der Transport von
Getreide und Nachschub aus diesem Grund für sein Heer sehr schwierig wurde, während die Zahl der Feinde sich von Tag zu Tag
vermehrte, glaubte er, er dürfe nicht zögern, die Entscheidung in einer Schlacht herbeizuführen. (8) Erbracht, die Angelegenheit vor den
Kriegsrat, und als er bemerkte, daß alle der gleichen Meinung waren, bestimmte er den nächsten Tag für die Schlacht.
24.
(1) Bei Tagesanbruch ließ er alle Truppen vorrücken, stellte sie in doppelter Schlachtreihe auf, die Hilfstruppen in die Mitte der Front.
Dann wartete er ab, wozu sich die Feinde entschließen würden. (2) Obwohl diese im Vertrauen auf ihre große Zahl und ihren alten
Kriegsruhm der Ansicht waren, daß sie unsere wenigen Soldaten mit Sicherheit besiegen würden, glaubten sie doch, es sei sicherer, den
Sieg ohne Blutvergießen zu erringen, indem sie die Wege besetzten und den Nachschub sperrten. (3) Wenn die Römer sich dann aus
Mangel an Getreide allmählich zurückzögen, planten sie, den Gegner in aller Ruhe anzugreifen, weil dieser auf dem Marsch behindert und
wegen der Belastung durch das Gepäck unterlegen wäre. (4) Der Plan wurde von den Führern gebilligt, und die Feinde blieben daher im
Lager, als die Römer vorrückten. (5) Crassus durchschaute ihr Vorhaben, Da das Zögern und die anscheinend allzu große Furcht der
Feinde unsere Soldaten nur kampfeslustiger gemacht hatten und alle zusammen rief en, man dürfe nicht länger mit dem Angriff aufs Lager
warten, feuerte Crassus die Soldaten an und stürmte auf allgemeinen Wunsch zum Lager der Feinde vor.
25.
(1) Dort füllten die einen die Gräben auf, die anderen vertrieben mit einem Hagel von Wurf geschossen die Verteidiger vom Lagerwall und
den Befestigungen, sogar die Hilfstruppen, denen Crassus im Kampf nicht viel zutraute, erweckten den Eindruck von Kämpfenden, indem
sie für Nachschub an Steinen und Wurfgeschossen sorgten und Rasenstücke für die Errichtung eines Dammes herbeischafften. Gleichzeitig
kämpften die Feinde mutig und ausdauernd und schleuderten mit Erfolg von ihrem erhöhten Platz aus Wurfgeschosse. (2) Da meldeten
Crassus Reiter, die um das Lager herumgeritten waren, bei der Porta Decumana sei das Lager weniger gründlich befestigt, so daß man
dort leicht eindringen könne.
26.
(1) Crassus forderte die Reiterpraefecten auf, ihren Reitern große Belohnungen zu versprechen, um sie dadurch anzufeuern, und erklärte
ihnen seinen Plan. (2) Sie führten daraufhin befehlsgemäß die Cohorten, die zum Schutz des Lagers zurückgelassen und vom Kampf noch
nicht erschöpft waren, aus dein Lager heraus. Um vom Lager der Feinde aus nicht gesehen zu werden, führten sie sie in einem großen
Bogen darum herum, und während aller Augen und Sinne auf den Kampf gerichtet waren, gelangten sie schnell zu dem erwähnten Teil der
Lagerbefestigung. (3) Sie rissen sie nieder und hatten sich im Lager der Feinde festgesetzt, ehe diese sie überhaupt bemerkten oder
erkennen konnten, was geschah. (4) Als unsere Soldaten jedoch das Geschrei hörten, das sich an dieser Stelle erhob, belebte dies aufs
neue ihre Kräfte, wie es in der Regel geschieht, wenn man den Sieg vor Augen hat, und sie begannen, noch heftiger gegen den Gegner
vorzugehen. (5) Die Feinde, die von allen Seiten eingekreist waren, gaben jede Hoffnung auf und versuchten, über die Lagerbefestigung
hinweg herabzuspringen und sich so durch die Flucht zu retten. (6) Unsere Reiterei verfolgte sie in dem völlig offenen Gelände, so daß von
50 000 Mann, die, wie man wußte, aus Aquitanien und von den Cantabrern zusammengekommen waren, kaum der vierte Teil übrigblieb.
Dieser zog sich tief in der Nacht in ein Lager zurück.
27.
(1) Auf die Nachricht vorn Ausgang dieser Schlacht ergab sich Crassus der größte Teil Aquitaniens und stellte ihm freiwillig Geiseln. Zu
den Kapitulierenden gehörten die Tarbeller, Bigerionen, Ptianier, Garunner, Tarusaten, Elusaten, Garen, Auscer, Vocaten, Sibulaten und
Cocosaten. (2) Nur wenige Stämme, die weit entfernt lebten, unterließen es im Vertrauen auf die Jahreszeit zu kapitulieren, da der Winter
vor der Tür stand.
28.
(1) Um dieselbe Zeit führte Caesar sein Heer gegen die Moriner und Menapier, obwohl der Sommer fast vergangen war, da er glaubte,
diesen Krieg schnell beenden zu können, Nach der Unterwerfung ganz Galliens waren die Menapier und Moriner als einzige
übriggeblieben, die noch unter Waffen standen und keine Gesandten zu ihm geschickt hatten, um über Frieden zu verhandeln. Die Moriner
und Menapier gingen daran, den Krieg auf andere Art zu führen als die übrigen Gallier. (2) Da sie erkannten, daß die größten
Völkerschaften, die sich auf eine Schlacht eingelassen hatten, geschlagen und überwunden worden waren, brachten sie sich und ihre Habe
in den Wäldern und Sümpfen in Sicherheit, die ihr Gebiet in zusammenhängenden Flächen bedeckten. (3) Als Caesar am Rand der
Waldgebiete angelangt war, ordnete er an, ein befestigtes Lager zu errichten. Da sich in der Zwischenzeit kein Feind hatte blicken lassen,
zerstreuten sich unsere Soldaten bei der Arbeit. Plötzlich stürmten die Feinde von allen Seiten aus dem Wald hervor und eröffneten den
Angriff auf unsere Soldaten. (4) Diese griffen rasch zu den Waffen und trieben die Feinde in die Wälder zurück. Zwar töteten sie mehrere,
folgten den übrigen jedoch zu lange in unwegsamem Gelände, so daß sie einige der Ihren verloren.
29.
(1) Caesar befahl nun, für die Dauer der noch verbleibenden Tage die Wälder abzuholzen und das ganze Holz, das man geschlagen hatte,
mit den Baumkronen zur Feindseite hin aufzustapeln und so nach beiden Seiten eine Art Wall zu errichten, um zu verhindern, daß von der
Flanke her ein Angriff auf unsere unbewaffneten und nichtsahnenden Soldaten erfolgen könne. (2) Innerhalb weniger Tage hatte man mit
unglaublicher Schnelligkeit eine große Strecke kahlgeschlagen, so daß unsere Soldaten schon im Besitz des Viehs und des hintersten
Trosses der Feinde waren, während diese sich in die dichteren Waldgebiete abzusetzen versuchten. Da setzten derartige Unwetter ein, daß
man die Arbeit unterbrechen mußte. Bald konnten sich unsere Soldaten auf Grund der ununterbrochenen Regenfälle nicht mehr in den
Zelten aufhalten. (3) Daher ließ Caesar die gesamten Felder der Feinde verwüsten und ihre Dörfer und Gehöfte in Brand setzen, ehe er
sein Heer zurückführte und es in Winterlager bei den Aulercern, Lexoviern und ebenso bei den übrigen Stämmen verlegte, die kürzlich
noch Krieg gegen uns geführt hatten.
Liber IV
1.
(1) Im folgenden Winter, unter dem Consulat von Cn. Pompeius und M. Crassus, überschritten die germanischen Stämme der Usipeter und
Tencterer in großer Zahl den Rhein nahe dem Ort, wo er in die Nordsee mündet. (2) Der Grund für ihren Übergang war, daß die Sueben sie
seit mehreren Jahren dauernd in Unruhe hielten und mit Krieg überzogen, so daß sie daran gehindert waren, ihre Felder zu bebauen. (3)
Der Stamm der Sueben ist der weitaus größte und kriegerischste unter allen Germanen. (4) Er soll aus 100 Gauen bestehen deren jeder
jährlich jeweils ein Heer von 1000 Mann aufstellt, um außerhalb ihres Gebietes in den Krieg zu ziehen. Der Rest, der in der Heimat bleibt,
sorgt für die Ernährung der Gemeinschaft. (5) Im nächsten Jahr stehen diese wieder ihrerseits unter Waffen, und die anderen bleiben zu
Hause. (6) So sind sie in der Landwirtschaft und in Theorie und Praxis der Kriegführung in dauernder Übung. (7) Es gibt bei ihnen kein
Land, das in gesondertem Privatbesitz wäre, und ebensowenig ist es erlaubt, länger als ein Jahr in einem Gebiet zu bleiben, um dort
Ackerbau zu treiben. (8) Sie ernähren sich auch weniger von Getreide als überwiegend von Milch und Fleisch und sind viel auf der Jagd. (9)
Dieser Umstand, verbunden mit der Art der Ernährung, der täglichen Übung und der Freiheit in der Lebensführung, die darin bestehen daß
sie von Kind an nicht zu irgendwelchen Verpflichtungen oder zu Disziplin erzogen werden und nichts gegen ihren eigenen Willen tun, stärkt
die Kräfte und bringt Menschen von ungeheurer Körpergröße hervor. (10) Obwohl die Gegend dort überaus kalt ist, haben sie sich
angewöhnt, in den Flüssen zu baden und nichts außer Fellen als Kleidung, zu tragen. Da diese sehr kurz sind, bleibt der größte Teil des
Körpers nackt.
2.
(1) Die Verbindung zu Handelsleuten wird vorwiegend zu dem Zweck aufrechterhalten, daß sie das, was sie im Krieg erbeutet haben,
verkaufen können, weniger mit dem Wunsch, irgend etwas einzuhandeln. (2) Die Germanen benutzen nicht einmal importierte Pferde, an
denen die Gallier ihre höchste Freude haben und die sie sich für viel Geld beschaffen, sondern ziehen die Pferde, die es bei ihnen gibt,
welche jedoch klein und häßlich sind, in täglicher Übung zu größter Zähigkeit heran. (3) In Reitergefechten springen sie oft vom Pferd und
kämpfen zu Fuß weiter; ihre Pferde haben sie dazu abgerichtet, an ihrem Platz zu verharren, so daß sie sich, wenn es angebracht scheint,
schnell zu ihnen zurückziehen können. (4) Nichts ist nach ihrer Auffassung schändlicher und weichlicher, als einen Sattel zu benutzen. (5)
Daher wagen sie es auch, eine unbeschränkt große Zahl von Reitern mit gesattelten Pferden anzugreifen, auch wenn sie selbst nur ganz
wenige sind. Die Einfuhr von Wein haben sie völlig untersagt, weil sie der Ansicht sind, daß er die Menschen zu träge und weichlich mache,
um Anstrengungen aushalten zu können.
3.
(1) Sie glauben, es bringe in der Öffentlichkeit besonderen Ruhm, wenn das Land an ihren Grenzen auf möglichst weite Strecken hin
unbewohnt ist. Dies sei, meinen sie, ein Zeichen dafür, daß sich eine große Zahl von Stämmen ihrer Macht nicht gewachsen gezeigt habe.
(2) Es heißt daher, daß das Land auf einer Seite des Gebiets der Sueben ungefähr 600 Meilen weit brachliegt. (3) Auf der anderen Seite
schließt das Gebiet der Ubier an, die für germanische Verhältnisse ein großes und blühendes Volk sind. Sie sind etwas zivilisierter als die
übrigen Germanen, weil ihr Gebiet an den Rhein stößt und sie viel Verkehr mit Händlern haben. Wegen der Nähe zu Gallien haben sie
selbst gallische Sitten angenommen. (4) Da der Stamm zu groß und bedeutend war, konnten die Sueben sie nicht aus ihrem Gebiet
vertreiben, obwohl sie es in zahlreichen Kriegen versucht hatten. Sie schwächten sie jedoch und machten sie steuerpflichtig.
4.
(1) In der selben Lage befanden sich die oben erwähnten Usipeter und Tencterer. Mehrere Jahre lang hatten sie den Sueben Widerstand
geleistet. Endlich wären sie jedoch von ihrem Land vertrieben worden und drei Jahre lang ziellos durch germanisches Gebiet gewandert,
ehe sie zum Rhein gelangen. In dieser Gegend lebten die Menapier, (2) die zu beiden Seiten des Flusses Felder, Dörfer und Gehöfte
besaßen. (3) Die Ankunft einer derartig großen Zahl von Menschen hatte sie jedoch so in Schrecken versetzt, daß sie ihre Gehöfte jenseits
des Flusses verließen und Wachtposten verteilten, die die Germanen am Übergang hinderten. (4) Obwohl die Usipeter und Tencterer alles
versuchten, gelang es ihnen nicht, den Übergang mit Gewalt zu erzwingen, da sie zu wenig Schiffe hatten. Wegen der Wachtposten der
Menapier konnten sie auch nicht heimlich hinüberkommen. (5) Daher gaben sie vor, den Rückzug in ihre heimatlichen' Wohnsitze
anzutreten, kehrten jedoch nach drei Tagen Wegs wieder um und ließen ihre Reiterei die ganze Strecke in einer Nacht zurückreisten. So
überwältigten sie die völlig ahnungslosen Menapier. (6) Diese hatten von Spähern die Nachricht vom Abzug der Germanen erhalten und
waren ohne Bedenken wieder auf das jenseitige Ufer des Rheins in ihre Dörfer zurückgekehrt. (7) Die Germanen töteten sie und brachten
sich in den Besitz ihrer Schiffe, so daß sie über den Fluß kamen, ehe der Teil der Menapier, der auf dem diesseitigen Ufer des Rheins
lebte, etwas erfuhr. Sie beschlagnahmten alle Gehöfte der Menapier und lebten für den Rest des Winters von deren Vorräten.
5.
(1) Als Caesar davon erfuhr, fürchtete er die Unzuverlässigkeit der Gallier, weil sie in ihren Beschlüssen und Absichten unberechenbar und
immer darauf aus sind, einen politischen Umsturz herbeizuführen. Er glaubte daher, er dürfe ihnen nichts in eigener Verantwortung zu
überlassen. (2) Die Gallier haben zudem die Gewohnheit, Durchreisende sogar gegen deren Willen festzuhalten und ,jeden auszufragen,
was er über alle möglichen Ereignisse gehört und erfahren habe. Wenn Kaufleute in die Städte kommen, stellt sich das Volk um sie herum
und zwingt sie, laut zu berichten, woher sie kommen und was sie in den jeweiligen Gegenden erfahren haben. (3) Durch Auskünfte, die
häufig auf Hörensagen beruhen, lassen sie sich leicht beeinflussen und fassen oft Pläne in höchst wichtigen politischen Angelegenheiten,
die sie sofort bereuen müssen, da sie unsicheren Gerüchten anhängen, denn die meisten geben fingierte Auskünfte, um den Galliern nach
dem Munde zu reden.
6.
(1) Da Caesar diese Angewohnheit bekannt war, brach er früher als gewöhnlich zu seinem Heer auf, um dem Entstehen eines größeren
Krieges zuvorzukommen. (2) Bei seiner Ankunft erfuhr er, daß sich sein Verdacht bestätigt hatte: (3) Einige Stämme hatten
Gesandtschaften zu den Germanen geschickt und sie aufgefordert, vom Rhein aus weiter ins Land zu kommen. Sie wollten alle
Forderungen erfüllen, die die Germanen stellten. (4) Diese Aussicht hatte die Germanen veranlaßt, ihre Streifzüge auszudehnen, so daß sie
schon in das Gebiet der Eburonen und Condrusen vorgedrungen waren, die unter der Schutzherrschaft der Treverer stehen. (5) Caesar
berief daraufhin die führenden Männer Galliens ein. Da er es für besser hielt, das, was er wußte, zu verheimlichen, beruhigte und ermutigte
er sie lediglich, befahl, berittene Truppen zu stellen, und gab seinen Entschluß bekannt, gegen die Germanen Krieg zu führen.
7.
(1) Nachdem er die Getreideversorgung geregelt und eine Elitetruppe von Reitern zusammengestellt hatte, begann er mit dem Marsch in
die Gegend ,in der die Germanen sein sollten. (2) Als er nur noch wenige Tagesmärsche von ihnen entfernt war, kamen Gesandte, die
folgendes ausführten: (3) Die Germanen fingen zwar nicht als erste mit einem Krieg gegen das römische Volk an, seien jedoch bereit, zu
kämpfen, wenn man sie dazu reize, weil sie von ihren Ahnen den Brauch übernommen hätten, sobald sie jemand angreife, sich zu wehren
und nicht um Gnade zu flehen. (4) Sie wollten jedoch noch folgendes dazu bemerken: Sie seien nicht aus eigenen Stücken 2ekorinmen,
sondern weil sie aus der Heimat vertrieben worden seien. Wenn die Römer auf ein gutes Verhältnis mit ihnen Wert legten, könnten sie
nützliche Freunde sein. In diesem Fall möchten sie ihnen entweder Land zuweisen oder zulassen, daß sie das behielten, was sie sich mit
Waffen erkämpft hätten. (5) Allein den Sueben müßten sie nachgeben, denen im Ernstfall nicht einmal die unsterblichen Götter gewachsen
seien; sonst gebe es aber niemanden auf der Erde, den sie nicht bezwingen könnten.
8.
(1) Caesar antwortete darauf, wie es angebracht schien, wobei er am Ende seiner Rede folgendes ausführte: Er könne keinen
Freundschaftsvertrag mit ihnen schließen, wenn sie weiter in Gallien blieben. (2) Es sei nicht richtig, daß Leute, die ihr eigenes Gebiet nicht
wirksam verteidige könnten, fremdes besetzten. Es gebe in Gallien auch nirgends brachliegendes Land, das man ihnen ohne
Rechtsverletzung zuweisen könne, zumal es sich um eine so große Zahl von Menschen handele, (3) doch sei es ihnen gestattet, sich im
Gebiet der Ubier niederzulassen, wo sie wollten. Deren Gesandte seien gerade bei ihm, führten Klage über das Unrecht, das ihnen die
Sueben antäten, und bäten ihn um Unterstützung. Dieses Zugeständnis werde er von den Ubiern erreichen.
9.
(1) Die Gesandten sagten zu, ihrem Stamm Bericht zu erstatten, die Angelegenheit zu beraten und nach drei Tagen zu Caesar
zurückzukehren. In der Zwischenzeit, baten sie, möge er nicht näher an ihr Lager heranrücken. (2) Caesar erwiderte jedoch, auch diese
Bitte könne er ihnen nicht erfüllen. (3) Er wußte nämlich, daß ein großer Teil ihrer Reiterei wenige Tage zuvor über die Maas zu den
Ambivariten aufgebrochen war, um Beute zu machen und Getreide zu beschaffen. Er glaubte, sie wollten einen Aufschub erwirken, weil sie
diese Reiter zurückerwarteten.
10.
(1) Die Maas entspringt in dem Teil der Vogesen, der im Gebiet der Lingonen liegt, (2) und nimmt einen Teil des Rheines auf, der Waal
heißt. Dadurch entsteht die Insel der Bataver. Nicht weiter als 80 Meilen vom Meer entfernt, mündet die Maas in den Rhein. (3) Der
Rhein entspringt im Gebiet der Lepontier, die in den Alpen leben, und fließt mit reißender Strömung eine lange Strecke durch die Gebiete
der Nantuaten, Helvetier, Sequaner, Mediomatricer, Tribocer und Treverer. (4) In der Nähe des Ozeans teilt er sich in mehrere Arme, so
daß viele große Inseln entstehen. Eine Vielzahl davon wird von wilden und barbarischen Völkern bewohnt, (5) unter denen es einige geben
soll, die nur von Fischen und Vogeleiern leben. Der Rhein mündet dann mit vielen Armen ins Meer.
11.
(1) Als Caesar nicht mehr weiter als 12 Meilen vorn Feind entfernt war, kehrten die Gesandten wie vereinbart zurück. Sie trafen ihn auf
dem Marsch an und drangen in ihn, er möge nicht weiter vorrücken. (2) Als sie dies nicht erreichten, baten sie wiederholt, er möge den
Reitern, die die Spitze seines Zuges bildeten, den Befehl geben, nicht zu kämpfen; ihnen dagegen möge er die Gelegenheit geben,
Gesandte an die Ubier zu schicken. (3) Sie legten dar, daß sie auf den Vorschlag, den Caesar mache, eingehen wollten, wenn die führenden
Männer und der Senat der Ubier ihnen gegenüber durch einen Eid zusicherten, sich daran zu halten. Um dies Vorhaben auszuführen, möge
er ihnen einen Zeitraum von drei Tagen gewähren. (4) Obwohl auch dies alles nach Caesars Meinung darauf abzielte, einen Aufschub von
drei Tagen zu gewinnen, bis ihre Reiter zurückkehrten, die noch nicht eingetroffen waren, sagte er dennoch zu, er werde an diesem Tag
nicht weiter als 4 Meilen bis zu einer Wasserstelle vorrücken. (5) Sie sollten sich dort am folgenden Tag in möglichst großer Zahl
versammeln, damit er erfahre, welche Forderungen sie stellten, (6) In der Zwischenzeit ließ er den Praefecten, die mit der gesamten
Reiterei vorausgezogen waren, mitteilen, sie sollten die Feinde nicht zum Kampf reizen; wenn sie jedoch selbst herausgefordert würden,
sollten sie standhalten, bis er mit dem Hauptheer näher herangerückt sei.
12.
(1) Unsere Reiterei war 5000 Mann stark, während die Feinde nicht mehr als 800 hatten, weil die übri2en noch nicht zurückgekehrt waren,
die jenseits der Maas Getreide holen sollten. Sobald die Feinde unsere Reiterei zu Gesicht bekamen, griffen sie trotzdem plötzlich an und
brachten die Unseren schnell in Verwirrung, weil diese nichts Derartiges befürchtet hatten; denn die Gesandten der Feinde hatten für
diesen Tag einen Waffenstillstand ausgehandelt und Caesar erst kurz zuvor verlassen. (2) Als unsere Reiter jedoch zur Gegenwehr
übergingen, sprangen die Feinde nach ihrer Gewohnheit auf die Füße, durchbohrten unsere Pferde von unten, warfen einige Reiter vom
Pferd, trieben die übrigen in die Flucht und jagten sie vor sich her, so daß unsere Soldaten in ihrer Panik nicht eher in ihrer Flucht
innehielten, als bis sie in Sichtweite unseres Heereszuges gelangt waren. (3) Bei diesem Gefecht fielen 74 unserer Reiter, (4) unter diesen
Piso Aquitanus"8, ein außerordentlich tapferer Mann von vornehmer Herkunft, dessen Großvater in seinem Stamm die Königswürde
besessen hatte und vom Senat mit dem Freundestitel ausgezeichnet worden war. (,5) Als dieser seinem Bruder, den die Feinde
abgeschnitten hatten, zu Hilfe kommen wollte, entriß er ihn zwar der Gefahr, doch wurde sein Pferd verwundet und warf ihn ab. Trotzdem
kämpfte er höchst tapfer weiter, solange er konnte. (6) Umringt von Feinden, fiel er endlich schwerverwundet zu Boden. Als sein Bruder,
der sich aus dem Kampf zurückgezogen hatte, dies von fern mit ansah, spornte er sein Pferd an, stürzte sich dem Feind entgegen und fand
ebenfalls den Tod.
13.
(1) Caesar war nach dieser Schlacht der Ansicht, daß er weder weitere Gesandtschaften anzuhören noch auf Bedingungen einzugehen
brauche, die Leute stellten, welche in der hinterlistigen Absicht, ihn in eine Falle zu locken, um Frieden gebeten, jetzt dagegen selbst den
Krieg angefangen hatten. (2) Er hielt es für die größte Dummheit, abzuwarten, bis die feindlichen Truppen Verstärkung erhielten und ihre
Reiterei zurückkehrte. (3) Auch war ihm, da er die Unzuverlässigkeit der Gallier kannte, bewußt, wieviel Ansehen die Feinde bei ihnen
schon durch dieses eine Gefecht gewonnen hatten. Er glaubte daher, man dürfe ihnen auch nicht die geringste Zeit lassen, irgendwelche
neuen Beschlüsse zu fassen. (4) Nachdem er sich so entschieden und mit den Legaten und dem Quaestor seinen Plan besprochen hatte, den
Kampf nicht für einen einzigen Tag auszusetzen, ereignete sich etwas sehr Vorteilhaftes: An dem auf die Schlacht folgenden Tag kam
morgens eine zahlreiche Gesandtschaft der Germanen zu ihm ins Lager, die aus allen ihren Führern und Ältesten bestand. Sie bewiesen
damit die schon bekannte Perfidie und Verstellung. (5) Sie wollten sich, so wurde 1 gesagt, dafür rechtfertigen, daß sie es am Vortag im
Widerspruch zu den auf ihren Wunsch hin erfolgten Vereinbarungen zu einer Schlacht hatten kommen lassen. Gleichzeit g wollten sie in
betrügerischer Absicht einen Waffenstillstand erreichen, wenn es irgend möglich wäre. (6) Caesar war hocherfreut, sie in seine Gewalt zu
bekommen, und befahl, sie festzuhalten. Dann führte er seine gesamten Truppen aus dem Lager heraus und wies die Reiterei an, den
Schluß des Zuges zu bilden, weil er annahm ,daß sie durch das jüngste Gefecht noch verstört sei.
14.
(1) Er ließ das Heer in dreifacher Schlachtordnung, marschieren und legte einen Weg von acht Meilen so schnell zurück, daß er eher zum
Lager des Feindes gelangte, als die Germanen erfassen konnten, was vor sich ging. (2) Mit einem Schlag gerieten sie in große Panik, weil
wir so schnell anrückten, ihre Führer abwesend waren und sie keine Zeit mehr hatten, zu den Waffen zu greifen, geschweige denn einen
Kriegsrat abzuhalten. Sie waren so verwirrt, daß sie unsicher waren, ob sie lieber mit ihren Truppen gegen den Feind ausrücken oder aber
das Lager verteidigen oder sofort ihr Heil in der Flucht suchen sollten. (3) Während sich ihre Furcht noch darin zeigte, daß sie schrien und
hin- und herliefen, brachen unsere Soldaten, die der Zorn über den Verrat vom Vortag anstachelte, in das Lager ein. (4) Dort leisteten die,
sie sich schnell bewaffnen konnten, unseren Soldaten noch einigen Widerstand und kämpften zwischen den Wagen und dem schweren
Gepäck. (5) Die übrige Menge r, die aus Frauen und Kindern bestand, denn die Germanen waren mit ihrer gesamten Bevölkerung aus der
Heimat ausgezogen und über den Rhein gekommen, flüchtete sofort nach allen Richtungen. Um sie einzuholen, sandte Caesar die Reiterei
hinter ihnen her.
15.
(1) Als die Germanen das Geschrei hinter sich hörten und sahen, wie die Ihren getötet wurden, warfen sie ihre Waffen weg, ließen ihre
Feldzeichen im Stich und stürzten aus dem Lager. Da ihnen jedoch, (2) als sie zum Zusammenfluß der Maas und des Rheins gelangten, der
weitere Fluchtweg abgeschnitten war, kamen dort viele um, während sich die übrigen in den Fluß stürzten. Von Furcht, Erschöpfung und der
reißenden Strömung überwältigt, fanden auch sie den Tod. (3) Unsere Soldaten blieben alle am Leben und hatten nur ganz wenige
Verwundete. So zogen sie sich nach der Furcht, die ihnen ein so großer Krieg eingeflößt hatte die Zahl der Feinde hatte 430 000 betragen
wieder in das Lager zurück. (4) Caesar erlaubte den Männern, die er im Lager festgehalten hatte, abzuziehen. (5) Da sie jedoch Strafen
und Folterungen durch die Gallier befürchteten, deren Land sie verheert hatten, sagten sie, sie wollten lieber bei ihm bleiben. Caesar
Überließ ihnen die Entscheidung.
16.
(1) Nach dem Ende des Krieges mit den Germanen hielt Caesar es aus vielen Gründen für nötig den Rhein zu überschreiten. Da er sah, wie
leicht sich die Germanen verleiten ließen, in Gallien einzufallen, wurde sein Vorhaben am meisten durch die Absicht gerechtfertigt, ihnen
Furcht um ihren eigenen Besitz einzuflößen, wenn sie sähen, daß auch das Heer des römischen Volkes imstande sei und es wage, den
Rhein zu überschreiten. (2) Es kam hinzu, daß der Teil der Reiterei der Usipeter und Tencterer, der nicht am Krieg teilgenommen hatte,
nach der Flucht der Stammesgenossen sich über den Rhein in das Gebiet zurückgezogen und sich in das Gebiet der Sugambrer
zurückgezogen und sich mit diesen vereinigt hatte. (3) Wie oben erwähnt, war die Reiterei über die Maas gegangen, um Beute zu machen
und Getreide zu beschaffen. Als Caesar Gesandte mit der Forderung zu den Sugambrern schickte, die Leute auszuliefern, die mit Gallien
und mit ihm Krieg angefangen hätten, erwiderten sie, (4) der Rhein sei die Grenze der Herrschaft des römischen Volkes. Wenn er es für
Unrecht halte, daß die Germanen gegen seinen Willen nach Gallien hinübergingen, könne er jenseits des Rheins keinen Anspruch auf
Herrschaft oder Befehlsgewalt erheben. (5) 15ie Ubier aber, die als einzige von den rechtsrheinischen Stämmen Gesandte an Caesar
geschickt, einen Freundschaftsvertrag mit ihm geschlossen und Geiseln gestellt hatten, baten jetzt dringend um Unterstützung, weil sie von
den Sueben schwer bedrängt wurden. (6) Wenn ihn andere politische Aufgaben verhindern sollten, möge er wenigstens ein Heer über den
Rhein schicken; das gebe ihnen zunächst genügend Unterstützung und Hoffnung für die Zukunft. (7) Nach der Niederlage Ariovists und
nach dem Ende des letzten Krieges genieße das römische Heer bei ihnen einen derartigen Ruhm und eine derartige Hochschätzung bis zu
den f ernsten germanischen Völkern hin, daß ihnen schon das Ansehen und die Freundschaft des römischen Volkes Sicherheit geben
könne. Sie sagten zu, eine große Zahl von Schiff en für den Transport des Heeres zur Verfügung zu stellen.
17.
(1) Ich habe oben erwähnt, daß diese Gründe Caesar veranlaßt hatten, den Rhein zu überschreiten. Er glaubte jedoch, es sei nicht sicher
genug, dies mit Schiffen durchzuführen, auch meinte er, es entspreche nicht dem Ansehen, das er und das römische Volk genossen. (2)
Obwohl sich zeigte, daß der Bau einer Brücke auf Grund der Breite, Tiefe und reißenden Strömung des Flusses mit größten
Schwierigkeiten verbunden war, glaubte er dennoch, er müsse den Versuch dazu unternehmen oder andernfalls darauf verzichten, das Heer
hinüberzuführen. (3) Er entwickelte folgendes Verfahren für den Bau der Brücke. Je zwei eineinhalb Fuß starke Balken wurden unten
etwas angespitzt und ihr Maß der Tiefe des Flusses angepaßt. Die Paare wurden in einem Abstand von zwei Fuß miteinander verbunden.
(4) Dann wurden sie mit Kräften in den Fluß versenkt, fest in Stellung gebracht und durch Rammen in den Grund getrieben. Sie standen
nicht senkrecht wie gewöhnliche Brückenpfähle, sondern waren schräg nach vorn geneigt wie Dachsparren, so daß sie der Strömung des
Flusses keinen Widerstand boten. (5) Ihnen gegenüber brachte Caesar in einer Entfernung von 40 Fuß jeweils zwei auf dieselbe Weise
verbundene Pfähle an, die von unten her gegen die Gewalt und den Druck der Strömung geneigt waren. (6) Quer auf die Pfahlpaare wurden
zwei Fuß dicke Balken gelegt. Dabei wurde der Abstand, den das Verbindungsgerüst zwischen den Pfählen eines Paares herstellte, auf
beiden Seiten durch je zwei Bolzen am oberen Ende der Pfähle gesichert. (7) Da damit die Balken eines Pfahlpaares auseinandergehalten
wurden und jeweils in entgegengesetzter Richtung sicher befestigt waren, stand der Bau so unerschütterlich und erhielt eine solche
Beschaffenheit, daß die Verbindung zwischen den Pfahlpaaren um so stärker wurde, je kräftiger die Strömung dagegen andrang. (8)
Hierauf wurden die Pfahlpaare in Querrichtung mit horizontalen Balken belegt und miteinander verbunden. Das Brückengerüst deckte man
mit Stangen und Flechtwerk. (9) Nicht genug damit, es wurde flußabwärts weitere Pfähle in schräger Richtung eingerammt, die man als
Wellenbrecher anbrachte und mit dem ganzen Bau verband, so daß sie die Gewalt der Strömung brachen. (10) Oberhalb der Brücke wurden
in einigem Abstand weitere Pfähle eingerammt, die zum Schutz dienen sollten gegen Baumstämme oder Schiffe, die die Barbaren vielleicht
flußabwärts schickten, um die Brücke zum Einsturz zu bringen. Sie sollten deren Stoßkraft abschwächen, damit sie die Brücke nicht
beschädigten.
18.
(1) Zehn Tage, nachdem man begonnen hatte, das Holz heranzuschaffen, war das ganze Werk vollendet, und das Heer zog hinüber. (2)
Caesar ließ auf beiden Seiten der Brücke eine starke Wachabteilung zurück und zog rasch in das Gebiet der Sugambrer. (3) Während
dieser Zeit erschienen Gesandte von verschiedenen Stämmen bei ihm. Er kam ihrer Bitte nach Frieden großzügig, entgegen und forderte
sie auf, ihm Geiseln zu stellen. (4) Von dem Zeitpunkt an, als mit dem Brückenbau begonnen wurde, hatten die Sugambrer auf Anraten
einiger Usipeter und Tencterer, die sich bei ihnen befanden, Vorbereitungen für die Flucht getroffen und waren aus ihrem Gebiet
abgezogen. Sie nahmen ihren gesamten Besitz mit und verbargen sich in der Einsamkeit der Wälder.
19.
(1) Caesar hielt sich nur wenige Tage in ihrem Gebiet auf, um alle Dörfer und Gehöfte in Brand zu stecken und das Getreide auf den
Feldern zu schneiden, ehe er sich in das Land der Ubier zurückzog. Diesen sagte er Hilfe zu, falls sie von den Sueben bedrängt würden, und
erfuhr dabei folgendes von ihnen: (2) Nachdem die Sueben durch Späher vom Bau der Brücke erfahren hatten, beriefen sie, ihren
Bräuchen folgend, einen Landtag ein. Durch Boten ließen sie die Bevölkerung aller Teile ihres Landes auffordern, die Städte zu verlassen
und Frauen, Kinder und allen Besitz in die Wälder zu schaffen. Die Wehrfähigen sollten sich alle an einem Ort versammeln. (3) Dazu hatten
sie einen Platz gewählt, der etwa in der Mitte des gesamten Gebiets lag, das sie in ihrem Besitz hatten. Sie waren entschlossen, an dieser
Stelle die Ankunft der Römer abzuwarten und es hier zur entscheidenden Schlacht kommen zu lassen. (4) Als Caesar dies erfuhr, stellte er
fest, daß er alles erreicht hatte, was Anlaß zu seinem Entschluß gewesen war, das Heer über den Rhein zu führen: Er hatte den Germanen
Angst eingejagt, die Sugambrer bestraft und die Ubier von dem Druck durch die Sueben befreit. Daher glaubte er, nach einem Aufenthalt
von insgesamt 18 Tagen auf dem jenseitigen Rheinufer sei genug für das Ansehen und die politischen Interessen des römischen Volkes
geschehen. Er zog sich wieder nach Gallien zurück und ließ die Brücke abreißen.
20.
(1) Obwohl sich der Sommer dem Ende zuneigte und der Winter in dieser Gegend sehr früh beginnt, da Gallien in den nördlichen Breiten
liegt, wollte Caesar unbedingt nach Britannien aufbrechen, weil er immer wieder sah, daß in fast allen gallischen Kriegen die Feinde von
dort mit Hilfstruppen unterstützt wurden. (2) Auch wenn die Jahreszeit es nicht mehr erlaubte, einen Krieg zu führen; glaubte er dennoch,
es bringe für ihn Vorteile mit sich, wenn er nur auf der Insel landete, die Menschen dort genauer kennenlernte und Informationen über die
Gegend, die Häfen und die übrigen Landungsmöglichkeiten sammelte. (3) Das alles war den Galliern in der Regel nicht bekannt. Außer
Handelsleuten ist niemand sonst so verwegen, die Bewohner dieser Insel aufzusuchen, und selbst diese kennen nur die Küste und die
Gegend, die Gallien gegenüber liegt .241 (4) Obwohl Caesar von überall her Handelsleute zu sich rief, konnte er weder von ihnen erfahren,
wie groß die Insel sei, noch, welche Völker sie bewohnten, noch, wie groß die Bevölkerungsdichte sei. Ebensowenig erhielt er Auskunft
über ihre Art, Krieg zu führen, oder über das Recht, nach dem sie lebten, und endlich auch nicht darüber, welche Häfen für die Landung
größerer Schiffe geeignet seien.
21.
(1) Er hielt es daher für angebracht, C. Volusenus mit einem Kriegsschiff vorauszuschicken, um dies zu erforschen, bevor er sich in
irgendeine Gefahr begab. (2) Er beauftragte ihn, alles auszukundschaften und dann so schnell wie möglich zu ihm zurückzukehren. (3) Er
selbst setzte sich mit allen Truppen in das Gebiet der Moriner in Marsch, weil von dort die Überfahrt nach Britannien am kürzesten war .
(4) Hierher ließ er aus allen Richtungen Schiffe von den benachbarten Gebieten und die Flotte zusammenkommen, die im Sommer zuvor für
den Krieg gegen die Veneter gebaut worden war. (5) Da in der Zwischenzeit sein Plan bekannt geworden und durch Händler den
Britanniern übermittelt worden war, kamen von einigen Stämmen dieser Insel Gesandte zu ihm. Sie sagten ihm die Stellung von Geiseln zu
und wollten sich der Herrschaft des römischen Volkes unterwerfen. (6) Caesar hörte sie an, machte ihnen großzügige Zusagen und forderte
sie auf, bei diesem Entschluß zu bleiben. Dann schickte er sie in ihre Heimat zurück; er gab ihnen Commius mit, (7) den er nach dem Sieg
über die Atrebaten als deren König eingesetzt hatte und von dessen Tüchtigkeit und Einsicht er überzeugt war. Zudem hielt er ihn für einen
ihm ergebenen Mann, dessen Ansehen in diesen Gegenden sehr viel galt. (8) Er gab ihm den Auftrag, die Stämme aufzusuchen, die er
erreichen könne, und ihnen nahezulegen, sich unter den Schutz des römischen Volkes zu stellen. Gleichzeitig sollte er melden, Caesar
selbst werde in Kürze eintreffen, (9) Volusenus nahm die gesamten Gebiete in Augenschein, so gut es einem Mann gelingen konnte, der
nicht wagte, das Schiff zu verlassen und sich damit den Barbaren auszuliefern. Nach vier Tagen kehrte er zu Caesar zurück und berichtete,
was er dort gesehen habe.
22.
(1) Während sich Caesar in dieser Gegend aufhielt, um die Flotte zusammenzustellen, kamen von einem großen Teil der Moriner Gesandte
zu ihm, um sich für die Pläne, die sie in der vergangenen Zeit Verfolgt hatten, zu entschuldigen und darzulegen' daß sie Krieg gegen das
römische Volk geführt hätten, weil sie als barbarische Völker nicht mit unseren Gewohnheiten vertraut gewesen seien. Sie versprachen,
alle Forderungen Caesars in Zukunft zu erfüllen. (2) Caesar hielt dies für ein glückliches Zusammentreffen, weil er in seinem Rücken
keinen Feind zurücklassen wollte, auf Grund der Jahreszeit jedoch auch keine Gelegenheit mehr hatte, sich kriegerisch mit ihnen
auseinanderzusetzen. Auch war er der Ansicht, daß die Beschäftigung mit so geringfügigen Angelegenheiten hinter dem Zug nach
Britannien zurückzustehen habe. Daher befahl er ihnen nur, eine große Zahl von Geiseln zu stellen. (3) Sobald sie sie herbeigebracht
hatten, nahm er ihre freiwillige Unterwerfung an. Nachdem etwa 80 Lastschiffe zusammengekommen waren und somit nach seinem
Ermessen eine ausreichende Zahl zur Verfügung stand, um zwei Legionen zu transportieren, verteilte er die Kriegsschiffe, über die er
zusätzlich verfügte, auf die Legaten, den Quaestor und die Praefecten. (4) Hinzu kamen noch 18 Lastschiffe, die in einer Entfernung von 8
Meilen durch den Wind aufgehalten wurden, so daß sie nicht in denselben Hafen einlaufen konnten. Diese wies er den Reitern zu. (5) Das
übrige Heer ließ er unter den Legaten Q. Titurius Sabinus und L. Aurunculeius Cotta gegen die Menapier und die Gaue der Moriner
marschieren, von denen noch keine Gesandtschaften zu ihm gekommen waren. (6) Der Legat P. Sulpicius Rufus erhielt den Befehl, den
Hafen mit einer Schutztruppe besetzt zu halten, in einer zahlenmäßigen Stärke, die Caesar ausreichend schien.
23.
(1) Sobald nach Anordnung dieser Maßnahmen günstiges Wetter für die Seefahrt eintrat, ließ er etwa um die 3. Nachtwache die Schiffe
ablegen. Vorher befahl er den Reitern, in den anderen Hafen vorzurücken, sich dort an Bord zu begeben und ihm zu folgen. (2) Während sie
diesen Befehl etwas zu zögernd ausführten, kam Caesar selbst schon etwa um die 4. Stunde des Tages mit den ersten Schiffen an der
britannischen Küste an und stellte fest, daß dort auf allen Anhöhen bewaffnete feindliche Truppen aufgestellt waren. (3) Dieser Ort war
dergestalt beschaffen, daß man, da die Berge sehr nahe ans Meer heranrückten, den Strand von den Höhen aus mit Wurfgeschossen
erreichen konnte. (4) Da Caesar diese Stelle als Landeplatz für völlig ungeeignet hielt, ließ er Anker werfen und wartete bis zur 9. Stunde
darauf, daß die übrigen Schiffe dort einträfen. (5) In der Zwischenzeit versammelte er die Legaten und Militärtribunen und erklärte ihnen,
was er von Volusenus erfahren hatte und was nun geschehen sollte. Er ermahnte sie, alle Befehle auf seinen Wink hin augenblicklich
auszuführen, wie es die Strategie, vor allem auf See, wo sich die Lage schnell und immerfort verändere, erfordere. (6) Nachdem er sie
entlassen hatte, gab er das Signal, die Anker zu lichten, da gleichzeitig die Flut einsetzte und ein günstiger Wind aufkam, und fuhr etwa 7
Meilen weiter. In der Nähe einer unbewaldeten und ebenen Stelle ließ er die Schiffe vor Anker gehen.
24.
(1) Die Barbaren durchschauten jedoch den Plan der Römer, schickten ihre Reiterei und die Kriegswagen voraus, die sie in Kämpfen in der
Regel einzusetzen pflegen, und folgten mit den übrigen Truppen unverzüglich nach. Sie hinderten unsere Soldaten am Verlassen der
Schiffe, (2) so daß die Lage für uns sehr schwierig wurde, denn die Schiffe konnten wegen ihres Ausmaßes nur in größerer Tiefe vor Anker
gehen, während unsere Soldaten das Gelände nicht kannten und ihre Hände nicht gebrauchen konnten, weil sie mit dem Gewicht der vielen
Waffen belastet waren, Trotzdem sollten sie zugleich von den Schiffen springen, im Wasser Halt finden und mit den Feinden kämpfen. (3)
Diese waren mit der Gegend wohlvertraut, befanden sich im Trockenen oder waren nur wenig ins Wasser vorgerückt, so daß sie alle ihre
Glieder frei gebrauchen konnten. Sie schleuderten kühn ihre Wurfgeschosse und trieben ihre Pferde an, die an diese Kampfesweise
gewöhnt waren. (4) Das alles versetzte unsere Soldaten in Panik, und da sie in dieser Art von Kampf völlig unerfahren waren, gingen sie
nicht mit derselben Lebhaftigkeit und Begeisterung vor, die sie gewöhnlich zeigten, wenn zu Fuß gekämpft wurde.
25.
(1) Als Caesar dies bemerkte, ließ er die leichter zu manövrierenden Kriegsschiffe, deren Anblick dem Feind ungewohnter war, etwas von
den Lastschiffen wegrudern, ihre Geschwindigkeit erhöhen und vor der offenen Flanke des Feindes vor Anker gehen. Von hier aus sollten
die Soldaten die Feinde mit Schleudern, Bogen und schweren Geschützen zurücktreiben und in die Flucht schlagen. (2) Diese Maßnahme
erwies sich für uns als sehr nützlich, denn die Form der Schiffe, die Bewegung der Ruder und die ungewohnten, schweren Geschütze
beeindruckten die Feinde so, daß sie stehenblieben und, wenn auch nur wenig, zurückwichen. (3) Als unsere Soldaten vor allem wegen der
Tiefe des Wassers immer noch zögerten, beschwor der Adlerträger der 10. Legion die Götter, der Legion einen glücklichen Ausgang dieses
Unternehmens zu gewähren, und rief: »Springt herab, Kameraden, wenn ihr den Adler nicht den Feinden ausliefern wollt. Ich jedenfalls
werde meine Pflicht gegen den Staat und gegen den Feldherrn erfüllen.« (4) Sobald er dies mit lauter Stimme gerufen hatte, sprang er vom
Schiff und trug den Adler gegen die Feinde voran. (5) Da feuerten sich unsere Soldaten gegenseitig an, eine derartige Schande nicht
zuzulassen, und sprangen alle vom Schiff. (6) Als die Soldaten von den nächsten Schiffen sie beobachteten, folgten sie ihnen sofort und
rückten gegen den Feind vor.
26.
(1) Auf beiden Seiten wurde hart gekämpft. Da unsere Soldaten jedoch keinen festen Stand finden konnten, war es ihnen unmöglich, ihre
Ordnung aufrechtzuerhalten. Da sie ihren eigenen Feldzeichen nicht folgen konnten und sich, e nachdem, von welchem Schiff sie gerade
kamen, dem Feldzeichen anschlossen, auf das sie stießen, gerieten sie sehr in Verwirrung. (2) Die Feinde dagegen kannten jede flache
Stelle, und sobald sie vom Strand aus einzelne von Bord gehen sahen, spornten sie ihre Pferde an und drangen auf die durch ihr Gepäck
behinderten Soldaten ein. (3) Eine größere Zahl von ihnen umzingelte jeweils einige wenige, während die übrigen von der offenen Flanke
her ihre Wurfgeschosse auf alle unsere Soldaten schleuderten. (4) Als Caesar dies bemerkte, ließ er die Rettungsboote der Kriegsschiffe
und ebenso die Aufklärungsschiffe mit Soldaten besetzen und schickte sie den übrigen Soldaten zu Hilfe, wenn er sah, daß sie in
Bedrängnis geraten waren. (5) Sobald unsere Soldaten an Land Fuß gefaßt hatten, griffen sie, gefolgt vom ganzen übrigen Heer, die Feinde
an und schlugen sie in die Flucht. Sie konnten sie jedoch nicht allzuweit verfolgen, weil die Reiter nicht in der Lage gewesen waren, ihren
Kurs zu halten und die Insel zu erreichen. Dies war das einzige, was zum bewährten Kriegsglück Caesars fehlte.
27.
(1) Sobald sich die Feinde nach ihrer Niederlage und anschließenden Flucht wieder gesammelt hatten, schickten sie umgehend Gesandte
mit der Bitte um Frieden an Caesar. Sie sagten zu, Geiseln zu stellen und alle seine Forderungen zu erfüllen. (2) Gemeinsam mit den
Gesandten erschien der Atrebate Commius, den Caesar, wie oben erwähnt, nach Britannien vorausgeschickt hatte. (3) Als er an Land
gegangen war und den Feinden als Unterhändler die Aufträge Caesars übermitteln wollte, hatten sie ihn ergriffen und in Fesseln
geschlagen. (4) Nach der Schlacht ließen sie ihn wieder frei und machten bei den Friedensverhandlungen die Masse ihrer Bevölkerung für
seine Gefangennahme verantwortlich. Sie baten, dem Volk diese unüberlegte Handlung nicht anzulasten. (5) Caesar warf ihnen vor, daß sie
ohne Ursache mit dem Krieg begonnen hätten, obwohl sie vorher aus freien Stücken Gesandtschaften aufs Festland geschickt hätten, um
ihn um Frieden zu bitten. Er sagte ihnen jedoch zu, diese Unüberlegtheit zu verzeihen, und forderte die Stellung von Geiseln. (6) Die
Britannier lieferten sofort einen Teil davon aus, während sie erklärten, den Rest in wenigen Tagen übergeben zu wollen: Sie müßten diese
Geiseln aus weiter entfernten Gebieten herbeiholen. (7) In der Zwischenzeit befahlen sie, daß die Bevölkerung aufs Land zurückkehren
solle, während die führenden Männer allmählich von allen Seiten zusammenkamen, um sich und ihre Stämme dem Wohlwollen Caesars zu
empfehlen.
28.
(1) Nachdem dadurch der Frieden bereits hergestellt worden war, verließen vier Tage nach Caesars Ankunft in Britannien die 18 Schiffe,
die, wie oben erwähnt, die Reiter an Bord genommen hatten, bei leichter Brise den entfernten Hafen - auf dem Festland. (2) Als sie sich der
britannischen Küste näherten und schon vom Lager aus gesichtet wurden, erhob sich plötzlich ein derartiger Sturm, daß keines der Schiffe
seinen Kurs halten konnte. Die einen wurden zurückgeworfen, woher sie ausgelaufen waren, die anderen gerieten in Seenot und wurden
zum südlichen Teil der Insel, der näher nach Westen liegt, abgetrieben. (3) Obwohl sie vor Anker gingen, wurden sie von den Fluten
überspült, so daß sie gezwungen waren, bei anbrechender Nacht wieder in See zu stechen und Kurs auf das Festland zu nehmen.
29.
(1) Es traf sich, daß in dieser Nacht Vollmond war. Zu diesem Zeitpunkt treten auf dem Ozean gewöhnlich Springfluten auf. Dies war den
Unseren jedoch unbekannt. (2) Daher überspülte die Flut die Kriegsschiffe, die Caesar für den Transport des Heeres hatte bereitstellen
lassen und die auf den Strand gezogen worden waren. Gleichzeitig beschädigte der Sturm die Lastschiffe, die vor Anker lagen, und so war
es uns unmöglich geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Abhilfe zu schaffen. (3) Mehrere Schiffe brachen auseinander, die übrigen
wurden seeuntüchtig, da sie Taue, Anker und die übrige Ausrüstung verloren, und es kam, wie es kommen mußte, beim ganzen Heer zu
einer großen Verwirrung. (4) Es gab nämlich keine anderen Schiffe, die das Heer zurückbringen konnten, zudem fehlte alles, was notwendig
gewesen wäre, um die Schiffe wieder instand zu setzen. Da alle fest geglaubt hatten, man müsse in Gallien überwintern, hatte man auch
keine Vorsorge getroffen, um hier die Getreideversorgung für den Winter sicherzustellen.
30.
(1) Als dies bekannt wurde, trafen sich die führenden Männer Britanniens, die nach der Schlacht gemeinsam zu Caesar gekommen waren,
zu einem Gespräch. Sie sahen, daß es den Römern an Reitern, Schiffen und Getreide fehlte, und schlossen auf eine ganz geringe Zahl von
römischen Soldaten, da das Lager sehr geringe Ausmaße hatte, was jedoch auch dadurch gekommen war, daß Caesar die Legionen ohne
schweres Gepäck herübergebracht hatte. (2) Die Britannier hielten es für das beste, zunächst den Kampf wieder aufzunehmen, dann unsere
Soldaten von Getreide und Nachschub abzuschneiden und den Kampf bis in den Winter hinzuziehen. Sie vertrauten fest darauf, daß in
Zukunft niemand mehr nach Britannien übersetzen würde, um dort Krieg zu führen, wenn das römische Heer geschlagen oder ihm der
Rückweg abgeschnitten sei. (3) Daher machten sie erneut eine Verschwörung und begannen, sich allmählich aus dem Lager zu entfernen
und heimlich ihre Leute vom Land zurückzuholen.
31.
(1) Obwohl Caesar noch nichts von ihren Plänen erfahren hatte, ließen das Mißgeschick seiner Schiff e und die Tatsache, daß die
Britannier die Auslieferung der Geiseln unterbrachen, in ihm den Verdacht aufkommen, daß das eintreten werde, was dann wirklich
geschah. (2) Daher traf er für jeden möglichen Fall Schutzmaßnahmen: Täglich ließ er Getreide von den Feldern ins Lager schaffen und
benutzte das Holz und das Eisen der am schwersten beschädigten Schiffe, um die übrigen damit auszubessern. Gleichzeitig ließ er alles für
die Reparatur und Ausrüstung Notwendige vom Festland nach Britannien bringen. (3) Da die Soldaten seine Anordnungen mit höchstem
Eifer ausführten, gelang es ihm, indem er den Verlust von zwölf Schiffen in Kauf nahm, die übrigen wieder seetüchtig zu machen.
32.
(1) Während dieser Arbeiten war, wie gewöhnlich, eine einzelne Legion zum Getreideholen ausgeschickt worden, und zwar die 7. Bis zu
diesem Zeitpunkt hatte noch niemand Verdacht auf einen Krieg geschöpft, weil ein Teil der Einheimischen auf den Feldern blieb, ein Teil
sogar ständig im Lager aus und ein ging. Da meldeten Caesar die Soldaten, die vor den Lagertoren Wache hielten, man habe in der
Richtung, in die die Legion marschiert sei eine ungewöhnlich große Staubwolke aufsteigen sehen, (2) Caesar vermutete zutreffend, daß die
Barbaren einen neuen Plan gefaßt hätten, und befahl den Cohorten, die auf Wache standen, mit ihm in die betreffende Gegend
aufzubrechen, während von den restlichen Cohorten zwei die Wache übernahmen und die anderen sich bewaffnen und ihm sofort nachfolgen
sollten. (3) Er hatte sich kaum ein wenig vom Lager entfernt, als er beobachtete, daß die Feinde seine Soldaten bedrängten, die nur mit
Mühe standhielten, und daß von allen Seiten Wurf Geschosse auf die Legion niedergingen, die sich dicht zusammendrängt hatte. (4) Da
überall sonst das gesamte Getreide schon geschnitten war, hatten die Feinde vermutet, daß unsere Soldaten an diese letzte, noch nicht
abgeerntete Stelle kämen, und hatten sich nachts in den Wäldern verborgen. (5) Als unsere Soldaten die Waffen abgelegt hatten und, in
einzelne Gruppen verstreut, damit beschäftigt waren, das Korn zu mähen, hatten sie sie plötzlich angegriffen, einige getötet und die übrigen
völlig in Verwirrung gebracht, da sich die Einheiten aufgelöst hatten. Gleichzeitig hatten die Feinde sie mit ihrer Reiterei und den
Streitwagen eingekreist.
33.
(1) Der Kampf von diesen Streitwagen aus verläuft folgendermaßen: Zuerst fahren die Britannier nach allen Richtungen über das gesamte
Schlachtfeld und schleudern Wurfgeschosse, wobei sie meist schon durch den Schrecken den die Pferde verbreiten, und den Lärm der
Räder die feindlichen Reihen in Verwirrung bringen. Sobald sie in die berittenen Einheiten eingedrungen sind, springen sie von den Wagen
und kämpfen zu Fuß weiter. (2) Währenddessen fahren die Wagenlenker etwas aus dem Kampfgebiet heraus und stellen sich so auf, daß
sie den Ihren, falls diese von einer feindlichen Übermacht bedrängt werden, eine gute Möglichkeit bieten, sich ungehindert zu ihrem Heer
zurückzuziehen. (3) So zeigen sie im Kampf die Beweglichkeit von Reitern und die Standfestigkeit von Fußsoldaten. Durch Gewohnheit und
tägliche Übung haben sie es dabei so weit gebracht, daß sie Wagenlenker sogar auf abschüssigem, steilem Gelände die Pferde in vollem
Lauf aufhalten, in kürzester Frist bändigen und schwenken lassen können. Ja, sie laufen sogar über die Deichsel und stellten sich auf das
Joch der Pferde, um sich von dort wiederum in größter Geschwindigkeit auf die Wagen zurückzuziehen.
34.
(1) Da diese neuartige Kampfesweise unsere Soldaten völlig in Verwirrung brachte, kam Caesar ihnen im rechten Augenblick zu Hilfe.
Denn die Feinde machten halt, als er erschien, während unsere Soldaten sich von dem Schrecken erholten. (2) Caesar glaubte jedoch trotz
dieses Erfolgs, es sei kein günstiger Zeitpunkt, um den Feind zum Kampf zu reizen und eine Schlacht zu liefern, blieb daher an seinem
Standort und führte die Legionen nach kurzer Zeit ins Lager zurück. (3) Da unsere Soldaten voll in Anspruch genommen waren, entfernten
sich währenddessen auch die Britannier, die auf dem Land zurückgeblieben waren. (4) Für mehrere Tage folgte dann ohne Unterbrechung
ein Unwetter aufs andere, so daß unsere Soldaten im Lager blieben und die Feinde vom Kampf abgehalten wurden. (5) Die Barbaren
schickten jedoch in der Zwischenzeit Boten nach allen Richtungen aus, die ihren Stammesgenossen öffentlich bekanntmachten, wie gering
die Zahl unserer Soldaten sei, und ihnen vor Augen hielten, eine wie gute Gelegenheit sich biete, Beute zu machen und für immer ihre
Freiheit zu gewinnen, wenn sie die Römer aus dem Lager vertrieben. (6) Dadurch sammelte sich schnell eine große Menge Reiterei und
Fußvolk und rückte zum Lager vor.
35.
(1) Obwohl Caesar sah, daß dasselbe eintreten werde, was an den vergangenen Tagen geschehen war, daß sich nämlich die Feinde nach
einer Niederlage schnell durch die Flucht der Gefahr entziehen würden, stellte er trotzdem die Legionen in Schlachtordnung vor dein Lager
auf. Dazu verfügte er jetzt über etwa 30 Reiter, die der Atrebate Commius, den wir oben erwähnten, mit über das Meer gebracht hatte. (2)
Es kam zu einer Schlacht, in deren Verlauf die Feinde dem Ansturm unserer Soldaten nicht allzulang standhalten konnten, so daß sie sich
zur Flucht wandten. (3) Unsere Soldaten verfolgten sie, soweit ihre Kräfte für einen schnellen Lauf ausreichten, und töteten einige von
ihnen. Dann steckten sie alle Gehöfte weit und breit in Brand und zogen sich wieder ins Lager zurück.
36.
(1) Noch am gleichen Tag schickten die Feinde Gesandte an Caesar mit der Bitte um Frieden. (2) Dieser verdoppelte die Zahl der Geiseln,
die er vorher gefordert hatte, und befahl, sie aufs Festland zu bringen, denn da der Zeitpunkt der Tagundnachtgleiche herankam, glaubte
er, man dürfe die beschädigten Schiffe bei der Überfahrt nicht den Winterstürmen aussetzen. (3) Als günstiges Wetter eintrat, ließ er daher
kurz nach Mitternacht die Anker lichten. Die Schiffe gelangten alle wohlbehalten zum Festland. (4) Zwei der Lastschiffe wurden jedoch
etwas weiter nach Süden abgetrieben, so daß sie nicht dieselben Häfen anlaufen konnten wie die übrigen.
37.
(1) Als etwa 300 Soldaten von diesen Schiffen an Land gesetzt worden waren und rasch das Lager zu erreichen suchten, umstellte sie eine
zunächst nicht allzu große Zahl von Morinern, die Caesar bei seinem Aufbruch nach Britannien völlig unterworfen zurückgelassen hatte.
Die Hoffnung auf Beute trieb sie, so daß sie unseren Soldaten befahlen, die Waffen niederzulegen, wenn sie nicht getötet werden wollten.
(2) Die Soldaten bildeten jedoch einen Kreis und verteidigten sich. Da aber stießen auf den Lärm hin rasch noch etwa weitere 6000
Moriner hinzu. Als Caesar davon Meldung erhielt, schickte er seinen Soldaten die gesamte Reiterei aus dem Lager zu Hilfe. (3) In der
Zwischenzeit kämpften unsere Soldaten mehr als vier Stunden lang mit höchster Tapferkeit und hielten dem Ansturm der Feinde stand. Sie
töteten mehrere Feinde, während nur wenige von ihnen selbst verwundet wurden. (4) Als danach jedoch unsere Reiterei in Sicht kam,
warfen die Feinde die Waffen weg und flohen, wobei ein großer Teil von ihnen fiel.
38.
(1) Am folgenden Tag schickte Caesar den Legaten T. Labienus mit den Legionen, die er aus Britannien zurückgebracht hatte, gegen die
Moriner, die den Aufstand gemacht hatten. (2) Da die Sümpfe ausgetrocknet waren und ihnen daher keinen Zufluchtsort boten, wohin sie
sich wie in den vergangenen Jahren hätten zurückziehen können, unterwarfen sich fast alle dem Labienus. (3) Die Legaten Q. Titurius und
L. Cotta, die an der Spitze ihrer Legionen in das Gebiet der Menapier gezogen waren, hatten deren gesamte Felder verwüstet, das Korn
geschnitten und die Gehöfte in Brand gesteckt. Da sich die Menapier jedoch alle in überaus dicht bewaldetem Gebiet verborgen hielten,
kehrten die Legaten zu Caesar zurück. (4) Dieser ließ alle Legionen im Gebiet der Belger überwintern. Dorthin schickten ihm insgesamt
nur zwei Stämme aus Britannien Geiseln, die übrigen unterließen es. (5) Diese Erfolge, die aus den Briefen Caesars hervorgingen,
veranlaßten den Senat, ein Dankfest von 20 Tagen zu beschließen.
Liber V
1.
(1) Als Caesar unter dem Consulat des L. Domitius und Ap. Claudius vom Winterlager nach Italien aufbrach, wie er es gewöhnlich jedes
Jahr tat, gab er den Legaten, denen er die Legionen unterstellt hatte, den Auftrag, dafür zu sorgen, dass im Winter möglichst viele Schiffe
gebaut und die alten wiederhergestellt würden. Er erklärte ihnen ihre Maße und ihre Form. (2) Um sie schneller beladen und an Land
ziehen zu können, ließ er sie etwas niedriger bauen als die Schiffe, die wir auf unserem Meer gewöhnlich verwenden. Das war um so eher
möglich, als er wußte, dass der Wellengang wegen der häufigen Gezeitenwechsel dort weniger hoch war. Um Lasten und eine Menge von
Zugvieh transportieren zu können, sollten sie auch etwas breiter als die auf den anderen Meeren eingesetzten Schiffe gebaut werden. (3)
Zudem befahl er, sie alle als leichte Ruderschiffe zu bauen, wozu sie ihre geringe Höhe besonders geeignet machte. (4) Was zur Ausrüstung
der Schiffe notwendig war, ließ Caesar aus Spanien herbeischaffen. (5) Dann brach er nach Illyrien auf, sobald er die Gerichtstage im
diesseitigen Gallien abgehalten hatte. Er hatte nämlich gehört, dass das an unsere Provinz grenzende Gebiet durch Einfälle der Pirusten
verwüstet würde. (6) Als er in Illyrien eintraf, befahl er den dortigen Stämmen, Soldaten zu stellen und sie an einem bestimmten Ort zu
sammeln. (7) Als dies bekannt wurde, schickten die Pirusten Gesandte zu ihm, die darlegten, dass nichts von den Vorfällen auf öffentlichen
Beschluß hin geschehen sei. Sie erklärten, sie seien bereit, auf jede Weise für die widerrechtlich verursachten Schäden aufzukommen. (8)
Caesar nahm ihre Erklärung an und forderte die Stellung von Geiseln, die er zu einem bestimmten Zeitpunkt auszuliefern befahl. Sollten sie
dies nicht tun, so erklärte er, werde er den Stamm mit Krieg strafen. (9) Als die Geiseln befehlsgemäß ausgeliefert worden waren, bestellte
er für die betroffenen Stämme Schiedsleute, die den angerichteten Schaden schätzen und die Höhe der Strafe feststellen sollten.
2.
(1) Nachdem Caesar diese Angelegenheiten geregelt und Gerichtstage abgehalten hatte, kehrte er in das diesseitige Gallien zurück und
brach von dort zum Heer auf. (2) Als er hier eingetroffen war, besichtigte er alle Winterlager. Obwohl es an allem Notwendigen mangelte,
hatten die Soldaten einen so einzigartigen Eifer bewiesen, dass Caesar etwa 600 Schiffe der oben beschriebenen Art und 28 Kriegsschiffe
ausgerüstet vorfand. Es fehlte nicht mehr viel, dass man sie in wenigen Tagen auslaufen lassen konnte. (3) Caesar sprach den Soldaten
seine Anerkennung aus und legte den Leitern des Unternehmens seinen Plan dar. Dann befahl er allen, im Hafen Itius
zusammenzukommen, da er wußte, dass die Überfahrt nach Britannien von diesem Hafen aus die geringsten Schwierigkeiten bot. Die
Strecke zwischen Britannien und dem Festland betrug hier etwa 30 Meilen. Er ließ eine ihm ausreichend erscheinende Zahl von Soldaten
zurück, um die Überfahrt vorzubereiten, (4) und brach selbst mit vier kampfbereiten Legionen und 800 Reitern in das Gebiet der Treverer
auf. Diese erschienen nämlich nie zu den Landtagen und führten ebensowenig seine Befehle aus. Dagegen hieß es, dass sie die Germanen
und die rechtsrheinischen Stämme aufwiegelten .211
3.
(1) Der Stamm der Treverer hat die bei weitem stärkste Reiterei in ganz Gallien und verfügt über zahlreiche Fußtruppen. Sein Gebiet
grenzt, wie oben beschrieben, an den Rhein. (2) Zwei Männer stritten in diesem Stamm um die politische Führung: Indutiomarus und
Cingetorix. (3) Sobald bekannt wurde, dass Caesar mit seinen Legionen eingetroffen sei, kam der eine der beiden, Cingetorix, zu Caesar
und versicherte ihm, dass er mit seinem Anhang alle Verpflichtungen Caesar gegenüber einhalten und den Freundschaftsvertrag mit dem
römischen Volk nicht brechen werde. Gleichzeitig erklärte er Caesar, was bei den Treverern vor sich ging. (4) Dagegen schickte sich
Indutiomarus an, Reiterei und Fußvolk zu sammeln und Vorbereitungen für einen Krieg zu treffen. Die Männer, die auf Grund ihres Alters
keinen Kriegsdienst leisten konnten, sollten im Ardenner Wald versteckt werden. Dieses Waldgebiet erstreckt sich unendlich weit vom
Rhein mitten durch das Gebiet der Treverer bis zum Anfang des Gebiets der Remer. (5) Einige führende Männer aus dem Stamm der
Treverer jedoch, die durch das Ansehen des Cingetorix beeinflußt und durch die Ankunft unseres Heeres in Furcht versetzt waren, kamen
zu Caesar, wo jeder für sich bei ihm die Sicherung seines Besitzstandes zu erreichen suchte, :da sie die Gesamtheit ihres Stammes nicht
vertreten könnten. Da fürchtete Indutiomarus, dass er von allen verlassen werde, und schickte Gesandte zu Caesar mit der Erklärung, (6)
der Grund dafür, dass er sich nicht von seinen Stammesgenossen trennen und zu Caesar habe kommen wollen, sei der, dass er den Stamm
so leichter zur Erfüllung seiner Verpflichtungen zwingen könne. Denn wenn der gesamte Adel abziehe, werde das niedere Volk auf Grund
seiner Unverständigkeit wankelmütig. (7) So aber habe er den ganzen Stamm in der Hand und werde, wenn Caesar es gestatte, zu ihm ins
Lager kommen und sein und seines Stammes Schicksal in Caesars Hände legen.
4.
(1) Caesar erkannte, warum Indutiomarus dies sagte und was ihn von seinem Vorhaben abschreckte. Er befahl ihm aber trotzdem, mit 200
Geiseln zu ihm zu kommen, da er nicht gezwungen sein wollte, den Sommer im Gebiet der Treverer zu verbringen, während alles schon für
den Krieg in Britannien vorbereitet war. (2) Als die Geiseln eintrafen, unter ihnen der Sohn und alle Verwandten des Indutiomarus, die
Caesar namentlich angefordert hatte, sprach Caesar ihm beschwichtigend zu und ermahnte ihn, seine Verpflichtungen einzuhalten. (3)
Nichtsdestoweniger rief er die führenden Männer der Treverer zusammen, um jeden einzelnen wieder mit Cingetorix auszusöhnen:
Einerseits wußte er, dass er damit die Verdienste des Cingetorix belohnte, andererseits hielt er es auch für überaus wichtig, dass
Cingetorix möglichst großen Einfluß bei seinen Stammesgenossen besaß, denn er hatte erkannt, dass die Ergebenheit des Cingetorix ihm
gegenüber besonders groß war. (4) Diese Maßnahme traf Indutiomarus empfindlich, da sie zur Folge hatte, dass seine Beliebtheit bei
seinem Stamm abnahm. Da er uns schon vorher feindlich gesinnt war, nahm seine Verbitterung durch diese Kränkung bedeutend zu.
5.
(1) Nach Regelung dieser Angelegenheit traf Caesar mit den Legionen im Hafen von Itius ein. (2) Dort erfuhr er, dass ein Sturm 60 Schiffe,
die im Gebiet der Meldet... gebaut worden waren, verschlagen hatte, so dass sie ihren Kurs nicht hatten halten können und zu ihrem
Ausgangspunkt zurückgekehrt waren. Die übrigen fand Caesar mit allem versehen zum Auslaufen bereit vor. (3) Auch die 4000 Mann
starke Reiterei kam aus ganz Gallien nach Itius, dazu die führenden Adligen aus allen Stämmen. (4) Caesar hatte beschlossen, nur ganz
wenige von ihnen, deren Treue ihm gegenüber er genau kannte, in Gallien zurückzulassen, die übrigen jedoch gewissermaßen als Geiseln
mitzunehmen. Er fürchtete nämlich, dass in seiner Abwesenheit in Gallien Unruhen ausbrechen könnten.
6.
(1) Unter anderen befand sich bei diesen Galliern der Haeduer Dumnorix, von dem oben die Rede war. Caesar hatte beschlossen, ihn vor
allem mitzunehmen, weil ihm bekannt war, dass dieser immer auf Umsturz sann und die Macht an sich reißen wollte, zudem ein bedeutender
Mann war, der bei den Galliern großes Ansehen genoß. (2) Hinzu kam, dass Dumnorix sogar beim Landtag der Haeduer behauptet hatte,
Caesar wolle ihm die Herrschaft über seinen Stamm übertragen. Die Haeduer hatte diese Behauptung zwar tief getroffen, doch wagten sie
nicht, Gesandte zu Caesar zu schicken, um sich dagegen zu verwahren oder ihn durch Bitten umzustimmen. (3) Caesar hatte dies von seinen
Gastfreunden erfahren. Dumnorix bemühte sich zunächst mit dringenden Bitten auf jede nur mögliche Art von Caesar zu erreichen, dass er
in Gallien zurückgelassen würde. Er behauptete einerseits, er sei nicht ans Seefahren gewöhnt und fürchte das Meer, andererseits, er sei
durch die Erfüllung religiöser Pflichten verhindert. (4) Als er sah, dass ihm sein Wunsch hartnäckig abgeschlagen wurde, gab er jede
Hoffnung auf, sein Ziel durch Bitten zu erreichen, und begann, die führenden Männer Galliens aufzuhetzen und sie einzeln beiseite zu
nehmen, um ihnen einzureden, sie sollten auf dem Festland bleiben. (5) Er versetzte sie dadurch in Schrecken, dass er Befürchtungen bei
ihnen wachrief, Gallien werde nicht ohne Grund seines gesamten Adels beraubt: Caesar habe nämlich den Plan, sie alle nach der Überfahrt
nach Britannien umzubringen, da er sich scheue, sie vor den Augen Galliens zu töten. (6) Er band sich beiden übrigen durch sein Ehrenwort
und forderte sie auf zu schwören, das, was sie für Gallien als vorteilhaft erkannt hätten, nach gemeinsamer Planung durchzuführen. Caesar
wurde dies wiederholt von mehreren Seiten hinterbracht.
7.
(1) In Kenntnis dieser Tatsache und weil er dem Stamm der Haeduer so viel Ansehen und Bedeutung zumaß, hielt Caesar es nach wie vor
für nötig, Dumnorix mit allen Mitteln in die Schranken zu weisen und ihn von seinem Vorhaben abzubringen, (2) aber auch, Vorsorge zu
treffen, dass Dumnorix ihm selbst oder dem römischen Staat keinen Schaden zufügen könne, denn er bemerkte, dass der Wahnsinn des
Dumnorix mehr und mehr zunahm. (3) Gezwungen, etwa 25 Tage an diesem Ort zu bleiben, weil der Nordwestwind, der gewöhnlich dort
über längere Zeit des Jahres weht, die Abfahrt verhinderte, bemühte sich Caesar daher, Dumnorix zur Einhaltung seiner Verpflichtungen zu
zwingen, während er gleichzeitig nichts unterließ, um alles über seine Pläne zu erfahren. (4) Als endlich geeignetes Wetter eintrat, befahl er
den Soldaten und Reitern, an Bord zu gehen. (5) Während alle damit beschäftigt waren, schickte sich Dumnorix jedoch an, mit der Reiterei
der Haeduer hinter dem Rücken Caesars aus dem Lager zurück in die Heimat zu ziehen. (6) Als Caesar dies gemeldet wurde, ließ er die
Einschiffung unterbrechen, stellte alles andere hintan und schickte einen großen Teil der Reiterei aus, der Dumnorix verfolgen und auf
seine Anordnung hin zurückbringen sollte. (7) Für den Fall, dass dieser Gewalt anwenden und nicht gehorchen sollte, befahl er, ihn zu töten,
denn er war überzeugt, dass Dumnorix in seiner Abwesenheit unvernünftig handeln werde, wenn er schon in seiner Anwesenheit seinen
Befehl mißachtet hätte. (8) Als Dumnorix zurückgerufen wurde, begann er, Widerstand zu leisten und sich mit der Waffe in der Hand zu
verteidigen. Gleichzeitig beschwor er die Treue seiner Anhänger, indem er wiederholt ausrief, er sei frei und Bürger eines freien Staates.
(9) Die Soldaten handelten, wie ihnen befohlen worden war, umstellten ihn und machten ihn nieder. Die Reiter der Haeduer aber kehrten
alle zu Caesar zurück.
8.
(1) Hierauf ließ Caesar Labienus mit drei Legionen und 2000 Reitern auf dem Festland zurück, Er sollte die Häfen schützen und für
Nachschub und Getreide sorgen, gleichzeitig jedoch die Vorgänge in Gallien beobachten und jeweils den zeitlichen und örtlichen Umständen
entsprechende Maßnahmen treffen. (2) Caesar selbst stach mit fünf Legionen und ebenso vielen Reitern, wie auf dem Festland
zurückblieben, bei Sonnenuntergang in See und fuhr bei leichtem Südwestwind auf das Meer hinaus. Ungefähr um Mitternacht trat jedoch
eine Windstille ein, so dass er den Kurs nicht halten konnte. Nachdem er durch eine Strömung noch weiter abgetrieben war, sah er bei
Tagesanbruch, dass er Britannien zur Linken hinter sich gelassen hatte. (3) Indem er darauf einen erneuten Wechsel der Strömung
ausnutzte, versuchte er durch angestrengtes Rudern, den Teil der Insel zu erreichen, der nach seinen Erfahrungen aus dem vergangenen
Sommer für die Landung der Flotte am besten geeignet war. (4) Dabei verdiente die Tüchtigkeit der Soldaten besonderes Lob, denn sie
hielten auf den schweren Lastschiff en, ohne das anstrengende Rudern zu unterbrechen, ihren Kurs auf gleicher Höhe mit den
Kriegsschiffen. (5) Schon ungefähr um die Mittagszeit landete das Heer mit allen Schiff en in Britannien. Dort wurden keine Feinde
sichtbar. (6) Sie waren jedoch, wie Caesar später von Gefangenen erfuhr, mit vielen Truppen dorthin gekommen, die Menge der Schiffe
hatte sie aber in Schrecken versetzt, so dass sie den Strand verlassen und sich auf den Anhöhen verborgen hatten. Zusammen mit den
Schiffen vom Vorjahr und den privaten, die sich jeder zu eigenem Gebrauch gebaut hatte, erschienen nämlich in einem Augenblick mehr als
800 Schiffe am Horizont.
9.
(1) Nachdem Caesar das Heer an Land gesetzt und einen für das Lager geeigneten Ort gefunden hatte, erfuhr er von Gefangenen, in
welcher Gegend die Truppen der Feinde standen. Er ließ daraufhin zehn Cohorten an der Küste zurück, ebenso 300 Reiter, um die Schiffe
zu bewachen, und rückte um die 3. Nachtwache rasch gegen die Feinde vor. Er hegte dabei um so weniger Befürchtung für die Schiffe, als
er sie an einem sanft abfallenden und offenen Strand verankert zurückließ. (2) Die Bewachungseinheiten und die Schiffe unterstellte er Q.
Atrius.,169 Nach einem nächtlichen Marsch von etwa 12 Meilen kamen die Truppen der Feinde in Sicht. (3) Diese setzten sich mit ihrer
Reiterei und den Streitwagen in Richtung auf einen Fluß in Bewegung und begannen, unsere Soldaten von einer Anhöhe aus abzuwehren
und sich in einen Kampf einzulassen. (4) Als sie unsere Reiterei vertrieb, zogen sie sich wieder in die Wälder zurück, wo sie einen aufgrund
seiner natürlichen Beschaffenheit und Befestigung hervorragenden Zufluchtsort besaßen. Wie es schien, hatten sie ihn schon vorher bei
innerbritannischen Kämpfen eingerichtet, (5) denn durch zahlreiche gefällte Bäume waren alle Zugänge gesperrt. (6) Nur in kleinen
Abteilungen kamen sie zum Kampf aus den Wäldern hervor, um unsere Soldaten davon abzuhalten, in die Festung einzudringen. (7) Die
Soldaten der 7. Legion aber stellten ein Schilddach her und warfen vor der Befestigung einen Damm auf, so dass es ihnen gelang, sie
einzunehmen und die Feinde aus den Wäldern zu vertreiben. Dabei gab es bei uns nur wenige Verwundete. (8) Caesar verbot jedoch, die
flüchtigen Feinde allzuweit zu verfolgen, weil er die Gegend nicht kannte. Da zudem schon ein großer Teil des Tages verstrichen war, wollte
er noch ausreichend Zeit haben, das Lager zu befestigen.
10.
(1) Am folgenden Tag teilte er morgens Soldateneinheiten und Reitereinheiten in drei Gruppen und schickte sie auf den Marsch, um die
Feinde zu verfolgen, die geflohen waren. (2) Als das Heer schon eine beträchtliche Strecke vorgerückt war und die Nachhut der Feinde
bereits sichtbar wurde, kamen Reiter von Q. Atrius mit der Meldung zu Caesar, in der letzten Nacht habe sich ein schwerer Sturm erhoben,
so dass fast alle Schiffe beschädigt und auf den Strand geworfen worden seien, weil weder Anker noch Taue gehalten hätten und die
Seeleute und Steuermänner der Gewalt des Sturmes nicht gewachsen gewesen seien. (3) Infolgedessen seien die Schiffe
zusammengestoßen und großer Schaden entstanden.
11.
(1) Auf diese Nachricht hin ließ Caesar die Legionen und die Reiterei zurückrufen. Sie sollten jedoch @f dem Marsch dem Feind
Widerstand leisten, Er selbst kehrte zu den Schiffen zurück. (2) Hier sah er mit eigenen Augen fast annähernd dasselbe, was er von den
Boten und aus den schriftlichen Mitteilungen erfahren hatte: Zwar waren etwa 40 Schiffe verlorengegangen, doch schien die
Wiederherstellung der übrigen möglich zu sein, wenn auch unter großem Arbeitsaufwand. (3) Caesar befahl daher, aus den Legionen die
Zimmerleute abzustellen und weitere vom Festland herbeizuholen. (4) Labienus schrieb er, mit den Legionen, die dieser bei 'sich hatte, so
viele Schiffe als möglich zu bauen. (5) Obwohl die entsprechenden Maßnahmen viel Mühe und Arbeit bedeutetet, hielt er es für das
günstigste, alle Schiffe an Land zu ziehen und durch eine durchgehende Befestigung mit dem Lager zu verbinden. (6) Während der Arbeit
daran verzinsen etwa zehn Tage, wobei die Soldaten nicht einmal nachts ihre anstrengende Tätigkeit unterbrachen. (7) Als die Schiffe an
Land gezogen worden waren und das Lager eine vorzügliche Befestigung erhalten hatte, hinterließ Caesar dieselben Einheiten wie zuvor
als Schutz für die Schiffe und kehrte dorthin zurück, woher er aufgebrochen war. (8) Als er eintraf, hatten sich schon von allen Seiten
stärkere Truppen der Britannier versammelt und auf gemeinsamen Beschluß die Leitung und Durchführung des Krieges Cassivellaunus
übertragen. Etwa 80 Meilen vom Meer entfernt bildet ein Fluß, der Themse heißt, die Grenze zwischen seinem Gebiet und dem der
Küstenstämme. (9) In der vergangenen Zeit hatte Cassivellaunus immer wieder mit den übrigen Stämmen Krieg geführt, jetzt jedoch hatten
ihm die Britannier unter dem Eindruck unserer Ankunft die Leiten des gesamten Krieges und das Oberkommando übertragen.
12.
(1) Im Innern Britanniens leben Menschen, die behaupten, sie seien nach der Überlieferung der Insel selbst entsprossen. (2) An der Küste
leben die Stämme, die von Belgien herüberkamen, um Krieg zu führen und Beute zu machen. Sie tragen fast alle noch die Namen der
Stämme, denen sie angehörten, als sie nach Britannien gelangten. Nach ihren Kriegszügen blieben sie dort und begannen, das Land zu
bebauen. (3) Es handelt sich um eine unübersehbar große Zahl von Menschen. Ihre überaus zahlreichen Gehöfte sehen in der Regel den
gallischen sehr ähnlich. Ihr Besitz an Vieh ist beträchtlich. 4) Als Währung benutzen sie Kupfer oder Goldmünzen oder statt dessen
Eisenbarren, die ein bestimmtes Gewicht haben. (5) Im Landesinneren gibt es Zinn, in den Küstenregionen Eisen, das aber nur in 2erinzen
Mengen vorkommt. Das Kupfer, das sie benutzen, wird importiert. Wie in Gallien gibt es Holz jeder Art außer Buchen und Tannen. (6) Die
Einwohner meinen, es sei frevelhaft, Hasen, Hühner oder Gänse zu verzehren, doch halten sie sie zum Vergnügen. Das Klima ist
gemäßigter als in Gallien, weil es weniger kalt wird.
13.
(1) Die Insel hat die Form eines Dreiecks, dessen eine Seite Gallien zugewandt ist. Die eine Ecke dieser Seite, die bei Kent anzunehmen ist
und wo in der Regel alle Schiffe aus Gallien landen, weist nach Osten, die andere, weiter unten, nach Süden. Diese Seite der Insel ist etwa
500 Meilen lang. (2) Die zweite liegt in der Richtung nach Spanien und ist nach Westen gerichtet. Hier liegt die Insel Hibernia, die, wie man
vermutet, etwa halb so groß ist wie Britannien. Die Entfernung zwischen ihr und Britannien ist genauso groß wie die zwischen Britannien
und Gallien. (3) Auf halbem Weg nach Hibernia liegt die Insel Mona; außerdem soll es noch mehrere kleinere vorngelagerte Inseln geben.
Einige Autoren berichten über diese Inseln, um die Wintersonnenwende sei es dort 30 Tage lang ununterbrochen Nacht. (4) Obwohl wir
Erkundigungen einzogen, konnten wir nichts darüber erfahren, außer dass wir sahen, dass nach genauen Messungen mit der Wasseruhr die
Nächte kürzer sind als auf dem Festland. (5) Die Länge dieser zweiten Seite beträgt nach Meinung der Bewohner 700 Meilen. (6) Die
dritte Seite liegt nach Norden; jenseits davon gibt es kein vorgelagertes Land mehr. Die eine Ecke dieser Seite weist jedoch vor allem nach
Germanien. Ihre Länge wird auf 800 Meilen geschätzt. (7) Der Umfang der ganzen Insel beträgt also 2000 Meilen.
14.
(1) Die bei weitem zivilisiertesten unter den Britanniern sind die Einwohner Kents, das sich ganz an der Küste hinzieht. Ihre Bräuche
unterscheiden sich nur wenig von denen der Gallier. (2) Die Bewohner des Innem bauen kein Getreide an, sondern leben von Milch und
Fleisch und tragen als Bekleidung Felle. Alle Britannier aber reiben sich mit Waid ein, was eine Blaufärbung bewirkt, so dass sie im Kampf
dadurch noch schrecklicher aussehen. (3) Sie lassen ihre Haare lang wachsen, sind dagegen bis auf den Kopf und die Oberlippe am ganzen
Körper glattrasiert. (4) Sie haben je zehn oder auch zwölf Frauen gemeinsam, vor allem unter Brüdern, aber auch unter Vätern und Söhnen.
(5) Wenn eine Frau ein Kind zur Welt bringt, gilt dieses als das Kind desjenigen, dem die Mutter als Jungfrau zugeführt wurde.
15.
(1) Die Reiter und Streitwagen der Feinde lieferten sich auf dem Rückmarsch unseres Heeres... mit der Reiterei ein hartes Gefecht, doch
blieben die Unseren am Ende in jeder Hinsicht siegreich und trieben die Feinde in die Wälder und in hügeliges Gelände zurück. (2)
Nachdem sie eine Anzahl Feinde getötet hatten, verfolgten die Reiter die Feinde jedoch zu stürmisch, so dass sie auch selbst einige
Verluste hatten. (3) Als sich unsere Soldaten aber nach einiger Zeit ohne viel Vorsicht wieder mit der Befestigung des Lagers
beschäftigten, brachen die Feinde aus den Wäldern hervor und griffen die Soldaten an, die vor dem Lager Wache standen. (4) Es kam zu
einem harten Kampf. Caesar schickte zwei Cohorten zu Hilfe, und zwar die ersten von zwei Legionen. Obwohl sich diese mit einem sehr
geringen Abstand voneinander aufgestellt hatten, gerieten unsere Soldaten durch die neue Kampfesart so in Panik, dass die Feinde höchst
verwegen die Mitte der Front durchbrachen und sich unverletzt von dort wieder zurückziehen konnten. (5) An diesem Tag fiel der
Militärtribun Q. Laberius Durus. Da Caesar weitere Cohorten zu Hilfe schickte, wurden die Feinde zurückgeschlagen.
16.
(1) Bei dieser ganzen Art des Kampfes, dessen Verlauf alle vor dem Lager mit ansahen, wurde deutlich, dass unsere Fußsoldaten auf einen
Feind dieser Art nur schlecht eingestellt waren, weil das Gewicht der Waffen sie hinderte, dem Gegner zu folgen, wenn er zurückwich, und
weil sie nicht wagten, ihre Feldzeichen zu verlassen. (2) Auch für die Reiter war ein solches Gefecht mit großen Gefahren verbunden, da die
Feinde auch hier meistens in voller Absicht zurückwichen, um jedesmal, wenn sie die Reiter dadurch etwas von unseren Legionen
abgezogen hatten, von den Streitwagen zu springen und mit uns unter ungleichen Bedingungen, nämlich zu Fuß, weiterzukämpfen. (3) Diese
Taktik wurde in Reitergefechten gleichermaßen beim Zurückweichen wie bei der Verfolgung eingehalten und brachte uns jeweils in
dieselbe Gefahr. (4) Es kam hinzu, dass die Feinde nie in dichtgeschlossenen Reihen, sondern in großem Abstand voneinander kämpften
und überall kleinere Einheiten aufgestellt hatten, die jeweils die Kämpfenden wieder aufnahmen, um die ermüdeten durch unverbrauchte
neue Soldaten zu ersetzen.
17.
(1) Am folgenden Tag gingen die Feinde fern vom Lager auf den Anhöhen in Stellung, zeigten sich nur selten und forderten unsere Reiter
zunächst weniger heftig als am Vortag zum Kampf heraus. (2) Als Caesar jedoch um die Mittagszeit drei Legionen und die gesamte
Reiterei unter dem Legaten C. Trebonius zum Futterholen ausgeschickt hatte, griffen sie plötzlich von allen Seiten die Futterholer an, und
zwar so, dass sie nicht einmal vor den Feldzeichen und den Legionen haltmachten. (3) Unsere Soldaten gingen stürmisch zum Gegenangriff
über, schlugen sie in die Flucht und verfolgten sie unbeirrt, bis die Reiterei, die auf die Unterstützung vertraute, die sie in den
nachfolgenden Legionen hatte, (4) die Feinde kopflos vor sich her jagte und eine große Anzahl getötet hatte, ohne ihnen die Möglichkeit zu
lassen, sich wieder zu sammeln oder sich aufzustellen, geschweige denn von den Streitwagen herabzuspringen. (5) Nach dieser Flucht zogen
sofort alle Hilfstruppen der Feinde ab, die sich von überall her eingefunden hatten, und nach dieser Zeit mußten wir niemals wieder mit der
vereinigten Streitmacht des Feindes kämpfen.
18.
(1) Da Caesar erkannte, was die Feinde planten, führte er das Heer in das Gebiet des Cassivellaunus an die Themse. Diese kann man nur
an einer Stelle zu Fuß überschreiten, und auch dort nur mit Mühe. (2) Als Caesar hier eintraf, stellte er fest, dass sich am anderen Ufer des
Flusses zahlreiche Truppen der Feinde aufgestellt hatten. (3) Sie hatten vorn am Ufer spitze Pfähle eingeschlagen und es so gesichert. In
derselben Art waren Pfähle in den Grund des Flusses eingerammt, die das Wasser verbarg. (4) Als Caesar durch Überläufer und
Gefangene davon erfuhr, sandte er die Reiterei voraus und befahl den Legionen, ihr sofort zu folgen. (5) Obwohl den Soldaten das Wasser
bis zum Hals stand, gingen sie derart schnell und heftig vor, dass die Feinde ihrem Ansturm und ebenso dem der Reiterei nicht standhalten
konnten. Sie gaben daher ihre Stellung am Ufer auf und wandten sich zur Flucht.
19.
(1) Cassivellaunus hatte alle Hoffnung auf einen Kampf aufgegeben. Er hatte daher, wie oben berichtet, die Mehrzahl seiner Truppen
entlassen und beobachtete nur mit etwa 4000 Streitwagenkämpfern, die er zurückbehalten hatte, unseren weiteren Marsch. Dabei
entfernte er sich etwas vom Weg und verbarg sich in einer unzugänglich und bewaldeten Gegend. In den Gebieten, durch die wir, wie er
wußte, marschieren würden, ließ er das Vieh und die Einwohner von den Feldern in die Wälder treiben. (2) Als sich unsere Reiterei zu
sorglos über die Felder verstreute, um Beute zu machen und das Land zu verwüsten, sandte Cassivellaunus ihr plötzlich aus den Wäldern
auf allen bekannten Wegen und Pfaden seine Streitwagen entgegen, so dass unsere Reiter in höchst gefährliche Kämpfe mit ihnen
verwickelt wurden, Die Furcht hielt sie daraufhin davon ab, weiter umherzustreifen. (3) Caesar beschränkte sich unter diesen Umständen
darauf zu verbieten, sich zu weit von den Legionen zu entfernen, und ließ nur zu, dass man dem Feind durch Verwüstung der Felder und
Verbrennung der Gehöfte soviel Schaden zufügte, als sich mit dem anstrengenden Marsch der Legionäre vereinbaren ließ.
20.
(1) In der Zwischenzeit schickten die Trinovanter Gesandte zu Caesar und versprachen, sich ihm zu ergeben und seine Befehle
auszuführen. Der Stamm war in diesem Gebiet wohl der mächtigste, und zu ihm gehörte auch der junge Mandubracius, der sich Caesar
angeschlossen hatte und zu ihm aufs Festland gekommen war, weil Cassivellaunus seinen Vater, der in dem Stamm die Königswürde
besessen hatte, umgebracht hatte. Er selbst war dem Tod nur durch die Flucht entronnen. (2) Die Trinovanter ersuchten Caesar,
Mandubracius vor der Verfolgung durch Cassivellaunus zu schützen und ihn seinem Stamm zurückzugeben, damit er an dessen Spitze
treten und die Herrschaft übernehmen könne. (3) Caesar forderte von ihnen die Stellung von 40 Geiseln und Getreide für sein Heer, dann
schickte er Mandubracius zu ihnen. (4) Sie kamen umgehend seinen Forderungen nach, indem sie die genaue Zahl der Geiseln und
Getreide sandten.
21.
(1) Da die Trinovanter den Schutz Caesars erfuhren und gleichzeitig den römischen Soldaten jeder übergriff gegen sie verboten wurde,
schickten auch die Cenimagner, Segontiacer, Ancaliten, Bibrocer und Casser Gesandtschaften und ergaben sich Caesar. (2) Von ihnen
erfuhr er, dass die Stadt des Cassivellaunus nicht weit von seinem Aufenthaltsort entfernt liege und durch Wälder und Sümpfe gesichert
sei. Es habe sich dort eine ziemlich große Zahl von Menschen und Vieh versammelt. (3) Die Britannier bezeichnen einen Ort schon als
Stadt, wenn sie in unzugänglichen Waldgebieten eine Stelle mit Wall und Graben befestigt haben, zu der sie sich in der Regel flüchten,
wenn sie feindlichen Einfällen ausweichen wollen. (4) Caesar brach mit den Legionen dorthin auf und fand einen Ort vor, der von Natur aus
und durch seine Befestigung hervorragend gesichert war. Dennoch bemühte er sich, den Ort von zwei Seiten aus im Sturmangriff zu
nehmen. (5) Die Feinde blieben zwar eine Zeitlang in ihrer Stellung, vermochten dann jedoch dem Ansturm unserer Soldaten nicht
standzuhalten und verließen die Stadt fluchtartig an einer anderen Seite. (6) Man fand dort eine große Anzahl Vieh. Gleichzeitig wurden
viele Feinde auf der Flucht ergriffen und niedergemacht.
22.
(1) Während der Ereignisse in dieser Gegend sandte Cassivellaunus Boten nach Kent, das, wie wir oben beschrieben, an der Küste liegt.
Dieses Gebiet beherrschten vier Könige: Cingetorix, Carvilius, Taximagulus und Segovax. Cassivellaunus befahl ihnen, ihre gesamten
Truppen zusammenzuziehen, das römische Lager an der Küste überraschend anzugreifen und zu bestürmen. (2) Als sie in der Nähe des
Lagers eintraf en, machten unsere Soldaten einen Ausfall und töteten viele der Feinde, ja sie nahmen sogar einen vornehmen feindlichen
Heeresführer, Lugotorix, gefangen und kehrten selbst wohlbehalten zurück. (3) Als Cassivellaunus die Nachricht von dieser Schlacht
erhielt, sandte er unter dem Eindruck seiner zahlreichen Verluste, seines verwüsteten Gebietes und vor allem auch tief getroffen durch den
Abfall der anderen Stämme, Gesandte zu Caesar. über den Atrebaten Commius als Vermittler sollten sie seine Unterwerfung anbieten. (4)
Caesar hatte beschlossen, auf dem Festland ins Winterlager zu gehen, weil in Gallien immer wieder plötzliche Unruhen ausbrachen. Aus
diesem Grund und weil der Sommer dem Ende zuging und der Krieg, wie er klar erkannte, leicht noch länger verschleppt werden konnte,
forderte er die Stellung von Geiseln und setzte fest, was Britannien von nun an jährlich dem römischen Volk an Steuern zahlen sollte. (5)
Gleichzeitig untersagte er Cassivellaunus scharf, Mandubracius oder den Trinovantern Schaden zuzufügen.
23.
(1) Nach Empfang der Geiseln führte Caesar das Heer zur Küste zurück, wo er die Schiff e wiederhergestellt vorfand. (2) Er ließ sie ins
Wasser ziehen und beschloß, dass eine große Zahl von Gefangenen bei sich hatte und einige Schiffe infolge des Sturms verlorengegangen
waren, das Heer in zwei Etappen zurückbringen zu lassen. (3) Es traf sich, dass trotz der zahlreichen Seefahrten in diesem und im
vergangenen Jahr kein Schiff aus der großen Flotte verlorenging, das Legionssoldaten transportierte. (4) Es gelangten jedoch nur
außerordentlich wenige Schiffe, die Caesar leer vom Festland zurückgeschickt wurden, zu ihrem Bestimmungshafen. Die übrigen wurden
fast alle vom Sturm verschlagen. Hierbei handelte es sich sowohl um Schiffe, die nach dem ersten Transport die Soldaten auf dem Festland
abgesetzt hatten, als auch um einige der 60, die Labienus später hatte bauen lassen. (5) Als Caesar eine Zeitlang vergeblich auf ihre
Ankunft gewartet hatte, drängte er die Soldaten notgedrungen auf engem Raum zusammen, um nicht durch die Jahreszeit an der Überfahrt
gehindert zu werden, (6) denn die Tagundnachtgleiche(26. September) stand kurz bevor. Da jedoch völlig ruhiges Wetter eintrat, als er zu
Beginn der 2. Nachtwache die Anker lichtete, konnte er bei Tagesanbruch das Festland erreichen und brachte alle Schiffe unversehrt
hinüber.
24.
(1) Nachdem die Schiffe an Land gebracht worden waren und Caesar in Samarobriva für Gallien einen Landtag abgehalten hatte, sah er
sich gezwungen, anders als in den vergangenen Jahren, das Heer für die Überwinterung legionsweise auf mehr Stämme als sonst zu
verteilen, weil in diesem Jahr die Getreideernte in Gallien auf Grund der Trockenheit unzureichend ausgefallen war. (2) Der Legat C.
Fabius sollte eine Legion des Heeres ins Gebiet der Moriner führen, Q. Cicero eine zweite ins Land der Nervier, eine dritte sollte unter L.
Roscius bei den Essuviern überwintern. T. Labienus erhielt den Befehl, bei den Remern im Stammesgebiet der Treverer mit einer vierten
Legion ins Winterlager zu gehen, (3) während Caesar drei weitere Legionen unter dem Kommando des Quaestors M. Crassus und der
Legaten L. Munatius Plancus und C. Trebonius bei den Belgern stationierte. (4) Eine Legion, die er erst kürzlich nördlich des Po
ausgehoben hatte, sandte er mit weiteren fünf Cohorten ins Land der Eburonen, deren Hauptgebiet zwischen Maas und Rhein liegt und die
damals unter der Herrschaft des Ambiorix und Catuvolcus standen. (5) Diesen Teil des Heeres unterstellte Caesar den Legaten Q. Titurius
Sabinus und L. Aurunculeius Cotta. (6) Er war der Ansicht, er könne den Mangel an Getreide am ehesten ausgleichen, wenn er die
Legionen auf diese Art verteilte. (7) Gleichzeitig aber waren die Winterlager aller genannten Legionen in einem Gebiet von 100 Meilen
Durchmesser konzentriert. Eine Ausnahme bildete die Legion, die L. Roscius in den ruhigsten und völlig befriedeten Teil Galliens bringen
sollte. (8) Caesar selbst beschloß, in der Zwischenzeit in Gallien zu bleiben, bis er sicher wußte, dass die Legionen stationiert und ihre
Winterlager befestigt wären.
25.
(1) Tasgetius war ein Carnute vornehmster Herkunft, denn seine Ahnen hatten in diesem Stamm stets die Königswürde innegehabt. (2) Im
Hinblick auf seine Tüchtigkeit und seine wohlwollende Haltung Caesar gegenüber, dem er in allen Kriegen eine besondere Stütze gewesen
war, hatte ihn dieser wieder in den Stand seiner Ahnen eingesetzt. (3) Er regierte schon im dritten Jahr, als ihn seine Feinde umbrachten,
die viele seiner Stammesgenossen ganz offen dazu angestiftet hatten. (4) Caesar wurde davon benachrichtigt. Da die Verschwörung weitere
Kreise ergriff, fürchtete er, dass der Stamm auf ihr Drängen hin abfallen würde, und befahl daher L. Plancus, rasch mit seiner Legion von
Belgien in das Gebiet der Carnuten zu marschieren und dort ins Winterlager zu gehen. Wenn er erfahren hätte, wer für den Tod des
Tasgetius verantwortlich sei, solle er die Schuldigen gefangennehmen und zu ihm schicken. (5) In der Zwischenzeit erhielt er von den
Legaten und Quaestoren, denen er die Führung der Legionen übertragen hatte, die Nachricht, dass sie an ihrem Bestimmungsort angelangt
seien und dort befestigte Winterlager errichtet hätten.
26.
(1) In den rund 15 Tagen nach Ankunft der Legionen in den Winterlagern brach plötzlich ein auf Abfall zielender Aufruhr aus, den Ambiorix
und Catuvolcus auslösten. (2) Obwohl sie sich an den Grenzen ihres Gebietes Sabinus und Cotta zur Verfügung gestellt und Getreide ins
Winterlager geliefert hatten, waren sie in der Folgezeit durch Boten des Treverers Indutiomarus dazu bewogen worden, ihre
Stammesgenossen zum Kampf aufzurufen. Sie kamen plötzlich mit einer großen Schar zum Lager, um es zu bestürmen, nachdem sie vorher
Soldaten, die Holz holten, überwältigt hatten. (3) Unsere Soldaten griffen schnell zu den Waffen und bestiegen den Lagerwall; gleichzeitig
schwärmten an einer Seite spanische Reiter aus und schlugen die Feinde in einem Reitergefecht, so dass diese ihr Vorhaben aufgaben und
ihre Soldaten von der Belagerung abzogen. (4) Darauf riefen sie uns nach ihrer Gewohnheit laut zu, es möge einer der Unseren zu einer
Unterredung kommen. Sie hätten einiges, worüber sie sprechen wollten und das beide Seiten angehe. Sie hofften, dass dadurch das
Ausmaß des Streites verringert werden könne.
27.
(1) C. Arpinius, ein römischer Ritter und Freund des Titurius, wurde zu ihnen gesandt, mit ihm ein gewisser Q. Iunius aus Spanien, der
schon früher regelmäßig als Gesandter Caesars zu Ambiorix gekommen war. (2) Ambiorix führte ihnen gegenüber etwa folgendes aus: Auf
Grund der ihm von Caesar erwiesenen Dienste stehe er tief in dessen Schuld, denn er sei auf sein Bemühen hin von der Tributzahlung
befreit worden, die er vorher seinen Grenznachbarn, den Atuatucern, regelmäßig gezahlt habe. Caesar habe ihm auch seinen Sohn und
seinen Neffen zurückgeschickt, die den Atuatucern als Geiseln gesandt worden seien und die diese wie Sklaven in Ketten gehalten hätten.
(3) Es sei weder auf seinen Beschluß hin noch mit seiner Zustimmung geschehen, was er hinsichtlich der Bestürmung des römischen Lagers
unternommen habe; vielmehr sei er von seinem Stamm dazu gezwungen worden. Seine Herrschaft sei so geartet, dass das Volk ihm
gegenüber nicht weniger Rechte habe als er gegenüber dem Volk. (4) Darüber hinaus liege für seinen Stamm die Veranlassung für diesen
Krieg darin, dass er der überraschenden Verschwörung in Gallien keinen Widerstand habe entgegensetzen können. Er selbst könne dafür
leicht seine unterlegenen Kräfte als Beweis anführen, weit er nicht so unerfahren sei zu glauben, er könne mit seinen Truppen das römische
Volk besiegen. (5) Gallien habe sich jedoch auf einen gemeinsamen Plan geeinigt: Alle Winterlager Caesars sollten an diesem bestimmten
Tag angegriffen werden, um zu verhindern, dass eine Legion der anderen zu Hilfe kommen könne. (6) Es sei schwierig gewesen, als Gallier
Galliern etwas abzuschlagen, besonders weil der Anschein erweckt würde, der Plan sei gefaßt worden, um die allgemeine Freiheit
wiederzuerlangen. (7) Da er seiner nationalen Verpflichtung nun Genüge getan habe, könne er wieder Rücksicht darauf nehmen, dass ihn
die Dienste Caesars verpflichteten. Im Hinblick auf ihre Freundschaft bitte er Titurius inständig, für seine und seiner Soldaten Rettung zu
sorgen. (8) Eine große Zahl von germanischen Söldnern habe den Rhein überschritten; in zwei Tagen seien sie da. (9) Die Römer müßten
selbst entscheiden, ob sie, bevor die benachbarten Stämme etwas merkten, ihre Soldaten aus dem Winterlager abziehen und entweder zu
Cicero oder zu Labienus führen wollten. Das Lager Ciceros sei etwa 50 Meilen entfernt, das des Labienus etwas weiter. (10) Er verspreche
ihnen und wolle sich auch durch einen Eid darauf festlegen, dass er unserem Heer einen ungefährdeten Marsch durch sein Gebiet
ermöglichen werde. (11) Mit diesem Vorgehen nütze er einerseits seinem Stamm, den er damit von dem Winterlager der Römer entlaste,
andererseits erweise er Caesar damit seine Dankbarkeit für die empfangenen Wohltaten. Nach dieser Rede entfernte sich Ambiorix,
28.
(1) Arpinius und Iunius berichteten den Legaten, was sie erfahren hatten. Diese gerieten über die unvorhergesehene Lage in Verwirrung
und meinten, man dürfe diese Darlegungen, auch wenn sie von feindlicher Seite kämen, nicht unberücksichtigt lassen. Was sie vor allem
beunruhigte, war, dass es ihnen unwahrscheinlich schien, dass ein so unbekannter und unbedeutender Stamm wie die Eburonen aus freien
Stücken gewagt haben sollte, einen Krieg mit dem römischen Volk anzufangen. (2) Daher brachten sie die Angelegenheit vor den
Kriegsrat, wo es zu großen Meinungsverschiedenheiten kam. (3) L. Aurunculeius, mehrere Militärtribunen und die ranghöchsten
Centurionen waren der Ansicht, man dürfe nicht leichtfertig etwas unternehmen und ohne ausdrücklichen Befehl Caesars aus dem Lager
abmarschieren. (4) Sie wiesen darauf hin, dass sie in dem befestigten Winterlager beliebig großen, sogar auch starken Truppen der
Germanen standhalten könnten. Beweis dafür sei, dass sie den ersten Ansturm der Feinde mit größter Tapferkeit abgeschlagen und ihnen
obendrein bedeutende Verluste zugefügt hätten. Ihre Getreideversorgung sei nicht gefährdet. (5) In der Zwischenzeit würden auch aus den
nächstgelegenen Winterlagern und von Caesar selbst Hilfstruppen eintreffen. (6) Und was sei endlich leichtsinniger und zugleich
unehrenhafter, als auf Anregung des Feindes über so entscheidende Angelegenheiten Beschlüsse zu fassen ?
29.
(1) Dagegen rief Titurius immer wieder, wenn sich erst größere Truppen des Feindes mit den Germanen vereinigt hätten und anrückten, sei
es zum Handeln zu spät, ebenso, wenn den nächst2elegenen Winterlagern etwas zugestoßen sei. Die Zeit für eine Entscheidung sei nur
kurz. (2) Er glaube, Caesar sei nach Italien aufgebrochen. Denn andernfalls hätten die Carnuten nicht gewagt, den Mord an Tasgetius zu
planen. Wenn Caesar noch da wäre, hätten auch die Eburonen unsere Schlagkraft nicht so gering eingeschätzt, dass sie gegen unser Lager
vorrückten. (3) Er richte sich nicht nach dem Rat des Feindes, sondern sehe den Tatsachen ins Auge: Der Rhein sei nahe; die Germanen
seien sehr erbittert über den Tod Ariovists und über unsere vorherigen Siege; (4) Gallien sei empört über die vielen Niederlagen, die es
erlitten habe und die es unter die Herrschaft des römischen Volkes gezwungen hätten, während sein früherer Kriegsruhm ausgelöscht sei.
(5) Wer endlich könne ihm einreden, dass sich Ambiorix ohne begründete Hoffnung auf Erfolg zu einem solchen Plan entschlossen habe?
(6) Sein Vorschlag biete nach beiden Seiten hin Sicherheit: Wenn nichts allzu Schlimmes eintrete, werde man ungefährdet zu der
nächstgelegenen Legion gelangen; wenn ganz Gallien im Einvernehmen mit den Germanen stehe, liege die Hoffnung auf Rettung allein in
der Schnelligkeit. (7) Welchen Erfolg aber verspreche der Rat Cottas und der übrigen, die nicht mit ihm, Titurius, übereinstimmten? Zwar
bedeute er für den Augenblick keine Gefahr, doch sei gewiß bei einer längeren Belagerung eine Hungersnot zu befürchten.
30.
(1) Als im Verlauf des Streites die Meinungen im Kriegsrat aufeinanderprallten und Cotta und die ranghöchsten Offiziere weiter harten
Widerstand leisteten, sagte Sabinus so laut, dass es ein großer Teil der Soldaten deutlich hören konnte: (2) Setzt euch durch, wenn ihr es so
wollt; ich bin unter euch nicht derjenige, der am meisten Angst um sein Leben hat. Die hier werden es schon merken. Wenn ein Unglück
geschieht, werden sie von dir Rechenschaft fordern. (3) Wenn du es zuließest, würden sie sich übermorgen mit den Soldaten der nächsten
Winterlager vereinen und gemeinsam mit den anderen den Krieg überstehen, nicht dagegen verstoßen und verbannt, weit entfernt von den
übrigen, durch Hunger oder Schwert umkommen.
31.
(1) Da erhob sich der Kriegsrat, seine Mitglieder ergriffen die Kontrahenten bei den Händen und bäten sie inständig, nicht durch ihre
hartnäckige Zwietracht höchste Gefahr heraufzubeschwören. (2) Die Lage sei leicht zu bewältigen, ob man nun bleibe oder aufbreche, wenn
nur alle einer Meinung seien und ein gemeinsames Vorgehen billigten. Wenn sie dagegen uneinig seien, sehe man keine Hof7fnung auf
Rettung. So wurde die Auseinandersetzung bis Mitternacht weitergeführt. (3) Endlich gab Cotta,' zutiefst beunruhigt, nach, und die Ansicht
d7es Sabinus gewann die Oberhand. Es wurde verkündet, dass man bei Tagesanbruch aufbreche. (4) Für den Rest der Nacht blieben alle
wach, weil jeder Soldat seine Sachen daraufhin durchsah, was er mitnehmen könne und was von der Winterausrüstung zurückbleiben
müsse. (5) Alle Argumente wurden noch einmal gründlich bedacht, warum man einerseits nicht ohne Gefahr bleiben könne, andererseits,
dass die Gefahr durch die Erschöpfung und den verlorenen Schlaf der Soldaten nur größer würde. (6) So brach man bei Tagesanbruch aus
dem Lager auf und marschierte in einem überaus langen Zug mit beträchtlichem Gepäck ab. Die Römer erweckten den Eindruck, als seien
sie überzeugt, dass der Rat nicht von ihrem Feind, sondern ihrem besten Freund Ambiorix erteilt worden sei.
32.
(1) Die Feinde hatten an dem nächtlichen Lärm und daran, dass die Soldaten wachblieben, gemerkt, dass der Aufbruch bevorstand.
Daraufhin stellten sie den Römern eine Falle, indem sie sich in zwei Gruppen teilten und in den Wäldern in einem günstig gelegenen
Versteck, das etwa 2 Meilen vom römischen Lager entfernt war, das Eintreffen der Römer erwarteten. (2) Als der größere Teil des
Heereszuges in ein weites Tal hinabgestiegen war, erschienen sie plötzlich von beiden Enden des Tals und begannen, die Nachhut unseres
Zuges zu bedrängen, während sie der Vorhut den Aufstieg versperrten, so dass sie unsere Soldaten auf äußerst ungünstigem Gelände zum
Kampf zwangen.
33.
(1) Weil Titurius vorher keinerlei Vorsichtsmaßregeln getroffen hatte, verlor er in dieser Lage schließlich den Kopf, lief ängstlich von
einem zum andern und wies den Cohorten ihre Stellungen an, doch wirkten alle seine Anordnungen so furchtsam, dass man sah, wie er die
Kontrolle über die Situation verlor. Dies geschieht den Menschen in der Regel, wenn sie gezwungen sind, in einer augenblicklichen Notlage
Entscheidungen zu treffen. (2) Cotta jedoch, der sich gedacht hatte, dass dies auf dem Marsch geschehen könne, und der daher gegen den
Abzug gewesen war, versäumte jetzt nichts, um für die Rettung aller zu sorgen. Er erfüllte seine Pflicht als Feldherr, indem er die Soldaten
durch Zurufe anfeuerte, und kämpfte in der Schlacht, wie es einem Soldaten zukommt. (3) Da der Heereszug so lang war, konnten die
beiden Legaten nur schwer selbst überall hingelangen und an jeder einzelnen Stelle für die entsprechenden Maßnahmen sorgen. Sie ließen
daher durchgeben, das Gepäck im Stich zu lassen und einen Kreis zu bilden, (4) Obwohl dieser Entschluß in einem solchen Fall nicht zu
tadeln war, erwies er sich dennoch als unvorteilhaft. (5) Er bewirkte, dass die Hoffnung auf Rettung bei den Soldaten schwand, während er
den Kampfeseifer der Feinde wachsen ließ, weil es den Anschein hatte, dass nur höchste Panik und Verzweiflung zu diesem Schritt geführt
hatten. (6) Außerdem trat ein, was geschehen mußte, dass die Soldaten scharenweise ihre Feldzeichen verließen und sich beeilten, aus dem
Gepäck das herauszuziehen und an sich zu reißen, woran sie am meisten hingen. Der ganze Schauplatz war von jammern und Geschrei
erfüllt.
34.
(1) Die Feinde aber bewiesen Umsicht. Ihre Führer ließen an der ganzen Front durchsagen, dass sich niemand von der Stelle rühren solle;
die Beute sei ihnen sicher, und was auch immer die Römer zurückließen, bleibe ihnen. Sie sollten daher in der Überzeugung handeln, dass
alles von einem Sieg abhänge. (2) An Zahl und Tapferkeit im Kampf waren die Feinde unseren Soldaten gleich. Obwohl diese von ihrem
Führer und dem Glück im Stich gelassen wurden, setzten sie ihre ganze Hoffnung auf Rettung in ihre Tapferkeit, so dass, wann immer eine
Cohorte zum Kampf vorstürmte, an dieser Stelle eine große Zahl von Feinden fiel. (3) Als Ambiorix dies bemerkte, ließ er weitergeben,
man solle nur von fern Wurfgeschosse auf die Römer schleudern und nicht näher heranrücken, sondern zurückweichen, wo die Römer
angriffen. Da die eigenen Waffen zu leicht und die Römer durch tägliche Übung gut diszipliniert seien, könne man ihnen da keinen Schaden
zufügen; (4) wenn die Römer sich jedoch wieder zu ihren Feldzeichen zurückzögen, solle man ihnen folgen.
35.
(1) Die Feinde hielten sich genau an diese Vorschrift, so dass sie eilends zurückwichen, wann immer eine Cohorte aus dem Kreis
hervorbrach und zum Angriff überging. (2) Da währenddessen die Abteilung ungedeckt war, gingen notwendigerweise von der offenen
Flanke her Wurfgeschosse auf sie nieder; (3) sobald sie sich aber wieder an den Ort zurückziehen wollte, von dem aus sie losgestürmt war,
wurde sie von den Feinden, die vor ihr ausgewichen waren, aber auch von denen, die in der Nähe standen, umzingelt. (4) Wenn sie ihre
Stellung im Kreis jedoch halten wollten, blieb ihnen weder die Möglichkeit, ihre Tapferkeit zu beweisen, noch konnten sie auf dem engen
Raum den Wurfgeschossen ausweichen, die die feindliche Übermacht auf sie schleuderte. (5) Dennoch leisteten sie Widerstand, auch wenn
sie mit so vielen Nachteilen kämpfen mußten und zudem viele Verwundete hatten. Obwohl sich der Kampf über einen großen Teil des
Tages hinzog er dauerte von Tagesanbruch bis zur 8. Stunde, verhielten sie sich in jeder Hinsicht ehrenhaft: (6) Da wurden T. Balventius,
der im vergangenen Jahr der ranghöchste Centurio einer Legion gewesen war und als tapferer Mann großes Ansehen genoß, beide
Oberschenkel von einem Spieß durchbohrt; (7) Q. Lucanius, der denselben Rang innehatte, fiel nach außerordentlich tapferem Kampf, als
er seinem Sohn zu Hilfe kam, der von den Feinden eingekreist worden war. (8) Während der Legat C. Cotta alle Cohorten und Centurien
anfeuerte, wurde er durch einen Schleuderstein im Gesicht verwundet.
36.
(1) Dies alles bewog Q. Titurius, als er Ambiorix in der Ferne erblickte, wie er seine Soldaten anfeuerte, seinen Dolmetscher Cn. Pompeius
zu ihm zu schicken, um ihn um Schonung für sich und seine Soldaten zu bitten. (2) Als Cn. Pompeius Ambiorix ansprach, antwortete dieser,
wenn Titurius mit ihm reden wolle, so sei es ihm gestattet; was die Rettung der Soldaten angehe, so hoffe er, dies von seinem Volk
erreichen zu können. Titurius selbst werde auf jeden Fall nichts geschehen, dafür verbürge er sich mit seinem Wort. (3) Titurius versuchte,
sich mit dem verwundeten Cotta darüber zu verständigen, dass es geraten sei, den Kampf abzubrechen und gemeinsam mit Ambiorix zu
verhandeln; er hoffe, von Ambiorix ihre eigene Rettung und die der Soldaten erreichen zu können. Cotta weigerte sich jedoch, zu einem
bewaffneten Feind zu gehen, und beharrte auf diesem Standpunkt.
37
(1) Sabinus gab daraufhin den Militärtribunen, die sich gerade in seiner Umgebung befanden, und den ranghöchsten Centurionen den
Befehl, ihm zu folgen. Als er in die Nähe des Ambiorix gekommen war, wurde er aufgefordert, die Waffen niederzulegen. Er kam diesem
Befehl nach und ließ seine Begleitung das gleiche tun. (2) Während über die Waffenstillstandsbedingungen verhandelt wurde, zog Ambiorix
das Gespräch absichtlich in die Länge. Inzwischen kreisten die Feinde Sabinus allmählich ein und töteten ihn. (3) Darauf erhoben sie nach
ihrer Gewohnheit ein wildes, lautes Siegesgeschrei und griff en unsere Soldaten an, deren Reihen sie völlig in Verwirrung brachten. (4)
Dabei wurde C. Cotta mit dem größten Teil der Soldaten im Kampf getötet. Der Rest zog sich ins Lager zurück, von dem sie ausgezogen
waren. (5) Unter diesen Soldaten befand sich auch der Adlerträger L. Petrosidius, der den Adler über den Wall ins Lager warf, als er von
einer großen Zahl von Feinden bedrängt wurde; er selbst fiel vor dem Lager in tapferstem Kampf. Die Soldaten hielten der Bestürmung nur
mit Mühe bis zum Einbruch der Nacht stand . (6) In der Nacht brachten sie sich alle selbst um, weil sie an ihrer Rettung verzweifelten. (7)
Nur wenige konnten aus der Schlacht entkommen. Sie gelangten auf Irrwegen durch die Wälder zu dem Legaten T. Labienus ins
Winterlager und benachrichtigten ihn über das Vorgefallene.
38.
(1) In seiner Begeisterung über den Sieg brach Ambiorix sofort mit seinen Reitern zu den Atuatucern auf, die an den Grenzen seines
Gebietes lebten. Er unterbrach den Ritt weder bei Tag noch bei Nacht und befahl dem Fußvolk, ihm sofort zu folgen. (2) Nachdem er den
Atuatucern seinen Sieg geschildert und sie zum Kampf aufgestachelt hatte, zog er am nächsten Tag zu den Nerviern weiter und forderte sie
auf, sich die Gelegenheit nicht entgehen zu lassen, ihre Freiheit für immer wiederzuerlangen und sich an den Römern für das zu rächen, was
sie ihnen angetan hätten. (3) Er legte dar, dass zwei Legaten tot und ein großer Teil des Heeres untergegangen sei. (4) Es sei leicht, die
Legion, die unter Cicero im Winterlager stehe, überraschend zu schlagen und niederzumachen. Ambiorix erklärte öffentlich, die Nervier
dabei unterstützen zu wollen. Es gelang ihm mühelos, sie zu überreden.
39.
(1) Sie schickten daher umgehend Gesandte zu den Ceutronen, Grudiern, Levacern, Pleumoxiern und Geidumnern, die alle unter ihrer
Herrschaft standen, sammelten so viele Truppen wie nur möglich und marschierten rasch und unbemerkt zum Lager Ciceros, zu dem das
Gerücht vom Untergang des Titurius noch nicht gedrungen war. (2) Wie nicht anders zu erwarten, traf Cicero auch noch das Unglück, dass
einige Soldaten, die in die Wälder ausgerückt waren, um Brennholz und Material für die Lagerbefestigung zu beschaffen, durch das
plötzliche Erscheinen der feindlichen Reiterei abgeschnitten und von den Feinden eingekreist wurden. (3) Dann gingen diese in Scharen
daran, die Legion im Winterlager zu bestürmen. Es waren die Eburonen, Nervier, Atuatucer zusammen mit den Bundesgenossen und
Schutzbefohlenen aller dieser Stämme. Unsere Soldaten eilten schnell zu den Waffen und besetzten den Lagerwall. (4) Nur mit Mühe
hielten sie an diesem Tag dem Feind stand, da dieser seine ganze Hoffnung auf seine überraschende Schnelligkeit setzte und fest darauf
vertraute, er werde für immer Sieger bleiben, wenn er an diesem Tag den Sieg erringe.
40.
(1) Cicero schickte umgehend Briefe an Caesar und versprach den Überbringern hohe Belohnung, wenn sie die Briefe durch die feindlichen
Linien brächten. Da jedoch alle Wege besetzt waren, wurden die ausgesandten Boten abgefangen. (2) In der Nacht errichteten die Römer
aus dem Bauholz, das sie zur Lagerbefestigung herbeigeschafft hatten, mindestens 120 Verteidigungstürme. Mit unerhörter
Geschwindigkeit führten sie alles zu Ende, was an der Befestigung noch zu fehlen schien. (3) Am folgenden Tag gingen die Feinde, die jetzt
noch viel mehr Truppen zusammengezogen hatten, zum Sturmangriff auf das Lager über und füllten den Graben auf. Unsere Soldaten
leisteten auf dieselbe Art wie am Vortag Widerstand. (4) Dasselbe geschah an den darauffolgenden Tagen. (5) Auch in der Nacht wurde die
Arbeit ununterbrochen fortgesetzt, weder den Kranken noch den Verwundeten gönnte man Ruhe. (6) Alles, was für die Abwehr des
feindlichen Angriffs am folgenden Tag erforderlich war, wurde nachts vorbereitet. Man stellte eine große Zahl von Pfählen bereit, deren
Spitzen im Feuer gehärtet waren, und ebenso eine große Zahl von schweren Wurfspeeren für den Kampf vom Lagerwall aus. Die
Schutztürme wurden mit Brettern bedeckt und Schießscharten und Brustwehren aus Reisiggeflecht angebracht. (7) Obwohl Cicero von
äußerst schwacher Gesundheit war, gönnte er sich nicht einmal nachts einen Augenblick der Ruhe, so dass die Soldaten von selbst bei ihm
zusammenliefen und ihn durch Zurufe zwangen, sich zu schonen.
41.
(1) Da erklärten die Führer und andere vornehme Männer der Nervier, die mit Cicero in einem freundschaftlichen Verhältnis standen und
daher leichter ein Gespräch mit ihm führen konnten, sie wollten sich mit ihm unterreden. (2) Als ihnen Gelegenheit dazu gegeben wurde.
leeren sie ihm dasselbe dar, was Ambiorix in seinen Verhandlungen mit Titurius ausgeführt hatte: Gallien stehe unter Waffen, die
Germanen hätten den Rhein überschritten, Caesars Winterlager, ebenso die anderen, werde belagert. (4) Sie fügten auch die Nachricht
über den Tod des Sabinus hinzu. Um Glauben zu erwecken, wiesen sie auf die Anwesenheit des Ambiorix hin. (5) Weiter erklärten sie, man
befinde sich in einem Irrtum, wenn man von denen Schutz erwarte, die an ihrer Rettung zweifelten. Sie, die Nervier, hätten trotzdem nur
dies eine gegen Cicero und das römische Volk einzuwenden, dass bei ihnen Winterlager eingerichtet würden. Sie wollten nicht, dass dies zu
einer Gewohnheit werde. (6) Sie erlaubten den Römern, unversehrt aus dem Winterlager abzuziehen und ohne jede Furcht zu marschieren,
wohin sie wollten. (7) Cicero erwiderte darauf nur eins: Es sei nicht die Gewohnheit des römischen Volkes, sich von einem bewaffneten
Feind Bedingungen stellen zu lassen; (8) wenn die Nervier den Kriegszustand beenden wollten, sollten sie Gesandte an Caesar schicken
und könnten dabei mit seiner Unters rechnen. Bei Caesars Sinn für Gerechtigkeit hoffe er, dass sie die Erfüllung ihrer Bitten erreichen
könnten.
42.
(1) Da die Nervier sich so in ihrer Hoffnung getäuscht sahen, kesselten sie das Winterlager mit einem Wall von 10 Fuß und einem Graben
von 15 Fuß ein. (2) Durch die Erfahrungen der letzten Jahre hatten sie das von uns gelernt. Zudem lehrten sie es einige Gefangene aus
unserem Heer, die sie in ihrer Gewalt hatten. (3) Da sie jedoch keine eisernen Werkzeuge besaßen, die für diese Arbeit geeignet waren,
sahen sie sich gezwungen, Rasenstücke mit dem Schwert auszustechen und mit den Händen die Erde zu schaufeln und in Mänteln
wegzutragen.(4) Daran konnte man allerdings erkennen, um wie viele Menschen es sich handelte; in weniger als drei Stunden hatten sie ein
Belagerungswerk von 15 Meilen Umfang vollendet. (5) In den folgenden Tagen gingen sie daran, Belagerungstürme entsprechend der
Höhe unseres Walles aufzurichten und Mauersicheln und Schutzdächer' 12 herzustellen, deren Bau sie ebenfalls die Gefangenen gelehrt
hatten.
43.
(1) Als sich am 7. Tag der Belagerung ein heftiger Sturm erhob, begannen die Feinde, mit Schleudern glühende Tongeschosse und glühende
Wurfspieße auf die Baracken zu schießen, die nach gallischer Sitte mit Stroh gedeckt waren. (2) Diese fingen schnell Feuer, das sich durch
die Gewalt des Windes über das ganze Lager ausbreitete. (3) Darauf erhoben die Feinde ein lautes Geschrei, als ob sie den Sieg schon
sicher in Händen hätten, und begannen, die Belagerungstürme und Schilddächer heranzuschieben und den Lagerwall mit Leitern zu
ersteigen. (4) Obwohl die Hitze unsere Soldaten überall versengte und ein Hagel von Wurfgeschossen auf sie niederging, während sie
gleichzeitig merkten, dass das ganze Gepäck und ihre gesamte Habe verbrannte, waren sie so tapfer und unerschrocken, dass nicht nur
keiner den Lagerwall verließ, um zu entkommen, sondern auch kaum einer zurückblickte. Im Gegenteil, sie kämpften in dieser Lage alle
besonders hitzig und tapfer. (5) Dieser Tag war bei weitem der härteste für unsere Soldaten, Dennoch war das Ergebnis, dass an diesem
Tag die größte Zahl von Feinden verwundet oder getötet wurde, da sie sich unmittelbar unterhalb des Walles zusammengedrängt hatten
und die hinten stehenden Soldaten den vorderen keine Möglichkeit ließen, zurückzuweichen. (6) Als das Feuer etwas nachließ und an einer
Stelle ein Belagerungsturm herangeschoben wurde, der den Lagerwall schon berührte, gaben die Centurionen der 3. Cohorte ihre Stellung
auf und ließen auch alle ihre Soldaten zurückweichen. Dann begannen sie, die Feinde mit Winken und Zurufen aufzufordern
hereinzukommen, wenn sie wollten, (7) Niemand wagte einen Schritt nach vorn. Da schleuderten die Römer von allen Seiten Steine und
vertrieben die Feinde. Den Turm ließen sie in Flammen aufgehen.
44.
(1) In dieser Legion dienten zwei außerordentlich tapfere Centurionen, die schon vor der Beförderung zum höchsten Rang standen, Titus
Pullo und Lucius Vorenus. (2) Diese standen in ständigem Streit miteinander, wer den anderen übertreffe. In all jenen Jahren hatten sie als
erbitterte Rivalen miteinander um ihren Rang gekämpft. (3) Von diesen beiden sagte Pullo, als bei der Lagerbefestigung aufs härteste
gekämpft wurde: »Was zögerst du noch, Vorenus? Auf welche Gelegenheit wartest du noch, deine Tapferkeit zu beweisen? Dieser Tag wird
unseren Wettstreit entscheiden.« (4) Mit diesen Worten ging er über die Lagerbefestigung und stürzte sich auf den Feind dort, wo er am
dichtesten zu stehen schien. (5) Da hielt es auch Vorenus nicht auf dem Lagerwall, er folgte Pullo auf dem Fuß, weil er um sein Ansehen bei
allen anderen fürchtete. (6) Aus einer gewissen Entfernung schleuderte Pullo seinen Wurfspieß die Feinde und durchbohrte einen, der
gerade aus der feindlichen Menge nach vorn stürmte. Als dieser schwer getroffen starb, bedeckten ihn die Feinde mit ihren Schilden,
schleuderten alle ihre Wurfgeschosse auf Pullo und machten ihm so ein weiteres Vorrücken unmöglich. (7) Pullos Schild wurde durchbohrt,
und ein Wurfgeschoß blieb in seinem Wehrgehänge stecken, (8) so dass sich seine Schwertscheide durch den Treffer verschob. Als er
versuchte, sein Schwert zu ziehen, war daher seine rechte Hand behindert, so dass er wehrlos war, als die Feinde ihn umzingelten. (9) Da
kam ihm sein Feind Vorenus zu Hilfe und stand dem Bedrängten bei. (10) Sofort wandte sich daraufhin die feindliche Menge von Pullo ab
und Vorenus zu, (11) da sie glaubten, der Speer habe Pullo durchbohrt. Vorenus kämpfte im Handgemenge mit dem Schwert, tötete einen
Feind und trieb die übrigen ein Stück zurück. (12) Während er jedoch allzu stürmisch vordrang, stolperte er in eine Bodenvertiefung und
stürzte. (13) Als die Feinde ihn einkreisten, brachte ihm wiederum Pullo Unterstützung, so dass sich beide, nachdem sie mehrere Feinde
niedergemacht hatten, unversehrt und mit höchstem Ruhm bedeckt in die Befestigung zurückziehen konnten. (14) So trieb das Schicksal
mit der heftigen Rivalität der beiden sein Spiel, dass nämlich jeder dem Rivalen zu Hilfe kam und ihn rettete und dass nicht zu entscheiden
war, wen von beiden man als den tapfereren ansehen mußte.
45.
(1) Je schwieriger und bedruckender die Belagerung von Tag zu Tag wurde, vor allem deshalb, weil ein großer Teil der Soldaten schwer
verwundet war, so dass allmählich nur noch wenige Verteidiger übrigblieben, desto häufiger wurden Boten mit Briefen zu Caesar geschickt.
Von diesen wurde ein Teil sofort ergriffen und vor den Augen unserer Soldaten unter Foltern getötet. (2) Im römischen Lager befand sich
ein einziger Nervier mit Namen Vertico, ein Mann von anständiger Herkunft, der zu Beginn der Belagerung zu Cicero übergegangen war
und sich ihm als zuverlässig erwiesen hatte. (3) Dieser stellte einem seiner Sklaven die Freiheit und große Belohnungen in Aussicht und
überredete ihn dadurch, einen Brief zu Caesar zu bringen. (4) Der Sklave befestigte den Brief an seinem Spieß und brachte ihn so hinaus,
und da er sich als Gallier unter Galliern bewegen konnte, ohne Verdacht zu erregen, gelangte er zu Caesar. (5) So erfuhr dieser durch den
Sklaven von der Gefahr, in der sich Cicero und seine Legion befanden.
46.
(1) Auf diese Nachricht hin sandte Caesar sofort, etwa um die 11. Stunde, einen Boten in das Gebiet der Bellovacer zu dein Quaestor M.
Crassus, dessen Winterlager etwa 25 Meilen von ihm entfernt lag. (2) Er befahl ihm, um Mitternacht mit seiner Legion aufzubrechen und
rasch zu ihm zu stoßen. (3) Crassus marschierte sofort nach Eintreffen des Boten ab. Einen zweiten Boten sandte Caesar an den Legaten
C. Fabius mit der Aufforderung, seine Legion in das Gebiet der Atrebaten zu führen, da er wußte, dass er selbst durch diese Gegend ziehen
müßte. (4) Labienus schrieb er, er möge mit seiner Legion in Richtung auf das Gebiet der Nervier marschieren, wenn es die militärische
Lage erlaube. Da der übrige Teil des Heeres etwas zu weit entfernt stand, glaubte Caesar, er könne nicht auf dessen Anrücken warten. Er
zog allerdings noch etwa 400 Reiter aus den nächstgelegenen Winterlagern zusammen.
47.
(1) Etwa um die dritte Stunde erhielt Caesar von Vorreitern die Nachricht von Crassus' Ankunft. Er selbst rückte an diesem Tag 20 Meilen
vor. (2) Crassus übertrug er das Kommando in Samarobriva und wies ihm eine ganze Legion zu, weil dort das gesamte schwere Kriegsgerät
des Heeres und die Geiseln der einzelnen Stämme blieben; auch sein Archiv und das gesamte Getreide, das er hatte dorthin schaffen
lassen, um den Winter überstehen zu können, ließ er zurück. (3) Fabius, der noch weniger Zeit gebraucht hatte, als Caesar ihm in seinem
Befehl zugestanden hatte, kam ihm mit seiner Legion auf dem Marsch entgegen. (4) Inzwischen hatte Labienus vom Untergang des
Sabinus und der Niedermetzelung der Cohorten erfahren. Gleichzeitig waren alle Truppen der Treverer gegen ihn vorgerückt, so dass er
fürchtete, es werde wie eine Flucht aussehen, wenn er jetzt aus dem Lager abmarschierte; (5) infolgedessen werde er einem Angriff der
Feinde nicht standhalten können, zumal er wußte, dass die Feinde auf Grund des kürzlichen Sieges an Selbstsicherheit gewonnen hatten. Er
antwortete Caesar daher in einem Brief, in dem er beschrieb, welche Gefahr drohe, wenn er die Legion aus dem Winterlager abziehen
lasse, und stellte die Ereignisse bei den Eburonen dar. Gleichzeitig unterrichtete er Caesar davon, dass das gesamte Heer der Treverer,
Fußvolk und Reiterei 3 Meilen von seinem Lager entfernt in Stellung gegangen sei.
48.
(1) Caesar billigte den Entschluß des Labienus. Wenn er auch mit drei Legionen gerechnet hatte, beschränkte er sich nun auf zwei, da er
überzeugt war, dass die einzige Hoffnung, alle Legionen zu retten, in schnellem Handeln bestand. In Eilmärschen gelangte er in das Gebiet
der Nervier. (2) Dort erfuhr er von Gefangenen, was sich bei Cicero ereignete und wie gefährlich dort die Lage war. (3) Da gewann er einen
der gallischen Reiter mit hohen Belohnungen, Cicero einen Brief zu überbringen. (4) Er schickte ihn in griechischer Sprache, damit die
Feinde nichts von unseren Plänen erführen, wenn sie den Brief abfingen. (5) Dem Reiter trug er auf, den Brief an den Riemen seines
Speeres zu binden und in die römische Lagerbefestigung zu schleudern, wenn er nicht näher herankommen könne. (6) In dem Brief teilte er
mit er sei mit den Legionen im Anmarsch und werde in Kürze eintreffen. Zugleich forderte er Cicero auf, sich weiter so tapfer zu halten wie
bisher. (7) Der Gallier, der sich vor der gefährlichen Situation fürchtete, warf befehlsgemäß seinen Speer ins Lager. (8) Zufällig blieb dieser
aber in einem Wachtturm stecken und wurde zwei Tage lang von unseren Soldaten nicht bemerkt, ehe ihn am dritten Tag ein Soldat
erblickte, abnahm und zu Cicero brachte. (9) Dieser las den Brief durch, gab seinen Inhalt in einer Versammlung der Soldaten bekannt und
erfüllte alle mit größter Freude. (10) Da erblickte man auch schon von ferne den Rauch von Bränden, so dass jeder Zweifel an der Ankunft
der Legionen schwand.
49.
(1) Als die Gallier durch ihre Kundschaftet davon erfuhren, gaben sie die Belagerung auf und rückten mit allen Truppen schnell gegen
Caesar vor. Ihr Heer bestand aus etwa 60000 Bewaffneten. (2) Cicero bot sich dadurch die Gelegenheit, über denselben Vertico, den wir
oben erwähnten, einen Gallier zu finden, der Caesar einen Brief überbringen sollte. Cicero ermahnte ihn, sich auf seinem Botengang
besonders vorsichtig zu verhalten. (3) In dem Brief teilte er Caesar mit, die Feinde seien von seinem Lager abgezogen und hätten sich mit
ihrer gesamten Streitmacht gegen Caesar gewandt. (4) Als dieser etwa um Mitternacht das Schreiben erhielt, unterrichtete er seine
Soldaten davon und sprach ihnen für den kommenden Kampf Mut zu. (5) Am folgenden Tag brach er im Morgengrauen das Lager ab und
war etwa 4 Meilen vorgerückt, als er jenseits eines Baches in einem Tal die Menge der Feinde erblickte. (6) Es wäre sehr gefährlich
gewesen, auf diesem ungünstigen Gelände mit so wenigen Truppen zum Kampf anzutreten. Da er zudem wußte, dass Cicero von der
Belagerung befreit war, gelangte er zu der Ansicht, er könne ohne Bedenken langsamer vorgehen. (7) Er hielt daher an und ließ an der
günstigsten Stelle, die er finden konnte, ein befestigtes Lager errichten. Obwohl das Lager schon an sich klein angelegt wurde, weil es für
kaum 7000 Menschen gedacht war, die noch dazu kein Kriegsgerät mit sich führten, schränkte Caesar den Platz dafür durch Verengung
der Lagerstraßen noch so weit wie möglich ein. Er verfolgte dabei die Absicht, den Feinden möglichst verächtlich zu erscheinen. (8) In der
Zwischenzeit sandte er Späher nach allen Richtungen aus, um auszukundschaften, wo man das Tal am bequemsten durchqueren könne.
50.
(1) Von kleinen Reitergefechten abgesehen, die sich am Bach abspielten, blieb an diesem Tag jede Seite in ihrer Stellung: (2) Die Gallier
wollten weitere Truppen erwarten, die noch nicht eingetroffen waren, (3) Caesar wollte versuchen, die Schlacht diesseits des Tales vor dem
Lager stattfinden zu lassen, falls es ihm gelingen sollte, durch Vortäuschung von Furcht die Feinde auf für ihn günstiges Gelände zu locken.
(4) Für den Fall, dass er damit keinen Erfolg hätte, wollte er erst die Wege auskundschaften, um dann mit geringerer Gefahr das Tal und
den Bach zu überqueren. Bei Tagesanbruch rückte die Reiterei des Feindes gegen unser Lager vor und lieferte unseren Reitern ein
Gefecht. (5) Caesar gab den Reitern mit Absicht die Weisung, zu weichen und sich ins Lager zurückzuziehen. Gleichzeitig ließ er das Lager
an allen Seiten mit einem höheren Wall befestigen und die Tore versperren. Er befahl den Soldaten, bei der Arbeit daran möglichst viel hin
und her zu rennen, als ob sie die Furcht antreibe.
51.
(1) Dies alles bewog die Feinde, ihre Truppen über den Bach zu führen und in einem für sie ungünstigen Gelände aufzustellen. Da unsere
Soldaten sogar auch vom Wall abgezogen wurden, rückten die Feinde noch näher heran und warfen von allen Seiten ihre Wurfgeschosse
über die Befestigung ins Lager. (2) Dann ließen sie durch Ausrufer, die sie rings um das Lager schickten, bekanntgeben, wenn ein Gallier
oder ein Römer vor der dritten Stunde zu ihnen übergehen wolle, könne er das gefahrlos tun; nach diesem Zeitpunkt sei dies nicht mehr
möglich. (3) Sie legten eine solche Verachtung für uns an den Tag, dass die einen den Lagerwall mit bloßer Hand einzureißen, die anderen
den Graben aufzufüllen begannen, da sie den Eindruck hatten, sie könnten nicht durch die Tore ins Lager eindringen. Diese waren nämlich
zum Schein durch eine einfache Schicht von Rasenstücken versperrt. (4) Da ließ Caesar aus allen Toren einen Ausfall machen und die
Reiterei ausrücken, so dass die Feinde so schnell in die Flucht geschlagen wurden, dass keiner auch nur einen Augenblick stehenblieb, um
zu kämpfen. Unsere Soldaten machten eine große Anzahl von ihnen nieder und nahmen allen ihre Waffen ab.
52.
(1) Caesar hatte Bedenken, die Feinde allzuweit zu verfolgen, da bald Wald und Sumpfgebiete kamen und er sah, dass es nur unter großen
Verlusten möglich sei, seinen jetzigen Standort zu verlassen, um die Feinde zu verfolgen. Daher gelangte er an diesem Tag mit völlig
unversehrtem Heer zu Cicero. (2) Er warb beeindruckt von den Türmen, die die Feinde errichtet hatten, ebenso von ihren Schilddächern
und Belagerungswerken. Als Ciceros Legion vorgeführt wurde, stellte Caesar fest, dass nicht einmal jeder zehnte ohne Verwundung
davongekommen war. (3) Er schloß aus all diesem, unter welcher Gefahr und mit welcher Tapferkeit man der Belagerung standgehalten
hatte, (4) und bedachte die Verdienste Ciceros und seiner Legion mit hohem Lob. Die Centurionen sprach er einzeln an, ebenso die
Militärtribunen, deren Tapferkeit besonders groß war, wie er aus Ciceros Bericht erfahren hatte. Von Gefangenen erfuhr er Genaueres
über Sabinus und Cottas Untergang. (5) Am folgenden Tag schilderte er in einer Heeresversammlung die Kämpfe und richtete den Mut der
Soldaten durch seinen Zuspruch wieder auf. (6) Er erklärte, dass man den Verlust, den er auf das leichtsinnige Verhalten des Legaten
Sabinus zurückführte, um so gelassener tragen könne, als die Gunst der unsterblichen Götter und ihre eigene Tapferkeit den Schaden
wiedergutgemacht hätten, so dass die Freude der Feinde nicht von langer Dauer sein werde und sie selbst ihre Erbitterung aufgeben
könnten.
53.
(1) Inzwischen drang das Gerücht von Caesars Sieg mit unglaublicher Schnelligkeit durch das Gebiet der Remer zu Labienus. Obwohl er
sich etwa 60 Meilen von Ciceros Lager entfernt befand und Caesar dort erst nach der 9. Stunde eingetroffen war, erhob sich noch vor
Mitternacht vor den Lagertoren ein Geschrei, mit dem die Remer Caesars Sieg verkünden und Labienus Glück wünschen wollten. (2) Als
die Siegesnachricht weiter zu den Treverern gelangte, floh Indutiomarus, der für den folgenden Tag einen Sturm auf das Lager des
Labienus angesetzt hatte, bei Nacht und führte seine gesamten Truppen in das Land der Treverer zurück. (3) Caesar sandte Fabius mit
seiner Legion ins Winterlager zurück, während er selbst beschloß, mit drei Legionen in der Umgebung Samarobrivas in drei Lagern zu
überwintern. Da in Gallien so große Unruhen entstanden waren, entschied er sich dafür, selbst den ganzen Winter über beim Heer zu
bleiben. (4) Denn auf die Nachricht von der römischen Niederlage und vom Tod des Sabinus hin hatten fast alle gallischen Stämme Pläne
für einen Krieg gefaßt, schickten Boten und Gesandtschaften nach allen Richtungen aus und zogen Erkundigungen darüber ein, was die
anderen Stämme planten und wer mit dem Krieg beginnen sollte. An verlassenen Orten hielten sie nächtliche Versammlungen ab. (5)
Während des gesamten Winters gab es für Caesar fast keinen Augenblick ohne irgendeine beunruhigende Nachricht, da er ständig
Meldungen über Aufstandspläne oder Unruhen bei den Galliern empfing. (6) Dazu gehörte auch, dass der Quaestor L. Roscius, dem
Caesar das Kommando über die 13. Legion übertragen hatte, die Nachricht sandte, dass sich starke gallische Truppen aus den Stämmen,
die die aremorikischen genannt werden, vereinigt hätten, um sein Lager zu bestürmen. (7) Sie seien nicht mehr weiter als 8 Meilen davon
entfernt gewesen, als sie auf die Kunde von Caesars Sieg hin wieder abgezogen seien, und zwar so eilig, dass ihr Abmarsch einer Flucht
glich.
54.
(1) Caesar berief die führenden Männer jeden Stammes zu sich und erreichte, dass sich ein großer Teil Galliens an seine Verpflichtungen
hielt, indem er den einen Stämmen klarmachte, dass er wußte, was vor sich ging, und sie dadurch in höchsten Schrecken versetzte, den
anderen dagegen ernstlich zuredete. (2) Dennoch planten die Senonen, ein sehr bedeutender Stamm mit großem Einfluß in Gallien, auf
Beschluß ihres Senats einen Mordversuch an Cavarinus, den Caesar als König bei ihnen eingesetzt hatte. Zur Zeit, als Caesar nach
Gallien kam, hatten Cavarinus Bruder Moritasgus und davor stets ihrer beider Vorfahren die Königswürde besessen. Da Cavarinus das
Attentat vorausgeahnt hatte, war er geflohen, die Senonen hatten ihn jedoch bis an die Grenzen des Landes verfolgt, abgesetzt und aus der
Heimat vertrieben. (3) Als eine Gesandtschaft bei Caesar erschienen war, um sich dafür zu rechtfertigen, hatte dieser dem gesamten Adel
befohlen, sich bei ihm einzufinden; die Senonen waren der Aufforderung jedoch nicht gefolgt. (4) Bei den barbarischen Menschen wog die
Tatsache, dass es einige Leute gab, die mit dem Krieg anfingen, so schwer und führte zu einem derart durchgreifenden Gesinnungswandel,
dass uns fast jeder Stamm verdächtig wurde. Eine Ausnahme bildeten die Haeduer und Remer, die Caesar immer besonders ehrenvoll
behandelte, die Haeduer auf Grund ihrer alten und beständigen Treue zum römischen Volk, die Remer wegen der Verdienste, die sie sich
kürzlich im gallischen Krieg erworben hatten. (5) Ich weiß nicht, ob das Verhalten der anderen so sehr verwunderlich ist, und zwar aus
verschiedenen Gründen, 325 vor allem aber, weil die Stämme, die wegen ihrer Tapferkeit im Krieg alle anderen übertrafen, aufs höchste
darüber erbittert waren, so viel von dieser allgemeinen Geltung eingebüßt zu haben, dass sie sich der römischen Herrschaft beugen
mußten.
55.
(1) Die Treverer aber und Indutiomarus ließen in diesem ganzen Winter keine Zeit verstreichen, Gesandte über den Rhein zu schicken und
dort die Stämme aufzuwiegeln und ihnen Geld zu versprechen. Da ein großer Teil unseres Heeres umgekommen sei, behaupteten sie, sei
der restliche Teil nur noch sehr klein. (2) Dennoch konnten sie keinen germanischen Stamm dazu überreden, den Rhein zu überschreiten,
denn die Germanen erklärten, sie hätten es zweimal versucht, einmal in Ariovists Krieg und einmal beim Obergang der Tencterer; ein
weiteres Mal wollten sie das Schicksal nicht auf die Probe stellen. (3) Obwohl sie damit die Hoffnung des Indutiomarus erschütterten,
begann dieser nichtsdestoweniger, Truppen zusammenzuziehen, sie auszubilden, von den benachbarten Stämmen Pferde zu beschaffen und
aus ganz Gallien Verbannte und Verurteilte mit großen Geldgeschenken an sich zu locken. (4) Dadurch hatte er sich in Gallien schon so
viel Einfluß verschafft, dass von allen Seiten Gesandtschaften bei ihm eintrafen und ihn im Namen ihrer Stämme, aber auch in eigenem
Namen um sein Wohlwollen und seine Freundschaft angingen.
56.
(1) Sobald er erkannte, dass die Stämme aus freien Stücken zu ihm kamen, dass auf der einen Seite die Senonen und Carnuten das
Bewußtsein ihres Verbrechens antrieb, auf der anderen Seite die Nervier und Atuatucer sich zum Krieg gegen die Römer rüsteten und es
ihm nicht an freiwilligen Truppenverbänden fehlen würde, wenn er den Vormarsch über seine Grenzen hinweg begonnen hätte, berief er
einen bewaffneten Landtag ein. Nach gallischer Sitte bedeutet das den Kriegsausbruch. (2) Alle erwachsenen Wehrfähigen sind nach
allgemein verbindlichem Volksbeschluß gezwungen, sich bewaffnet einzufinden, Wer von ihnen als letzter eintrifft, wird vor den Augen der
Menge auf jede mögliche Art gefoltert und anschließend getötet. (3) Auf dieser Versammlung erklärte Indutiomarus den Führer der
anderen Partei, seinen Schwiegersohn Cingetorix, der, wie wir oben schilderten, sich Caesar angeschlossen hatte, zum Landesfeind und zog
sein Verm'0@gen ein. (4) Anschließend verkündete er in der Versammlung, die Senonen, Carnuten und mehrere andere Stämme Galliens
hätten ihn zu Hilfe gerufen; (5) er werde seinen Weg dorthin durch das Gebiet der Remer nehmen, ihre Felder verwüsten, vorher aber noch
das Lager des Labienus bestürmen. Hierfür traf er seine Anordnungen.
57.
(1) Da Labienus in seinem Lager blieb, das durch seine natürliche Beschaffenheit und die gute Befestigung hervorragend geschätzt war,
fürchtete er keine Gefahr für sich und die Legionen und dachte nur daran, sich keine Gelegenheit zu einem siegreichen Gefecht entgehen
zu lassen. (2) Als er daher von Cingetorix und seinen Verwandten den Inhalt der Rede erfuhr, die Indutiomarus auf der
Heeresversammlung gehalten hatte, schickte er Boten an die benachbarten Stämme und ließ von überall her Reiter stellen. (3) Diesen
nannte er einen bestimmten Tag, an dem sie sich einfinden sollten. In der Zwischenzeit streifte Indutiomarus fast täglich mit seiner
gesamten Reiterei dicht unter den Lagerwällen entlang, einmal, um die Befestigungsanlagen zu erkunden, zum andern, um mit der
Besatzung zu sprechen und sie in Schrecken zu versetzen. Meist schleuderten dabei alle seine Reiter von fern ihre Spieße über den
Lagerwall. (4) Labienus hielt seine Soldaten in der Befestigung zurück und bemühte sich mit allen Mitteln, mehr und mehr den Anschein
von Furcht zu erwecken.
58.
(1) Während Indutiomarus mit täglich steigender Verachtung an das Lager herankam, ließ Labienus in einer einzigen Nacht die Reiter aus
allen benachbarten Stämmen ein, die er hatte herbeiholen lassen, und wachte so sorgfältig darüber, dass die Truppen im Lager blieben,
dass dies Ereignis auf keine Weise verraten werden oder die Kunde davon zu den Treverern durchdringen konnte. (2) Inzwischen rückte
Indutiomarus wie gewöhnlich vor das Lager und verbrachte dort einen großen Teil des Tages. Seine Reiter warfen ihre Speere und
forderten unter vielen Schmähungen unsere Soldaten zum Kampf heraus. (3) Als diese keine Antwort gaben, zogen die Feinde, als es ihnen
angebracht schien, gegen Abend vereinzelt und ohne Ordnung ab. (4) Plötzlich schickte Labienus aus zwei Toren zugleich die gesamte
Reiterei hinaus. Da er voraussah, wie es dann auch eintrat, dass die Feinde in Panik versetzt und in die Flucht geschlagen werden würden,
gab er Anweisung, dass alle Indutiomarus nachsetzen sollten, und verbot, dass jemand einen anderen Feind verwundete, ehe er gesehen
habe, dass Indutiomarus tot sei. Labienus wollte vermeiden, dass Indutiomarus dadurch, dass die Reiter sich bei den übrigen aufhielten,
Zeit gewänne und fliehen könnte. Er setzte eine große Belohnung für die aus, die ihn töteten. (5) Als Unterstützung schickte er den Reitern
noch Cohorten zu Hilfe. (6) Das Glück verhalf Labienus Plan zum Erfolg, denn da alle einen einzigen verfolgten, wurde Indutiomarus in
einer Furt des Flusses gefangengenommen und getötet. Sein Kopf wurde ins Lager gebracht. Auf dem Rückweg verfolgten die Reiter die
Feinde, die sie noch erreichen konnten, und machten sie nieder. (7) Als dies Ereignis bekannt wurde, lösten sich die gesamten Truppen der
Eburonen und Nervier auf, die sich schon versammelt hatten. Nach diesem Erfolg hatte Caesar etwas mehr Ruhe in Gallien.
Liber VI
1.
(1) Da Caesar aus vielen Gründen einen größeren Aufstand in Gallien erwartete, ließ er durch die Legaten M. Silanus, C. Antistius
Reginus und T. Sextius eine Aushebung durchfuhren. (2) Gleichzeitig bat er den Proconsul Cn. Pompeius um Weisung an die Truppen, die p
. s als Consul aus der Gallia Cisalpina unter seine Fahnen hatte (3) sich bei ihren Einheiten einzufinden und zu Caesar aufzubrechen, da
Pompeius selbst, ausgestattet mit dem Oberbefehl, im Staatsinteresse vor Rom bleibe. Nach Caesars Ansicht war es sehr wichtig, für die
Zukunft bei den Galliern den Eindruck hervorzurufen, Italien besitze derart große Machtmittel, dass es nicht nur binnen kurzer Zeit in
einem Krieg erlittene Verluste ersetzen, sondern seine Truppen sogar noch verstärken könne. (4) Da Pompeius seinen Wunsch mit
Rücksicht auf das Staatswohl und ihre persönliche Verbindung erfüllte und die Legaten in aller Eile die Aushebung durchführten, konnte
Caesar noch vor Ende des Winters drei neue Legionen zusammenstellen und nach Gallien führen lassen. Da er somit die Zahl der
Cohorten, die unter Q. Titurius verlorengegangen waren, verdoppelt hatte, war an der Geschwindigkeit seiner Maßnahmen und der neuen
Truppenstärke deutlich geworden, über welch straffe Organisation und welche finanziellen Mittel das römische Volk verfügte.
2.
(1) Nach dem Tod des Indutiomarus, über den wir berichteten, übertrugen die Treverer die Herrschaft auf seine Verwandten.Diese hörten
nicht auf, die benachbarten Germanen aufzuhetzen und ihnen Geld zu versprechen. (2) Da sie bei den zunächst lebenden Stämmen nichts
erreichen konnten, versuchten sie es bei weiter entfernten. So fanden sie einige Stämme, mit denen sie sich durch einen Schwur
verbündeten. Als Sicherheit für die Geldzahlung gaben die Treverer Geiseln. Auch Ambiorix gewannen sie durch einen Vertrag zum
Bundesgenossen. (3) Caesar erfuhr davon und sah, dass überall zum Krieg gerüstet wurde: Die Nervier, Atuatucer und Menapier im Bund
mit allen linksrheinischen Germanen standen unter Waffen, die Senonen hatten sich nicht, wie befohlen, bei ihm eingefunden, sondern sich
mit den Carnuten und den benachbarten Stämmen über Kriegspläne verständigt. Gleichzeitig wurden die Germanen durch zahlreiche
Gesandtschaften der Treverer aufgehetzt. Da glaubte Caesar, sich frühzeitiger mit Kriegsplänen befassen zu müssen.
3.
(1) In Eilmärschen rückte er daher noch vor Ende des Winters mit den zunächst stationierten vier Legionen, die er vereinigt hatte,
überraschend ins Gebiet der Nervier. (2) Bevor diese sich sammeln oder fliehen konnten, hatte Caesar eine große Anzahl von Vieh und
Menschen in seine Gewalt gebracht, die er den Soldaten als Beute überließ. Da er auch die Felder der Nervier verwüstet hatte, zwang er
sie, sich zu ergeben und Geiseln zu stellen. (3) Nachdem er dieses Unternehmen schnell zu Ende geführt hatte, brachte er die Legionen
wieder in die Winterlager zurück. (4) Zu Beginn des Frühlings berief er, wie er es eingeführt hatte, einen gallischen Landtag ein. Da alle
Gallier außer den Senonen, Carnuten und Treverern dort erschienen, betrachtete er deren Fehlen als Anfang eines kriegerischen
Aufstandes. Um deutlich zu in machen, dass er alles andere hintanstelle, verlegte er den Landtag nach Lutetia im Gebiet der Parisier. (5)
Sie waren Grenznachbarn der Senonen und hatten mit ihnen zwar in früherer Zeit einen Staat gebildet, schienen sich jetzt jedoch nicht an
den Aufstandsplänen beteiligt zu haben. (6) Nachdem Caesar die Verlegung des Landtags auf der Rednertribüne... angekündigt hatte,
brach er noch am selben Tag mit seinen Legionen gegen die Senonen auf und gelangte in Eilmärschen in ihr Gebiet.
4.
(1) Auf die Nachricht von seinem Eintreffen hin ordnete Acco, das Haupt der Verschwörung, an, dass das Volk sich in den Städten sammeln
solle. Noch bevor diese Maßnahme völlig durchgeführt werden konnte, wurde während des Aufbruchs gemeldet, die Römer seien da. (2)
Die Senonen standen daher notgedrungen von ihrem Vorhaben ab und schickten Gesandte an Caesar, um Gnade zu erbitten. Da der
Stamm von alters her unter dem Schutz der Haeduer stand, erhielten sie durch deren Vermittlung Zugang zu Caesar. (3) Dieser zeigte sich
den Bitten der Haeduer gegenüber sehr großzügig und nahm die Entschuldigung der Senonen an, weil er der Ansicht war, der Sommer sei
die Zeit, in der man sich eher auf einen bevorstehenden Krieg als auf eine gerichtliche Untersuchung einzustellen hätte. (4) Auf seinen
Befehl hin wurden 100 Geiseln gestellt, die er den Haeduern zur Bewachung Übergab. (5) Auch die Carnuten schickten Gesandte und
Geiseln ebendorthin. Sie bedienten sich dabei der Vermittlung der Remer, unter deren Schutz sie standen, und erhielten dieselbe Antwort.
(6) Caesar führte den Landtag zu Ende und forderte von den Stämmen die Stellung von Reitern.
5.
(1) Nachdem in diesem Teil Galliens wieder Frieden herrschte, wandte Caesar seine ganze Aufmerksamkeit voll Eifer auf den Krieg gegen
die Treverer und Ambiorix. (2) Er ließ Cavarinus und die Reiterei der Senonen gemeinsam mit ihm aufbrechen, damit in dem Stamm keine
Unruhe entstehe, die ihren Ursprung in dem Jähzorn des Cavarinus oder im wohlverdienten Haß seines Stammes auf ihn hätte. (3 ') Nach
Regelung dieser Angelegenheit versuchte Caesar, da er es für sicher hielt, dass Ambiorix nicht in offener Schlacht kämpfen werde, sich
über dessen sonstige Pläne klar zu werden. (4) An die Grenzen des eburonischen Landes stieß das Gebiet der Menapier, das durch endlose
Sümpfe und Waldgebiete geschützt war. Die Menapier hatten als einzige unter den Galliern nie Gesandte mit der Bitte um Frieden an
Caesar geschickt. Caesar wußte, dass Ambiorix mit ihnen Gastfreundschaft verband. Auch hatte er erfahren, dass er über die Vermittlung
der Treverer mit den Germanen einen Freundschaftsvertrag beschlossen hatte. (5) Er glaubte daher, zunächst muß man Ambiorix diese
Hilfsquellen abschneiden, ehe man mit ihm selbst Krieg anfinge, damit er sich nicht bei den Menapiern verbergen könne oder
notgedrungen mit den rechtsrheinischen Germanen einen Bund eingehe, wenn seine Situation verzweifelt würde. (6) Nachdem Caesar
diesen Plan entwickelt hatte, sandte er den Troß des gesamten Heeres zu Labienus ins Land der Treverer und wies zwei Legionen an,
dorthin zu marschieren. Er selbst setzte sich mit fünf... kampfbereiten Legionen gegen die Menapier in Marsch. (7) jene stellten keinerlei
Truppen auf, sondern vertrauten auf den Schutz, den ihr Land bot, flohen daher in die Wälder und Sümpfe und brachten ihre gesamte Habe
dorthin.
6.
(1) Caesar teilte seine Truppen mit den Legaten C. Fabius und dem Quaestor M. Crassus, legte rasch Knüppelwege an und rückte so in
drei Gruppen vor. Er setzte Gehöfte und Dörfer in Brand, wobei er eine große Zahl von Menschen und Vieh in seine Gewalt bekam. (2)
Hierdurch sahen sich die Menapier gezwungen, Gesandte mit der Bitte um Frieden an ihn zu schicken. (3) Er nahm zwar ihre Geiseln an,
betonte aber, er werde sie wie Feinde behandeln, wenn sie Ambiorix oder dessen Gesandte in ihrem Gebiet aufnahmen. Nachdem er diese
festgesetzt hatte, ließ er den Atrebaten Commius mit der Reiterei als Beobachter bei den Menapiern zurück und brach gegen die Treverer
auf.
7.
(1) Während Caesar mit diesen Maßnahmen beschäftigt war, rüsteten sich die Treverer, die umfangreiche Truppen, sowohl Fußvolk wie
Reiterei, zusammengezogen hatten, Labienus mit der einzelnen Legion, die in ihrem Gebiet überwintert hatte, anzugreifen. (2) Sie waren
schon nicht mehr weiter als zwei Tagemärsche von ihm entfernt, als sie erfuhren, dass auf Anordnung Caesars zwei weitere Legionen
eingetroffen seien. (3) Daraufhin beschlossen sie, 15 Meilen von Labienus entfernt ein Lager zu errichten und das Eintreffen der
germanischen Hilfstruppe en abzuwarten. (4) Labienus erfuhr von ihrem Plan und hoffte, dass ihm das leichtsinnige Verhalten der Feinde
Gelegenheit zu einer Schlacht geben werde. Er ließ daher 5 Cohorten zum Schutz des Trosses zurück und brach mit 25 Cohorten und
starken Reitertruppen gegen den Feind auf. 1 Meile von ihm entfernt errichtete er ein befestigtes Lager. (5) Zwischen Labienus und den
Feinden befand sich ein Fluß, der nur schwer zu überqueren war und steil abfallende Ufer besaß. Labienus hatte weder selbst die Absicht,
den Übergang zu wagen, noch hielt er für möglich, dass die Feinde es tun würden. (6) Bei diesen stieg von Tag zu Tag die Hoffnung auf die
Hilfstruppen. Absichtlich sprach Labienus ganz offen davon, dass er, da wie es hieß - die Germanen im Anzug seien, nicht sein Leben und
die Existenz seines Heeres aufs Spiel setzen wolle, sondern im Morgengrauen des nächsten Tages das Lager abbrechen und abziehen
werde. (7) Diese Reden drangen schnell zu den Feinden, da sich in der großen Schar gallischer Reiter bei Labienus einige befanden, die
ihre Herkunft dazu zwang, die gallische Sache zu begünstigen. (8) Labienus ließ nachts die Militärtribunen und ranghöchsten Centurionen
zusammenkommen und erklärte ihnen seine Pläne. Um bei dem Feind den Eindruck zu verstärken, dass die Römer Furcht hätten, befahl er,
unter mehr Lärm und Unruhe, als es römische Gewohnheit war, das Lager abzubrechen. Dadurch bewirkte er, dass der Aufbruch einer
Flucht ähnelte. (9) Weil das römische Lager so nahe lag, wurde auch dies den Feinden durch Kundschaftet noch vor Morgengrauen
hinterbracht.
8.
(1) Kaum war die Nachhut bis vor die Lagerbefestigung ausgerückt, als die Gallier sich untereinander anfeuerten, die erhoffte Beute nicht
aus den Händen zu lassen. Da die Römer Panik ergriffen habe, sei es überflüssig, die Unterstützung der Germanen abzuwarten. Zudem
lasse es ihr Ansehen nicht zu, dass sie mit so starken Truppen nicht wagten, eine so kleine Schar anzugreifen, die sich obendrein auf der
Flucht befinde und durch Gepäck behindert werde. Sie zögerten daher nicht, den Fluß zu überschreiten und es dann auf ungünstigem
Gelände zur Schlacht kommen zu lassen. (2) Labienus, hatte dies im voraus vermutet, und um alle über den Fluß zu locken, ließ er zum
Schein weitermarschieren und rückte gemächlich vor. (3) Darauf ließ er das schwere Gepäck ein Stück vorausbringen und auf einem Hügel
sammeln, um dann zu seinen Soldaten zu sagen: »jetzt ist die ersehnte Gelegenheit da, Soldaten. (4) Ihr habt den Feind in ungünstigem und
für ihn hinderlichem Gelände, zeigt nun unter unserer Führung dieselbe Tapferkeit, die ihr so oft unter eurem Feldherrn bewiesen habt.
Stellt euch vor, er sei hier und sehe allen zu.« (5) Unmittelbar darauf ließ er die Feldzeichen gegen den Feind kehren und das Heer in
Schlachtordnung antreten. Einige wenige Reiterscharen hatte er als Schutz bei dem Gepäck gelassen, die übrigen Reiter stellte er an den
Flügeln auf. (6) Schnell erhoben unsere Soldaten das Kampfgeschrei und schleuderten ihre Wurfspieße auf die Feinde. Als diese entgegen
aller Erwartung das Heer, von dem sie gerade noch geglaubt hatten, es fliehe, zum Angriff übergehen sahen, waren sie nicht in der Lage,
dem Ansturm standzuhalten. Schon beim ersten Zusammenstoß wurden sie in die Flucht geschlagen und suchten, in die nahegelegenen
Wälder zu entkommen. (7) Labienus verfolgte sie mit der Reiterei, tötete eine große Anzahl und machte mehrere Gefangene. Einige Tage
später nahm er die Kapitulation des Stammes entgegen. Denn als die Germanen, die zu Hilfe kamen, von der Flucht der Treverer erfuhren,
kehrten sie in ihre Heimat zurück. (8) Die Verwandten des Indutiomarus, die die Anstifter des Aufstandes gewesen waren, begleiteten sie
und verließen die Heimat. (9) Cingetorix, der, wie wir oben zeigten, von Anfan an zu seinen Verpflichtungen gestanden hatte, wurde die
Führung des Stammes in Krieg und Frieden übertragen.
9.
(1) Als Caesar von den Menapiern in das Gebiet der Treverer kam, beschloß er aus zwei Gründen, den Rhein zu überschreiten: Einmal
hatten die Germanen den Treverern Hilfstruppen zum Kampf gegen ihn geschickt, (2) zum andern wollte Caesar verhindern, dass Ambiorix
bei ihnen Zuflucht fände. (3) Nachdem er sich so entschieden hatte, ließ er etwas oberhalb der Stelle, an der er früher das Heer
hinübergeführt hatte, eine Brücke errichten. (4) Da das Verfahren inzwischen bekannt und genau festgelegt war, war der Bau infolge des
großen Eifers der Soldaten in wenigen Tagen vollendet. (5) Caesar ließ bei der Brücke auf der Seite der Treverer eine starke Schutztruppe
zurück, um zu verhindern, dass bei ihnen plötzlich ein Aufstand ausbreche, und führte die übrigen Truppen und die Reiterei über den Fluß.
(6) Die Ubier, die vorher Geiseln gestellt und sich ihm unterworfen hatten, schickten Gesandte zu Caesar, um sich zu rechtfertigen. Sie
erklärten, aus ihrem Stamm seien den Treverern keine Hilfstruppen gesandt worden, auch hätten sie ihre Pflichten nicht verletzt. (7) Sie
baten inständig darum, sie zu schonen, damit auf Grund des allgemeinen Hasses gegen die Germanen nicht Unschuldige an Stelle der
Schuldigen die Strafe erleiden müßten. Sie versprachen, weitere Geiseln zu stellen, wenn Caesar das wünsche. (8) Dieser stellte eine
Untersuchung an und fand heraus, dass die Hilfstruppen von den Sueben gekommen waren. Daraufhin gab er sich mit der Rechtfertigung
der Ubier zufrieden und erkundigte sich genau nach den Zugängen und Wegen ins Land der Sueben.
10.
(1) Inzwischen erhielt Caesar einige Tage später von den Ubiern die Nachricht, dass die Sueben ihre gesamten Streitkräfte an einem Ort
zusammenzögen und die Stämme, die unter ihrer Herrschaft stünden, aufforderten, ihnen Hilfskontingente an Reiterei und Fußvolk zu
schicken. (2) Daraufhin sorgte Caesar für Getreide und wählte eine geeignete Stelle für ein Lager aus. Die Ubier wies er an, Ja, Vieh
wegzutreiben und ihre gesamte Habe vom Land in die Stadt zu bringen. Er hoffte, dass er die barbarischen und unerfahrenen Menschen
veranlassen könne, unter für sie ungünstigen Bedingungen zum Kampf anzutreten, wenn sie der Mangel an Lebensmitteln dazu zwinge. (3)
Den Ubiern gab er den Auftrag, wiederholt Kundschaftet zu den Sueben zu schicken, um zu erfahren, was sich bei ihnen ereigne. (4) Die
Ubier führten seine Befehle aus und berichteten nach wenigen Tagen, als die Sueben genauere Nachrichten über das römische Heer
erhalten hätten, seien sie alle mit der Gesamtheit ihrer eigenen und der verbündeten Truppen, die sie zusammengezogen hätten, bis an die
allerfernsten Grenzen ihres Landes zurückgewichen. (5) Dort liege ein unendlich großes Waldgebiet, das Bacenis heiße. Dieses erstrecke
sich ohne Unterbrechung weit ins Land hinein und bilde einen natürlichen Schutzwall, der die Sueben gegen Obergriffe und Einfälle der
Cheruscer sichere und umgekehrt.
11.
(1) Da wir bis zu dieser Stelle unseres Berichts vorgedrungen sind, scheint es mir nicht unangebracht zu sein, die Bräuche Galliens und
Germaniens zu schildern und dabei auf die Punkte einzugehen, in denen sich diese Stämme voneinander unterscheiden. (2) In Gallien gibt
es nicht nur in allen Stämmen und ihren einzelnen Gauen und Bezirken, sondern fast in jeder Familie politische Gruppierungen. An der
Spitze stehen die, (3) die den Ruf haben, in der öffentlichen Meinung den größten Einfluß zu besitzen. Von ihrem Schiedsspruch und ihrem
Urteil hängen die wichtigsten politischen Entscheidungen und Pläne ab. (4) Dies scheint von alters her aus dem Grund so eingerichtet,
damit niemandem aus dem niederen Volk Unterstützung gegenüber einem Mächtigeren versagt bleibe. Denn keiner dieser Führer läßt zu,
dass seine Anhänger unterdrückt oder betrogen werden. Wenn er sich anders verhielte, hätte er bei ihnen keinerlei Ansehen mehr.
Dieselbe Struktur findet sich auch in Gesamtgallien, denn alle Stämme zusammen sind in zwei Parteien geteilt.
12.
(1) Als Caesar nach Gallien kam, standen die Haeduer an der Spitze der einen Partei, die Sequaner führten die andere. (2) Da letztere
schon an sich weniger angesehen waren, weil die Haeduer von alters her den größten Einfluß und bedeutende Clientelen besaßen, hatten
die Sequaner sich mit den Germanen und Ariovist verbündet und diese unter bedeutenden Opfern, mit großen Versprechungen auf ihre
Seite gezogen. (3) Nachdem sie in mehreren Schlachten siegreich gewesen waren, wobei der ganze Adel der Haeduer fiel, war ihre Stellung
so übermächtig, (4) dass sie einen großen Teil der Clienten von den Haeduern zu sich herüberziehen konnten und die Söhne der führenden
Männer als Geiseln erhielten. Sie zwangen die Regierung der Haeduer zu dem Schwur, keine Kriegspläne gegen die Sequaner zu fassen.
Nachdem sie noch einen Teil des angrenzenden Landes gewaltsam eingenommen und zu ihrem Besitz gemacht hatten, standen sie an
führender Stelle in ganz Gallien. (5) Diese Notlage hatte Diviciacus veranlaßt, zum Senat nach Rom zu reisen und dort um Unterstützung zu
bitten. Er war jedoch ohne Erfolg zurückgekehrt. (6) Da mit dem Eintreffen Caesars ein Wandel eintrat, erhielten die Haeduer ihre Geiseln
zurück, ihre alten Clientelen bildeten sich wieder, und Caesar verschaffte ihnen obendrein neue, weil die, die einen Freundschaftsvertrag
mit den Haeduern eingegangen waren, (7) sahen, dass sie sich nun in einer besseren Lage befanden und unter einer gerechteren
Herrschaft lebten. Auch durch anderes war die Beliebtheit und das Ansehen der Haeduer so vermehrt worden, dass die Sequaner ihre
führende Stellung verloren hatten. An ihre Stelle waren die Remer getreten. Da zu erkennen war, dass sie bei Caesar in gleicher Gunst
standen wie die Haeduer, begaben sich die Stämme, die sich wegen alter Streitigkeiten unter keinen Umständen den Haeduern anschließen
konnten, in die Clientelen der Remer. (8) Diese übernahmen gewissenhaft ihren Schutz. So besaßen sie einen frischen und überraschend
schnell erworbenen Einfluß. (9) Die Lage war damals so, dass den Haeduern die unbestrittene Führung zuerkannt wurde, die Remer aber
den zweiten Platz im allgemeinen Ansehen einnahmen.
13.
(1) In ganz Gallien gibt es nur zwei Klassen von Männern, die an einigermaßen hervorragender und ehrenvoller Stelle stehen. Denn die
untere Volksschicht wird fast wie Sklaven behandelt; sie wagt nicht, selbständig zu handeln, und wird zu keiner Beratung hinzugezogen. (2)
Da die meisten unter dem Druck von Schulden oder hohen Steuern leben oder aber durch rechtswidriges Verhalten der Mächtigen
bedrängt werden, begeben sie sich in die Sklaverei. Die Adligen besitzen ihnen gegenüber alle Rechte, die ein Herr seinen Sklaven
gegenüber hat. (3) Von den erwähnten zwei Klassen ist die eine die der Druiden, die andere die der Ritter. (4) Den Druiden obliegen die
Angelegenheiten des Kultus, sie richten die öffentlichen und privaten Opfer aus und interpretieren die religiösen Vorschriften. Eine große
Zahl von jungen Männern sammelt sich bei ihnen zum Unterricht, und sie stehen bei den Galliern in großen Ehren. (5) Denn sie entscheiden
in der Regel in allen staatlichen und privaten Streitfällen. Wenn ein Verbrechen begangen worden oder ein Mord geschehen ist, wenn der
Streit um Erbschaften oder den Verlauf einer Grenze geht, fällen sie auch hier das Urteil und setzen Belohnungen und Strafen fest. (6)
Wenn sich ein Privatmann oder das Volk nicht an ihre Entscheidungen hält, untersagen sie ihm die Teilnahme an den Opfern. Diese Strafe
gilt bei ihnen als die schwerste, (7) denn die, denen die Teilnahme untersagt ist, gelten als Frevler und Verbrecher, alle gehen ihnen aus
dem Weg und meiden den Umgang und das Gespräch mit ihnen, damit sie nicht durch ihre Berührung Schaden erleiden. (8) An der Spitze
aller Druiden steht ein Mann, der d( höchsten Einfluß unter ihnen genießt. (9) Stirbt er, so folgt ihm entweder der nach, der unter den
übrigen das höchste Ansehen besitzt, oder aber sein Nachfolger wird von den Druiden gewählt, wenn mehrere gleich hohes Ansehen
besitzen. Nicht selten wird dann jedoch auch mit Waffen um die leitende Stelle gekämpft (10) Zu einer bestimmten Zeit des Jahres tagen
die Druiden an einem geweihten Ort im Gebiet der Carnuten, das man für das Zentrum ganz Galliens hält. Von allen Seiten kommen dort
alle die zusammen, die einen Streitfall auszutragen haben, und unterwerfen sich den Entscheidungen und Urteilen der Druiden. Man glaubt,
dass die Lehre der Druiden aus Britannien stammt (11) und nach Gallien ist. (12) ])aber gehen die, die tiefer in ihre Lehre eindringen
wollen, meist nach Britannien, um sie dort zu studieren
14.
(1) Die Druiden nehmen in der Regel nicht am Krieg teil und zahlen auch nicht wie die übrigen Steuern. Sie leisten keinen Kriegsdienst und
sind auf jedem Gebiet von der Abgabepflicht ausgenommen. (2) Diese großen Vergünstigungen veranlassen viele, sich aus freien Stücken
in ihre Lehre einweihen zu lassen, oder ihre Eltern und Verwandten schicken sie zu den Druiden. (3) Wie es heißt, lernen sie dort eine
große Zahl von Versen auswendig. Daher bleiben einige 20 Jahre lang im Unterricht. Sie halten es für Frevel, diese Verse aufzuschreiben,
während sie in fast allen übrigen Dingen im öffentlichen und privaten Bereich die griechische Schrift benutzen. (4) Wie mir scheint, haben
sie das aus zwei Gründen so geregelt: Einmal wollen sie nicht, dass ihre Lehre allgemein bekannt wird, zum andern wollen sie verhindern,
dass die Lernenden sich auf das Geschriebene verlassen und ihr Gedächtnis weniger üben. Denn in der Regel geschieht es, dass die
meisten im Vertrauen auf Geschriebenes in der Genauigkeit beim Auswendiglernen und in ihrer Gedächtnisleistung nachlassen. (5) Der
Kernpunkt ihrer Lehre ist, dass die Seele nach dem Tod nicht untergehe, sondern von einem Körper in den anderen wandere. Da so die
Angst vor dem Tod bedeutungslos wird, spornt das ihrer Meinung nach die Tapferkeit ganz besonders an. (6) Sie stellen außerdem häufige
Erörterungen an über die Gestirne und ihre Bahn, über die Größe dir Welt und des Erdkreises, über die Natur der Dinge, über die Macht
und Gewalt der unsterblichen Götter und vermitteln dies alles der Jugend.
15.
(1) Die andere erwähnte Klasse ist die der Ritter. Immer wenn irgendein Krieg ausbricht und es erforderlich macht, stehen sie alle an der
Front. Vor Caesars Eintreffen pflegte fast jährlich der Fall einzutreten, dass sie entweder selbst andere überfielen oder Überfälle
zurückschlugen. (2) Wer von ihnen die vornehmste Herkunft oder die meisten Mittel hat, der hat auch die meisten Clienten und Sklaven
um sich. Sie kennen nur dies eine Kriterium für Ansehen und Macht.
16.
(1) Alle gallischen Stämme sind sehr religiös, (2) und aus diesem Grund opfern die, die von schwerer Krankheit befallen sind oder sich in
Krieg und Gefahr befinden, Menschen' anstelle von Opfertieren oder geloben solche Opfer. Die Druiden führen diese Opfer durch, (3)
denn die Gallier glauben, der Wille der unsterblichen Götter könne nur besänftigt werden, wenn für das Leben eines Menschen ein anderes
eingesetzt werde. Auch von Staats wegen haben sie Opferbräuche von der gleichen Art. (4) Andere Stämme besitzen Opferbilder von
ungeheurer Größe, deren Glieder durch Ruten untereinander verbunden sind. Diese füllen sie mit lebenden Menschen aus. Dann werden
die Götterbilder von unten angezündet, so dass die Menschen in den Flammen umkommen. Sie erlauben zwar. dass die Tötung von
Menschen, die bei Diebstahl, Raub oder anderen Verbrechen gefaßt wurden, den unsterblichen Göttern angenehmer ist, wenn es ihnen
jedoch an solchen fehlt, gehen sie auch dazu über, Unschuldige zu opfern.
17.
(1) Unter den Göttern verehren sie Merkur am meisten. Von ihm besitzen sie besonders viele Götterbilder, ihn halten sie für den Erfinder
aller Künste, für den Führer auf allen Straßen und Wegen, und von ihm 'glauben sie, er habe den größten Einfluß auf den Erwerb von Geld
und auf den Handel. Auf Merkur folgen Apollo, Mars, Jupiter und Minerva. (2) Der Glaube an diese Götter hat etwa denselben Inhalt wie
bei den übrigen Völkern: Apollo vertreibt Krankheiten, Minerva lehrt die Anfangsgründe des Handwerks und der Künste, Jupiter hat die
Herrschaft über die Himmelsbewohner, und Mars lenkt die Kriege. (3) In der Regel weihen sie ihm das, was sie im Krieg erbeuten werden,
wenn sie sich zu einer Schlacht entschlossen haben. Haben sie gesiegt, so opfern sie ihm alle erbeuteten Lebewesen, das übrige tragen sie
an einer Stelle zusammen. (4) Bei vielen Stämmen kann man an geweihten Orten Hügel sehen, die sie aus diesen Beutestücken errichtet
haben. (5) Es geschieht nur selten, dass einer sich gegen die Religion verehrt und Beute bei sich versteckt oder aber wagt,
Weihge7schenke wegzunehmen, wenn sie schon niedergelegt worden sind. Auf dieser Tat steht als Strafe härteste Folter und Tod.
18.
(1) Alle Gallier rühmen sich, von Vater Dis abzustammen, und sagen, das werde von den Druiden überliefert. (2) Daher begrenzen sie die
Zeitabschnitte nicht nach der Zahl der Tage , sondern der Nächte. Bei der Berechnung von Geburtstagen und Jahres und Monatsanfängen
gehen sie so vor, dass der Tag der Nacht folgt. (3) In den übrigen Lebensbereichen unterscheiden sie sich in der Regel do2urch von
anderen Völkern, dass sie ihren Söhnen nicht erlauben, sich ihnen in der Öffentlichkeit zu nähern, bevor sie erwachsen und kriegstauglich
sind. Sie halten es für eine Schande, wenn ein Sohn im Knabenalter in der Öffentlichkeit im Blickfeld seines Vaters steht.
19.
(1) Die Männer lassen, wenn sie von ihren Frauen Vermögen als Mitgift erhalten haben, ihr eigenes Vermögen schätzen und legen einen
gleich großen Wert mit der zusammen. (2) Ober dieses Gesamtvermögen führen sie gemeinsam Buch und sparen den Gewinn; wer von
beiden länger lebt, erhält den beiderseitigen Anteil mit dem Gewinn, der mit der Zeit hinzugekommen ist. (3) Die Männer haben gegenüber
ihren Frauen ebenso wie gegenüber ihren Kindern Gewalt über Leben und Tod. Wenn das Oberhaupt einer Familie aus hohem Stande
gestorben ist, versammeln sich seine Verwandten und verhören die Ehefrauen wie die Sklaven, falls an dem Tod etwas Verdacht erregt.
Stellt sich der Verdacht als begründet heraus, verbrennen sie die Frauen, nachdem sie sie auf alle mögliche Art gefoltert haben. (4) Die
Begräbnisse sind im Verhältnis zur sonstigen gallischen Lebensweise sehr prächtig und aufwendig. Alles, was dem Toten vermutlich lieb
war, werfen sie auf den Scheiterhaufen, auch Tiere und bis vor kurzem noch Sklaven und Clienten, von denen feststand, dass der Tote sie
geliebt hatte. Nach den feierlichen Beerdigungsriten werden sie zusammen mit dem Verstorbenen verbrannt.
20.
(1) Die Stämme, die in dem Ruf stehen, dass sie ihren Staat besonders gut lenken, haben ein gesetzlich geregeltes Gebot, dass jeder, dem
von den Grenznachbarn ein den Staat angehendes Gerücht zu Ohren kommt, dies sofort den Beamten mitteilt und mit niemand anderem
darüber spricht, (2) weil bekannt ist, dass unbesonnene und unerfahrene Menschen oft durch falsche Gerüchte in Schrecken versetzt
werden, sich zu verfehlten Handlungen hinreißen lassen und damit Fragen von höchster politischer Bedeutung entscheiden. (3) Die
Beamten verschweigen, was ihnen gut scheint, und geben der Menge nur bekannt, was sie für angebracht halten. Es ist verboten,
außerhalb der Volksversammlung über Politik zu sprechen.
21.
(1) Die Germanen haben ganz andere Bräuche. Denn sie haben weder Druiden, die den kultischen Dingen vorstehen, noch legen sie großen
Wert auf Opfer. (2) Unter die Götter zählen sie nur die, die sie wahrnehmen und deren Wirken ihnen augenscheinlich zu Hilfe kommt, die
Sonne, den Mond und Vulkan. Den Glauben an die übrigen kennen sie nicht einmal vom Hörensagen. (3) Ihr ganzes Leben besteht aus
jagen und militärischen Übungen. Von klein auf streben sie danach, Härte und Anstrengung zu ertragen. (4) Diejenigen unter ihnen, die am
spätesten mannbar werden, genießen bei ihnen das höchste Lob. Die einen glauben, dadurch werde das Wachstum angeregt, die anderen
meinen, Kräfte und Muskeln würden dadurch gestärkt. (5) Es zählt bei ihnen zu der höchsten Schande, schon vor dem 20. Lebensjahr mit
einer Frau verkehrt zu haben. Hierbei gibt es keine Heimlichkeit, denn beide Geschlechter baden zusammen in den Flüssen und tragen nur
Felle oder dürftige Pelzüberwürfe, wobei der größte Teil des Körpers nackt bleibt.
22.
(1) Ackerbau betreiben sie wenig, ihre Ernährung besteht zum größten Teil aus Milch, Käse und Fleisch. (2) Auch hat niemand bei ihnen
ein bestimmtes Stück Land oder Grundbesitz. jeweils für ein Jahr weisen die Stammesleitung und die führenden Männer den Sippen,
Großfamilien und anderen Genossenschaften ein Stück Land zu, wobei sie Größe und Lage nach ihrem Gutdünken festsetzen. Im Jahr
darauf zwingen sie ihre Stammesgenossen weiterzuziehen. (3) Für dieses Verfahren führen sie viele Gründe an: Ihre Stammesgenossen
sollen keinen Gefallen an der Seßhaftigkeit finden und dadurch ihre kriegerische Neigung zugunsten des Ackerbaues aufgeben. Es soll
auch nicht dahin kommen, dass sie ihr Ackerland erweitern wollen und die Mächtigen die Schwächeren von ihrem Besitz vertreiben, auch
sollen sie nicht zu sorgfältig Häuser errichten, um Hitze und Kälte zu entgehen. Auch die Geldgier soll dadurch im Keim erstickt werden,
weil sie die Entstehung gegnerischer Parteien und Streit begünstigt. (4) Schließlich wollen sie die Zufriedenheit der unteren Schichten
dadurch erhalten, dass jeder sieht, dass seine Mittel genauso groß sind wie die der Mächtigsten.
23.
(1) Es gilt bei den Stämmen als höchster Ruhm, wenn sie um ihr Gebiet herum einen möglichst breiten Streifen brachliegendes Einöde
besitzen. (2) Sie halten es für ein Kennzeichen von Tapferkeit, wenn die Anwohner ihrer Grenzen von ihrem Land vertrieben abziehen und
niemand wagt, sich in ihrer Nachbarschaft niederzulassen. (3) Gleichzeitig wird damit die Furcht vor einem plötzlichen Einfall beseitigt. so
dass sie glauben, sie seien dadurch sicherer. (4) Wenn sich ein Stamm in einem Krieg verteidigt oder einen Krieg beginnt, wählen sie
Beamte, die den Oberbefehl übernehmen und Gewalt über Leben und Tod haben. (5) In Friedenszeiten gibt es keine gemeinsame
Regierung, sondern die fahrenden Männer der einzelnen Gebiete und Gaue sprechen für die jeweilige Bevölkerung Recht und schlichten
Streitfälle. (6) Raubzüge, die außerhalb der Stammesgrenzen unternommen werden, betrachten sie nicht als Schande. Sie vertreten den
Standpunkt, dass sie erfolgen, um die Jugend zu üben und vorn Müßiggang abzuhalten. (7) Sobald in einer Versammlung einer der
fahrenden Männer verkündet, er werde einen solchen Zug anführen, und wer ihm folgen wolle, solle sich melden, stehen die auf, denen das
Unternehmen und sein Leiter gefallen, und versprechen ihre Unterstützung. Sie werden vom ganzen Volk gelobt. (8) Wer von ihnen dem
Führer dann nicht folgt, der wird für einen Verräter und Deserteur gehalten, und in Zukunft wird ihm in allen Bereichen die
Vertrauenswürdigkeit abgesprochen. (9) Sie halten es für Frevel, einen Gast zu verletzen. Wer aus welchem Grund auch immer zu ihnen
kommt, den schätzen sie vor Unrecht und halten ihn für unverletzlich. Alle Häuser stehen ihm offen, und die Bewohner teilen ihre Nahrung
mit ihm.
24.
(1) Es gab eine Zeit, in der die Gallier den Germanen an Tapferkeit überlegen waren, ja sie mit Krieg überzögen und Kolonien jenseits des
Rheins gründeten, weil die Bevölkerung zu groß war und sie nicht genügend Ackerland besaßen. (2) (Die fruchtbarsten Gebiete
Germaniens in der Nähe des hercynischen Waldes, der, wie ich sehe, auch Eratosthenes und einigen anderen Griechen vom Hörensagen
bekannt war, den sie aber Orcynien nennen, nahmen damals die tectosagischen Völker in Besitz und ließen sich dort nieder. (3) Dieses
Volk hält sich bis zum heutigen Tag in diesem Gebiet und besitzt den Ruf höchster Gerechtigkeit und größten Kriegsruhms. (4) Da die
Gertnanen noch jetzt unter denselben dürftigen, ärmlichen und entbehrungsreichen Verhältnissen leben wie damals, ist auch ihre Nahrung
und ihre übrige Lebensweise noch die gleiche. (5) Den Galliern aber hat die Nähe der römischen Provinzen und die Kenntnis überseeischer
Verhältnisse viel an Reichtum und Verfeinerung der Lebensweise gebracht, (6) so dass sie sich langsam daran gewöhnten, von der
Germanen besiegt zu werden, und da sie in vielen Schlachten geschlagen wurden, vergleichen sie sich nicht einmal mehr selbst mit ihnen,
was die Tapferkeit angeht.
25.
(1) Die Ausdehnung des hercynischen Waldes, auf den wir oben hinwiesen, entspricht einem zügigen Fußmarsch ohne Gepäck von neun
Tagen; anders kann sie nicht bestimmt werden, da die Einheimischen kein Wegemaß kennen. (2) Der Wald beginnt im Gebiet der
Helvetier, Nerneter und Rauracer und erstreckt sich in gerader Richtung auf die Donau zu bis zum Gebiet der Dacer und Anartier. (3) Hier
wendet er sich nach links und zieht sich in verschiedenen Gebieten abseits des Flusses hin; auf Grund seiner beträchtlichen Ausdehnung
berührt er dabei die Gebiete vieler Völker. (4) In diesem Teil Germaniens gibt es niemanden, der von sich behaupten könnte, er sei bis zum
östlichen oder nordöstlichen Rand des Waldes vorgestoßen, auch wenn er sechzig Tage marschiert wäre, noch weiß jemand, wo der Wald
anfängt. (5) Gewiß ist, dass es dort viele Arten von wilden Tieren gibt, die man sonst nicht sieht. Diejenigen, die sich am meisten von den
uns bekannten unterscheiden und besonders merkwürdig erscheinen, sollen jetzt folgen:
26.
(1) Es gibt ein Rind in der Gestalt eines Hirsches; es hat in der Mitte seiner Stirn zwischen den Ohren ein Horn, das stärker hervorragt und
gerader ist als die Hörner, die wir kennen. (2) In seiner Spitze teilt es sich in der Art von Blättern und Zweigen weit auseinander. (3)
Männliches und weibliches Tier sehen gleich aus, auch ihre Hörner haben dieselbe Form und Größe.
27.
(1) Daneben gibt es Tiere, die Elche genannt werden. Sie sehen ähnlich aus wie Ziegen und habe 'n auch ein buntes Fell. Sie sind jedoch
etwas größer als Ziegen, haben stumpfe Hörner und Beine ohne Gelenkknöchel. (2) Sie legen sich zur Ruhe nicht nieder und können nicht
wieder auf die Beine kommen oder sich wenigstens vom Boden erheben, wenn sie zufällig zu Fall kommen und stürzen. (3) Sie benutzen
daher Bäume als Ruhestätten; daran lehnen sie sich und können so, etwas zur Seite geneigt, ausruhen. (4) Wenn Jäger aus ihren Spuren
herausfinden, wohin sie sich gewöhnlich zur Ruhe zurückziehen, untergraben sie von den Wurzeln her alle Bäume an dieser Stelle oder
schneiden sie nur so weit an, dass der Eindruck erhalten bleibt, als stünden die Bäume fest. (5) Wenn sich die Tiere nach ihrer Gewohnheit
daranlehnen, bringen sie mit ihrem Gewicht die ihres Halts beraubten Bäume zu Fall und stürzen zusammen mit ihnen um.
28.
(1) Eine dritte Art heißt Auerochsen. Diese sind etwas kleiner als Elefanten und haben das Aussehen, die Farbe und die Gestalt von
Stieren. (2) Sie besitzen gewaltige Kräfte, sind sehr schnell und schonen weder Menschen noch wilde Tiere, wenn sie sie einmal erblickt
haben. Die Einheimischen setzen allen Eifer daran, sie in Gruben zu fangen und zu töten. (3) Diese anstrengende Tätigkeit härtet die
jungen Männer ab, die sich in dieser Art von Jagd üben. Wer die meisten Auerochsen getötet hat, trägt hohes Lob davon, wenn die Hörner
als Beweis seiner Leistung öffentlich ausgestellt werden. (4) Selbst wenn man sie als ganz junge Tiere fängt, können sie sich nicht an den
Menschen gewöhnen und gezähmt werden. (5) Die Spannweite ihrer Hörner sowie deren Aussehen und Gestalt unterscheiden sich sehr von
den Hörnern unserer Rinder. (6) Die Einheimischen sammeln sie eifrig, fassen den Rand in Silber und gebrauchen sie bei feierlichen
Gastmählern als Pokale.
29.
(1) Nachdem Caesar durch die Späher der Ubier erfahren hatte, dass sich die Sueben in die Waldgebiete zurückgezogen hatten, entschloß
er sich, nicht weiter vorzurücken. Er fürchtete nämlich, das Getreide werde ausgehen, da sich die Germanen insgesamt sehr wenig um
Ackerbau kümmern, wie wir oben dargelegt haben. (2) Um den Barbaren jedoch nicht jegliche Furcht vor einer möglichen Rückkehr zu
nehmen und um die Entsendung von Hilfstruppen zu erschweren, ließ er beim Rückzug des Heeres das Ende der Brücke, das an das Ufer
der Ubier stieß, (3) auf 200 Fuß hin abreißen, errichtete aber da, wo die Brücke aufhörte, einen vier Stockwerke hohen Turm. Um die
Brücke zu sichern, hinterließ er zwölf Cohorten als Wachmannschaft und schützte die Stelle durch starke Befestigungen. Das Kommando
über diesen Standort und die Schutztruppe gab er dem jungen C. Volcacius Tullus. (4) Er selbst brach zum Krieg gegen Ambiorix auf, als
das Getreide reif zu werden begann. L. Minucius Basilus sandte er mit der gesamten Reiterei durch den Ardenner Wald voraus. Dieser ist
das größte Waldgebiet in ganz Gallien und erstreckt sich von den Ufern des Rheins und dem Land der Treverer und Nervier mehr als 500
Meilen weit in die Länge. Basilus sollte versuchen, durch schnelles Vorrücken und den dadurch gegebenen zeitlichen Vorteil etwas zu
erreichen. (5) Er wies ihn an, im Lager das Anzünden von Wachtfeuern zu verbieten, damit man sein Eintreffen nicht schon von fern
erkennen könne. Er selbst werde Basilus, so sagte er, sofort folgen.
30.
(1) Basilus handelte wie befohlen. Nach einem für alle unerwartet schnellen Marsch konnte er viele Feinde, die ahnungslos auf ihren
Feldern arbeiteten, gefangennehmen. Ihren Angaben folgend eilte er weiter dorthin, wo sich Ambiorix selbst mit wenigen Reitern angeblich
aufhielt. (2) Das Glück ist in allen Dingen, besonders aber im Krieg, von Bedeutung. So war es ein großer Zufall, dass Basilus auf einen
noch unvorbereiteten und sorglosen Ambiorix traf, und, ehe noch Gerüchte und Boten seine Ankunft melden konnten, vor aller Augen
erschien. Doch hatte Ambiorix seinerseits solches Glück, dass er, obwohl er aller militärischen Mittel beraubt war, über die er verfügt
hatte, und obwohl die Römer Karren und Pferde erbeutet hatten, dennoch selbst dem Tod entkommen konnte. (3) Dies gelang dadurch,
dass seine Begleiter und Freunde in einem Haus mitten im Wald dem Ansturm unserer Reiter eine Zeitlang Widerstand leisten konnten,
weil der Zugang zu dem Haus sehr schwierig war. Die Wohnhäuser de, Gallier liegen meist so, weil man die Hitze vermeiden will und daher
in die Nähe von Flüssen und Baumgruppen strebt. (4) Während seine Freunde kämpften, setzte einer von ihnen Ambiorix auf ein Pferd, und
die dichten Wälder deckten seine Flucht. So spielte das Glück eine große Rolle, als Ambiorix in Gefahr geriet und ihr wieder entkam.
31.
(1) Es ist unklar, ob Ambiorix seine Truppen absichtlich nicht zusammengezogen hatte, weil er glaubte, es sei nicht der Augenblick für eine
Schlacht, oder ob er durch die überraschende Ankunft unserer Reiter in Zeitdruck geriet und so daran gehindert wurde, zumal er glaubte,
dass unser übriges Heer sofort nachfolgen werde. (2) Gewiß ist, dass er Boten mit dem Befehl durch das Land schickte, jeder solle für sich
selbst sorgen. Daraufhin floh ein Teil der Feinde in den Ardenner Wald, andere in die endlosen Sumpfgebiete. (3) Wer sich in der Nähe der
Küste befand, verbarg sich auf den Inseln, die der Wechsel von Ebbe und Flut gewöhnlich entstehen läßt. (4) Viele wanderten aus ihrer
Heimat aus und vertrauten sich und ihre gesamte Habe wildfremden Menschen und einer gänzlich ungewissen Zukunft an. (5) Catuvolcus,
der König des Teils der Eburonen, der gemeinsam mit Ambiorix den Aufstand geplant hatte, konnte die Anstrengungen des Krieges und
der Flucht nicht ertragen, da er schon altersschwach war. Er endete sein Leben mit Taxus, das in Gallien und Germanien häufig vorkommt.
Vor seinem Tod verfluchte er Ambiorix mit allen Verwünschungen, weil er den Aufstand ins Werk gesetzt habe.
32.
(1) Die Segnet und Condrusen, die zu den germanischen Stämmen zählen und zwischen dem Land der Eburonen und dem der Treverer
leben, schickten Gesandte an Caesar mit der Bitte, er möge sie nicht als Feinde ansehen und zu dem Schluß kommen, alle Germanen
diesseits des Rheins verfolgten ein und dasselbe politische Ziel. Sie hätten keinerlei Kriegspläne gehabt und auch Ambiorix keine
Hilfstruppen geschickt. (2) Caesar unterzog die Gefangenen einem Verhör und verschaffte sich Klarheit über die Angelegenheit. Dann
befahl er, Eburonen, die sich nach der Flucht bei ihnen gesammelt hätten, zu ihm zurückzubringen. Er versicherte, er werde ihr Gebiet
unbehelligt lassen, wenn sie seine Forderung erfüllten. (3) Darauf teilte er seine Truppen in drei Teile und ließ den Troß aller Legionen
nach Atuatuca bringen; der Name bezeichnet ein Castell; (4) dieses lag fast im Zentrum des eburonischen Landes. Titurius und
Antunculeius hatten sich dort festgesetzt, um zu überwintern. (5) Neben anderen Gründen hielt Caesar diesen Ort für besonders geeignet,
weil die Befestigungen aus dem vergangenen fahr noch vollständig erhalten waren, so dass dadurch den Soldaten die Arbeit erleichtert
wurde. Zum Schutz des Trosses ließ er die 14. Legion zurück, eine von den drei Legionen, die er kurz zuvor ausgehoben und aus Italien
mitgebracht hatte. (6) Den Oberbefehl über die Legion und das Lager übertrug er Q. Tullius Cicero, dem er außerdem 200 Reiter zuteilte.
33.
(1) Nach der Teilung des Heeres ließ Caesar T. Labienus mit drei Legionen nach dem Ozean zu in die Gegend marschieren, die an das
Land der Menapier stößt. (2) C. Trebonius entsandte er mit ebenso vielen Legionen, um das Gebiet zu verwesten, das an das der
Atuatucer grenzt. (3) Er selbst beschloß, mit den restlichen drei Legionen zum Fluß Scaldis, der in die Maas mündet, und bis zu den
Ausläufern des Ardenner Waldes vorzurücken, da er gehört hatte, dass Ambiorix mit einigen wenigen Reitern dorthin aufgebrochen sei. (4)
Beim Abmarsch versicherte er, nach sieben Tagen zurückzukehren, weil er wußte, dass zu diesem Termin die Legion, die er als
Schutztruppe zurückließ, ihre Getreideration erhalten mußte. (5) Auch Labienus und Trebonius förderte er auf, zu diesem Termin
zurückzukehren, wenn es die Wahrung der römischen Interessen zuließe. Er wollte sich dann noch einmal mit ihnen über ihr gemeinsames
Vorgehen verständigen und gegebenenfalls einen neuen Plan für die Kriegführung entwickeln, wenn man mehr über das Vorgehen der
Feinde erfahren hätte.
34.
(1) Wie wir oben schon zeigten, gab es keine geordneten feindlichen Truppen, keine Stadt und keine Befestigung, von der aus der Feind
sich verteidigt hätte, sondern allein eine Menge, die sich nach allen Richtungen zerstreut hatte. (2) jeder hatte sich da festgesetzt, wo ihm
ein verborgenes Tal oder ein Waldstück oder ein unzugängliches Sumpfgebiet Hoffnung auf Schutz und Rettung bot. (3) Diese Stellen
waren nur den Nachbarn bekannt; das erforderte rundliche Vorsichtsmaßnahmen, um für die Sicherheit der einzelnen Soldaten zu sorgen,
sehr viel weniger dagegen, um das ganze Heer zu schützen, denn von den in Schrecken versetzten und zerstreuten Feinden konnte der
Gesamtheit des Heeres keine Gefahr erwachsen. Doch betraf die Sorge um die einzelnen auch die Sicherheit des gesamten Heeres. (4)
Denn einerseits trieb die Beutegier viele allzuweit fort, andererseits verhinderten die Wälder, dass geschlossene Abteilungen auf den
unsicheren und verborgenen Wegen vordrangen. (5) Wenn die Römer ihr Vorhaben durchfuhren und die Verbrecher völlig vernichten
wollten, hätten sie mehrere Einheiten ausschicken und die Soldaten in einzelne Gruppen aufteilen müssen. (6) Wenn man dagegen die
Einheiten unter ihren Feldzeichen behalten wollte, wie es die hergebrachte militärische Regel und die Gewohnheit des römischen Heeres
erforderten, bot den Barbaren ihr Aufenthaltsort selbst Schutz. Einzelne Grüppchen waren sogar so verwegen, aus dem Verborgenen
Hinterhalte zu legen und vereinzelte Soldaten einzukreisen. (7) Caesar traf dagegen Vorsorge, soweit man dies in einer solch schwierigen
Lage mit aller Umsicht tun konnte. Auch wenn die Soldaten alle mit Rachedurst erfüllt waren, ließ er darum lieber einige Möglichkeiten,
dem Feind zu schaden, ungenutzt, als ihm nur mit Nachteil für die eigenen Soldaten nennenswerte Verluste beizufügen. (8) Er sandte Boten
an die benachbarten Stämme und weckte die Hoffnung auf Beute, indem er alle dazu aufrief, die Eburonen auszuplündern, weil er in den
Waldgebieten lieber das Leben von Galliern als das eines römischen Legionärs aufs Spiel setzte. Dadurch, dass sich eine gewaltige
Menschenmenge in das Gebiet ergoß, sollte gleichzeitig der Stamm als Strafe für sein unerhörtes Verbrechen mit Stumpf und Stiel
ausgerottet werden. Schnell kam von allen Seiten eine große Zahl Gallier zusammen.
35.
(1) Während sich dies überall im Gebiet der Eburonen abspielte, kam der 7. Tag heran, bis zu dem Caesar entschlossen gewesen war, zum
Troß und den zurückgelassenen Legionen zurückzukehren. (2) Hier konnte man nun sehen, wieviel Bedeutung das Glück im Krieg hat und
wie schwerwiegende Zufälle es mit sich bringt. (3) Da die Feinde, wie berichtet, in Panik geraten waren und sich völlig verstreut hatten, gab
es nicht eine Handvoll von ihnen, die auch nur den geringsten Anlaß zu Besorgnis hätte geben können. (4) Das Gerücht, die Eburonen
würden ausgeplündert und obendrein sei jedermann aufgerufen, Beute zu machen, drang bis zu den Germanen jenseits des Rheins vor. (5)
Da zogen die Sugambrer, die unmittelbar am Rhein leben und, wie oben erwähnt, die Usipeter und Tencterer nach ihrer Flucht
aufgenommen hatten, 2000 Reiter zusammen. (6) Sie überschritten den Rhein auf Schiffen und Flößen etwa 3 Meilen unterhalb der Stelle,
wo Caesar die Brücke errichtet und eine Besatzung zurückgelassen hatte. Die Sugambrer zogen zuerst in das Gebiet der Eburonen. Dort
griffen sie viele zerstreute Flüchtlinge auf und bemächtigten sich einer großen Anzahl von Vieh, wonach die Barbaren besonders begierig
sind. Diese Beute verlockte sie, weiter vorzurücken. (7) Sümpfe und Waldgebiete konnten sie nicht aufhalten, da sie für Kriege und
Raubzüge wie geschaffen sind. Sie fragten Gefangene aus, wo sich Caesar befinde, und erfuhren, er sei weitermarschiert und das gesamte
Heer sei abgelegen. (8) Da sagte einer der Gefangenen: 'Was jagt ihr dieser armseligen und dürftigen Beute nach, wo ihr schon die
reichsten Leute sein könntet? (9) In drei Stunden könnt ihr Atuatuca erreichen. Dort hat das römische Heer seine wertvollste Habe
hingebracht. Die Schutzmannschaft ist so klein, dass sie nicht einmal die Mauer ringsum besetzen kann und dass sich niemand aus der
Befestigung herauswagt.' (10) Dieser Vorschlag lockte die Germanen sehr. Sie ließen das, was sie schon erbeutet hatten, in einem
Versteck zurück und wandten sich schnell nach Atuatuca. Dabei benutzten sie den Gefangenen als Führer, dessen Aussage sie die
Kenntnis der dortigen Lage verdankten.
36.
(1) Obwohl Cicero auf Anweisung Caesars die Soldaten an allen vergangenen Tagen strikt im Lager zurückgehalten und nicht einmal einem
Troßknecht erlaubt hatte, die Befestigung zu verlassen, beschlichen ihn am 7. Tag Zweifel, ob Caesar sich an den genannten Zeitraum von
sieben Tagen halten werde. Er hatte gehört, dass Caesar weiter vorgestoßen sei, und es war noch nichts über seine Rückkehr zu ihm
gedrungen. (2) Gleichzeitig stand er unter dem Eindruck der Vorwürfe der Soldaten, seine Beharrlichkeit wirke sich für sie fast wie eine
Belagerung aus, weil er nicht erlaube, dass man die Befestigung verlasse. Da Cicero nicht mit dem Fall rechnete, dass er angegriffen
würde, während neun Legionen und eine ungemein starke Reiterei in einer Reichweite von 3 Meilen dem Feind entgegenstanden, der sich
zerstreut hatte und zudem fast aufgerieben war, schickte er fünf Cohorten auf die nächstgelegenen Kornfelder, um Getreide zu beschaffen.
Zwischen ihnen und dem Lager befand sich nur eine Anhöhe. (3) Im Lager waren einige Verwundete aus den Legionen zurückgelassen
worden. Etwa 300 von ihnen, die nach diesen Tagen wieder gesund geworden waren, stellte man zu einer Sondereinheit zusammen und
schickte sie gleichfalls aus. Da die Erlaubnis dazu erteilt wurde, schloß sich eine große Anzahl von Troßknechten mit einer bedeutenden
Menge Zugvieh an, das im Lager zurückgeblieben war.
37.
(1) In eben diesem Augenblick trafen durch einen unglücklichen Zufall die germanischen Reiter ein. In derselben Richtung, in der sie
angeritten kamen, versuchten sie geradewegs weiter durch die Porta Decurnana ins Lager einzudringen. (2) Da an dieser Seite Wald die
Sicht versperrte, sah man sie erst, als sie in unmittelbarer Nähe waren, so dass sich sogar den Händlern, die vor dem Lagerwall ihre Zelte
aufgeschlagen hatten, keine Möglichkeit mehr bot, s Lager zu entkommen. (3) Dieser unerwartete Angriff brachte unsere ahnungslosen
Soldaten völlig in Verwirrung, so dass die wachhabende Cohorte dem ersten Ansturm fast nicht standhielt. (4) Die Feinde ritten nun auch an
den übrigen Seiten rings um das Lager herum, um zu sehen, ob sie einen Zugang fänden. (5) Nur mit Mühe schätzten unsere Soldaten die
Tore. An den übrigen Stellen verhinderten das Gelände selbst und die Lagerbefestigung das feindliche Eindringen. (6) Die ganze
Lagerbesatzung zitterte vor Furcht, und einer fragte den anderen nach der Ursache des Lärms. Keiner kümmerte sich darum, wo man den
Feind angreifen sollte, noch darum, dass sich jeder dort aufstellte, wohin er gehörte. (7) Der eine verkündete, das Lager sei schon erobert,
der andere behauptete, die Barbaren seien nach einem vernichtenden Sieg über das Heer und den Oberbefehlshaber erschienen. (8) Den
meisten flößte der Ort jetzt eine abergläubische Furcht ein. Der Untergang Cottas und Titurius', die in demselben Lager gefallen waren,
stand ihnen lebhaft vor Augen. (9) Da diese merkwürdige Furcht eine allgemeine Panik auslöste, verstärkte sich bei den Barbaren der
Glaube, im Lager befinde sich wirklich keine Schutzmannschaft, wie sie es ja von dem Gefangenen gehört hatten. (10) Sie versuchten daher
mit allen Kräften durchzubrechen und feuerten sich gegenseitig an, eine so glückliche Gelegenheit nicht ungenutzt zu lassen.
38.
(1) Unter der Besatzung befand sich P. Sextius Baculus, der krank zurückgelassen worden war und den wir schon oben bei früheren
Kämpfen erwähnten. Damals war er unter Caesar ranghöchster Centurio seiner Legion gewesen. jetzt hatte er schon vier Tage nichts
gegessen (2) und kam unbewaffnet aus seinem Zelt hervor, voll Zweifel, dass er oder alle anderen gerettet werden könnten. Er bemerkte,
dass die Feinde heftig herandrängten und die Lage äußerst gefährlich wurde. Da nahm er den neben ihm Stehenden die Waffen weg und
stellte sich am Tor auf. (3) Ihm folgten die Centurionen der Cohorte, die dort Wache hatte. Gemeinsam hielten sie kurze Zeit im Kampf
aus. (4) Schwer verwundet verlor Sextius das Bewußtsein. Als er zusammenbrach, konnte man ihn nur mit Mühe retten, indem man ihn von
Hand zu Hand zurückzog, (5) Dennoch faßten die übrigen während dieses Zwischenfalls so viel Mut, dass sie wagten, auf den
Befestigungen in Stellung zu gehen und den Eindruck von Verteidigern zu erwecken.
39.
(1) Inzwischen hatten unsere Soldaten genügend Getreide beschafft, als sie das Lärmen von fern vernahmen. Die Reiter galoppierten
schnell voraus und erkannten, wie gefährlich die Lage war. (2) Hier draußen gab es keinerlei Schutz, der sich den verschreckten Soldaten
geboten hätte. Da sie frisch ausgehoben und in militärischen Dingen völlig unerfahren waren, richteten sie daher ihre Blicke auf die
Militärtribunen und Centurionen und warteten auf deren Anweisungen. Niemand war so tapfer, dass ihn nicht das überraschende Ereignis
aus der Fassung gebracht hätte. (3) Als die Barbaren von fern die Feldzeichen erblickten, ließen sie vom Sturm auf das Lager ab, (4) weil
sie zunächst glaubten, die Legionen kehrten zurück, die, wie sie von den Gefangenen erfahren hatten, weiter weggezogen waren. Als ihnen
jedoch klar wurde, wie verächtlich klein die Zahl der Soldaten war, griffen sie sie von allen Seiten an
40.
(1) Die Troßknechte stürzten auf den nächsten Hügel. Von dort wurden sie jedoch schnell herabgetrieben. Sie warfen sich auf die Manipel,
die unter ihren Feldzeichen Aufstellung genommen hatten, wodurch sie die schön verängstigten Soldaten in noch größere Panik versetzten.
(2) Die einen waren dafür, einen Keil zu bilden, um auf diese Weise schnell durchzubrechen. Da das Lager so nah war, vertrauten sie
darauf, so wenigstens einige retten zu können, auch wenn ein Teil von ihnen eingekreist und niedergemacht würde. (3) Andere waren dafür,
sich auf ,der Spitze der Anhöhe festzusetzen und gemeinsam das gleiche Schicksal zu erleiden. (4) Dieser Plan mißfiel den alten Soldaten,
die, wie wir berichteten, zu einer Einheit zusammengestellt, so abmarschiert waren. Sie sprachen sich gegenseitig Mut zu und brachen unter
der Führung des römischen Ritters C. Trebonius, der an ihrer Spitze stand, mitten durch die Reihen der Feinde. Bis auf den letzten Mann
kamen sie unversehrt ins Lager. (5) Da ihnen die Reiter gemeinsam mit den Troßknechten auf dem Fuß folgten, wurden sie mitgerissen
und dank der Tapferkeit der Soldaten ebenfalls gerettet. (6) Die Soldaten jedoch, die auf der Anhöhe Stellung bezogen hatten, waren bis
dahin noch völlig unerfahren in militärischen Dingen und unfähig, an dem einmal gefaßten Plan festzuhalten und sich von der Anhöhe aus zu
verteidigen. Andererseits waren sie auch nicht in der Lage, dieselbe Schnelligkeit und Kraft zu zeigen, die den anderen offensichtlich von
Nutzen gewesen waren. Denn als sie versuchten, sich zum Lager zu retten, gerieten sie unterhalb der Anhöhe auf ungünstiges Gelände. (7)
Ihre Centurionen, von denen einige aus den unteren Rängen anderer Legionen für ihre Tapferkeit auf höhere Posten in dieser Legion
befördert worden waren, kämpften heldenmütig, um nicht den vorher erworbenen Kriegsruhm einzubüßen, und fielen alle. Da die Feinde
vor ihrer Tapferkeit zurückwichen, konnte ein Teil der Soldaten wider Erwarten unversehrt ins Lager entkommen. Die anderen wurden von
den Barbaren umzingelt und fanden den Tod.
41.
(1) Die Germanen gaben die Hoffnung auf, das Lager zu erobern, da sie sahen, dass unsere Soldaten mittlerweile auf den Befestigungen
Stellung bezogen hatten. Daher zogen sie sich mit der Beute, die sie in den Wäldern verborgen hatten, wieder über den Rhein zurück. (2)
Der Schrecken war jedoch auch nach dem Abzug der Feinde noch so groß, dass C. Volusenus, der mit der Reiterei vorausgeschickt worden
war und in der Nacht eintraf, keinen Glauben fand, als er berichtete, Caesar sei bald mit einem unversehrten Heer da. (3) Die Furcht hielt
alle so gefangen, dass sie fast wie von Sinnen erklärten, die Reiterei habe sich auf der Flucht ins Lager gerettet, während alle anderen
Truppen vernichtet worden seien. Sie bestanden darauf, dass die Germanen nie das Lager bestürmt hätten, wenn das Heer Caesars noch
unversehrt gewesen wäre. (4) Erst als Caesar eintraf, schwand die Furcht.
42.
(1) Da Caesar die Zufälle im Krieg gut kannte, beklagte er sich bei seiner Rückkehr lediglich darüber, dass man die Cohorten von ihren
Posten abgezogen und aus dem schätzenden Lager hinausgesandt hatte man hätte buchstäblich nichts dem Zufall überlassen sollen -, doch
erkannte er, wieviel bei dem überraschenden Eintreffen der Feinde dem Zufall zuzuschreiben war, (2) wieviel mehr noch, als er die
Barbaren fast unmittelbar vor dem Lagerwall und den Toren hatte umkehren müssen. (3) Was aber von all diesem am erstaunlichsten
schien, war die Sache, dass die Germanen, die in der Absicht über den Rhein gekommen waren, das Gebiet des Ambiorix zu verwesten,
zum Lager der Römer verschlagen worden waren und damit Ambiorix den größten Dienst erwiesen hatten.
43.
(1) Caesar setzte sich wieder in Marsch, um das Land der Feinde zu verheeren, und sandte nach allen Richtungen Reiter aus, die er von
den benachbarten Stämmen in großer Zahl hatte stellen lassen. (2) Alle Dörfer und Gehöfte, die auch nur in Sichtweite kamen, wurden in
Brand gesteckt, das Vieh wurde getötet und von überall her Beute weggeschleppt. (3) Das Getreide wurde nicht nur von einer so großen
Anzahl von Menschen und Vieh verbraucht, sondern lag auch infolge der Regenfälle in dieser Jahreszeit am Boden. Selbst wenn sich daher
jemand für den Augenblick verborgen hätte, hätte er nach Abzug der Soldaten aus Mangel an allem Lebensnotwendigen wahrscheinlich
umkommen müssen. (4) Da Caesar eine so große Zahl von Reitern in alle Richtungen ausgesandt hatte, geschah es wiederholt, dass man
an einen Ort gelangte, wo die Gefangenen sich umsahen, als ob sie Ambiorix gerade noch auf der Flucht gesehen hätten, und sogar
behaupteten, er sei noch nicht ganz aus ihrem Gesichtskreis entschwunden. (5) In der Hoffnung, ihn einholen zu können, setzten die
Soldaten ihre Anstrengungen ununterbrochen fort, da sie glaubten, sie könnten Caesars höchstes Wohlwollen erlangen. In ihrem Eifer
gingen sie dabei fast über ihre natürlichen Kräfte hinaus. Es schien jedoch immer ein wenig zum endgültigen Erfolg gefehlt zu haben, (6)
denn Ambiorix brachte sich stets in Verstecken, in Wäldern oder Schluchten in Sicherheit und zog bei Nacht heimlich in andere
Landesteile. Dabei umfaßte sein Schutz nicht mehr als vier Reiter. Diesen allein wagte er sein Leben anzuvertrauen.
44.
(1) Nachdem das Land in dieser Weise verwüstet worden war, jedoch auch zwei Cohorten verloren waren, führte Caesar das Heer nach
Durocortorum , einer Stadt der Remer. Er berief dorthin einen gallischen Landtag ein und begann, über die Verschwörung der Senonen und
Carnuten eine Untersuchung anzustellen. Über den Anstifter des Plans, Acco, (2) fällte Caesar ein hartes Urteil und ließ ihn nach
hergebrachter Sitte hinrichten. Einige flohen, weil sie Caesars Urteil fürchteten. (3) Nachdem er sie für vogelfrei erklärt hatte, legte er zwei
Legionen im Land der Treverer ins Winterlager, zwei im lingonischen Gebiet und die sechs übrigen in Agedincum im Gebiet der Senonen.
Sobald er für Getreidenachschub gesorgt hatte, brach er wie gewöhnlich nach Italien auf, um dort Gerichtstage abzuhalte
Liber VII
1.
(1) Da in Gallien Ruhe herrschte, brach Caesar, wie er es sich vorgenommen hatte, nach Italien auf, um Gerichtstage abzuhalten. Dort
erfuhr er von dem Mord an P. Clodius und wurde von dem Senatsbeschluß in Kenntnis gesetzt, dass alle Wehrpflichtigen in Italien
gemeinsam den Fahneneid leisten sollten. Er beschloß daraufhin, überall in der Provinz Truppen auszuheben. (2) Diese Tatsachen drangen
schnell in das transalpinische Gallien. Die Gallier schmückten die Gerüchte aus und erfanden noch hinzu, was ihnen aus dieser Situation
zwingend hervorzugehen schien: Caesar werde durch Unruhen in der Hauptstadt aufgehalten und könne auf Grund dieser innenpolitischen
Kämpfe nicht zum Heer kommen. (3) Da die Gallier schon vorher ihre Unterwerfung unter die Herrschaft des römischen Volkes bitter
empfanden, trieb dieser Umstand sie an, ungehemmter und verwegener Kriegspläne ins Auge zu fassen. (4) Die führenden Männer
Galliens setzten für ihren Kreis Versammlungen an entlegenen Orten in den Wäldern an, wo sie den Tod Accos beklagten (5) und darauf
hinwiesen, dass sie der gleiche Schicksalsschlag treffen könne. Sie klagten über das Unglück ganz Galliens. Gleichzeitig forderten sie mit
Versprechungen und Belohnungen aller Art dringend dazu auf, den Krieg zu beginnen und für Gallien die Freiheit wiederzugewinnen selbst
unter Lebensgefahr. (6) Sie erklärten, dass man besonders darauf achten müsse, Caesar vom Heer abzuschneiden, ehe ihre geheimen
Pläne bekannt würden. (7) Das sei jedoch insofern leicht, als die Legionen in Abwesenheit des Oberbefehlshabers nicht aus ihren
Winterlagern abzurücken wagten. Andererseits könne der Feldherr selbst nicht ohne militärischen Schutz zu den Legionen gelangen. (8)
Schließlich sei es besser, auf dem Schlachtfeld zu sterben, als den alten Kriegsruhm und die Freiheit, die sie von den Ahnen übernommen
hätten, nicht wiederzugewinnen.
2.
(1) Nachdem man diese Angelegenheit immer wieder durchgesprochen hatte, erklärten die Carnuten, sie scheuten keine Gefahr, wenn es
um die Rettung aller gehe, und versprachen, als erste von allen in den Krieg einzutreten. (2) Da sie sich gegenwärtig nicht untereinander
Geiseln als Sicherheit geben könnten, ohne ihr Vorhaben bekannt werden zu lassen, baten sie darum, durch einen feierlichen Eid vor den
vereinigten Feldzeichen, wodurch nach ihren Bräuchen eine Zeremonie die höchste Weihe erhält, zu bekräftigen, dass die übrigen sie nicht
im Stich ließen, wenn sie den Krieg angefangen hätten. (3) Nachdem man die Carnuten hoch gepriesen hatte, leisteten alle Anwesenden
den Eid. Als auch der Termin für den Kriegsbeginn festgesetzt worden war, löste sich die Versammlung auf.
3.
(1) Als dieser Termin kam, stürmten auf ein Signal hin die Carnuten unter der Führung des Cotuatus und Conconnetodurnnus, zweier
verwegener Menschen, nach Cenabum, brachten die römischen Bürger um, die sich dort zu Handelszwecken niedergelassen hatten, und
plünderten ihr Vermögen. Unter den Toten befand sich C. Fufius Cita, ein römischer Ritter aus gutem Haus, der im Auftrag Caesars die
Getreideversorgung geleitet hatte. (2) Das Gerücht von diesem Vorfall drang schnell zu allen gallischen Stämmen. Denn wo auch immer
etwas Bedeutenderes und Ungewöhnlicheres geschieht, signalisieren sie es durch Zuruf über die Felder und das übrige Gelände hinweg;
andere übernehmen es dann von hier aus und geben es an die nächsten weiter. So geschah es auch damals. (3) Denn das, was sich bei
Sonnenaufgang in Cenabum zugetragen hatte, vernahm man vor Ende der ersten Nachtwache im Gebiet der Arverner, obwohl eine
Entfernung von 160 Meilen dazwischen liegt.
4.
(1) Dort gelang es dem Arverner Vercingetorix, der seine Clienten zusammengerufen hatte, auf ähnliche Weise Begeisterung zu erregen.
Vercingetorix war der Sohn des Celtillus, ein junger Mann von höchstem Einfluß. Sein Vater hatte eine führende Rolle in ganz Gallien
gehabt, war jedoch von seinem Stamm umgebracht worden, weil er die Alleinherrschaft anstrebte. (2) Als der Plan des Vercingetorix
bekannt wurde, stürzte man zu den Waffen. Der Bruder seines Vaters und die übrigen Führer des Stammes, die der Ansicht waren, man
dürfe das Schicksal nicht derartig herausfordern, legten Vercingetorix Hindernisse in den Weg und vertrieben ihn aus Gergovi2. (3)
Dennoch stand er nicht von seinem Vorhaben ab und führte auf dem Land unter Armen und Verbrechern eine Aushebung durch. Mit der
Schar, die er so gesammelt hatte, brachte er jeden aus dein Stamm, zu dem er kam, dazu, sich seiner Auffassung anzuschließen. (4) Er
feuerte die Leute an, um der gemeinsamen Freiheit willen zu den Waffen zu greifen, und konnte nun, da er über ein starkes
Truppenaufgebot verfügte, seine Gegner, die ihn kurz zuvor aus der Stadt gejagt hatten, aus dem Stamm vertreiben. Seine Anhänger
erklärten ihn zum König, (5) Er schickte nach allen Richtungen Gesandtschaften und beschwor die Stämme, dem geleisteten Eid treu zu
bleiben. (6) Es gelang ihm schnell, die Senonen, Parisier, Pictonen, Cadurcer, Turonen, Aulercer, Lemovicen, Anden und alle übrigen
Stämme, die an den Ozean grenzen, zum Anschluß zu bewegen. Mit allgemeiner Zustimmung wurde ihm der Oberbefehl übertragen. (7)
Sobald er dieses Amt übernommen hatte, verlangte er von allen Stämmen die Stellung von Geiseln und forderte sie auf, ihm rasch eine
bestimmte Anzahl von Soldaten zuzuführen, (8) Gleichzeitig setzte er fest, wie viele Waffen jeder Stamm in seinem Gebiet herstellen sollte
und bis zu welchem Termin. Besonders aber kümmerte er sich um eine Reiterei. (9) Dabei verband er höchste Gründlichkeit mit größter
Strenge in der Ausübung seiner Gewalt. Durch harte Strafen zwang er auch Zögernde zu Gehorsam, (10) denn bei größeren Vergehen ließ
er die Schuldigen nach Anwendung aller Arten von Foltern verbrennen, bei weniger schwerwiegenden Anlässen ließ er ihnen die Ohren
Abschneiden oder ein Auge ausstechen und schickte sie nach Hause zurück, um den anderen einen Beweis seiner Strenge zu geben und sie
durch die Härte der Strafe in Schrecken zu versetzen.
5.
(1) Auf Grund dieser Strafmaßnahmen konnte er schnell ein Heer zusammenziehen und schickte den Cadurcer Lucterius, einen höchst
verwegenen Mann, mit einem Teil der Truppen ins Gebiet der Rutener. Er selbst setzte sich ins Land der Bituriger in Marsch. (2) Als er
dort eintraf, schickten die Bituriger Gesandte an die Haeduer, unter deren Schutz sie standen, und baten um Unterstützung, damit sie den
Truppen der Feinde wirksamer begegnen könnten. (3) Auf Rat der Legaten, die Caesar beim Heer zurückgelassen hatte, schickten die
Haeduer den Biturigern Reiterei und Fußtruppen zu Hilfe. (4) Als diese an den Fluß Liger kamen, der die Grenze zwischen dem Land der
Bituriger und dem der Haeduer bildet, blieben sie dort einige Tage, und da sie nicht wagten, den Fluß zu überschreiten, kehrten sie nach
Hause zurück (5) und meldeten unseren Legaten, sie seien zurückgekehrt, weil sie einen Verrat der Bituriger befürchtet hätten. Es sei
ihnen bekannt geworden, dass diese geplant hätten, die Haeduer nach dem Obergang über den Fluß einzuschließen, und zwar die Bituriger
selbst von der einen Seite, die Arverner von der anderen. (6) Ob die Haeduer aus diesem den Legaten angegebenen Grund oder in
verräterischer Absicht so handelten, scheint nicht mit Sicherheit behauptet werden zu können, weil wir darüber nichts Genaues wissen. (7)
Die Bituriger schlossen sich jedenfalls nach Abzug der Haeduer sofort den Arvernern an.
6.
(1) Als Caesar diese Vorgänge nach Italien gemeldet wurden, brach er ins transalpinische Gallien auf, da er zudem sah, dass die
Verhältnisse in Rom auf Grund des energischen Eingreifens von Cn. Pompeius wieder in geordnete Bahnen gelenkt worden waren. (2) Als
er in Gallien eintraf, stand er vor der großen Schwierigkeit, einen Weg zu finden, um zu seinem Heer stoßen zu können. (3) Denn er
erkannte, dass die Legionen, wenn er sie in die Provinz beriefe, auf dem Marsch in seiner Abwesenheit in Kämpfe verwickelt würden. (4)
Andererseits sah er, dass er sein Leben nicht einmal den Stämmen, die zu diesem Zeitpunkt noch ruhig schienen, ohne weiteres
anvertrauen konnte, wenn er selbst zum Heer eilte.
7.
(1) Inzwischen gelang es dem Cadurcer Lucterius, der zu den Rutenern gesandt worden war, diesen Stamm für einen Bund mit den
Arvernern zu gewinnen. (2) Er zog weiter zu den Nitiobrogern und Gabalern , empfing von beiden Stämmen Geiseln und versuchte mit einer
großen Truppe, die er mittlerweile aufgestellt hatte, in Richtung auf Narbo in die römische Provinz einzufallen (3) Als Caesar davon
Meldung erhielt, glaubte er, alle anderen Pläne zurückstellen zu müssen, um nach Narbo aufzubrechen. (4) Als er dort eintraf, beruhigte er
die verängstigten Bewohner, legte Schutztruppen zu den Rutenern, die in der Provinz wohnen, und zu den arecomischen Volcern und
Tolosaten, ebenso in die Umgebung von Narbo an Orte, die dem Feind zunächst gelegen waren. Gleichzeitig befahl er, dass sich ein Teil der
Truppen aus der Provinz und die Ersatzmannschaften, die er aus Italien mitgebracht hatte, im Gebiet der Helvetier das an das der Arverner
stößt, sammeln sollten.
8.
(1) Während sich Lucterius schon auf Grund dieser Vorsorgemaßnahmen aufhalten ließ und fernblieb, weil er glaubte es sei gefährlich, in
den von Truppen geschätzten Bereich einzudringen, brach Caesar zu den Helviern auf. (2) Obwohl das Cevennengebirge, das das Gebiet
der Arverner von dem der Helvier trennt, in der kältesten Jahreszeit durch hohen Schnee einen Marsch erschwerte, gelangte Caesar
trotzdem an die Grenzen der Arverner, nachdem er unter höchster Anstrengung der Soldaten den Schnee sechs Fuß hoch hatte wegräumen
und die Wege freilegen lassen. (3) Die Arverner glaubten, sie seien durch die Cevennen wie durch eine Mauer geschätzt, denn in dieser
Jahreszeit hatte es bisher dort nicht einmal für einen einzelnen Menschen einen passierbaren Fußweg gegeben. Sie waren daher
ahnungslos, als sie plötzlich überwältigt wurden. Caesar befahl den Reitern umherzustreifen, soweit sie könnten, und die Feinde in
möglichst großen Schrecken zu versetzen. (4) Durch Gerüchte und Boten drang die Kunde von diesen Ereignissen schnell zu Vercingetorix.
Die Arverner umringten ihn alle in höchstem Schrecken und beschworen ihn, für die Sicherheit ihres Besitzes zu sorgen und nicht
zuzulassen, dass die Feinde sie ausplünderten, zumal er sehe, dass sie die Hauptlast des Krieges zu tragen hätten. (5) Ihre Bitten
veranlaßten Vercingetorix, sein Lager bei den Biturigern abzubrechen und sich ins Gebiet der Arverner zu wenden.
9.
(1) Caesar blieb jedoch nur zwei Tage in dieser Gegend. Da er Vercingetorix so eingeschätzt hatte, wie er sich dann tatsächlich verhielt,
verließ er das Heer unter dem Vorwand, Ersatztruppen und Reiterei sammeln zu wollen, und setzte den jungen Brutus an die Spitze der
zurückbleibenden Truppen. (2) Er wies ihn an, die Reiterei nach allen Richtungen möglichst weit ausschwärmen zu lassen. Er selbst werde
sich bemühen, nicht länger als drei Tage vom Lager abwesend zu sein. (3) Nachdem er dies geregelt hatte, gelangte er in Gewaltmärschen
nach Vienna, ohne dass sein gesamtes Heer etwas davon ahnte. (4) Dort nahm er die Reiterei, die er vor vielen Tagen nach Vienna
vorausgeschickt hatte, in ausgeruhtem Zustand in Empfang und eilte sodann, ohne den Marsch bei Tag oder Nacht zu unterbrechen, durch
das Gebiet der Haeduer zu den Lingonen, wo zwei Legionen im Winterlager standen. Falls die Haeduer auch den Plan faßten, etwas gegen
ihn zu unternehmen, wollte er ihnen durch Schnelligkeit zuvorkommen. (5) Gleich bei seiner Ankunft sandte er den Marschbefehl an die
übrigen Legionen und zog alle Truppen an einem Ort zusammen, ehe die Arverner auch nur die Nachricht von seiner Ankunft erhalten
konnten. (6) Als Vercingetorix dies bekannt wurde, führte er sein Heer wieder zu den Biturigern zurück und brach von da auf, um
Gorgobina, eine Stadt der Bojer, zu bestürmen. Caesar hatte die Bojer im Krieg gegen die Helvetier besiegt, dort angesiedelt und dem
Herrschaftsbereich der Haeduer zugewiesen.
10.
(1) Dieses Ereignis brachte Caesars Planung in große Schwierigkeiten: Wenn er die Legionen für den Rest des Winters an einem Ort
konzentrierte, lief er Gefahr, dass nach einem Sieg des Vercingetorix über Tributpflichtige der Haeduer ganz Gallien abfiel, weil dann
offenkundig wäre, dass Caesar die befreundeten Stämme nicht schützte. Wenn er dagegen früher aus dem Winterlager abzog, konnte es
infolge des erschwerten Nachschubs bei der GetreideversorL7unz Engpässe geben. (2) Dennoch erschien es ihm vorrangig, alle
Schwierigkeiten auf sich zu nehmen, ehe er auf Grund einer schmachvollen Niederlage das Vertrauen aller seiner Schutzbefohlenen verlor.
(3) Er forderte daher die Haeduer dringend auf, Nachschub herbeizuschaffen, und schickte Boten zu den Bojern voraus, die seine Ankunft
melden und sie ermahnen sollten, treu zu bleiben und dem Ansturm der Feinde beherzt Widerstand zu leisten. (4) Nachdem er zwei
Legionen und den Troß des gesamten Heeres in Agedincum zurückgelassen hatte, setzte er sich in Richtung auf die Bojer in Marsch.
11.
(1) Als er am folgenden Tag nach Vellaunodunum, einer Stadt der Senonen, kam, beschloß er, sie im Sturm zu nehmen, um keine Feinde
hinter sich zurückzulassen und dadurch den Nachschub an Getreide zu erleichtern. In zwei Tagen schloß er die Stadt mit einem
Belagerungswall ein. (2) Als am dritten Tag Gesandte aus der Stadt mit einem Kapitulationsangebot erschienen, befahl Caesar, die Waffen
abzuliefern, das Zugvieh herauszuschaffen und 600 Geiseln zu stellen. (3) Dann ließ er den Legaten C. Trebonius zurück, der diese
Maßnahmen durchfuhren sollte. Um so schnell wie möglich an das Ziel seines Marsches zu gelangen, brach er selbst nach Cenabum, einer
Stadt der Carnuten, auf. (4) Sobald diese die Nachricht von der Belagerung der Stadt Vellaunodunum erhalten hatten, stellten sie eine
Truppe auf, um sie zum Schutz der Stadt dorthin zu schicken. Dabei gingen sie davon aus, dass sich die Belagerung von Vellaunodunum
über längere Zeit hinziehen werde. Caesar traf jedoch schon nach zwei Tagen vor Cenabum ein. (5) Er errichtete vor der Stadt ein Lager,
verschob die Erstürmung jedoch wegen der fortgeschrittenen Tageszeit auf den nächsten Tag. Er befahl den Soldaten aber, alles dafür
bereitzustellen, (6) und wies zudem zwei Legionen an, bewaffnet zu schlafen, weil eine Brücke über den Liger nach Cenabum führte, so dass
er fürchten mußte, dar die Einwohner nachts aus der Stadt flüchteten. (7) Tatsächlich verließen die Einwohner kurz vor Mitternacht in aller
Stille die Stadt und begannen, den Fluß zu überschreiten. (8) Als Späher dies Caesar meldeten, ließ er die Legionen, denen er befohlen
hatte, kampfbereit zu bleiben, die Tore in Brand stecken und eindringen. (9) Er bekam die Stadt in seine Gewalt und nahm bis auf eine ganz
geringe Zahl von Feinden alle gefangen, da die schmale Brücke und die anschließenden engen Wege der Menge die Flucht abgeschnitten
hatten. Caesar ließ die Stadt plündern und anzünden. Die Beute schenkte er den Soldaten. Anschließend führte er das Heer über den Liger
und gelangte in das Gebiet der Bituriger.
12.
(1) Sobald Vercingetorix von Caesars Eintreffen erfuhr, gab er die Belagerung von Gorgobina auf und zog ihm entgegen. (2) Caesar hatte
inzwischen beschlossen', die auf seinem Weg liegende Stadt der Bituriger, Noviodunum, anzugreifen. (3) Als aus dieser Stadt Gesandte mit
der Bitte zu ihm kamen, den Einwohnern zu verzeihen und ihr Leben zu schonen, gab er, um sein Vorhaben mit der gleichen Schnelligkeit zu
Ende zu führen, die ihm in den meisten Fällen Erfolg gebracht hatte, den Befehl, die Waffen auszuliefern, Pferde zu beschaffen und Geiseln
zu stellen. (4) Schon war ein Teil der Geiseln übergeben worden und die Durchführung der anderen Maßnahmen im Gange, wozu
Centurionen und einige Soldaten in die Stadt geschickt worden waren, die Waffen und Zugvieh anfordern sollten, da wurde von fern die
Reiterei der Feinde sichtbar, die die Spitze des Heereszuges des Vercingetorix bildete. (5) Kaum erblickten die Einwohner der Stadt die
Reiter, als sie auch schon Hoffnung auf Unterstützung schöpften. Sie erhoben ein Geschrei, gingen daran, zu den Waffen zu greifen, die
Tore zu schließen und die Mauern zu besetzen. (6) Als die Centurionen in der Stadt aus dem Gebaren der Gallier entnahmen, dass diese
feindliche Pläne faßten, zogen sie ihr Schwert, besetzten die Tore und konnten so alle ihre Soldaten unverletzt zurückbringen.
13.
(1) Caesar befahl, die Reiterei aus dem Lager zu führen, und begann ein Reitergefecht. Da seine Reiter Mühe hatten, sich zu behaupten,
sandte er ihnen etwa 400 2ermanische Reiter zu Hilfe, die er von Anfang an mit sich zu führen pflegte. (2) Die Gallier konnten ihrem
Ansturm nicht standhalten und wurden in die Flucht geschlagen, so dass sie sich unter großen Verlusten zu ihrem Hauptheer zurückzogen.
Ihre Niederlage wiederum versetzte die Einwohner der Stadt in Schrecken, so dass sie die Männer eefan2ensetzten, die ihrer Ansicht nach
das Volk aufgehetzt hatten, und sie Caesar auslieferten. Dann ergaben sie sich ihm. (3) Daraufhin brach Caesar zur Stadt Avaricum auf.
Sie ist die größte Stadt im Gebiet der Bituriger, am stärksten befestigt und in einer sehr fruchtbaren Landschaft gelegen. Caesar hatte die
Zuversicht, er werde den Stamm der Bituriger in seine Gewalt bringen, wenn er Avaricum eingenommen hätte.
14.
(1) Nach so vielen aufeinander folgenden Niederlagen in Vellaunodunum, Cenabum und Noviodunum berief Vercingetorix seine Anhänger
zu einer Versammlung ein. (2) Er legte dar, dass man den Krieg nun auf ganz andere Weise führen müsse als bisher. Mit allen Mitteln
müsse man sich bemühen, den Römern die Möglichkeit zu nehmen, für Futter und Nachschub zu sorgen. (3) Dies sei einfach, weil sie selbst
über eine überaus starke Reiterei verfügten und ihnen die Jahreszeit gelegen komme. (4) Da kein Futter geschnitten werden könne,
müßten ,ich die Feinde notwendigerweise zerstreuen, um auf den Gehöften Futter anzufordern; alle diese Abteilungen könnten die Reiter
Tag für Tag aufreiben. (5) Außerdem müßten sie um der gemeinsamen Rettung Willen alle privaten Interessen hintanstellen. Es sei daher
notwendig, alle Gehöfte und Dörfer, auf die man stoße, in Brand zu setzen, und zwar von den Grenzen der Bojer ab im Bereich des
gesamten Gebietes, wohin sich vermutlich die Römer wenden könnten, um Futter zu beschaffen. (6) Ihnen selbst stehe ein großer Vorrat
zur Verfügung, weil sie die Bevölkerung des Gebietes, in dem Krieg geführt werde, unterstütze. (7) Die Römer jedoch würden entweder den
Mangel nicht aushalten oder sich nur unter großer Gefahr weiter vom Lager entfernen. (8) Es sei gleichgültig, ob sie sie selbst töteten oder
ihres Trosses beraubten, denn nach dessen Verlust könnten die Römer nicht weiter Krieg führen. (9) Es sei aber zudem nötig, die Städte in
Brand zu stecken, die nicht auf Grund ihrer Befestigung oder ihrer natürlichen Lage vor jeder Gefahr sicher seien, damit es weder für ihre
eigenen Truppen Zufluchtsorte gebe, wenn sie den Kriegsdienst verweigern wollten, noch den Römern die Möglichkeit geboten werde,
Nachschub und Beute in großen Mengen wegzuschleppen. (10) Wenn diese Maßnahmen auch schwerwiegend und hart erschienen, so
müsse es doch noch als viel härter erscheinen, wenn ihre Kinder und Frauen in die Sklaverei verschleppt würden, sie selbst aber den Tod
fänden. Falls sie besiegt würden, trete dies aber notwendig ein.
15.
(1) Nachdem dieser Vorschlag allgemein gebilligt worden war, wurden an einem Tag mehr als 20 Städte der Bituriger in Brand gesteckt. (2)
Dasselbe geschah beiden übrigen Stämmen. Ringsum konnte man die Brände sehen. Obwohl alle großen Schmerz darüber empfanden,
stellten sie sich als tröstliche Aussicht vor Augen, dass sie das Verlorene sicherlich schnell wiedergewinnen würden, weil sie den Sieg schon
fast in Händen hätten. (3) In ihrer gemeinsamen Versammlung beriet man hinsichtlich Avaricums, ob es richtig sei, die Stadt anzuzünden
oder sie zu verteidigen. (4) Die Bituriger fielen allen Galliern zu Füßen und baten inständig, man möge sie nicht zwingen, die schönste Stadt
fast ganz Galliens, die ein Schutz und Schmuck für den Stamm sei, mit ihren eigenen Händen anzuzünden. (5) Sie versicherten, man könne
die Stadt wegen ihrer Lage leicht verteidigen, da sie der Fluß und ein Sumpf beinahe auf allen Seiten einschlössen und es infolgedessen nur
einen einzigen und sehr schmalen Zugang gebe. (6) Obwohl Vercingetorix zunächst abriet, gab er dann auf Grund der Bitten der Bituriger
und des Mitleids der umstellenden Menge nach, so dass man auf ihre Wünsche einging und geeignete Verteidiger für die Stadt aussuchte.
16.
(1) Vercingetorix folgte Caesar in kleineren Marschabschnitten ständig unmittelbar nach und wählte für sein Lager einen Ort aus, der
durch Wälder und Sümpfe geschützt war und von Avaricum 16 Meilen entfernt lag. (2) Durch ständige Kundschaftet erfuhr er zu den
verschiedenen Tageszeiten, was bei Avaricum geschah, und gab entsprechende Anordnungen. (3) Er beobachtete alle unsere Abteilungen,
die Futter und Getreide beschaffen sollten. Wenn sie sich zerstreuten oder notwendigerweise weiter vorrückten, griff er sie an und fügte
ihnen große Verluste zu, auch wenn unsere Truppen Gegenmaßnahmen ergriffen, soweit sie durch kluge Berechnung Vorsorge treffen
konnten, indem sie zu stets wechselnden Zeiten und auf verschiedenen Wegen ausrückten.
17.
(1) Caesar hatte sein Lager an der Seite der Stadt errichtet, wo sich ein schmaler Zugang bot, der, wie oben erwähnt, vom Fluß und vom
Sumpf freigelassen wurde. Er begann, einen Belagerungsdamm vorzubereiten, Laufgänge heranzuführen und zwei Türme zu errichten, denn
das Gelände machte es unmöglich, die Stadtrings mit einem Wall einzuschließen. (2) Die Bojer und Haeduer forderte er unablässig auf, für
Getreidenachschub zu sorgen, doch da die einen den Forderungen ohne den geringsten Eifer nachkamen, brachten sie ihm auch wenig
Unterstützung, während die anderen selbst über wenig Möglichkeiten verfügten, weil ihr Stamm klein und schwach war und sie selbst das,
was sie hatten, schnell verbrauchten. (3) Dadurch wurde das Heer von schwerem Mangel an Getreide bedrängt, weil die Bojer arm, die
Haeduer aber nachlässig waren. Zudem waren die Gehöfte in Brand gesetzt worden, so dass es dahin kam, dass die Soldaten über mehrere
Tage hin Oberhaupt kein Korn hatten und nur dadurch den äußersten Hunger stillen konnten, dass sie aus weiter entfernt liegenden
Dörfern Vieh herbeitrieben. Dennoch wurde bei ihnen keine Äußerung laut, die der Hoheit des römischen Volkes und ihrer
vorangegangenen Siege unwürdig gewesen wäre. (4) ja, als Caesar während der Belagerungsarbeiten die einzelnen Legionen ansprach und
sagte, er werde die Belagerung aufgeben, wenn sie den Nahrungsmangel als zu hart empfänden, forderten alle von ihm, dies nicht zu tun.
(5) Sie hätten unter seinem Kommando mehrere Jahre lang ihren Dienst als Soldaten so versehen, dass sie keine Schande auf sich nähmen
und niemals unverrichteter Dinge abzögen. (6) Dies allerdings würden sie als eine Schmach ansehen, wenn sie die begonnenen
Belagerungsarbeiten im Stich ließen. (7) Lieber wollten sie alle Härten aushalten, als den römischen Bürgern, die infolge des Treubruchs
der Gallier in Cenabum umgekommen seien, kein Totenopfer zu bringen. (8) Sie gaben auch den Centurionen und Militärtribunen den
Auftrag, als ihre Wortführer Caesar dasselbe vorzutragen.
18.
(1) Als die Türme schon in die Nähe der Mauer vorgerückt waren, erfuhr Caesar von Gefangenen, dass Vercingetorix sein Lager näher in
Richtung auf Avaricum verlegt habe, weil ihm das Futter ausgegangen sei. Vercingetorix selbst sei mit der Reiterei und kampfbereiten
Truppen, die gewöhnlich zusammen mit den Reitern kämpften, nach Avaricum aufgebrochen. Er habe die Absicht, uns in der Gegend in
einen Hinterhalt zu locken, die, wie er annahm, unsere Soldaten am nächsten Tag zum Futterholen aufsuchen würden. (2) Als Caesar dies
erfahren hatte, brach er um Mitternacht in aller Stille auf und gelangte morgens zum Lager der Feinde. (3) Da diese durch Kundschafter
schnell die Nachricht von seinem Anrücken erhalten hatten, verbargen sie ihre Wagen und ihr Gepäck in dichtem Waldgelände und stellten
ihre gesamten Truppen an einem erhöhten und unbewaldeten Ort auf. (4) Auf diese Meldung hin ließ Caesar schnell das leichte Gepäck
zusammentragen und sich zum Kampf bereitmachen.
19.
(1) Es handelte sich um einen von unten sanft ansteigenden Hügel, der auf fast allen Seiten von einem unzugänglichen und hinderlichen
Sumpf umgeben war. Dieser hatte eine Breite von nicht mehr als 50 Fuß. (2) Die Gallier brachen die Knüppelwege über den Sumpf ab und
verharrten im Vertrauen auf die Gunst des Geländes auf dem Hügel. Nachdem sie sich vorher nach Gauen aufgeteilt hatten, besetzten sie
gleichzeitig alle flachen Stellen und Senkungen des Sumpfgeländes mit dazu bestimmten Schutzmannschaften. (3) So waren sie gerüstet,
von ihrem erhöhten Standpunkt aus die Römer zu bedrängen, falls diese versuchen sollten, über das Sumpfgelände hinwegzustürmen, und
dabei steckenblieben, Wenn man die geringe Entfernung zwischen den Gegnern sah, mußte man annehmen, dass beide Seiten für den
Kampf die gleichen strategischen Vorteile hatten. Wenn man Jedoch unsere ungleich schlechtere Ausgangslage durchschaute, erkannte
man, dass die Feinde sich dort nur in einer leeren Verstellung demonstrativ aufgestellt hatten. (4) Als die Soldaten sich darüber empörten,
dass die Feinde über eine so kleine Entfernung hinweg ihren Anblick ertragen könnten und das Zeichen zum Angriff verlangten, erklärte
ihnen Caesar, wie viele Verluste ein Sieg notwendigerweise kosten würde und wie viele tapfere Männer dabei fallen würden. (5) Da er
sehe, dass sie so von Mut erfüllt seien, dass sie um seines Ruhmes willen keine Gefahr scheuten, müsse man ihn der höchsten
Rücksichtslosigkeit anklagen, wenn er nicht ihr Leben über sein Wohlergehen stelle. (6) So beruhigte er die Soldaten, führte sie am selben
Tag ins Lager zurück und ging daran, die noch ausstehenden Maßnahmen durchzuführen, die sich auf die Belagerung der Stadt bezogen.
20.
(1) Als Vercingetorix zu seinen Leuten zurückkehrte, bezichtigten sie ihn des Verrats, weil er das Lager zu nahe an die Römer verlegt
habe, weil er sich mit der gesamten Reiterei entfernt, gleichzeitig jedoch so umfangreiche Truppen ohne Führung zurückgelassen habe und
weil nach seinem Abzug die Römer unter derart 2ünstieen Umständen und so schnell eingetroffen seien. (2) Dies alles habe nicht zufällig
und ohne seine Planung eintreten können. Vercingetorix wolle die Herrschaft über Gallien lieber mit Caesars Einwilligung ausüben, als sie
ihrem Wohlwollen zu verdanken. (3) Auf diese Anklagen antwortete Vercingetorix folgendes: Aus Futtermangel und weil sie selbst ihn dazu
aufgefordert hätten, habe er das Lager verlegt. Das günstige Gelände, das auch ohne Befestigung schon ausreichend Schutz biete, habe ihn
bewogen, näher bei den Römern in Stellung zu gehen. (4) In dem Sumpfgelände habe man nicht mit einem Eingreifen der Reiterei rechnen
dürfen, die aber da, wohin sie gezogen seien, sehr genützt habe. (5) Er habe bei seinem Aufbruch in voller Absicht niemandem den
Oberbefehl übergeben, um zu verhindern, dass sich der Betreffende auf Drängen der Menge zum Kämpfen hätte fortreißen lassen, denn er
sehe, dass sie das alle auf Grund ihrer mangelnden Ausdauer anstrebten, weil sie die Mühen nicht länger ertragen könnten. (6) Wenn die
Römer in der Zwischenzeit zufällig eingetroffen seien, schulde man dem Glück Dank, sei dies aber auf Grund des Verrats eines Galliers
geschehen, müsse man diesem danken. Denn von der Anhöhe aus hätten sie die geringe Anzahl der Römer erkennen und mit
Geringschätzung auf ihre Tapferkeit herabblicken können, denn die Römer hätten keinen Kampf gewagt, sich vielmehr schändlich ins
Lager zurückgezogen. (7) Er strebe nicht danach, durch Verrat von Caesar die Herrschaft zu erlangen, die er durch einen Sieg über ihn
erringen könne, der ihm selbst und allen Galliern schon sicher sei. ja, er werde ihnen die Herrschaft dann sogar zurückgeben, wenn es
ihnen scheinen dass sie durch ihn weniger ihre Freiheit erlangten als ihm vielmehr eine Ehre erwiesen. (8) 'Damit ihr erkennt, dass ich die
Wahrheit spreche', sagte er, 'hört euch die römischen Soldaten an!' (9) Damit führte er Sklaven vor, die er wenige Tage zuvor beim
Futterholen ergriffen und durch Hunger und Fesseln bis aufs Blut gefoltert hatte. (10) Sie waren schon darüber belehrt worden, was sie auf
Fragen zu antworten hätten. Sie behaupteten, sie seien Legionssoldaten und Hunger und Entbehrung hätten sie dazu getrieben, heimlich
das Lager zu verlassen, um zu versuchen, auf den Feldern vielleicht etwas Getreide oder Vieh aufzutreiben. (11) Von ähnlichem Mangel sei
das ganze Heer betroffen, und keiner habe noch genügend Kräfte, um die anstrengende Schanzarbeit auszuhalten. Daher habe der
Oberbefehlshaber beschlossen, innerhalb von drei Tagen das Heer abziehen zu lassen, wenn er bis dahin bei der Belagerung der Stadt nicht
weitergekommen sei. (12) 'Dieses gute Ergebnis verdankt ihr mir', sagte Vercingetorix, 'den, ihr des Verrats beschuldigt. Dank meiner
Bemühungen wurde, wie ihr seht, ein sehr großes, siegreiches Heer durch Hunger fast aufgerieben, ohne dass euer Blut geflossen wäre.
Ich habe dafür gesorgt, dass kein Stamm das Heer in seinem Gebiet aufnimmt, wenn es sich schmachvoll durch die Flucht zu retten sucht.'
21.
(1) Die ganze Menge schrie Beifall und lärmte nach ihrem Brauch mit den Waffen, wie es die Gallier zu tun gewohnt sind, wenn ihnen die
Rede eines Mannes gefällt: Vercingetorix sei ihr oberster Führer, und man dürfe nicht an seiner Treue zweifeln, auch könne der Krieg
nicht nach einer besseren Methode geführt werden. (2) Sie beschlossen, aus der Gesamtheit der Truppen 10000 auserwählte Leute zur
Unterstützung in die Stadt zu schicken, da sie der Ansicht waren, (3) dass man den Biturigern nicht allein die Rettung aller überlassen
dürfe. Sie sahen ein, dass es fast die Entscheidung über den endgültigen Sieg bedeute, wenn sie diese Stadt hielten.
22.
(1) Der einzigartigen Tapferkeit unserer Soldaten begegneten die Gallier mit Maßnahmen aller Art, da sie überaus große Geschicklichkeit
und höchste Eignung dafür besitzen, alles nachzuahmen und auszufahren, was man ihnen vormacht. (2) So fingen sie die Mauersicheln Mit
Schlingen auf und zogen sie mit Winden nach innen, wenn sie sie festgemacht hatten. Den Damm unterminierten sie mit Tunneln, und das
um so geschickter, als es bei ihnen viele Bergwerke gibt, so dass ihnen alle Arten von Tunnelbau bekannt und geläufig sind. (3) überall auf
der gesamten Mauer errichteten sie mit Platten gedeckte Türme und umgaben sie mit Leder. (4) Dann setzten sie in häufigen Ausfällen bei
Tag und bei Nacht den Damm in Brand oder griffen die Soldaten an, die mit den Belagerungsarbeiten beschäftigt waren. Im gleichen
Maße, wie sich unsere Türme mit dem ständig höher werdenden Damm hoben, (5) ließen sie auch ihre Türme wachsen, indem sie die
senkrechten Eckbalken zu neuen Stockwerken verbanden. Sie hielten unsere Aufschüttungsgeräte durch angespitzte und vorn angebrannte
Pfähle, glühenden Pech uns Steine von großem Gewicht auf und verhinderten so ihre Annäherung an die Mauer.
23.
(1) Die gallischen Mauern haben in der Regel folgende Gestalt: Gerade Bauhölzer werden hintereinander senkrecht zur Mauerrichtung mit
gleichem Zwischenraum etwa zwei Fuß voneinander entfernt auf die Erde gelegt. (2) Sie werden nach innen zu verbunden und mit
gewaltigen Erdaufschüttungen verkleidet. (3) Die erwähnten Zwischenräume werden nach außen hin mit großen Felsbrocken ausgefüllt.
Wenn dies als Grundlage angelegt und festgestampft worden ist, wird eine weitere Schicht oben darauf gesetzt, und zwar so, dass man den
gleichen Abstand wahrt, so dass die Bauhölzer nicht miteinander in Berührung kommen, sondern bei gleichem Zwischenraum einzeln für
sich liegen, jedoch durch die dazwischen eingelassenen Felsbrocken eng zusammengehalten werden. (4) So wird das ganze Bauwerk
zusammengefügt bis die Mauer auf ihre richtige Höhe gebracht worden it. (5) Durch das abwechselnde Anbringen von Hölzern und
Felsgestein, die in geraden Reihen ordentlich geschichtet sind, wirkt das Bauwerk hinsichtlich seines abwechslungsreichen Aussehens nicht
häßlich und besitzt für seinen Zweck und die Verteidigung einer Stadt höchste Eignung, weil die Steine Schutz vor Feuer gewähren und das
Holzwerk gegen den Sturmbock Widerstand leistet und weil zudem meist noch 40 Fuß lange Querhölzer das Werk nach innen zu
verstärken, so dass es weder durchbrochen noch auseinandergezerrt werden kann.
24.
(1) Obwohl diese zahlreichen Hindernisse einem Sturm im Weg standen, die Soldaten zudem während der ganzen Zeit durch Kälte und
ständigen Regen aufgehalten wurden, überwanden sie in ununterbrochener Anstrengung alle Schwierigkeiten und errichteten innerhalb von
25 Tagen einen 330 Fuß breiten und 80 Fuß hohen Damm. (2) Als dieser fast die feindliche Stadtmauer berührte und Caesar nach seiner
Gewohnheit bei dem Bauwerk übemachtete und die Soldaten anfeuerte, auch nicht einen Augenblick die Arbeit zu unterbrechen, bemerkte
man kurz vor der 3. Nachtwache, dass Rauch aus dem Damm aufstieg. Die Feinde hatten ihn mit Hilfe eines unterirdischen Ganges in
Brand gesetzt. (3) Im selben Augenblick erhoben sie auf der ganzen Mauer das Kampfgeschrei und machten aus zwei Toren auf beiden
Seiten der Belagerungstürme einen Ausfall. (4) Andere warfen von ferne Fackeln und trockenes Holz von der Mauer auf den
Belagerungsdamm und gossen Pech und andere Brennstoffe herab, mit denen d7as Feuer angefacht werden konnte, so dass es kaum
möglich war zu überlegen, wo man zuerst hinlaufen oder an welcher Stelle man zuerst Abhilfe schaffen sollte. (5) Da auf Caesars Befehl
immer zwei Legionen vor dem Lager Wache hielten und sich noch mehr Soldaten gemäß der Einteilung in Schichten bei der Arbeit
befanden, geschah es trotz allem schnell, dass die einen dem feindlichen Ausfall Widerstand entgegensetzten, die anderen die Türme
zurückschoben und den Damm auseinanderrissen, während die Menge der Soldaten aus dem Lager zum Löschen herbeilief.
25.
(1) Die Nacht ging schon zu Ende, als noch überall gekämpft wurde; die Feinde schöpften immer aufs neue Hoffnung auf den Sieg, um so
mehr, als sie sahen, dass die Schutzwände der Türme in Flammen aufgegangen waren, und zudem bemerkten, dass unsere Soldaten ohne
Deckung nur schwer zu Hilfe kommen konnten. Sie selbst wechselten immer wieder erschöpfte Soldaten gegen neue aus und waren der
Meinung, die Rettung ganz Galliens hänge von dieser kurzen Zeitspanne ab. Da geschah etwas vor unseren Augen, was so bemerkenswert
schien, dass wir glauben, es nicht übergehen zu dürfen. (2) Vor dem Tor der Stadt stand ein Gallier, dem von Hand zu Hand Pech und
Talgklumpen zugereicht wurden, die er in Richtung auf einen Turm ins Feuer warf. Da durchbohrte ihn rechts ein Skorpion, so dass er tot
zu Boden fiel. (3) Einer der ihm zunächst Stehenden stieg über den Gefallenen hinweg und übernahm seine Aufgabe. (4) Als auch ihn ein in
derselben Richtung geschleuderter Skorpion tötete, folgte ihm ein dritter und diesem ein vierter. Der Platz wurde nicht eher von den
Kämpfern geräumt, als bis wir den Damm gelöscht und die Feinde überall zurückgedrängt hatten, so dass der Kampf ein Ende fand.
26.
(1) Da die Gallier alles versucht hatten, ihnen jedoch nichts gelungen war, faßten sie am folgenden Tag den Plan, aus der Stadt zu fliehen,
was ihnen auch Vercingetorix zunächst dringend riet und jetzt befahl. (2) Sie hofften, dies ohne große eigene Verluste erreichen zu können,
wenn sie den Versuch dazu in der Stille der Nacht unternähmen, denn das Lager des Vercingetorix war nicht weit von der Stadt entfernt,
und das zusammenhängende Sumpfgelände, das dazwischenlag, mußte eine Verfolgung durch die Römer verzögern. (3) Schon bereiteten
sie dieses Unternehmen nachts vor, als die Frauen plötzlich auf die Straße stürzten und sich weinend den Männern zu Füßen warfen. Sie
baten flehentlich, sie selbst und ihre gemeinsamen Kinder nicht den Feinden zu einem schrecklichen Tod auszuliefern, da ihre von Natur
aus schwachen Kräfte sie an einer Flucht hinderten. (4) Als sie jedoch sahen, dass die Männer bei ihrem Vorsatz blieben, weil in höchster
Gefahr die Furcht kein Mitleid kennt, begannen sie zu schreien und den Römern die bevorstehende Flucht anzuzeigen. (5) Hierdurch erneut
in Schrecken versetzt, fürchteten die Gallier, die römische Reiterei werde die Wege besetzen, und gaben ihr Vorhaben auf.
27.
(1) Am nächsten Tag ließ Caesar einen Turm vorschieben und die Belagerungswerke vollenden, die er hatte bauen lassen. Plötzlich brach
ein heftiger Regen los. Caesar bemerkte, dass die Wachen auf der Mauer infolgedessen weniger vorsichtig verteilt waren. Da befahl er
seinen Soldaten, ihre Arbeiten auch etwas zu verzögern, weil er das Unwetter für sehr geeignet hielt, um einen Überraschungsangriff
durchzuführen. Er gab den Soldaten die notwendigen Befehle (2) und ließ die Legionen sich in den Laufgängen insgeheim zum Kampf
bereitmachen. Dann ermahnte er sie, sich nach so großen Anstrengungen endlich die Früchte des Sieges zu holen. Den Soldaten, die als
erste die Mauern erstiegen, versprach er eine Belohnung und gab dann das Zeichen zum Angriff. (3) Von allen Seiten brachen sie hervor
und besetzten schnell die ganze Mauer.
28.
(1) Dieses unerwartete Ereignis versetzte die Feinde so in Schrecken, dass sie sich von der Mauer und den Türmen vertreiben ließen; sie
stellten sich daher auf dem Marktplatz und auf etwas größeren freien Plätzen keilförmig auf, entschlossen, dem Feind in einer richtigen
Schlacht bis zum Ende Widerstand zu leisten, wenn er ihnen irgendwo entgegentrete. (2) Als sie jedoch bemerkten, dass niemand auf die
freien Plätze herunterkäme die Römer sich vielmehr rings auf der ganzen Mauer verteilten, fürchteten sie, es werde ihnen damit jede
Hoffnung auf ein Entkommen genommen. Sie warfen ihre Waffen weg und versuchten alle zusammen, in einem Anlauf die entlegensten
Teile der Stadt zu erreichen; (3) da sie sich auf Grund der engen Toreingänge selbst im Weg standen, töteten unsere Soldaten dort einen
Teil von ihnen, während unsere Reiter andere, die schon aus den Toren hinausgelangt waren, niedermachten. (4) Niemand kümmerte sich
um Beute. Der Mord in Cenabum und die anstrengende Belagerungsarbeit hatten unsere Soldaten so erregt, dass sie nicht einmal Greise,
Frauen und Kinder schonten. (5) Von der ganzen Bevölkerung, deren Zahl etwa 40000 betragen hatte, konnten am Ende kaum 800, die
beim ersten Kampfeslärm aus der Stadt geflohen waren, unversehrt zu Vercingetorix entkommen. (6) In tiefer Nacht nahm er die
Flüchtigen in aller Stille auf, weil er fürchtete, dass ihr Zusammenströmen das Mitleid der Menge erregen und im Lager einen Aufstand
verursachen würde. Er sorgte daher dafür, dass seine Freunde und die fahrenden Männer der Stämme sich schon fern vom Lager auf dem
Weg verteilten, um die Flüchtigen nach Gruppen zu sondern und zu ihren Stammesgenossen zu bringen, je nachdem, welcher Bereich des
Lagers einem der Stämme zugewiesen worden war.
29.
(1) Am folgenden Tag berief Vercingetorix eine Versammlung ein, in der er sie beruhigte und aufforderte, den Mut nicht allzusehr sinken
und sich durch die Niederlage nicht aus der Fassung bringen zu lassen. (2) Die Römer hätten nicht auf Grund ihrer Tapferkeit und nicht in
einer offenen Schlacht gesiegt, sondern durch eine List und mit Hilfe ihrer Kenntnisse der Belagerungstechnik, worin sie selbst ganz
unerfahren seien. (3) Wer etwa im Krieg erwarte, dass alles glücklich ausgehe, irre sich. (4) Er selbst sei nie dafür gewesen, Avaricum zu
verteidigen; das könnten sie selbst bezeugen. Es sei dagegen der mangelnden Voraussicht der Bituriger und dem allzu bereitwilligen
Nachgeben der übrigen zuzuschreiben, dass sie diese Nieder4e erlitten hätten. (5) Freilich werde er das schnell durch bedeutendere Siege
wiedergutmachen. (6) Denn er werde energisch dafür sorgen, dass sich ihnen auch die Stämme anschlossen, die noch nicht auf der Seite der
übrigen gallischen Stämme stünden, und er werde für ganz Gallien ein einheitliches Vorgehen in diesem Krieg erreichen. Dieser geneigten
Haltung könne dann nicht einmal der gesamte Erdkreis widerstehen. Er habe dieses Ziel schon fast erreicht. (7) In der Zwischenzeit sei es
nur billig, von ihnen zu verlangen, dass sie sich im allgemeinen Interesse daranmachten, ihr Lager zu befestigen, um unvorhergesehene
Angriffe der Feinde leichter abwehren zu können.
30.
(1) Diese Rede stieß bei den Galliern auf Zustimmung besonders deshalb, weil Vercingetorix trotz einer so großen Niederlage nicht den
Mut verloren hatte, weil er sich nicht verborgen hatte und einem Auftreten vor der Menge nicht aus dem Weg gegangen war. (2)
Gleichzeitig glaubten sie, er könne die Lage besser als die anderen übersehen und im voraus beurteilen, weil er sich von Anfang an dafür
eingesetzt hatte, Avaricum in Brand zu stecken, später dann, es aufzugeben. (3) In dem Maße, wie Niederlagen sonst die Autorität des
Feldherrn verringern, nahm sein Ansehen ganz im Gegenteil infolge der erlittenen Niederlage von Tag zu Tag zu. (4) Seine Behauptung, die
übrigen Stämme zum Anschluß bewegen zu können, ließ gleichzeitig ihre Hoffnung steigen. Deshalb gingen die Gallier zu diesem Zeitpunkt
zum ersten Mal daran, ein befestigtes Lager zu errichten, und die Leute, die diese Arbeit doch nicht gewöhnt waren, erfüllte ein solcher
Eifer, dass sie glaubten, sie müßten sich allen Befehlen fügen und sie ausfahren.
31.
(1) In nicht geringerem Maße, als er es versprochen hatte, setzte Vercingetorix alles daran, die übrigen Stämme zum Anschluß zu bewegen,
wobei er die führenden Männer mit Geschenken und Versprechungen an sich zu locken suchte. (2) Unter ihnen wählte er die aus, die ihm
für sein Vorhaben geeignet erschienen. jeder von ihnen konnte durch schlaue Reden oder freundschaftliche Beziehungen besonders leicht
gewonnen werden. (3) Er sorgte dafür, dass die Leute, die nach dem Fall von Avaricum zu ihm zurückgeflohen waren, wieder Waffen und
Kleidung erhielten. (4) Um die verringerten Streitkräfte aufzufüllen, forderte er gleichzeitig von den Stämmen die Stellung einer
bestimmten Anzahl von Soldaten und gab an, weiche Zahl zu welchem Zeitpunkt in sein Lager zu bringen sei. Außerdem ließ er alle
Bogenschützen, die es in Gallien in überaus großer Zahl gibt, sammeln und zu sich kommen. Durch diese Maßnahmen füllte er schnell die
Verluste von Avaricum wieder auf. (5) In der Zwischenzeit traf Teutomatus, der König der Nitiobroger, mit einer großen Zahl eigener und
aus Aquitanien angeworbener Reiter bei ihm ein. Teutomatus' Vater Ollovico hatte vom römischen Senat den Titel 'Freund Roms' erhalten.
32.
(1) Caesar blieb mehrere Tage in Avaricum, und da er dort in den Besitz einer bedeutenden Menge von Getreide und anderen
Versorgungsgütern kam, ließ er das Heer sich nach der Anstrengung und der Entbehrung wieder erholen. (2) Da der Winter fast zu Ende
war und die Jahreszeit selbst daher zur Eröffnung des Krieges drängte, hatte er beschlossen, gegen den Feind zu ziehen, um zu versuchen,
ihn aus den Sumpf und Waldgebieten hervorzulocken oder durch eine Belagerung unter Druck zu setzen. Da kamen führende Männer der
Haeduer als Gesandte zu ihm mit der Bitte, dem Stamm in einer äußersten Notlage zu helfen: (3) Es bestehe höchste Gefahr, denn obwohl
sie seit alters her einen einzelnen Mann für das oberste Amt zu wählen pflegten, der dann für ein Jahr die königliche Gewalt innehabe,
gebe es jetzt zwei, die dieses Amt führten, und jeder von ihnen behaupte, er sei gemäß den Gesetzen gewählt worden. (4) Der eine davon
sei Convictolitavis, ein reicher und vornehmer junger Mann, der andere Cotus, der aus einer der ältesten Familien stamme und selbst über
bedeutende Macht und eine einflußreiche Verwandtschaft verfüge. Sein Bruder Valetiacus habe im Jahr zuvor dasselbe Amt bekleidet. (5)
Der gesamte Stamm stehe unter Waffen. Der Senat sei gespalten, und ebenso sei das Volk in Clientelen des einen oder des anderen
aufgeteilt. Wenn dieser Konflikt weitere Nahrung erhalte, werde es dahin kommen, dass ein Teil des Stammes mit dem anderen kämpfe.
Es hänge von seiner Umsicht und seinem Einfluß ab, dass dies nicht eintrete.
33.
(1) Caesar hielt es zwar für schädlich, Krieg und Feind aus den Augen zu lassen, wußte jedoch auch, wieviel Schaden aus innenpolitischen
Streitigkeiten gewöhnlich erwächst. Daher glaubte er, seine Aufmerksamkeit darauf richten zu müssen, dass ein so großer und dem
römischen Volk so eng verbundener Stamm, den er selbst immer unterstützt und mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht hatte, nicht zu
Gewalt und Waffen griffe. Ebenso wollte er verhüten, dass der sich unterlegen fühlende Stammesteil Hilfe von Vercingetorix hole. (2) Da
es nach den Gesetzen der Haeduer den Inhabern des höchsten Amtes nicht gestattet war, das Stammesgebiet zu verlassen, beschloß er,
selbst zu den Haeduern aufzubrechen, um den Anschein zu vermeiden, er habe in ihre Verfassung und ihre Gesetze eingegriffen. Er berief
den gesamten Senat und die Vertreter zerstreitenden Parteien zu sich nach Decetia . (3) Als sich dort fast der gesamte Stamm eingefunden
hatte, wurde Caesar darüber unterrichtet, dass bei einer heimlichen Zusammenkunft einiger weniger zu ungesetzlicher Zeit an einem
ungesetzlichen Ort ein Bruder von dem anderen als gewählt ausgerufen worden sei. Da die Gesetze es untersagten, dass zwei Mitglieder
einer Familie bei beider Lebzeiten zu Beamten gewählt würden, es auch streng verboten war, dass sie beide in dem Senat saßen, zwang
Caesar Cotus daher, die Herrschaft niederzulegen, und ordnete an, dass Convictolitavis, (4) der nach Stammesbrauch in der beamtenlosen
Zeit unter dem Vorsitz von Priestern gewählt worden war, das höchste Amt übernehmen solle.
34.
(1) Nach diesem Schiedsspruch forderte Caesar die Haeduer dringend auf, ihren Streit und die innenpolitischen Gegensätze zu vergessen
und alle diese Angelegenheiten hinten anzustellen, um sich ganz dem bevorstehenden Krieg zu widmen. Nach der endgültigen
Niederwerfung Galliens dürften sie von ihm die Belohnungen erwarten, die sie verdient hätten. Jetzt sollten sie ihm rasch ihre ganze
Reiterei und 10000 Fußsoldaten schicken, die er zur Sicherung des Getreidenachschubs an verschiedenen Stellen einsetzen wolle. Er teilte
sein Heer in zwei Teile. (2) Vier Legionen übergab er Labienus, der sie in das Gebiet der Senonen und Parisier führen sollte, er selbst zog
mit sechs Legionen am Fluß Elaver entlang ins Gebiet der Arverner in Richtung auf die Stadt Gergovia. Einen Teil der Reiterei wies er
Labienus zu, während er selbst den Rest bei sich behielt. (3) Als Vercingetorix dies bekannt wurde, ließ er alle Brücken über den Fluß
abbrechen und setzte sich am anderen Ufer in Marsch.
35.
(1) Als jedes der beiden Heere in Sichtweite des anderen gekommen war und die Lager fast unmittelbar einander gegenüber errichtet
wurden, schickte Vercingetorix Kundschaftet aus, um verhindern zu können, d7aß die Römer irgendwo eine Brücke schlügen, um die
Truppen überzusetzen. Diese Lage stellte Caesar vor große Schwierigkeiten, denn es bestand die Gefahr, dass der Fluß ihn einen großen
Teil des Sommers am Übergang hinderte, da der Elaver gewöhnlich nicht vor dem Herbst auf einer Furt überschritten werden kann. (2) Um
das zu umgehen, errichtete er sein Lager an einer bewaldeten Stille in der Nähe einer der Brücken, die Vercingetorix hatte einreißen
lassen, und blieb am folgenden Tag mit zwei Legionen dort heimlich zurück. (3) Wie gewohnt schickte er die übrigen Truppen mit dem
gesamten Troß voraus und zog einige Cohorten so auseinander, dass es schien, als seien die Legionen vollzählig. (4) Er gab ihnen den
Befehl, so weit wie möglich vorzurücken. Sobald er aus der Tageszeit schloß, sie seien am Lagerplatz angekommen, begann er, mit den
Pfählen, deren unterer Teil unbeschädigt geblieben war, die Brücke wiederherzustellen. (5) Diese Arbeit wurde schnell vollendet, so dass
Caesar die Legionen übersetzen konnte. Er wählte eine geeignete Stelle für das Lager aus und rief die übrigen Truppen zurück. (6) Als
Vercingetorix davon erfuhr, zog er in Eilmärschen voraus, um nicht gegen seinen Willen zu einer Schlacht gezwungen zu werden.
36.
(1) Nachdem er unterwegs fünfmal gelagert hatte, erreichte Caesar von hier aus Gergovia, wo es noch an demselben Tag zu einem leichten
Reitergefecht kam. Dann besichtigte Caesar die Lage der Stadt. Da sie auf einem sehr hohen Berg lag und daher von allen Seiten nur
schwer zugänglich war, gab Caesar den Gedanken an einen Sturmangriff auf und beschloß, auch eine Belagerung nicht früher zu beginnen,
bis er eine reibungslose Getreideversorgung sicher gestellt hätte. (2) Vercingetorix hatte sein Lager in der Nähe der Stadt auf dem
Stadtberg errichtet und um sich herum die Truppen der einzelnen Stämme jeweils gesondert in einigem Abstand lagern lassen. Da er
trotzdem alle Erhebungen dieses Gebirgszuges, die Einblick in die Ebene gewährten, besetzt hatte, bot sein Heer einen
schreckenerregenden Anblick. (3) Die Führer der einzelnen Stämme, die er zur Beratung des Kriegsplans ausgesucht hatte, ließ er jeden
Morgen zu sich kommen, sei es, dass es geboten schien, sich über eine Maßnahme zu verständigen oder auch sie durchzuführen. (4) In der
Regel ließ er keinen Tag verstreichen, an dem er nicht Reiter im Verein mit Bogenschützen kämpfen ließ, um den Mut und die Tapferkeit
jedes seiner Soldaten auf die Probe zu stellen. (5) In der Umgebung der Stadt befand sich unmittelbar an den Ausläufern des Gebirges eine
Anhöhe, die hervorragend geschätzt war und nach allen Seiten hin steil abfiel. Es sah aus, als könnten unsere Soldaten dem Feind einen
großen Teil der Wasser und Futtey7,ufuhr abschneiden, wenn es ihnen gelänge, sich dort festzusetzen. (6) Die Feinde hielten diese Stelle
jedoch mit einer wenn auch nicht allzu starken Schutztruppe besetzt. (7) Dessen ungeachtet brach Caesar in der Stille der Nacht aus dem
Lager auf, und ehe noch aus der Stadt Unterstützung kommen konnte, hatte er die Wachmannschaft vertrieben und die Anhöhe in seine
Gewalt gebracht. Er legte zwei Legionen dorthin und ließ einen doppelten Graben von zwölf Fuß vom Hauptlager zu dem kleineren führen,
damit die Soldaten auch einzeln sicher vor einem feindlichen Angriff hin- und zurückgelangen konnten.
37.
(1) Während dieser Ereignisse bei Gergovia hatten die Arverner den Haeduer Convictolitavis, dem Caesar, wie oben berichtet, das oberste
Amt in seinem Stamm zugesprochen hatte, mit Bestechungsgeld zum Aufstand veranlaßt, so dass er sich mit einigen jungen Männern
besprach, an deren Spitze sich Litaviccus und seine Brüder befanden, junge Männer aus sehr einflußreicher Familie. (2) Convictolitavis
teilte das Geld mit ihnen und forderte sie auf, sich daran zu erinnern, dass sie frei seien und zur Herrschaft geboren. (3) Der Stamm der
Haeduer sei der einzige, der noch einem sicheren Sieg Galliens im Weg stehe. Nur auf Grund seines maßgebenden Beispiels hielten sich
die übrigen Stämme zurück. Wenn er die Seite wechsle, hätten die Römer nicht einen einzigen Stützpunkt mehr in Gallien. (4) Zwar habe
ihm Caesar einige Male Unterstützung gewährt, freilich aus dem Grund weil er die gerechtere Sache vertreten habe. Es sei ihm jedoch
wichtiger, zur gemeinsamen Freiheit beizutragen. (5) Warum kämen die Haeduer zu Caesar, um ihn über ihre Verfassung und ihre Gesetze
entscheiden zu lassen, und nicht eher umgekehrt die Römer zu den Haeduern? (6) Durch die Worte des regierenden Mannes und durch die
Geldspenden ließen sich die jungen Männer rasch verleiten, offen zu erklären, sie würden seinen Plan maßgeblich fördern. Sie fragten sich
allerdings, wie sie vorgehen sollten, da sie nicht glaubten, darf man den Stamm dazu bringen könne, leichtfertig einen Krieg anzufangen. (7)
Es wurde beschlossen, Litaviccus den Befehl über die 10000 zu übertragen, die Caesar für die Kriegführung geschickt werden sollten. Er
erhielt den Auftrag, sie auf dem Marsch zu führen. Gleichzeitig sollten seine Brüder zu Caesar vorausreiten. Sie setzten auch die übrigen
Maßnahmen fest, die ein planvolles Vorgehen gebot.
38.
(1) Litaviccus übernahm das Heer und war etwa 30 Meilen von Gergovia entfernt, als er die Soldaten überraschend zusammenrief und
unter Tränen sagte: 'Wohin ziehen wir, Soldaten? (2) Unsere ganze Reiterei, unser ganzer Adel ist untergegangen. Eporedorix und
Viridomarus, führende Männer unseres Stammes, wurden wegen angeblichen Verrats angeklagt und von den Römern ohne
Gerichtsverhandlung umgebracht. (3) Das könnt ihr von denen erfahren, die dem Gemetzel entkommen sind. Denn der Schmerz über den
Tod meiner Brüder und meiner gesamten Verwandten hindert mich daran zu berichten, was vorgefallen ist.' (4) Man führte die Leute vor,
denen er erklärt hatte, was sie sagen sollten. Sie legten der Menge das gleiche dar, was Litaviccus berichtet hatte: Alle Reiter der
Haeduer seien umgebracht worden, (5) weil sie Gespräche mit den Arvernern geführt haben sollten. Sie selbst hätten sich in der Menge der
Soldaten verborgen und seien mitten aus dem Gemetzel entflohen. (6) Die Haeduer erhoben daraufhin ein Geschrei und beschworen
Litaviccus, ihnen zu helfen. Er erwiderte: 'Als ob man da noch überlegen müßte! Vielmehr müssen wir rasch nach Gergovia marschieren
und uns mit den Arvemern vereinigen. (7) Oder zweifelt ihr daran, dass die Römer nicht schon dabei sind, auch uns umzubringen, nachdem
sie dieses schreckliche Verbrechen zugelassen haben? (8) Wenn wir also noch eine Spur von Mut haben, dann laßt uns den Mord an den
Stammesgenossen verfolgen, die auf unwürdigste Weise umgekommen sind, und laßt uns diese Räuber töten!' Dabei wies er auf die
römischen Bürger, die sich im Vertrauen auf seinen Schutz in seiner Begleitung befanden. (9) Gleich darauf ließ er ihnen eine große Menge
von Getreide und Versorgungsgütem entreißen und sie unter grausamen Foltern töten. (10) Dann sandte er Boten im gesamten Gebiet der
Haeduer umher und beharrte auf seiner Lüge über den Mord an den Reitern und dem Adel. Er forderte sie dringend auf, sich seinem
Vorgehen anzuschließen und das erlittene Unrecht, ähnlich wie er, zu rächen.
39.
(1) Der Haeduer Eporedorix war ein junger Mann von sehr vornehmer Familie und besaß bedeutende Macht in seinem Stamm. Er war zwar
gleich alt und gleich beliebt wie Viridomarus, jedoch ganz verschiedener Herkunft, denn Caesar hatte Viridomarus, den ihm Diviciacus
anvertraut hatte, aus einer niederen Stellung zu höchstem Adel gebracht. Beide waren, von Caesar persönlich angefordert, zusammen mit
der Reiterei eingetroffen. (2) Sie kämpften untereinander um den Vorrang, der eine war in dem Konflikt um die Wahl des
Stammesoberhauptes mit allen Mitteln für Convictolitavis, der andere für Cotus eingetreten. (3) Als von diesen beiden Eporedorix den Plan
des Litaviccus erfuhr, hinterbrachte er ihn etwa um Mitternacht Caesar; er bat ihn, nicht zuzulassen, dass sein Stamm auf Grund unsinniger
Pläne junger Männer die Freundschaft des römischen Volkes verrate. Er möge bedenken, dass das eintreten werde, wenn sich so viele
tausend Männer dem Feind anschlossen, denn ihr Wohlergehen könnten ihre Verwandten nicht außer acht lassen, und der Stamm
insgesamt müsse dieser Tatsache großes Gewicht beimessen.
40.
(1) Diese Mitteilung versetzte Caesar in große Bestürzung, weil er den Stamm der Haeduer immer besonders wohlwollend behandelt hatte.
Ohne einen Augenblick zu zögern, ließ er vier kampfbereite Legionen und die gesamte Reiterei aus dem Lager ausrücken. (2) In einem
solchen Augenblick blieb auch keine Zeit mehr, das Lager zusammenrücken zu lassen, da alles von einem schnellen Vorgehen abzuhängen
schien. Zum Schutz der Lager ließ er C. Fabius mit zwei Legionen zurück. (3) Als er Befehl gegeben hatte, die Brüder des Litaviccus zu
ergreifen, erfuhr er, dass sie kurz zuvor zum Feind geflohen waren. (4) Daraufhin feuerte er die Soldaten an, sich zu diesem kritischen
Zeitpunkt nicht durch die Anstrengungen eines Marsches beeindrucken zu lassen. Sie zeigten alle den größten Eifer, so dass das Heer der
Haeduer nach einem Marsch von 25 Meilen schon in Sicht kam. Caesar sandte die Reiterei dorthin, um sie anzuhalten und ihren weiteren
Vormarsch zu verhindern, wobei er allen verbot, einen Haeduer zu töten. (5) Gleichzeitig befahl er Eporedorix und Viridomarus, von denen
die Haeduer annahmen, sie seien tot, sich zu den Reitern zu gesellen und ihre Landsleute anzusprechen. (6) Als man sie erkannte und damit
den Betrug des Litaviccus durchschaute, begannen die Haeduer, ihre Hände hochzustrecken und Zeichen ihrer Kapitulationsbereitschaft zu
geben. Gleichzeitig warfen sie ihre Waffen weg und baten um ihr Leben. (7) Litaviccus floh mit seinen Clienten nach Gergovia. Für Clienten
ist es nach gallischer Sitte ein Frevel, selbst Im größten Unglück ihren Patron zu verlassen .
41.
(1) Caesar schickte Boten an den Stamm der Haeduer, die ihnen vor Augen führen sollten, dass sie nur durch seine Nachsicht gerettet
worden seien, da er sie ja nach dem Kriegsrecht hätte töten können. Nachdem er das Heer in der Nacht drei Stunden hatte ausruhen
lassen, brach er wieder nach Gergovia auf. (2) Auf halber Strecke etwa kamen ihm Reiter entgegen, die Fabius geschickt hatte, um
mitzuteilen, in weicher Gefahr er sich befunden habe. Sie berichteten, das Lager sei von einem riesigen Heer bestürmt worden, und da des
öfteren neue feindliche Soldaten die erschöpften abgelöst hätten, sei es ihnen gelungen, unsere Soldaten durch die ständige Anstrengung zu
ermüden, denn wegen der Größe des Lagers hätten immer dieselben auf dem Wall ausharren müssen. (3) Viele seien auf Grund einer
erdrückenden Zahl von Pfeilen und jeder Art von Wurfgeschossen verwundet worden. Bei der Abwehr seien die Wurfmaschinen von
großem Nutzen gewesen. (4) Nach dem Abzug der Feinde habe Fabius zwei Tore offen angehalten, lasse die übrigen verrammeln und den
Wall mit Brustwehren verstärken. Für den folgenden Tag bereite er sich auf ähnliche Angriffe vor. (5) Als dies bekannt wurde, strengten
sich die Soldaten aufs äußerste an, so dass Caesar noch vor Sonnenaufgang im Lager ankam.
42.
(1) Während dieser Ereignisse bei Gergovia hatten die Haeduer die ersten Berichte des Litaviccus empfangen, doch ließen sie sich keine
Zeit, die Nachrichten zu überprüfen. (2) Die einen trieb die Habsucht an, die anderen Zorn und Verwegenheit sie sind diesem
Menschenschlag in höchstem Maße angeboren -, so dass sie Gerüchten folgend das Ganze für unumstößlich sicher hielten. (3) Daher
plünderten sie das Vermögen der römischen Bürger, ermordeten sie oder verschleppten sie in die Sklaverei. (4) Convictolitavis förderte
diese Wendung der Dinge zum Schlimmeren und trieb das Volk zur Raserei, um zu erreichen, dass es sich schämte, wieder vernünftig zu
werden, nachdem es einmal die Verbrechen hatte geschehen lassen. (5) Sie veranlaßten den Militärtribun M. Aristius, der auf dem Weg zu
seiner Legion war, die Stadt Cavillonum zu verlassen, und garantierten ihm seine Sicherheit. Die Leute, die sich dort niedergelassen
hatten, um Handel zu treiben, zwangen sie, dasselbe zu tun. (6) Auf ihrem Weg griffen sie sie jedoch ständig an und beraubten sie ihres
gesamten Gepäcks. Als die Römer Widerstand leisteten, drängten sie sie einen Tag und eine Nacht lang. Nachdem es auf beiden Seiten
viele Tote gegeben hatte, riefen die Haeduer noch mehr Leute zu den Waffen.
43.
(1) Inzwischen traf die Nachricht ein, alle ihre Soldaten befänden sich in Caesars Gewalt. Daraufhin stürzten die Haeduer zu Aristius, um zu
erklären, dass nichts auf öffentlichen Beschluß hin geschehen sei. Gleichzeitig beschlossen sie, eine Untersuchung über das geplünderte
Vermögen der Römer anzustellen. (2) Sie zogen die Habe von Litaviccus und seinen Brüdern zu öffentlichem Verkauf ein und schickten
Gesandte an Caesar, um sich zu rechtfertigen. (3) Dies taten sie, um ihre Stammesgenossen wieder frei zu bekommen. Da sie sich jedoch
einerseits ihres Verbrechens wohl bewußt waren, andererseits ihr Gewinn aus den erbeuteten Gütern sie voreingenommen machte an der
Plünderung hatten besonders viele teilgenommen -, da sie zudem in höchste Furcht vor der Strafe versetzt waren, gingen sie daran, heimlich
den Krieg vorzubereiten, und hetzten die übrigen Stämme durch Gesandtschaften auf. (4) Obwohl Caesar dies genau wußte, sprach er
dennoch mit den Gesandten, so milde er konnte: Er wolle wegen der Dummheit und Unbesonnenheit der Menge kein allzu hartes Urteil
über den Stamm insgesamt fällen, auch werde dadurch sein Wohlwollen gegenüber den Haeduern nicht beeinträchtigt. (5) Da er einen
größeren Aufstand in Gallien erwartete, überlegte er, wie er sich, um nicht von allen Stämmen eingekreist zu werden, von Gergovia
zurückziehen und das Gesamtheer wieder vereinigen könne, (6) ohne dass sein Abzug aussähe, als entspringe er der Furcht vor einem
Aufstand, und ohne dass er einer Flucht gliche.
44.
(1) Während dieser Überlegungen schien sich ihm eine Gelegenheit zu einem erfolgreichen Handstreich zu bieten. Denn als er in das
kleinere Lager kam, um die Schanzarbeiten zu besichtigen, bemerkte er, dass die Anhöhe, die die Feinde besetzt hielten, so dass man sie
an den vergangenen Tagen infolge der Ansammlung von Soldaten kaum hatte sehen können, von Menschen entblößt war. (2) Verwundert
fragte Caesar Überläufer, die täglich in großer Zahl zu ihm strömten, nach der Ursache. (3) Sie erklärten übereinstimmend, was Caesar
auch schon durch Späher bekannt geworden war, dass die Rückseite des Gebirgszuges fast eben, jedoch bewaldet und schwer zugänglich
sei. (4) Dort befinde sich ein Zugang zu dem anderen Teil der Stadt. Die Feinde befänden sich in großer Sorge um diese Stelle und glaubten
nichts anderes, als dass sie sich, wenn sie nach Besetzung des einen Hügels durch die Römer auch den zweiten verlören, fast ringsum
eingeschlossen und von jeder Verbindung nach draußen und der Möglichkeit, Futter zu holen, abgeschnitten sähen. (5) Daher habe
Vercingetorix alle herbeigerufen, um diese Stelle zu befestigen.
45.
(1) Als Caesar dies erfahren hatte, schickte er um Mitternacht einige Reitereinheiten ebendorthin und befahl ihnen, unter größerem Lärm
als gewöhnlich überall dort umherzustreifen. (2) Bei Tagesanbruch ordnete er an, eine große Zahl von Packpferden und Mauleseln aus dem
Lager herauszuführen und ihnen die Packsättel abzunehmen. Die Maultiertreiber sollten sich dann mit Metallhelmen das Aussehen von
Reitern geben und sich auch so verhalten, während sie über die Hügel um die Stadt herumritten. (3) Er gab ihnen einige wenige Reiter mit,
die, um die Feinde aufmerksam zu machen, weiter umherstreifen sollten. Sie alle sollten nach seinem Befehl in einem weiten Bogen in
dieselbe Gegend vorrücken. (4) Da man von Gergovia aus ins Lager hinabblicken konnte, wurde dieses Unternehmen aus der Stadt von
fern beobachtet, doch war es bei einer so großen Entfernung nicht möglich, mit Sicherheit auszumachen, was eigentlich geschah. (5) Caesar
sandte eine Legion in Richtung auf denselben Gebirgszug, ließ sie nach einer kurzen Strecke anhalten und sich unterhalb der Anhöhe im
Wald verbergen. (6) Die Gallier schöpften immer mehr Verdacht und überführten ihre gesamten Truppen zu Befestigungsarbeiten dorthin.
(7) Als Caesar bemerkte, dass das Lager der Feinde leer war, ließ er die Soldaten ihre militärischen Abzeichen verdecken und die
Feldzeichen verbergen. Damit in der Stadt nichts bemerkt würde, brachte er die Soldaten einzeln aus dem größeren in das kleinere Lager
und gab den Legaten, die er an die Spitze der einzelnen Legionen gestellt hatte, an, was sie tun sollten. (8) Er ermahnte sie vor allem, die
Soldaten zusammenzuhalten und zu verhindern, dass sie im Kampfeseifer oder aus Beutegier zu weit verstießen. (9) Er führte ihnen vor
Augen, welche Nachteile das ungünstige Gelände in sich berge. Nur durch Schnelligkeit könne man diesen Nachteil aufwiegen. Es handele
sich hier um eine günstige Gelegenheit, nicht um eine regelrechte Schlacht. (10) Nach diesen Darlegungen gab er das Zeichen zum
Aufbruch und schickte zur gleichen Zeit von rechts die Haeduer auf eine in anderen Aufstiegsweg vor.
46.
(1) Die Stadtmauer war von der Ebene und dem Fuß des Berges in gerader Linie 1200 Schritt weit entfernt, wenn man von den
Krümmungen des Weges absah. (2) Die Kurven, die den Aufstieg erleichtern sollten, bedeuteten aber eine Verlängerung der
Marschstrecke. (3) Die Gallier hatten etwa auf halber Höhe, der Beschaffenheit des Berges folgend, eine sechs Fuß hohe Absperrung.. aus
großen Felsblöcken in Längsrichtung angelegt, um den Ansturm unserer Soldaten aufzuhalten. Während sie den unteren Bereich des
Hügels ganz freigelassen hatten, war der obere Teil bis zur Stadtmauer mit äußerst dicht beieinanderliegenden Lagern bedeckt. (4) Auf das
Zeichen zum Angriff hin drangen unsere Soldaten schnell bis zur Mauer vor, überschritten sie und nahmen drei Lager ein. (5) Die
Geschwindigkeit, mit der sie die Lager eroberten, war so groß, dass der König der Nitiobroger, Teutomatus, plötzlich in seinem Zelt
bedrängt wurde, wohin er sich um die Mittagszeit zur Ruhe begeben hatte. Mit nacktem Oberkörper, auf einem verwundeten Pferd, konnte
er sich kaum noch den Händen der plündernden Soldaten entreißen.
47.
(1) Als Caesar sein Vorhaben plangemäß durchgeführt hatte, ließ er zum Rückzug blasen und hielt durch Rufen die 10. Legion an, bei der
er sich befand; (2) die Soldaten der übrigen Legionen hörten zwar den Klang der Tuba nicht, weil eine recht große Schlucht dazwischenlag,
doch wurden sie gemäß Caesars Befehl von den Militärtribunen und Centurionen zurückgehalten. (3) Da sie aber die Hoffnung auf einen
schnellen Sieg, die Flucht der Feinde und die Erfolge der letzten Zeit beflügelten, glaubten sie, es gebe keine Schwierigkeit, die sie nicht mit
ihrer Tapferkeit überwinden könnten. Sie hielten daher nicht eher in der Verfolgung inne, bis sie in die Nähe der Mauern und Tore der
Stadt gelangt waren. (4) Da aber erhob sich in allen Teilen der Stadt ein Geschrei, und da die Einwohner der etwas weiter entfernten
Stadtbezirke, die durch den plötzlichen Aufruhr in Schrecken versetzt wurden, glaubten, der Feind befinde sich schon innerhalb der
Stadtmauern, stürzten sie aus der Stadt hinaus. (5) Die Frauen warfen von der Mauer Kleider und Silber herab, beugten sich mit entblößter
Brust hinüber, streckten die Hände aus und beschworen die Römer, sie zu verschonen und nicht, wie sie es bei Avaricum getan hätten,
selbst vor Frauen und Kindern keinen Halt zu machen. (6) Einige ließen sich sogar an den Händen von der Mauer herab und lieferten sich
den Soldaten aus. (7) Von L. Fabius, einem Centurio der 8. Legion, wußte man, dass er an diesem Tag seinen Soldaten gegenüber gesagt
hatte, die Belohnungen nach der Eroberung Avaricums trieben ihn an, und er werde nicht zulassen, dass jemand vor ihm die Mauer
ersteige. Er gewann drei Soldaten aus seinem Manipel und erklommen mit ihrer Unterstützung die Mauer, woraufhin er wiederum jeden
einzelnen von ihnen packte und auf die Mauer heraufzog.
48.
(1) Die Feinde, die sich, wie oben erwähnt, an der anderen Seite der Stadt angesammelt hatten, um die Mauer zu verstärken, hatten
zunächst das Geschrei vernommen und wurden dann auch noch dadurch in Aufregung versetzt, dass ihnen ununterbrochen Boten mitteilten,
die Römer seien schon im Besitz der Stadt. Infolgedessen sandten sie die Reiterei voraus und marschierten im Eilschnitt dorthin. (2) Wo
jeder gerade ankam, stellte er sich am Fuß der Mauer auf und verstärkte die Zahl der Verteidiger. (3) Als ihre Zahl bedeutend
angewachsen war, begannen die Frauen, die kurz zuvor den Römern von der Mauer herab die Hände entgegengestreckt hatten, um die
Ihren zu beschwören. Sie zeigten sich ihnen nach gallischer Sitte mit aufgelöstem Haar und stellten ihre Kinder vor sich hin. (4) Weder vom
Gelände noch von der Zahl herhalten die Römer im Kampf die gleichen Vorteile. Da sie durch den Lauf und den langen Kampf völlig
ermüdet waren, hielten sie nur mit Mühe den frischen und unverbrauchten feindlichen Kräften stand.
49.
(1) Als Caesar sah, dass der Kampf auf so ungünstigem Gelände stattfand und die Zahl der feindlichen Truppen sich ständig vermehrte,
ergriff ihn Sorge um seine Soldaten, so dass er dem Legaten T. Sextius, den er zum Schutz des kleineren Lagers zurückgelassen hatte,
Nachricht schickte, er solle rasch die Cohorten aus dem Lager führen und am Fuß des Gergoviaberges rechts vom Feind in Stellung gehen.
(2) Sobald er sähe, dass unsere Soldaten aus ihrer Position vertrieben würden, solle er den Feind überraschend in Schrecken versetzen, um
zu verhindern, dass dieser bedenkenlos die Verfolgung aufnehme. (3) Er selbst rückte mit der 10. Legion.. aus der Stellung vor, wo er
haltgemacht hatte, und wartete den Ausgang des Kampfes ab.
50.
(1) Während man in erbittertem Handgemenge kämpfte, wobei die Feinde auf das Gelände und ihre Zahl, unsere Soldaten auf ihre
Tapferkeit vertrauten, erschienen Plötzlich die Haeduer auf unserer offenen Flanke. Caesar hatte sie auf einem anderen Aufstiegsweg von
der rechten Seite her hinaufgeschickt, um die feindlichen Scharen zu zersplittern. (2) Da sie jedoch ähnlich bewaffnet waren wie die Feinde,
erschreckten sie unsere Soldaten heftig, und obwohl diese bemerkten, dass die Haeduer die rechte Schulter, wie es stets als
Erkennungszeichen vereinbart worden war, entblößt hatten, hielten unsere Soldaten gerade dies für einen Täuschungsversuch der Feinde.
(3) Im gleichen Augenblick stürzten die Feinde den Centurio L. Fabius und die Soldaten, die mit ihm auf die Mauer gestiegen, jedoch
eingekreist und getötet worden waren, von der Mauer herab. (4) M. Petronius, ein Centurio derselben Legion, hatte versucht, die Tore zu
sprengen, war jedoch von der Überzahl der Feinde so bedrängt worden, dass er, schon schwer verwundet, die Hoffnung auf Rettung aufgab
und den Soldaten seines Manipels, die ihm gefolgt waren, zurief: >>Da ich mich und euch nicht gleichzeitig retten kann, will ich doch
wenigstens für euch sorgen, denn ich habe euch aus Ruhmgier in diese Gefahr gebracht. Sorgt für euch, während ihr noch Gelegenheit dazu
habt.<< (5) Gleichzeitig warf er sich mitten in die Feinde, tötete zwei und drängte die übrigen für kurze Zeit von dem Tor zurück. (6) Als
seine Soldaten versuchten, ihm zu helfen, rief er: >>Ihr versucht vergeblich, mein Leben zu retten, denn mein Blut und meine Kräfte
verlassen mich. Fort also, solange es noch möglich ist, zieht euch zur Legion zurück.<< So fiel er kurz darauf im Kampf, rettete aber seine
Soldaten.
51.
(1) Da unsere Soldaten von allen Seiten bedrängt wurden, trieben die Feinde sie schließlich aus ihrer Stellung den Abhang hinunter. Dabei
verloren wir 46 Centurionen. Die 10. Legion hielt allerdings die Gallier auf, die die Soldaten ungestüm verfolgten. Sie hatte sich auf etwas
günstigerem Gelände auf gestellt, um Hilf e leisten zu können, (2) und wurde ihrerseits von den Cohorten der 13. Legion aufgefangen, die
mit dem Legaten T. Sextius aus dem kleineren Lager herangerückt war und eine etwas höher gelegene Stelle besetzt hatte. (3) Sobald die
Legionen die Ebene erreichten, machten sie Front gegen die Feinde. (4) Vercingetorix führte daraufhin seine Soldaten vom Fuß der Anhöhe
in die Befestigungen zurück. Wir vermißten an diesem Tag nicht viel weniger als 700 Soldaten.
52.
(1) Am folgenden Tag berief Caesar eine Heeresversammlung ein und tadelte die Verwegenheit und den unbeherrschten Eifer der
Soldaten: Sie hätten sich nicht nur selbst ein Urteil darüber angemaßt, wohin man vorrücken und was man tun müsse, sie hätten auch auf
das Signal zum Rückzug hin nicht haltgemacht und sich von den Militärtribunen und Legaten nicht zurückhalten lassen. (2) Er stellte ihnen
vor Augen, welche Bedeutung ein ungünstiges Gelände haben könne. Er selbst habe das bei Avaricum erfahren. Obwohl er damals die
Feinde ohne Führer und ohne Reiterei überraschte, habe er auf den sicheren Sieg verzichtet, um nicht infolge des ungünstigen Geländes
beim Kampf einen wenn auch noch so geringen Verlust hinnehmen zu müssen. (3) Sosehr er auch die Größe ihres Mutes bewundere, den
weder die Lagerbefestigung noch der steil ansteigende Berg, noch die Stadtmauer habe aufhalten können, sosehr müsse er andererseits
ihre Disziplinlosigkeit und Anmaßung verurteilen, da sie offenbar glaubten, den Sieg und den Ausgang von Kämpfen besser im voraus
beurteilen zu können als ihr Oberbefehlshaber. (4) Er halte bei einem Soldaten Gehorsam und Disziplin nicht weniger für wünschenswert als
Tapferkeit und Mut.
53.
(1) Gegen Ende seiner Rede stärkte er wieder die Zuversicht seiner Soldaten und sagte sie sollten aus diesem Anlaß nicht den Mut
verlieren und nicht der Tapferkeit des Feindes zurechnen, was auf das ungünstige Gelände zurückzuführen sei. Nach Schluß der
Versammlung führte er die Legionen aus dem Lager und stellte sie an einem geeigneten Platz in Schlachtordnung auf, da er noch genauso
über einen Abzug dachte wie vorher. (2) Weil Vercingetorix jedoch innerhalb der Mauern blieb und genausowenig auf das ebene Gelände
herunterkam, lieferten sich nur die Reiter ein kleines Gefecht, das für die Römer günstig ausging. Danach führte Caesar das Heer ins
Lager zurück. (3) Nachdem er auch am folgenden Tag so vorgegangen war, glaubte er, nun sei genug geschehen, um das Selbstbewußtsein
der Gallier zu schwächen und den Mut seiner Soldaten zu stärken. Daher verlegte er das Lager ins Gebiet der Haeduer. (4) Da die Feinde
nicht einmal die Verfolgung aufnahmen, konnte er am dritten Tag die Brücke über den Fluß Elaver wiederherstellen und das Heer dort
hinüberführen.
54.
(1) Hier ließen sich die Haeduer Eporedorix und Viridomarus bei ihm melden, so dass Caesar erfuhr, dass Litaviccus mit der gesamten
Reiterei aufgebrochen war, um die Haeduer zum Aufstand zu bewegen. Es sei nötig, dass sie selbst voranzögen, um den Stamm ruhig zu
halten. (2) Obwohl Caesar die Treulosigkeit der Haeduer schon des öfteren durchschaut hatte und glaubte, der Abfall des Stammes werde
durch den Aufbruch der beiden nur beschleunigt, hielt er es dennoch für falsch, sie zurückzuhalten, um nicht den Eindruck zu erwecken, er
tue ihnen ein Unrecht an, und um nicht den Verdacht zu erregen, er hege irgendwelche Befürchtungen. (3) Als die beiden Haeduer sich
entfernten, legte er ihnen kurz seine Verdienste gegenüber ihrem Stamm dar: Wie er sie als schwachen Stamm vorgefunden habe, auf ihre
Städte zurückgeworfen, ihres Landes beraubt, nachdem die Feinde ihnen alle Bundesgenossen genommen, Tribut auferlegt und sie gegen
ihren Willen höchst schmachvoll zur Stellung von Geiseln gezwungen hätten. (4) Wie er ihnen in der Folgezeit wieder zu Reichtum und
Macht verholfen habe, so dass sie nicht allein ihre frühere Stellung wieder eingenommen, sondern offensichtlich mehr Ansehen und Einfluß
als je zuvor besessen hätten. Mit diesen Hinweisen entließ er sie.
55.
(1) Noviodunum war eine Stadt der Haeduer und lag sehr günstig an den Ufern des Liger. (2) Caesar hatte alle Geiseln aus Gallien, das
Getreide, die öffentlichen Gelder und einen großen Teil seines eigenen Gepäcks und des Gepäcks seiner Soldaten hierherbringen lassen.
(3) Auch eine große Anzahl von Pferden, die für diesen Krieg in Italien und Spanien gekauft worden waren, hatte er hierhergeschickt. (4)
Als Eporedorix und Viridomarus in der Stadt eintrafen, erfuhren sie, wie die Situation ihres Stammes war. Bibracte, die Stadt der Haeduer,
die bei ihnen am meisten Ansehen besitzt, habe Litaviccus auf seiner Flucht vor den Haeduem aufgenommen, der oberste Beamte,
Convictolitavis, und ein größer Teil des Senats hätten sich bei ihm eingefunden, und man habe in staatlichem Auftrag Gesandte an
Vercingetorix geschickt, um über einen Friedens und Freundschaftsvertrag zu verhandeln. Eporedorix und Viridomarus waren daraufhin
der Ansicht, hier biete sich ein so großer Vorteil, dass man ihn nicht ungenutzt lassen dürfe. (5) Sie brachten daher in Noviodunum die
Wachtposten und die Leute um, die zu Handelszwecken oder auf der Durchreise dorthin gekommen waren. (6) Ihr Geld und ihre Pferde
teilten sie untereinander und sorgten dafür, dass die Geiseln der Stämme nach Bibracte zu dem obersten Beamten gebracht wurden. (7) Da
sie glaubten, die Stadt Noviodunum nicht halten zu können, steckten sie sie in Brand, damit sie den Römern nicht mehr nützen könne. (8)
Auf Schiffen brachten sie so viel von dem Getreide weg, wie es in der Eile möglich war, das übrige verbrannten sie oder warfen es in den
Fluß. (9) In eigener Verantwortung zogen sie aus den angrenzenden Gebieten Truppen zusammen und gingen daran, an den Ufern des Liger
Wachmannschaften und Beobachtungsposten aufzustellen. Dann begannen sie, überall ihre Reiterei erscheinen zu lassen, um uns
einzuschüchtern, all dies in dem Versuch, die Römer vom Getreidenachschub abzuschneiden oder infolge der Versorgungsschwierigkeiten
aus der Provinz zu vertreiben. (10) Ihre Hoffnung auf Erfolg wurde durch die Tatsache bedeutend gestärkt, dass der Liger infolge des
Schneefalls angeschwollen war, so dass es unmöglich schien, den Fluß auf einer Furt zu überqueren.
56.
(1) Als Caesar dies bekannt wurde, hielt er Eile für angebracht, wenn er den Versuch zur Wiederherstellung der Brücke machen wollte,
damit es eher zum Kampf käme, als bis dort größere feindliche Streitkräfte zusammengezogen würden. (2) Denn seinen Plan zu ändern und
nach der Provinz umzukehren - was allerdings einige in ihrer Furcht für unvermeidlich hielten -, dagegen sprachen nicht nur die damit
verbundene Schmach und Würdelosigkeit sowie die schwierigen Wegverhältnisse und das vor ihm liegende Cevennengebirge, sondern ganz
besonders auch die große Befürchtung, dass dann Labienus und die Legionen, die er mit ihm ausgesandt hatte, abgeschnitten wären. (3) Er
bewältigte daher in ununterbrochenen Tag und Nachtmärschen eine bedeutende Wegstrecke, so dass er wider alles Erwarten schnell zum
Liger kam. (4) Die Reiter fanden eine Furt, die, gemessen an der Dringlichkeit des Überganges, noch günstig war: Da der Fluß gerade
noch Arme und Schultern der Soldaten freiließ, konnten sie die Waffen über Wasser halten. Caesar verteilte die Reiter im Fluß, um dessen
Gewalt zu brechen. Da die Feinde beim ersten Anblick der Römer in Verwirrung gerieten, (5) setzte Caesar das Heer unversehrt über.
Nachdem er auf den Feldern Getreide und eine große Anzahl Vieh vorgefunden und damit die Vorräte des Heeres auf gefüllt hatte, setzte
er sich in Richtung auf das Gebiet der Senonen in Marsch.
57.
(1) Während sich dies bei Caesar zutrug, ließ Labienus die Ersatztruppen, die kürzlich aus Italien eingetroffen waren, zum Schutz des
gesamten Trosses in Agedincum zurück und brach mit vier Legionen nach Lutecia auf, einer Stadt der Parisier, die auf einer Insel der
Sequana liegt. (2) Als sein Eintreffen bei den Feinden bekannt wurde, sammelten sich starke Streitkräfte aus den angrenzenden Stämmen.
(3) Den Oberbefehl erhielt der Aulercer Camulogenus, der trotz seines hohen Alters wegen seiner hervorragenden Kenntnis des
Militärwesens in diese samt berufen wurde. (4) Als dieser bemerkt hatte, dass die Gegend aus einem ausgedehnten Sumpf bestand, der
einen Abfluß in die Sequana hatte und diese Gegend völlig unzugänglich machte, ging er dort in Stellung und machte sich bereit, unseren
Soldaten den Übergang über den Sumpf zu sperren.
58.
(1) Labienus versuchte zunächst, Laufgänge vorzuschieben und den Sumpf mit Reisig und Erde auszufallen, um so einen festen Weg
anzulegen. (2) Nachdem er jedoch bemerkt hatte, dass die Durchführung dieses Vorhabens zu schwierig war, verließ er um die 3.
Nachtwache in aller Stille das Lager und gelangte auf demselben Weg, auf dem er gekommen war, nach Metlosedum. (3) Dies ist eine
Stadt der Senonen und liegt ebenso, wie wir es gerade von Lutecia berichteten, auf einer Insel der Sequana. (4) Hier beschlagnahmte er
etwa 50 Schiffe, ließ sie schnell miteinander verbinden und die Soldaten an Bord gehen. Die Einwohner der Stadt, von denen ein großer
Teil zum Krieg einberufen worden war, ergriff angesichts des unerwarteten Ereignisses ein solcher Schrecken, dass sich Labienus der
Stadt ohne Kampf bemächtigen konnte. (5) Nachdem er die Brücke wiederhergestellt hatte, die die Feinde in den vergangenen Tagen
abgerissen hatten, führte er sein Heer hinüber und setzte sich stromabwärts in Richtung auf Lutecia in Marsch. (6) Als die Feinde durch
Flüchtlinge aus Metlosedum hiervon erfuhren, ordneten sie an, Lutecia in Brand zu stecken und die Brücken der Stadt abzubrechen. Sie
selbst verließen das Sumpfgelände und bezogen auf dem Ufer der Sequana, in der Gegend von Lutecia, Labienus gegenüber Stellung.
59.
(1) Schon verlautete, dass Caesar von Gergovia abgezogen sei. Gerüchte über den Abfall der Haeduer und einen erfolgversprechenden
Aufstand in Gallien wurden verbreitet. In Gesprächen versicherten die Gallier, Caesar sei vom Weg und vom Liger abgeschnitten und der
Mangel an Getreide habe ihn dazu gezwungen, in die Provinz zu marschieren. (2) Als die Bellovacer, die schon vorher von sich aus
vertragsbrüchig geworden waren, jetzt zusätzlich von dem Abfall der Haeduer erfuhren, gingen sie daran, Truppen zu sammeln und offen
zum Krieg zu rüsten. (3) Unter derartig veränderten Umständen sah Labienus ein, dass er einen ganz anderen Plan verfolgen müsse, als er
ihn ursprünglich im Sinne gehabt hatte; (4) er setzte sich nun nicht mehr das Ziel, etwas zu erobern oder die Feinde zum Kampf zu reizen,
sondern allein das Heer unversehrt nach Agedincum zurückzuführen. (5) Denn von der einen Seite drohte der Stamm der Bellovacer, der in
Gallien als besonders tapfer gilt, die andere Seite hielt Camulogenus mit einem gut gerösteten und kampfbereiten Heer. Hinzu kam, dass
ein mächtiger Strom die Legionen von der Bewachungsmannschaft beim Troß trennte. (6) Als sich Labienus überraschend derart große
Schwierigkeiten in den Weg stellten, sah er, dass nur noch ein mutiges Vorgehen Hilfe versprach.
60.
(1) Er berief daher gegen Abend einen Kriegsrat ein und forderte die Teilnehmer auf, sorgfältig und energisch durchzufahren, was er
anordnen würde. Dann teilte er die Schiffe, die er aus Metlosedum mitgenommen hatte, jeweils einzeln römischen Rittern zu und befahl,
nach der 1. Nachtwache in aller Stille der Strömung folgend 4 Meilen flußaufwärts zu fahren und ihn dort zu erwarten. (2) Fünf Cohorten,
die er für den Kampf am wenigsten geeignet hielt, ließ er beim Lager als Bewachung zurück. (3) Die übrigen fünf Cohorten derselben
Legion ließ er um Mitternacht mit allem Gepäck unter großem Lärm flußaufwärts aufbrechen. (4) Gleichzeitig beschaffte er Kähne,
schickte sie in dieselbe Richtung und ließ sie geräuschvoll rudern. Kurz darauf zog er selbst in aller Stille mit drei Legionen aus dem Lager
und marschierte zu der Stelle, wo nach seinem Befehl die Schiffe landen sollten.
61.
(1) Als unsere Soldaten dort ankamen, überwältigten sie an dieser Stelle die feindlichen Späher, die am ganzen Fluß entlang verteilt
standen, jedoch nichts gemerkt hatten, weil plötzlich ein starker Sturm losgebrochen war. (2) Heer und Reiterei wurden unter Leitung der
römischen Ritter, denen Labienus diese Aufgabe übertragen hatte, schnell über den Fluß gesetzt. (3) Gegen Tagesanbruch wurde den
Feinden gemeldet, im Lager der Römer herrsche ungewöhnlicher Lärm und ein großer Heereszug bewege sich flußaufwärts, während man
ebendort auch Rudergeräusch vernehme. Fast gleichzeitig kam die Meldung, etwas weiter unterhalb würden Soldaten auf Schiffen
übergesetzt. (4) Auf diese Nachricht hin glaubten die Feinde, die Legionen gingen an drei Stellen über den Fluß, und rüsteten sich, durch
den Abfall der Haeduer in Schrecken versetzt, zur Flucht. Sie teilten daher auch ihre Truppen in drei Teile: (5) Dem römischen Lager
gegenüber wurde eine Wache zurückgelassen, eine kleine Schar, die so weit vorrücken sollte, wie die Schiffe kämen, wurde in Richtung auf
Metlosedum entsandt, die übrigen Truppen führten sie gegen Labienus.
62.
(1) Bei Tagesanbruch waren alle unsere Soldaten übergesetzt; gleichzeitig wurde die feindliche Front sichtbar. (2) Darauf feuerte Labienus
die Soldaten an, sich an ihre frühere Tapferkeit und den glücklichen Ausgang so vieler Kämpfe zu erinnern und sich vorzustellen, Caesar
selbst sei anwesend, unter dessen Führung sie so oft den Feind geschlagen hätten. Dann gab er das Signal zum Kampf. (3) Beim ersten
Aufeinanderprallen wurden die Feinde vom rechten Flügel, wo sich die 7. Legion aufgestellt hatte, zurückgeworfen und in die Flucht
geschlagen. (4) Den linken Flügel hielt die 12. Legion. Obwohl dort die Feinde in den ersten Reihen, von Wurfgeschossen durchbohrt,
fielen, leisteten die übrigen erbittert Widerstand, und niemand schien an Flucht zu denken. (5) Der Führer der Feinde, Camulogenus, stand
selbst seinen Soldaten bei und feuerte sie an. (6) Noch war völlig ungewiß, wem endlich der Sieg zufallen würde, als den Tribunen der 7.
Legion gemeldet wurde, was auf dem linken Flügel vor sich ging. Da erschienen sie überraschend mit ihrer Legion im Rücken der Feinde
und griffen sie an. (7) Doch nicht einmal zu diesem Zeitpunkt wich einer der Feinde von der Stelle, sondern alle wurden niedergemacht,
nachdem sie eingekreist worden waren. Camulogenus erlitt das gleiche Schicksal. (8) Als die Soldaten, die die Feinde gegenüber dem
Lager des Labienus als Wachtposten zurückgelassen hatten, hörten, dass eine Schlacht stattfinde, kamen sie den Ihren zu Hilfe und
besetzten einen Hügel. Doch konnten auch sie dem Ansturm unserer siegreichen Soldaten nicht standhalten. (9) So gerieten sie in die
Scharen ihrer fliehenden Stammesgenossen, und die römische Reiterei machte alle nieder, denen nicht Wälder oder Berge ein Versteck
boten. (10) Nach diesem Unternehmen wandte sich Labienus zurück nach Agedincum, wo er den Troß des gesamten Heeres
zurückgelassen hatte. Von dort gelangte er mit allen Truppen nach zwei Tagen zu Caesar. i
63.
(1) Als der Abfall der Haeduer bekannt wurde, weitete sich der Krieg aus. (2) Die Gallier schickten Gesandtschaften nach allen Seiten aus,
die sich bemühten, die Stämme aufzuhetzen, soweit sie es mit ihrem Ansehen und Einfluß oder mit viel Geld vermochten. (3) Da sie sich der
Geiseln bemächtigten, die Caesar bei den Haeduem in Gewahrsam gegeben hatte, versetzten sie zögernde Stämme mit der Drohung in
Schrecken, die Geiseln hinzurichten. (4) Die Haeduer forderten Vercingetorix auf, zu ihnen zu kommen und sich mit ihnen über die
Kriegführung zu verständigen. Als ihre Bitte erfüllt wurde, bemühten sie sich darum, selbst den Oberbefehl über den gesamten Krieg zu
erhalten. (5) Da es hier aber jedoch zu einem Streit kam, wurde eine Versammlung ganz Galliens nach Bibracte einberufen, zu der von
überall her zahlreiche Teilnehmer zusammenkamen. (6) Man ließ die Versammlung über die Frage abstimmen. Sie bestätigte einstimmig
Vercingetorix als Oberbefehlshaber. (7) Dieser Versammlung blieben die Remer, Lingonen und Treverer fern, die Remer und Lingonen,
weil sie an der Freundschaft mit dem römischen Volk festhielten, die Treverer, weil sie zu weit entfernt waren und von den Germanen
bedrängt wurden. Dies war auch der Grund dafür, dass sie an dem ganzen Krieg nicht teilnahmen und keiner der beiden Seiten
Unterstützung sandten. (8) Die Haeduer waren sehr erbittert darüber, dass man sie von der fahrenden Stelle verdrängt hatte, sie beklagten
den Wechsel des Glücks und wünschten sich die wohlwollende Haltung Caesars ihnen gegenüber zurück, wagten jedoch nach Ausbruch des
Krieges nicht, in ihren Plänen von den anderen abzuweichen. (9) Die jungen Männer Eporedorix und Viridomarus, von denen man Großes
erwarten durfte, gehorchten Vercingetorix nur widerwillig.
64.
(1) Dieser forderte auch von den übrigen Stämmen Geiseln und setzte schließlich ihre Übergabe auf einen bestimmten Tag fest. Auch
Reiter, insgesamt 15 000 Mann, sollten sich auf seinen Befehl hin schnell bei ihm sammeln. (2) Er sagte, die Fußsoldaten, die er schon
vorher gehabt habe, genügten ihm, er werde auch kein Risiko eingehen und es nicht auf eine offene Schlacht ankommen lassen. Da er über
außerordentlich viele Reiter verfüge, sei es vielmehr leicht, die Römer an der Getreide und Futterbeschaffung zu hindern. (3) Sie sollten
mit Gleichmut ihr eigenes Getreide vernichten und ihre Gehöfte anzünden, denn sie sähen, dass sie mit dem Verlust ihrer Habe auf immer
Freiheit und Unabhängigkeit erlangten. (4) Nach diesen Anordnungen forderte er von den Haeduern und Segusiavern, die unmittelbar an
den Grenzen der römischen Provinz leben, die Stellung von 10 000 Fußsoldaten und verlangte zusätzlich 800 Reiter. (5) Die Führung
übertrug er dem Bruder des Eporedorix und gab ihm den Befehl, die Allobroger anzugreifen. (6) Auf der anderen Seite sandte er die
Gabaler und die Arverner aus den zu nächstliegenden Gauen gegen die Helvetier. Die Rutener und Cadurcer sollten das Gebiet der
arecomischen Volcer verwesten. (7) Obendrein hetzte er insgeheim durch private Boten und offizielle Gesandtschaften die Allobroger auf,
von denen er hoffte, dass sie sich nach dem letzten Krieg noch nicht wieder beruhigt hätten. (8) Ihren führenden Männern versprach er
Geld, dem Stamm insgesamt aber die Herrschaft über die ganze römische Provinz.
65.
(1) Gegen alle Gefahren dieser Art hatten die Römer mit einer 22 Cohorten starken Schutztruppe vorgesorgt. Sie war in der Provinz selbst
ausgehoben worden und wurde von dem Legaten L. Caesar nach allen Seiten hin gegen den Feind eingesetzt. (2) Die Helvier, die sich auf
eigenen Entschluß hin mit ihren Grenznachbarn in einen Kampf eingelassen hatten, wurden geschlagen und nach dem Tod ihres
Stammesführers C. Valerius Domnotaurus, dem Sohn des Caburus und mehrerer anderer Stammesmitglieder in ihre Städte und
Befestigungen zurückgedrängt. (3) Die Allobroger stellten zahlreiche Wachposten am Rhoneufer auf und schätzten ihr Gebiet mit viel
Energie und Sorgfalt. (4) Da Caesar erkannte, dass die Feinde an Reiterei weit überlegen waren und dazu aus Italien und der Provinz kein
Nachschub zur Unterstützung kommen konnte, weil alle Wege gesperrt waren, schickte er Gesandte über den Rhein nach Germanien zu
den Stämmen, die er in den vergangenen Jahren unterworfen hatte. Er ließ von ihnen Reiter und leichtbewaffnete Fußsoldaten kommen,
die gewöhnt waren, gemeinsam mit den Reitern zu kämpfen. (5) Als sie eintrafen, jedoch keine sehr geeigneten Pferde hatten, nahm er den
Militärtribunen und den übrigen römischen Rittern und Evocaten ihre Pferde und verteilte sie an die Germanen.
66.
(1) Während er diese Maßnahmen durchführte, sammelten sich die feindlichen Einheiten aus dem Gebiet der Arverner und die Reiter, die
das gesamte Gallien stellen sollte. (2) Damit hatte Vercingetorix endlich ein großes Reiteraufgebot beisammen. Als Caesar am Rand des
lingonischen Gebietes entlang ins Land der Sequaner marschierte, um der Provinz leichter Unterstützung gewähren zu können, errichtete
Vercingetorix etwa 10 Meilen von den Römern entfernt drei Lager (3) und berief eine Versammlung der Reiterpraefecten ein, in der er
darlegte, dass der Augenblick des Sieges gekommen sei: Die Römer flohen in die Provinz und verließen Gallien. (4) Das erscheine ihm
ausreichend, um für den gegenwärtigen Zeitpunkt die Freiheit zu erlangen. Es sei jedoch zu wenig, um für die Zukunft Frieden nach außen
und Ruhe im Innern zu sichern. Wenn die Römer erst mehr Truppen aufgestellt hätten, würden sie zurückkehren und nicht aufhören, Krieg
zu führen. Daher solle man sie angreifen, während sie noch durch ihre Marschordnung behindert seien. (5) Wenn die römischen
Fußsoldaten den Ihren zu Hilfe kommen wollten und dies Vorhaben auch nicht aufgäben, könnten sie ihren Marsch nicht fortsetzen. Wenn
sie dagegen und er sei sicher, dass das dies eintreten werde ihren Troß im Stich ließen und für ihre eigene Rettung sorgten, verlören sie
nicht nur alles zum Leben Notwendige, sondern auch ihr Ansehen. (6) Was die Reiter der Feinde angehe, so dürften sie selbst keinen
Zweifel daran haben, dass keiner von ihnen auch nur ein wenig aus dem Heereszug auszuscheren wage. Um aber ihren Mut für den Angriff
zu stärken, werde er das gesamte Heer vor dem Lager aufstellen und den Feind damit in Schrecken versetzen. (7) Darauf riefen die
Praefecten, man müsse die Reiter durch einen besonders feierlichen Schwur verpflichten, unter kein Dach mehr zurückzukehren, ihre
Kinder, Eltern und Frauen nicht mehr zu sehen, ehe sie nicht zweimal durch den Heereszug der Feinde hindurchgeritten seien.
67.
(1) Der Vorschlag wurde gebilligt, und alle mußten sich durch den Schwur verpflichten. Am folgenden Tag teilte Vercingetorix die Reiterei
in drei Gruppen auf, so dass sie auf beiden Seiten unseres Zuges erschienen, während die dritte Gruppe begann, unsere Vorhut am
Weitermarsch zu hindern. (2) Auf die Nachricht hiervon teilte Caesar seine Reiterei ebenfalls in drei Gruppen und gab den Befehl, die
Feinde anzugreifen. Auf allen Seiten kam es gleichzeitig zum Kampf. (3) Der Heereszug stockte. Die Legionen nahmen den Troß in ihre
Mitte. (4) Wenn unsere Reiter auf einer Seite offensichtlich Mühe hatten und zu hart bedrängt wurden, ließ Caesar das Heer eine
Schwenkung machen und den Angriff des Fußvolks dorthin richten. Dieses Vorgehen erschwerte den Feinden das Vordringen und stärkte
bei unseren Reitern die Hoffnung auf Unterstützung. (5) Schließlich erreichten die Germanen auf dem rechten Flügel den Kamm eines
Gebirgszuges, vertrieben die Feinde von dort und verfolgten die Flüchtenden bis zum Fluß, wo Vercingetorix sieh mit den Fußtruppen
festgesetzt hatte. Sie konnten mehrere Feinde töten. (6) Als die übrigen 'dies bemerkten, fürchteten sie, eingekreist zu werden, und flohen.
Dabei wurden sie überall niedergemacht. (7) Man brachte drei Haeduer aus dem höchsten Adel zu Caesar: Den Reiterpraefecten Cotus,
der während der letzten Wahlversammlung die Auseinandersetzung mit Convictolitavis gehabt hatte, Cavarillus, der nach dem Abfall des
Litaviccus das Kommando über die Fußtruppen übernommen hatte, und Eporedorix, unter dessen Oberbefehl die Haeduer vor Caesars
Eintreffen mit den Sequanern Krieg geführt hatten.
68.
(1) Da die ganze Reiterei in die Flucht geschlagen worden war, zog Vercingetorix seine Truppen, so wie er sie vor dem Lager aufgestellt
hatte, ab und setzte sich anschließend nach Alesia in Marsch, einer Stadt der Manduhier. Gleichzeitig ordnete er an, rasch das schwere
Gepäck aus dem Lager fortzuschaffen und ihm damit sofort nachzufolgen. (2) Caesar befahl, das schwere Gepäck seines Heeres auf den
nächsten Hügel zu bringen, und ließ zu seinem Schutz zwei Legionen zurück, ehe er Vercingetorix folgte, soweit es die Tageszeit noch
zuließ. Dabei töteten seine Soldaten etwa 3000 Feinde aus der Nachhut. Am folgenden Tag schlug er sein Lager in der Nähe von Alesia
auf. (3) Nachdem er die Lage der Stadt erkundet hatte, mahnte er seine Soldaten, sich anzustrengen, und begann, einen Belagerungswall
rings um die Stadt zu errichten, während die Feinde noch in höchsten Schrecken versetzt waren, weil ihre Reiterei geschlagen worden war,
auf die sie das größte Vertrauen im Heer gesetzt hatten.
69.
(1) Die eigentliche Stadt Alesia lag hoch oben auf einem Hügel, so dass es aussah, als könne man sie nur durch eine Belagerung erobern.
(2) Die Ausläufer des Hügels stießen an zwei Seiten auf Flußläufe. (3) Vor der Stadt erstreckte sich auf etwa 3 Meilen in Längsrichtung
ebenes Gelände. (4) Ihre übrigen Seiten schlossen in einiger Entfernung Hügel ein, die fast die gleiche Steigung und Höhe hatten. (5) Am
Ostabhang hatten die gallischen Truppen das ganze Gelände dicht besetzt und dort einen Graben und eine sechs Fuß hohe Mauer aus
Lehm und Kies gezogen. (6) Der Umfang der Belagerungswälle, die die Römer errichteten, betrug 10 Meilen. (7) An geeigneten Punkten
hatten sie Lager errichtet, gleichzeitig mit 23 Castellen, wohin sie tagsüber kleinere Wachtposten legten, um einen überraschenden Ausfall
aus der Stadt zu verhindern. Nachts waren diese Castelle mit stärkeren Wachabteilungen belegt.
70.
(1) Als die Belagerungsarbeiten in Gang gekommen waren, fand auf dem ebenen Gelände, das sich, wie wir oben darlegten, zwischen den
Anhöhen auf 3 Meilen hin erstreckte, ein Reitergefecht statt. Auf beiden Seiten kämpfte man unter Einsatz aller Kräfte. (2) Als unsere
Reiter in Bedrängnis gerieten, schickte Caesar ihnen die Germanen zu Hilfe und stellte die Legionen vor dem Lager auf, um einem
plötzlichen Einbruch des feindlichen Fußvolks zuvorzukommen. (3) Die zusätzliche Deckung durch die Legionen stärkte unseren Reitern
den Mut. Sie schlugen die Feinde in die Flucht, die sich infolge ihrer großen Zahl selbst im Weg standen und sich in den Öffnungen
zusammendrängten, die man beim Bau der Mauer gelassen hatte und die sich nun als zu eng erwiesen. (4) Die Germanen folgten innen
ziemlich stürmisch bis zur Mauer nach. (5) Dort kam es zu einem großen Gemetzel. Einige Gallier ließen ihre Pferde im Stich und
versuchten, den Graben zu überqueren und über die Mauer zu klettern. Caesar ließ die Legionen, die er vor dem Lagerwall aufgestellt
hatte, etwas vorrücken. (6) Die Gallier, die sich innerhalb der Befestigungsanlagen zwischen der Lehm und der Stadtmauer befanden,
wurden nicht weniger in Schrecken versetzt. Sie glaubten, die Römer kämen sofort auf sie zu, und riefen zu den Waffen. Einige verloren
den Kopf und stürzten in die Stadt. (7) Vercingetorix befahl, die Stadttore zu schließen, um nicht sein Lager von Verteidigern entblößt zu
sehen. Nachdem die Germanen viele Feinde niedergemacht und eine Anzahl von Pferden erbeutet hatten, zogen sie sich zurück.
71.
(1) Vercingetorix faßte den Plan, die gesamte Reiterei bei Nacht fortzuschicken, ehe die Römer die Belagerungswerke vollendet hätten. (2)
Als sie abrückten, gab er jedem den Auftrag, sich an seinen jeweiligen Stamm zu wenden und alle zum Kriegsdienst einzuberufen, die dem
Alter nach waffenfähig wären. (3) Er stellte ihnen seine Verdienste um sie vor Augen und beschwor sie, für seine Rettung zu sorgen und ihn
nicht der Mißhandlung durch die Feinde auszuliefern, da er sich so sehr um die gemeinsame Freiheit verdient gemacht habe. Er wies sie
darauf hin, dass gemeinsam mit ihm 80000 ausgewählte Männer den Tod finden würden, falls sie nicht gewissenhaft genug zu Werke
gingen. (4) Nach seinen Berechnungen habe er für knapp 30 Tage Getreide, aber durch sparsame Zuteilung könne er es auch noch etwas
länger aushalten. (5) Mit diesen Aufträgen sandte er die Reiterei um die 2. Nachtwache durch eine Lücke in unserer Einschließung in aller
Stille fort. (6) Er gab den Befehl, das gesamte Getreide zu ihm zu bringen, und setzte die Todesstrafe für die fest, die dieser Anordnung
nicht nachkämen. (7) Das Kleinvieh, das man in großer Menge von den Mandubiern eingetrieben hatte, verteilte er an jeden einzeln, das
Getreide ließ er sparsam nach und nach zumessen. (8) Alle Truppen, die er vor der Stadt aufgestellt hatte, zog er in die Stadt zurück. (9)
Auf diese Weise rüstete er sich, Unterstützung aus Gallien abzuwarten und den Krieg weiterzuführen.
72.
(1) Als Caesar hiervon durch Überläufer und Gefangene erfuhr, ging er daran, folgende Arten von Befestigungen anzulegen. Er ließ einen
Graben von 20 Fuß mit senkrechten Sitten ziehen, dessen Boden die gleiche Abmessung hatte wie der Abstand zwischen den oberen
Rändern. (2) Alle übrigen Belagerungswerke ließ er 400 Schritt von diesem Graben entfernt anlegen. Da er notwendigerweise eine so
große Strecke erfassen mußte, das ganze Belagerungswerk jedoch nur schwer ringsum mit Soldaten besetzen konnte, war seine Absicht
dabei, zu verhindern, dass sich nachts unversehens eine große Anzahl von Feinden der Befestigung näherte und dass sie tagsüber
Wurfgeschosse auf unsere Soldaten werfen konnten, deren Aufmerksamkeit ganz auf die Schanzarbeiten gerichtet war. (3) Nachdem er
diesen 400 Schritt breiten Streifen dazwischengelegt hatte, ließ er zwei 15 Fuß breite Gräben von gleicher Tiefe ziehen. Den inneren füllte
er an den ebenen und niedrigen Stellen mit Wasser, das er aus dem Fluß ableitete. (4) Hinter den Gräben ließ er einen Erddamm mit einer
Mauer von zwölf Fuß errichten. Diese Belagerungsmauer wurde zusätzlich mit Brustwehr und Zinnen versehen, wobei große, sich gabelnde
Baumstämme an den Verbindungen zwischen Brustwehr und Mauer herausragten, die den Feinden das Hinaufklettern erschweren sollten.
Auf dem ganzen Bauwerk ließ er rings Türme errichten, die 80 Fuß voneinander entfernt waren.
73.
(1) Während dieser Zeit mußten die Soldaten Getreide und Bauholz beschaffen und an den umfangreichen Belagerungswerken arbeiten.
Dadurch verminderte sich unsere Truppenstärke, weil die Soldaten sich etwas weiter vom Lager entfernten. Die Gallier hatten schon einige
Male versucht, die Arbeiten zu stören und aus mehreren Toren zugleich mit aller Gewalt einen Ausfall aus der Stadt zu machen. (2) Caesar
glaubte daher, man müsse noch zusätzlich daran arbeiten, dass die Belagerungswerke mit einer kleineren Zahl von Soldaten verteidigt
werden könnten. Er ließ daher Baumstämme und ziemlich starke Äste schneiden, ihre Spitzen abschälen und zuspitzen, dann fünf Fuß tiefe,
durchlaufende Gräben ziehen. (3) Die spitzen Pfähle wurden in den Boden eingelassen und festgemacht, damit man sie nicht herausreißen
konnte; mit ihren Zweigen ragten sie oben heraus. (4) jeweils fünf Reihen wurden miteinander verbunden und verflochten. Wenn jemand in
diese Gräben geriet, blieb er in den äußerst spitzen Hindernissen stecken. Die Soldaten nannten sie Leichensteine. (5) Vor diesen wurden
drei Fuß tiefe Gruben gegraben, die in schräger Reihe kreuzförmig angeordnet waren und nach unten zu allmählich schmaler wurden. (6)
Hier wurden glatte, länglich runde Pfähle von Schenkeldicke eingesetzt, die oben spitz und durch Feuer gehärtet waren. Sie ragten nicht
weiter als vier Finger breit aus der Erde hervor. (7) Um sie zu befestigen und ihnen Halt zu geben, wurde jeder einzelne Pfahl am
Grabenboden in ein Fuß hoher Erde festgestampft, den restlichen Teil der Gruben deckte man mit Weidenruten und Strauchwerk zu, um
die Falle zu verbergen. (8) Von dieser Art wurden mit einem Zwischenraum von drei Fuß acht Reihen gegraben. Die Soldaten nannten sie
Lilien, da sie Ähnlichkeit mit dieser Blume besaßen. (9) Vor ihnen wurden fußlange Pflöcke mit eisernen Widerhaken ganz in die Erde
eingegraben und überall mit nur kleinen Zwischenräumen verteilt. Die Soldaten nannten sie Ochsenstacheln.
74.
(1) Nach Vollendung dieser Arbeiten legte Caesar in einem Umkreis von 14 Meilen gleiche Befestigungen der erwähnten Art an, wobei er,
soweit es die Landschaft zuließ, möglichst ebenem Gelände folgte. Diese Befestigungen lagen in entgegengesetzter Richtung und waren
nach außen gegen den Feind gekehrt, um zu verhindern, dass selbst starke feindliche Truppen, falls diese nach dem Abzug der Reiter
einträfen, die Mannschaften, die die Belagerungswerke schätzten, einkreisen könnten. (2) Um nicht gezwungen zu werden, unter Gefahr
das Lager zu verlassen, ließ er Jeden Getreide und Futter für 30 Tage herbeischaffen und vorrätig halten.
75.
(1) Während dies bei Alesia geschah, war eine Versammlung der gallischen Stammesfürsten einberufen worden, die beschlossen, nicht, wie
es Vercingetorix gefordert hatte, alle Waffenfähigen einzuberufen, sondern für jeden Stamm nur eine bestimmte Zahl festzusetzen. Damit
sollte verhindert werden, dass man, wenn eine so große Menge zusammenströme, die Übersicht verlöre und weder die eigenen Soldaten
auseinanderhalten noch für ausreichende7Getreidezufuhr sorgen könne. (2) Die Haeduer und ihre Schutzbefohlenen, die Segusiaver,
Ambivareter, Aulercer, Brannovicer und Blannovier sollten 35000 Mann stellen, die Arverner mit Eleutetern, Cadurcern, Gabalern und
Vellaviern, die von jeher unter ihrer Herrschaft gestanden hatten, die gleiche Zahl. (3) Die Sequaner, Senonen, Bituriger, Santonen,
Rutener und Carnuten sollten je 12000 Soldaten stellen, die ]3eIlovacer 10000; ebenso viele auch die Lemovicer; je 8000 die Pictonen,
Turonen, Parisier und Helvetier; je 6000 die Suessionen, Ambianer, Mediomatricer, Petrocorier, Nervier, Moritier und Nitiobroger; 5000
die Aulercer-Cenomanen, ebenso viele die Atrebaten; 4000 die Veliocasser; Lexovier und Alercer-Eburovicer je 3000, die Bojer 2000; (4)
insgesamt 10 000 die Stämme, die am Ozean leben und nach gallischem Brauch Aremoricer genannt werden - zu ihnen gehören die Corlo
sollten, Redonen, Ambibarier, Caleten, Osismer, Veneter, Lemovicer und Uneller. (5) Nur die Bellovacer entsandten die von ihnen
geforderte Zahl nicht, weil sie, wie sie sagten, in eigenem Namen und nach eigenem Ermessen mit den Römern Krieg führen und sich
keinem fremden Oberbefehl unterwerfen wollten. Auf Grund ihrer Freundschaft mit Commius sandten sie jedoch auf seine Bitte hin 2000
Soldaten.
76.
(1) Dieser Commius hatte, wie wir oben schilderten, in den vergangenen Jahren Caesar in Britannien zuverlässige und nützliche Dienste
geleistet. Caesar hatte daraufhin seinen Stamm als Lohn für seine Verdienste von Abgaben befreit, ihm seine alten Gesetze und seine alte
Verfassung zurückgegeben und ihm die Moriner unterstellt. (2) Jetzt aber herrschte in ganz Gallien ein so einmütiges Streben danach, die
Freiheit wiederzugewinnen und den früheren Kriegsruhm wiederherzustellen, dass sich keiner durch früher erwiesene Vergünstigungen und
durch die Erinnerung an die Freundschaft mit dem römischen Volk beeinflussen ließ. Statt dessen traten alle mit Begeisterung und unter
Einsatz ihrer gesamten Mittel in den Krieg ein. (3) Nachdem man 8000 Reiter und etwa 250000 Fußsoldaten aufgestellt hatte, wurden sie
im Gebiet der Haeduer noch einmal gemustert und gezählt. Dann wurden die Praefecten ernannt. (4) Den Oberbefehl übertrug man dem
Atrebaten Comunius, den Haeduern Viridomarus und Eporedorix und dem Arverner Vercassivellaunus, einem Vetter des Vercingetorix.
Gewählte Vertreter aus den einzelnen Stämmen wurden ihnen an die Seite gestellt, um mit ihnen gemeinsam die Durchführung des Krieges
zu übernehmen. (5) Voll Begeisterung und Zuversicht brachen alle nach Alesia auf, (6) und es gab nicht einen unter ihnen, der nicht glaubte,
der Feind könne den bloßen Anblick einer solchen Menge nicht aushalten. Diese Ansicht wurde noch dadurch gestärkt, dass es sich um
einen Kampf nach zwei Seiten handeln würde, wenn gleichzeitig ein Ausfall aus der Stadt erfolgte und draußen eine derartige Zahl von
Reiterei und Fußvolk erschiene.
77.
(1) Die Feinde, die in Alesia belagert wurden, hatten, als der Termin vorübergegangen war, zu dem sie Hilfstruppen erwarteten, ihr
gesamtes Getreide verbraucht. Da sie nicht wußten, was bei den Haeduern vor sich ging, hatten sie eine Versammlung einberufen, um über
ein Ausgang ihres Schicksals zu beraten. (2) Dabei wurden verschiedene Meinungen laut: Ein Teil entschied sich für eine Kapitulation,
andere waren dafür, einen Ausfall zu machen, solange ihre Kräfte noch dazu reichten. Hier darf die Rede des Critognatus nicht übergangen
werden wegen ihrer einzigartigen und gottlosen Grausamkeit. (3) Er stammte aus einer überaus vornehmen Familie bei den Arvernern, und
man hielt ihn für sehr einflußreich. »Ich werde nichts zu der Meinung derer sagen«, erklärte er, »die die schmählichste Sklaverei mit
Kapitulation bezeichnen, doch glaube ich, dass man sie nicht mehr als Bürger betrachten und zur Versammlung hinzuziehen sollte. (4) Es
geht mir um die, die für einen Ausfall sind. Obwohl in ihrem Vorschlag nach euer aller Meinung offensichtlich die Erinnerung an eure
frühere Tapferkeit wohnt, so ist das doch keine Tapferkeit, sondern Verweichlichung, (5) die unfähig ist, Tür kurze Zeit Entbehrungen zu
ertragen. Man findet leichter Menschen, die bereit sind, freiwillig in den Tod zu gehen, als solche, die geduldig Schmerz ertragen. (6) Ich
würde mich trotzdem diese Meinung anschließen so viel gilt bei mir unser Ansehen -, wenn ich sähe, dass es sich nur um den Verlust
unseres Lebens handelte; (7) wir müssen aber bei unserem Entschluß ganz Gallien berücksichtigen, das wir bestürmt haben, uns zu helfen.
(9) Was glaubt ihr, in welche Gemütsverfassung unsere Freunde und Verwandten geraten werden, wenn sie nach dem Tod von 80 000
Menschen an einer einzigen Stelle gezwungen werden, fast auf den Leichen selbst um die Entscheidung zu kämpfen? (9) Ihr dürft die
Männer eurer Unterstützung nicht berauben, die ihre eigene Gefahr vergessen haben, um euch zu retten; ihr dürft nicht aus Dummheit,
Unbesonnenheit oder Willensschwäche ganz Gallien vernichten und ewiger Sklaverei anheimgeben. (10) Oder zweifelt ihr an ihrer Treue
und Entschlossenheit, weil sie nicht zu dem festgesetzten Termin gekommen sind? Wie also? Glaubt ihr, die Römer mühten sich zum
Vergnügen täglich auf den äußeren Teilen ihrer Befestigungen ab? (11) Wenn ihr von jenen nicht durch Botschaften Gewißheit erlangen
könnt, weit jeder Zugang zur Stadt gesperrt ist, so nehmt das als Zeugnis dafür, dass ihre Ankunft näherrückt, denn die Feinde bleiben in
Furcht und Schrecken davor Tag und Nacht bei ihrer Arbeit. (12) Was also ist mein Rat? Das zu tun, was unsere Ahnen im Krieg gegen die
Cimbern und Teutonen taten, der völlig anders aussah. Unsere Landsleute, die damals in die Städte zurückgetrieben worden waren und
unter ähnlichem Mangel litten, hielten sich mit den Körpern derer am Leben, die auf Grund ihres Alters für den Krieg nicht mehr tauglich
schienen, und ergaben sich den Feinden nicht. (13) Auch wenn wir das Beispiel für diese Handlungsweise nicht hätten, müßte man es,
glaube ich, um der Freiheit willen einfuhren und der Nachwelt als besonders schön überliefern. (14) Denn wie könnte man den damaligen
Krieg mit dem gegenwärtigen vergleichen? Zwar hatten die Cimbern Gallien völlig verwüstet und großes Unglück über unser Land
gebracht, doch zogen sie irgendwann einmal aus unserem Gebiet ab und suchten andere Länder auf. Unsere Verfassung, unsere Gesetze,
unsere Felder, unsere Freiheit ließen sie uns. (15) Worauf aber gehen die Römer, die allein der Neid auf uns bewegt, weil sie uns als
hochberühmt und kriegstüchtig kennen, sonst aus, und was wollen sie anderes, als sich in unserem Land und Stammesgebiet festzusetzen
und uns in ewige Sklaverei zu bringen? Niemals haben sie Kriege mit einem anderen Ziel geführt. (16) Selbst wenn ihr nicht wißt, was in
weit entfernten Ländern geschieht, richtet euren Blick nur auf das angrenzende Gallien, das zur Provinz gemacht wurde, dessen Recht und
Gesetz die Römer veränderten, das, den römischen Beilen unterworfen, in ewiger Sklaverei schmachtet.<<
78.
(1) Nachdem verschiedene Anträge gestellt worden waren, beschlossen die Feinde, dass die auf Grund ihrer Gesundheit oder ihres Alters
kriegsuntauglichen Männer die Stadt verlassen sollten und dass sie selbst eher jedes andere Schicksal erleiden wollten, als auf den
Vorschlag des Critosicratus zurückzukommen. (2) Trotzdem wollten sie lieber an seinen Plan halten, wenn es notwendig würde und die
Hilfstruppen ausblieben, als die Möglichkeit eines Kapitulationsangebots oder Friedensangebots in Erwägung zu ziehen. (3) Die
Mandubier, die sie in ihre Stadt aufgenommen hatten, zwangen sie, mit Frauen und Kindern auszuziehen. (4) Als diese zu den
Verschanzungen der Römer kamen, baten sie diese flehentlich und unter Tränen, sie in die Sklaverei aufzunehmen und mit Nahrung zu
versorgen. (5) Caesar hatte jedoch Wachtposten auf dem Wall verteilt und verbot, sie aufzunehmen.
79.
(1) In der Zwischenzeit gelangten Commius und die übrigen Heerführer, denen der Oberbefehl erteilt worden war, mit dem gesamten Heer
vor Alesia an, lagerten auf einem Hügel außerhalb unserer Stellungen und setzten sich nicht weiter als 1 Meile von unseren
Belagerungswällen entfernt fest. (2) Am folgenden Tag ließen sie die Reiterei aus dem Lager ausrücken, die das gesamte ebene Gelände
ausfüllte, das sich, wie gesagt, 3 Meilen in Längsrichtung erstreckte. Die Fußtruppen stellten sie etwas weiter von dieser Stelle entfernt
auf den Anhöhen auf. (3) Von der Stadt Alesia aus konnte man auf die Ebene hinunterblicken. Als die Ersatztruppen sichtbar wurden, lief
alles zusammen, wünschte sich untereinander Glück, und jeden erfüllte lebhafte Freude. (4) Sie führten die Truppen heraus, lagerten vor
der Stadt, deckten den ersten Graben mit Flechtwerk zu und füllten ihn mit Erde auf, um sich so auf einen Ausbruch und alle möglichen
Zwischenfälle vorzubereiten.
80.
(1) Caesar hatte das gesamte Heer auf beiden Seiten des Befestigungsgürtels so verteilt, dass, wenn es zum Ernstfall käme, jeder an
seinem Platz stünde und ihn kannte. Dann ließ er die Reiterei aus dem Lager führen und den Kampf eröffnen. (2) Von allen Lagern, die
sich auf den Anhöhen ringsum befanden, hatte man einen guten Ausblick, und die Soldaten verfolgten alle gespannt den Verlauf des
Kampfes. (3) Die Gallier hatten zwischen die Reiter einzelne Bogenschützen und leichtbewaffnete Fußsoldaten verteilt; falls die Reiter
zurückweichen mußten, sollten sie ihnen zu Hilfe kommen und den Ansturm unserer Reiter aufhalten. Mehrere unserer Reiter wurden
unvorhergesehen von ihnen verwundet und verließen den Kampfplatz. (4) Als die Gallier die Zuversicht gewannen, dass ihre Soldaten im
Kampf die Oberhand behielten, und sahen, dass die Unseren von der Übermacht bedrängt wurden, unterstützten nicht nur die, die sich bei
den Verschanzungen festgesetzt hatten, sondern auch die, die zur Unterstützung gekommen waren, von allen Seiten den Mut der Ihren
durch Geschrei und Kampfesrufe. (5) Da das Geschehen vor den Augen aller stattfand und weder heldenhaftes noch schmähliches
Verhalten verborgen bleiben konnte, stachelten Ruhmgier und Furcht vor Schande beide Seiten zu höchster Tapferkeit an. (6) Als der
Kampf vom Mittag bis fast zum Sonnenuntergang gedauert hatte, jedoch noch keine Entscheidung gefallen war, konzentrierten die
Germanen ihre Reiterabteilungen alle auf eine Stelle, machten einen Sturmangriff auf die Feinde und vertrieben sie; (7) als sie sie in die
Flucht geschlagen hatten, umringten sie die Bogenschützen und töteten die Reiter. (8) Auch an den übrigen Stellen verfolgten unsere
Soldaten die nun weichenden Feinde bis zum Lager und ließen ihnen keine Möglichkeit, sich wieder zu sammeln. (9) Die Feinde, die aus
Alesia vorgerückt waren, zogen sich niedergeschlagen und fast am Sieg verzweifelnd in die Stadt zurück.
81.
(1) Nach einer Unterbrechung von einem Tag, währenddessen sie eine große Menge von Reisiggeflecht, Leitem und an Stangen
befestigten Haken hergestellt hatten, verließen die Gallier um Mitternacht in aller Stille das Lager und näherten sich den der Ebene zu
gelegenen Verschanzungen. (2) Plötzlich erhoben sie das Kampfgeschrei, um dadurch denen, die in der Stadt belagert wurden, anzuzeigen,
dass sie herankamen, und gingen daran, Reisig auf den Graben zu werfen und mit Schleudern, Pfeilen und Steinen unsere Soldaten vom
Belagerungswall zu vertreiben. Gleichzeitig setzten sie alles übrige, was zu einem Sturmangriff gehört, in Gang. (3) Im gleichen Augenblick,
als Vercingetorix das Kampfgeschrei vernahm, gab er seinen Soldaten mit der Tuba das Angriffssignal und führte sie aus der Stadt hinaus.
(4) Da jedem unserer Soldaten in den vergangenen Tagen sein Platz angewiesen worden war, eilten sie zu den Befestigungen dorthin. Mit
pfundschweren Steinen, vorn angekohlten Spitzpfählen und Schleuderkugeln, die sie auf der Verschanzung bereitgelegt hatten, vertrieben
sie die Gallier. (5) Da man in der Finsternis nichts sah, gab es auf beiden Seiten viele Verwundete, auch weil mehrfach mit Wurfmaschinen
Geschosse geschleudert wurden. (6) Wenn die Legaten M. Antonius und C. Trebonius, die die Aufgabe erhalten hatten, diese Teile der
Belagerungswerke zu verteidigen, merkten, dass unsere Soldaten irgendwo in Bedrängnis gerieten, sandten sie ihnen Soldaten zur
Unterstützung, die man aus den Lagern auf der anderen Seite herangeholt hatte.
82.
(1) Solange die Gallier von unseren Verschanzungen noch weiter entfernt waren, konnten sie einiges durch die Überzahl ihrer
Wurfgeschosse ausrichten; als sie aber später näherkamen, spießten sie sich entweder nichtsahnend an den Ochsenstacheln auf oder
stürzten in die Gräben und wurden dort durchbohrt. Zudem wurden sie von den Mauerspießen vom Wall und von den Türmen her getroffen
und kamen um. (2) Da es bei ihnen überall viele Verwundete gab und die Belagerungslinie an keiner Stelle durchbrochen wurde, zogen sie
sich daher bei Tagesanbruch zu den Ihren zurück, aus Furcht, von den höher gelegenen Lagern aus durch einen Überraschungsangriff von
der offenen Flanke her eingekreist zu werden. (3) Die eingeschlossenen Feinde aber hatten das für einen Ausfall vorbereitete Material
herbeigebracht und die vorderen Gräben ausgefüllt, (4) sich dabei jedoch zu lange aufgehalten, so dass sie vom Abzug der Ihren erfuhren,
ehe sie an unsere Befestigungen herangekommen waren. Daraufhin kehrten sie unverrichteter Dinge in die Stadt zurück.
83.
(1) Nachdem sie zweimal unter großen Verlusten zurückgeschlagen worden waren, berieten die Gallier, was sie jetzt tun sollten. Dabei
zogen sie Ortskundige hinzu. Von diesen erfuhren sie alles Über den Standort und die Befestigung der höher gelegenen Lager. (2) Im
Norden befand sich eine Anhöhe, die unsere Soldaten wegen ihres großen Umfangs nicht völlig in die Befestigungslinie hatten einschließen
können. Sie waren daher gezwungen, ihr Lager an einer leicht abfallenden und daher verhältnismäßig ungünstigen Stelle zu errichten. (3)
Die Legaten C. Antistius Reginus und C. Caninius Reus hielten sie mit zwei Legionen besetzt. (4) Als die feindlichen Führer durch Späher
das Gelände erkundet hatten, wählten sie aus dem gesamten Heer 60 000 Angehörige der Stämme aus, die für ihre Tapferkeit am
bekanntesten waren. (5) Dann setzten sie insgeheim untereinander fest, wie und nach welchem Plan man am besten vorgehen sollte. Der
Zeitpunkt für den Angriff wurde festgesetzt, wobei die Mittagszeit am günstigsten schien. (6) An die Spitze dieser Truppen stellten sie den
Arverner Vercassivellaunus, einen der erwähnten vier Heeresführer; er war mit Vercingetorix verwandt. (7) Um die 1. Nachtwache rückte
er aus dem Lager aus und hatte bei Tagesanbruch fast die Marschstrecke bewältigt. Er verbarg sich hinter dem Berg und ließ die Soldaten
nach der nächtlichen Anstrengung ausruhen. (8) Als es schon Mittag zu werden schien, marschierte er rasch gegen das oben erwähnte
Lager. Im gleichen Augenblick begann die Reiterei, auf die nach der7Ebene zu liegenden Befestigungen vorzurücken, während die übrigen
Truppen vor dem Lager erschienen.
84.
(1) Als Vercingetorix seine Leute in Alesia von der Burg aus erblickte, zog er aus der Stadt und ließ Reisiggeflecht, lange Stangen,
Schutzdächer, Sicheln und alles andere, was er für, einen Ausfall vorbereitet hatte, mitnehmen. (2) überall wurde gleichzeitig gekämpft, und
alle versuchten ihr Äußerstes. Wo unsere Stellung am schwächsten schien, da liefen die Feinde zusammen. (3) Die kleine Schar der Römer
war dagegen durch den Umfang der Verschanzungen weit auseinandergezogen und konnte nur mit Mühe dem Feind an mehreren Stellen
zugleich entgegentreten. (4) Zudem trug das Kampfgeschrei, das sich im Rücken der Kämpfenden erhob, viel dazu bei, unsere Soldaten zu
erschrecken, weil sie sahen, dass sie in ihrer Gefahr auf die Tapferkeit der anderen angewiesen waren. (5) Denn in der Regel bringt die
Menschen alles, was sie nicht sehen, viel heftiger in Verwirrung.
85.
(1) Caesar hatte eine geeignete Stelle gefunden, von der aus er beobachten konnte, was an den einzelnen Punkten geschah. Wenn seine
Soldaten in Bedrängnis gerieten, sandte er ihnen Unterstützung. (2) Beiden Seiten war klar, dass dies der Augenblick sei, wo man sich aufs
äußerste anstrengen müsse. (3) Die Gallier mußten alle Hoffnung auf Rettung aufgeben, wenn sie unsere Verschanzungen nicht
durchbrachen. Die Römer konnten das Ende aller ihrer Anstrengungen erwarten, wenn sie sich behaupteten. (4) Bei den höher gelegenen
Verschanzungen wurde am heftigsten gekämpft. Wie erwähnt, war Vercassivellaunus dorthin gesandt worden. Hier war das ungünstige
Gelände mit dem steilen Abhang von großer Bedeutung. (5) Die einen Feinde warfen Geschosse, die anderen rückten im Schutz eines
Schilddaches vor. Immer wieder wurden erschöpfte Soldaten durch f tische Kräfte abgelöst. (6) Da die Gallier unsere Befestigungen überall
mit Erde zugeschüttet hatten, konnten sie heraufkommen, wobei sie die Einrichtungen, die die Römer in der Erde verborgen hatten,
zudeckten. Unsere Soldaten hatten mit der Zeit nicht mehr genügend Waffen und Kräfte.
86.
(1) Als Caesar von dieser Lage erfuhr, sandte er den Bedrängten Labienus mit sechs Cohorten zu Hilfe. (2) Er gab Anweisung, die
Cohorten herabzuführen und die feindlichen Linien zu durchbrechen, wenn sie ihre Stellung nicht halten könnten. Labienus sollte dies
jedoch nur 'in äußersten Notfall tun. (3) Caesar selbst begab sich zu den restlichen Truppen und feuerte sie an, sich nicht von der
Anstrengung überwältigen zu lassen. Er erklärte, die Früchte aller vorhergegangenen Kämpfe stünden an diesem Tag und zu dieser Stunde
auf dem Spiel. (4) Die Feinde, die auf der Innenseite angriffen, gaben es wegen des großen Umfanges der Befestigung auf, in die Ebene
durchzubrechen, und versuchten nun, die steilen Abhänge zu ersteigen. Hierher brachten sie alles, was sie vorbereitet hatten. (5) Mit einer
Unzahl von Wurfgeschossen vertrieben sie unsere Widerstand leistenden Soldaten von den Türmen, füllten die Gräben mit Erde und
Strauchwerk aus und rissen den Wall und die Brustwehr mit Mauersicheln ein.
87.
(1) Zunächst sandte Caesar den jungen Brutus mit einigen Cohorten zu Hilfe, dann den Legaten C. Fabius mit weiteren Cohorten. Als
immer heftiger gekämpft wurde, setzte er sich selbst an die Spitze frischer Cohorten, die er rasch zur Unterstützung heranführte. (2)
Daraufhin begann die Schlacht von neuem, und die Feinde wurden in die Flucht geschlagen. jetzt eilte Caesar zu der Stelle, wohin er
Labienus gesandt hatte. Aus dem nächsten Castell führte er vier Cohorten herab und befahl einem Teil der Reiter, ihm zu folgen, anderen,
die äußeren Verschanzungen zu umgehen und den Feind von hinten anzugreifen. (3) Da weder unsere Erdaufschüttungen noch unsere
Gräben dem Ansturm des Feindes standhalten konnten, hatte Labienus elf Cohorten zusammengezogen, die er gerade aus den
nächstgelegenen Castellen heranführen konnte, und ließ Caesar durch einen Boten wissen, wie er jetzt vorgehen wolle. Caesar beeilte sich,
selbst in den Kampf einzugreifen.
88.
(1) Als die Gallier Caesars Heranrücken an der Farbe seiner Kleidung, die er gewöhnlich als Erkennungszeichen im Kampf trug,
erkannten, zugleich die Reiterabteilungen und Cohorten sahen, denen er befohlen hatte, ihm zu feigen, begannen sie den Kampf, denn von
den Anhöhen aus konnten sie die Steigungen und Senkungen überblicken. (2) Auf beiden Seiten erhob man das Kampfgeschrei, das
unmittelbar darauf vom Wall und von Galgen Punkten der Befestigungslinie aufgenommen wurde. Unsere Soldaten verzichteten auf die
Wurfspieße und kämpften gleich mit dem Schwert. (3) Plötzlich wurde im Rücken der Feinde die Reiterei sichtbar, während zugleich weitere
Cohorten anrückten. Da wandten sich die Feinde zur Flucht, doch trat die Reiterei den Fliehenden entgegen. Es gab ein großes Gemetzel.
Der Führer und Stammesfürst der Lemovicer, Sedullus, fiel. (4) Der Arverner Vercassivellaunus wurde auf der Flucht lebend gefangen. 74
erbeutete Feldzeichen wurden Caesar überbracht. Nur wenige aus der riesigen Zahl retteten sich unversehrt ins Lager. (5) Als die Feinde
von der Stadt aus sahen, wie die Ihren fielen oder flohen, gaben sie die Hoffnung auf Rettung auf und wichen mit ihren Truppen von den
römischen Befestigungslinien zurück. (6) Auf die Nachricht hiervon flohen die Gallier ihrerseits darüber hinaus auch aus dem Lager. Wenn
unsere Soldaten nicht durch die zahlreichen Einsätze und die Anstrengung des ganzen Tages erschöpft gewesen wären, hätten sie die
gesamte Streitmacht des Feindes vernichten können. (7) Caesar schickte die Reiterei aus, die die Nachhut der Feinde um Mitternacht
erreichte und eine große Zahl von ihnen fing oder tötete. Die übrigen Feinde flohen und zogen zu ihren jeweiligen Stämmen.
89.
(1) Am folgenden Tag berief Vercingetorix eine Versammlung ein und wies darauf hin, dass er diesen Krieg nicht um seiner eigenen
Interessen, (2) sondern um der gemeinsamen Freiheit willen unternommen habe. Da man sich nun in den Willen des Schicksals fügen
müsse, stehe er ihnen für beides zur Verfügung, sei es, dass sie den Römern durch seinen Tod Genugtuung leisten oder ihn lebend
ausliefern wollten. Zu Verhandlungen darüber schickte man Gesandte an Caesar. (3) Er befahl, die Waffen auszuliefern und ihm die
fahrenden Männer vorzufahren. (4) Er selbst nahm auf der Befestigung vor dem Lager Platz. Dort wurden ihm die feindlichen Heerführer
vorgeführt. Vercingetorix wurde ausgeliefert und die Waffen wurden niedergelegt. (5) Unter Schonung der Haeduer und Arverrier, deren
Stämme er durch Vermittlung ihrer führenden Männer für sich zu gewinnen hoffte, wies er dem ganzen Heer aus den restlichen
Gefangenen je einen als Beute zu.
90.
(1) Nach diesen Maßnahmen brach Caesar zu den Haeduern auf und nahm sie wieder unter seine Schutzherrschaft. (2) Die Arverner
schickten Gesandte dorthin mit der Zusage, alles zu tun, was er befehle. Er forderte die Stellung einer großen Zahl von Geiseln. Dann
sandte er die Legionen in die Winterlager. (3) Den Haeduern und Arvernern gab er ungefähr 20 000 Gefangene zurück. (4) T. Labienus
wies er an, mit zwei Legionen und der Reiterei ins Gebiet der Sequaner aufzubrechen, und gab ihm zur Unterstützung M. Sempronius
Rutilus mit. (5) Den Legaten C. Fabius und L. Minucius Basilus legte er mit zwei Legionen zu den Remern, um zu verhindern, dass diese
durch die angrenzenden Bellovacer in Bedrängnis gerieten. (6). Mit je einer Legion schickte er C. Antistius Reginus zu den Ambivaretern,
T. Sextius zu den Biturigern und C. Caninius Rebilus zu den Rutenern. (7) Q. Tullius Cicero und P. Sulpicius stationierte er im Gebiet der
Haeduer am Arar in Cavillonum und Matisco, wo sie die Getreideversorgung übernehmen sollten. Er selbst beschloß, den Winter in
Bibracte zu verbringen. (8) Als die Erfolge dieses Jahres in Rom bekannt wurden, ehrte man ihn mit einem Dankfest von 20 Tagen.
Liber VIII
1.
(1) Da du mich mit ständigen Aufforderungen bedrängt hast, Balbus, so dass meine von Tag zu Tag wiederholte Weigerung eher den
Eindruck erweckte, ich wolle mich für meine Trägheit entschuldigen als um Nachsicht bitten, weil die Aufgabe zu schwierig sei, (2) habe ich
mich an das unerhört schwierige Unternehmen gemacht, einen verbindenden Text zu den Berichten unseres Caesars über seine
Kriegstaten in Gallien zu schreiben, weil seine folgenden Werke mit den vorhergehenden nicht zusammenhängen. Sein letztes,
unvollendetes Werk habe ich von den Kämpfen in Alexandria bis zum Schluß, zwar nicht des Bürgerkrieges da ist noch kein Ende
abzusehen -, wohl aber bis zum Tod Caesars zu Ende geführt. (3) Ich wünschte nur, dass künftige Leser wissen könnten, wie widerwillig ich
an das Verfassen dieser Berichte gegangen bin. Dann fiele der Vorwurf der Torheit und Anmaßung nicht mehr so leicht auf mich, dem ich
mich dadurch aussetze, dass ich meinen Bericht in Caesars Schriften einschiebe. (4) Denn es steht bei allen fest, dass kein noch so
kunstvolles Werk von anderen verfaßt wurde, das die »Commentarien« nicht an Schönheit überträfen. (5) Obwohl sie herausgegeben
wurden, damit es Geschichtsschreibern nicht an Kenntnis so großer Kriegstaten fehle, waren sie nach allgemeinem Urteil so gut, dass es
schien, als habe Caesar den Autoren die Möglichkeit genommen, nicht etwa geboten, über seine Taten zu schreiben. (6) Unsere
Bewunderung dafür geht jedoch weit über die der anderen hinaus. Denn die anderen kennen sie als gut und sorgfältig überarbeitet, wir
jedoch wissen, wie leicht und schnell sie Caesar geschrieben hat. (7) Er besaß nicht nur schriftstellerische Begabung und einen höchst
eleganten Stil, sondern auch größte Erfahrung darin, seine Pläne klar darzulegen. (8) Ich hatte nicht einmal Gelegenheit, am
alexandrinischen oder africanischen Krieg teilzunehmen. Obwohl mir diese Kriegszüge teilweise aus Gesprächen mit Caesar bekannt sind,
hören wir die Dinge doch anders an, wenn uns der Reiz des Unbekannten fesselt, als wenn wir wie ein Zeuge darüber berichten sollen. (9)
Wenn ich hier aber auch alle Gründe zusammentragen die mich davor bewahren sollen, mit Caesar verglichen zu werden, so ziehe ich mir
doch auf jeden Fall den Vorwurf der Anmaßung zu, weil ich auch nur annehme, irgendein Leser könne mich in seinem Urteil mit Caesar
vergleichen. Leb wohl.
2.
(1) Nach der Niederwerfung ganz Galliens hatte Caesar den Wunsch, dass sich die Soldaten in der Ruhe der Winterlager von den
übermäßigen Anstrengungen erholten, denn im vergangenen Sommer hatte er ununterbrochen Krieg geführt. Doch erhielt er die Nachricht,
dass mehrere Stämme zur gleichen Zeit zum Krieg rüsteten und sich insgeheim miteinander verbündeten. (2) Als wahrscheinlicher Grund
dafür wurde angegeben, dass inzwischen alle Gallier wüßten, dass man den Römern mit keiner noch so großen Zahl widerstehen könne,
wenn man diese an einer Stelle zusammenzog. Wenn dagegen mehrere Stämme an verschiedenen Stellen gleichzeitig einen Krieg anfingen,
hätte das römische Heer weder genug Hilfstruppen noch genügend Vorräte; auch seien die Entfernungen zu groß, als dass überall wirksam
eingeschritten werden könnte. (3) Daher dürfe sich kein Stamm verweigern, wenn gerade auf ihn das Los des römischen Gegenangriffs
fiele, solange die übrigen durch diesen Aufschub Zeit gewännen, für sich die Freiheit wiederzuerlangen.
3.
(1) Um diese Meinung in Gallien nicht Fuß fassen zu lassen, übertrug Caesar dem Quaestor M. Antonius das Kommando über sein
Winterlager und brach am 29. Dezember... mit einer Reiterschutztruppe von der Stadt Bibracte zur 13. Legion auf, die er in das Gebiet der
Bituriger gelegt hatte, nicht weit von den Grenzen zu den Haeduern entfernt. Mit der 13. vereinigte er die 11. Legion, die im nächsten
Winterlager stationiert war. (2) Zum Schutz des Trosses ließ er je zwei Cohorten zurück und führte das übrige Heer in das an Vorräten
besonders reiche Gebiet der Bituriger. Da diese ein großes Land und mehrere Städte besaßen, hatte die eine Legion, die dort
überwinterte, nicht vermocht, sie davon abzuhalten, den Krieg vorzubereiten und geheime Bündnisse einzugehen.
4.
(1) Als Caesar so plötzlich eintraf, geschah das, was bei unvorbereiteten und zerstreuten Gegnern eintreten mußte: Die Leute,die ohne alle
Befürchtungen ihr Land bebauten, wurden von der Reiterei überwältigt, bevor sie sich in die Städte flüchten konnten. (2) Denn man hatte
auf ein Verbot Caesars hin darauf verzichtet, das allgemein bekannte Anzeichen für einen feindlichen Einfall zu geben, den man in der
Regel an dem Feuer der in Brand gesteckten Gehöfte erkannte. Caesar wollte damit vermeiden, dass ihm, wenn er weiter vorrücken
wollte, der Vorrat an Futter und Getreide ausginge, auch wollte er die Feinde nicht durch das Feuer warnen. (3) Nachdem schon Tausende
gefangengenommen worden waren, hatten sich die in Panik versetzten Bituriger zu den angrenzenden Stämmen geflüchtet, soweit sie in
dem Augenblick, als die Römer eintrafen, noch entfliehen konnten. Sie vertrauten darauf, dass diese Stämme sich ihren Plänen
angeschlossen hatten oder ihnen durch private Gastfreundschaft verbunden waren. (4) Vergeblich, denn in Eilmärschen trat ihnen Caesar
überall entgegen und ließ keinem Stamm Zeit, an seine eigene Rettung, geschweige denn an die anderer zu denken. Auf Grund dieser
Geschwindigkeit konnte er die Treue der befreundeten Stämme erhalten und veranlaßte die schwankenden infolge ihres Schreckens dazu,
über Friedensbedingun2en zu verhandeln. (5) Als den Biturigern derartige Bedingungen vorgeschlagen wurden, sahen sie, dass ihnen
infolge der Milde Caesars die Rückkehr in ein freundschaftliches Verhältnis mit ihm offenstand. Da sie gleichzeitig sahen, dass die
angrenzenden Stämme ohne jede Bestrafung Geiseln gestellt hatten und Caesar ihre Kapitulation angenommen hatte, folgten sie ihrem
Beispiel.
5.
(1) Für die große Anstrengung und Ausdauer, mit der die Soldaten in diesen winterlichen Tagen, bei überaus schwierigen Märschen und
unerträglicher Kälte alle Mühen besonders eifrig und standhaft ausgehalten hatten, versprach Caesar, ihnen je 200 Sesterzen, 47 den
Centurionen als Beute zu schenken, und sandte die Legionen in die Winterlager zurück. Er selbst begab sich am 40. Tag wieder nach
Bibracte. (2) Als er dort Gericht hielt, schickten die Bituriger Gesandte zu ihm mit der Bitte, sie gegen die Carnuten zu unterstützen. Sie
klagten, diese hätten sie mit Krieg überzogen. (3) Auf diese Nachricht hin führte Caesar, der sich nicht länger als 18 Tage im Winterlager
aufgehalten hatte, die 14. und 6. Legion aus ihren Winterlagern vom Arar weg. Wie im letzten Buch erwähnt, hatte er sie dorthin verlegt,
um verstärkt für Getreidenachschub sorgen zu lassen. So brach er mit zwei Legionen auf, um gegen die Carnuten zu ziehen.
6.
(1) Als die Nachricht vom Anmarsch des Heeres zu den Feinden drang, zogen die Carnuten aus dem Unglück der anderen eine Lehre und
verließen ihre Dörfer und Städte. Dort hatten sie gewohnt, nachdem sie rasch kleine Häuser als Notbehelf errichtet hatten, um den Winter
zu überdauern, denn infolge ihrer jüngsten Niederlage hatten sie mehrere Städte verloren. jetzt flohen sie nach allen Richtungen. (2)
Caesar legte sein Lager in die carnutische Stadt Cenabum, weil er nicht wollte, dass seine Soldaten den gerade in dieser Zeit besonders
heftigen und starken Stürmen ausgesetzt würden, Er brachte die Soldaten zusammengepfercht teils in den Häusern der Gallier unter, teils
in Hütten, die er an die Häuser anbauen ließ. Sie bestanden aus Stroh, das man schnell gesammelt hatte, um die Zelte zu decken. (3) Die
Reiter und die Fußsoldaten der Hilfstruppen entsandte er dagegen in alle die Richtungen, in die sich die Feinde gewandt haben sollten. Und
nicht vergeblich, denn unsere Leute kehrten meist im Besitz großer Beute zurück. (4) Die Carnuten gerieten durch den harten Winter und
die ständige Furcht vor der Gefahr sehr in Bedrängnis. Aus ihren Häusern vertrieben, wagten sie nicht, sich an irgendeinem Ort länger
aufzuhalten, auch konnten sie wegen des überaus harten Winters die Wälder nicht als Schutz benutzen, um sich zu verbergen. Sie verloren
einen großen Teil ihrer Habe, zerstreuten sich in alle Richtungen und verteilten sich schließlich auf die angrenzenden Stämme.
7.
(1) Caesar begnügte sich in dieser ungemein schwierigen Jahreszeit damit, alle Ansammlungen von Feinden zu zerstreuen, um zu
verhindern, dass irgendwo ein Krieg entstände. Soweit er das berechnen konnte, war er überzeugt, dass vor Anbruch des Sommers kein
bedeutender Krieg ausbrechen würde. Daher legte er C. Trebonius mit den zwei Legionen, die er bei sich hatte, nach Cenabum ins
Winterlager. (2) Caesar erfuhr jedoch durch zahlreiche Gesandtschaften der Remer, dass die Bellovacer, die an Kriegsruhm alle Gallier
und Belger übertrafen, ebenso wie die ihnen benachbarten Stämme unter der Führung des Bellovacers Correus und des Atrebaten
Commius Heere ausrüsteten und an einem Ort zusammenzogen, um mit der gesamten Streitmacht einen Einfall in das Gebiet der
Suessionen zu machen, die unter der Herrschaft der Remer standen. Da glaubte er, nicht nur sein Ansehen, sondern auch die Sorge um
seine Sicherheit erfordere es, die Bundesgenossen, die sich so ausgezeichnete Verdienste um das römische Volk erworben hatten, kein
Unglück treffen zu lassen. (3) Daher berief er die 11. Legion wieder aus dem Winterlager ab, schickte Briefe an C. Fabius mit der
Anweisung, die zwei Legionen, die er bei sich hatte, ins Gebiet der Suessionen zu führen, und forderte eine von den beiden Legionen an, die
T. Labienus führte. (4) So belastete er die Legionen abwechselnd mit Kriegszü5en,wieesdiePosition ihrer Winterlager und die strategische
Lage jeweils erforderte, wobei er sich selbst ständiger Anstrengung unterzog.
8.
(1) Als er die Truppen zusammengezogen hatte, brach er in das Gebiet der B auf, errichtete dort ein Lager und sandte Reiterabteilungen
nach allen Richtungen aus, um Gefangene zu machen, von denen er erfahren könnte, was die Feinde planten. (2) Die Reiter führten ihren
Auftrag aus und meldeten, sie hätten auf den Gehöften einige Leute gefunden, die nicht etwa dort zurückgeblieben seien, um die Felder zu
bestellen, denn die Bellovacer hätten allgemein das Land verlassen, sondern diese hätte man als Kundschaftet 7,urückgeschickt. (3) Als
Caesar von den Gefangenen wissen wollte, wo sich die Hauptmacht der Bellovacer befinde und was sie planten, (4) erfuhr er, dass sich alte
kriegstauglichen Bellovacer an einem Ort versammelt hätten, ebenso die Ambiariet, Aulercer, Caleten, Veliocasser und Atrebaten. Für ihr
Lager hätten sie im Wald eine hochgelegene Stelle ausgewä2t, die ein Sumpf einschließe; den gesamten Troß hätten sie in die
dahinterliegenden Wälder gebracht. Es gäbe zwar mehrere Anstiften des Krieges, aber die Menge höre vor allem auf Correus, weil sie
wüßte, dass er das römische Volk am erbittertsten hasse. (5) Wenige Tage zuvor sei Commius aus dem Lager abmarschiert, um Germanen
als Hilfstruppen heranzuführen, die in unmittelbarer Nähe lebten und deren Zahl unermeßlich groß sei. (6) Die Bellovacer hätten mit
Zustimmung aller Führer und unter größter Begeisterung des ganzen Volkes beschlossen, Caesar eine Schlacht anzubieten, wenn er, wie
verlautet war, mit drei Legionen anrücke. Damit wollten sie vermeiden, später unter ungünstigeren und härteren Bedingungen zum
Entscheidungskampf mit dem gesamten Heer gezwungen zu werden. (7) Wenn Caesar allerdings stärkere Truppen heranführe, wollten sie
an der Stelle bleiben, die sie ausgesucht hatten. Sie wollten die Römer jedoch aus dem Hinterhalt an der Beschaffung von Futter hindern,
das es wegen der Jahreszeit nur in geringen Mengen und vereinzelt gab, ebenso an der Beschaffung von Getreide und anderem
Nachschub.
9.
(1) Caesar erfuhr dies übereinstimmend von mehreren Gefangenen und hielt die Pläne, die die Feinde gefaßt hatten, fit sehr klug und weit
entfernt von dem sonstigen unüberlegten Vorgehen der Barbaren. Er beschloß daher, mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass die Feinde
sich schneller zu einer Schlacht stellten, weit sie die kleine Zahl seiner Truppen verachteten. (2) Er hatte nämlich die 7., 8. und 9. Legion zur
Verfügung, die altgedient und von einzigartiger Tapferkeit waren, dazu die 11., die zu höchsten Hoffnungen berechtigte, da sie aus
ausgesuchten jungen Männern bestand. Obwohl sie schon acht Dienstjahre hinter sich hatte, war sie dennoch in ihrer Einschätzung an Alter
und Tapferkeit noch nicht mit den übrigen zu vergleichen. (3) Caesar berief also einen Kriegsrat ein, legte dem Heer alles dar, was ihm
zugetragen worden war, und ermutigt die Soldaten. Für den Fall, dass er die Feinde mit einer Z 1 von drei Legionen zum Kampf veranlassen
könnte, stellte er den Heereszug so auf, dass die,7., 8. und 9. Legion vor dein gesamten Troß marschierten. Ihnen sollte der Zug des ganzen
Trosses folgen, der damals jedoch gering war, wie es bei kleineren Zügen gewöhnlich ist. Die 11. Legion bildete den Schluß des Zuges,
damit die Feinde nicht den Eindruck gewännen, es seien mehr Römer, als sie sich für einen Kampf gewünscht hatten. (4) Auf diese Weise
stellte Caesar einen fast quadratischen Heereszug.. auf und führte das Heer schneller in Sichtweite der Feinde, als diese es erwartet
hatten.
10.
(1) Als die Gallier, deren siegessichere Pläne Caesar hinterbracht worden waren, sahen, wie die Legionen im Marschschritt wie zur
Schlacht aufgestellt heranrückten, stellten sie ihre Truppen vor dem Lager auf und kamen von ihrer erhöhten Stellung nicht herunter, sei
es, weil ihnen ein Kampf zu gefährlich schien, sei es, weil unsere Ankunft sie Überraschte, sei es, weil sie unsere Pläne abwarten wollten.
(2) Obwohl Caesar eine Schlacht gewünscht hatte, beeindruckte ihn doch eine so große Anzahl von Feinden, so dass er sein Lager den
Feinden gegenüber errichtete. Dazwischen lag ein Tal, das nicht sehr breit, aber tief eingeschnitten war. (3) Caesar ließ das Lager mit
einem Wall von zwölf Fuß befestigen und diesen mit Rücksicht auf seine Höhe nur mit einer kleinen Brustwehr versehen, zugleich einen
doppelten Graben von je 15 Fuß Breite mit senkrechten Wänden anlegen, ebenso zahlreiche drei Stockwerk hohe Türme aufrichten, je
durch überdeckte Laufbrücken miteinander verbunden waren. (4) Ihre Front ließ er durch eine kleine Brustwehr aus Weidengeflecht
schützen. So wurde das Heer durch einen doppelten Graben und dazu durch eine doppelte Kampflinie geschätzt: Die eine befand sich auf
den Brücken, die nicht nur wegen ihrer Höhe mehr Sicherheit boten, sondern auch möglich machten, die Wurfgeschosse kühner und weiter
bis zum Ziel zu schleudern. Die andere Linie, die er näher am Feind auf dem Wall selbst aufstellte, wurde durch die Brücke vor von oben
einschlagenden Wurf geschossen geschützt. An den Toren ließ er zudem Torhügel und höhere Türme anbringen.
11.
(1) Mit dieser Befestigung verfolgte Caesar ein zweifaches Ziel: Einmal hoffte er, dass der Umfang der Befestigung und seine scheinbare
Furcht die Zuversicht der Barbaren stärken würden, andererseits war ihm klar, dass er das Lager auf Grund seiner guten Befestigung auch
mit einer kleinen Besatzung verteidigen könnte, denn zur Futter und Getreidebeschaffung mußten sich die Soldaten ziemlich weit entfernen.
(2) Währenddessen wurde wiederholt zwischen den beiden Lagern gekämpft, doch stürmten von beiden Seiten, jeweils nur kleine Gruppen
vor, weil sich ein Sumpf zwischen den Lagern befand. Unsere gallischen und germanischen Hilfstruppen überschritten dennoch einige Male
diesen Sumpf und verfolgten den Feind recht stürmisch, doch kamen auch umgekehrt die Feinde herüber und trieben die Unseren ziemlich
weit zurück. (3) Beim täglichen Futterholen trat das ein, was eintreten mußte, weil man nur in wenigen, verstreut liegenden Gehöften Futter
auftreiben konnte. Unsere Futterholer wurden eingekreist, weil sie sich infolge des unwegsamen Geländes verteilen mußten. (4) Obwohl
dieser Umstand für uns nur einen geringen Verlust an Zugvieh und Sklaven mit sich brachte, veranlaßte er dennoch die Barbaren zu
törichten Überlegungen, und das um so mehr, als Commius, der, wie erwähnt, aufgebrochen war, um germanische Hilfstruppen zu holen,
jetzt mit Reitern eingetroffen war. Obwohl ihre Zahl nicht mehr als 500 betrug, erfüllte die Ankunft der Germanen die Barbaren mit großer
Kampfeslust.
12.
(1) Als Caesar bemerkte, dass der Feind mehrere Tage in seinem Lager blieb, das durch den Sumpf und die Beschaffenheit des Geländes
gut geschätzt war, so dass es nicht ohne verlustreiche Kämpfe erobert und auf Grund seiner Lage nur von einem größeren Heer mit
Belagerungswerken eingeschlossen werden konnte, sandte er einen Brief an Trebonius mit dem Befehl, so schnell wie möglich die 13.
Legion an sich zu ziehen, die unter dem Kommando des Legaten T. Sextius im Gebiet der Bituriger überwinterte. Mit den drei Legionen...
sollte er dann in Eilmärschen zu ihm stoßen. (2) In der Zwischenzeit ließ Caesar aus der großen Zahl von Reitern, die er einberufen hatte,
abwechselnd die der Remer, der Lingonen und der übrigen Stämme den Futterholern als Begleitschutz mitgeben. Sie sollten plötzliche
Überfälle der Feinde zurückschlagen.
13.
(1) Da sich dies täglich wiederholte, ließ die Vorsicht der Soldaten auf Grund der Gewöhnung etwas nach, was auf die Dauer regelmäßig
geschieht. Da suchten die Bellovacer eine Schar von Fußsoldaten aus und legten sie an verschiedenen Stellen im Wald in einen Hinterhalt,
nachdem sie die täglichen Stellungen unserer Reiter erkundet hatten. Am folgenden Tag schickten sie die Reiter dorthin, (2) die zunächst
einmal unsere Reiter weglocken sollten. Wenn die Fußtruppen, die im Hinterhalt lägen, sie eingekreist hätten, sollten sie angreifen. (3)
Zufällig traf dieses Unglück die Remer, denen an diesem Tag die Auf gäbe zugefallen war, die Schutztruppe zu bilden. Als sie plötzlich die
feindlichen Reiter erblickten, schätzten sie die kleine Schar gering ein, da sie zahlenmäßig überlegen waren. Sie verfolgten sie daher
stürmisch und waren plötzlich auf allen Seiten von Fußsoldaten umgeben. (4) Dadurch gerieten sie in Verwirrung und zogen schneller als für
ein Reitergefecht üblich ab, wobei sie ihren Stammesfürsten Vertiscus verloren, der die Reiterei anführte. (5) Obwohl sich Vertiscus auf
Grund seines Alters kaum noch auf dem Pferd halten konnte, hatte er sich nach gallischem Brauch nicht mit seinem Alter entschuldigt, um
das Kommando über die Reiter nicht übernehmen zu müssen, und auch nicht gewollt, dass man ohne ihn kämpfte. (6) Der günstige Ausgang
des Kampfes ließ den Mut der Feinde wachsen und stachelte sie an, vor allem, weil der Fürst und Anführer der Remer gefallen war. (7)
Dagegen bedeuteten die Verluste für unsere Truppen eine Mahnung, das Gelände sorgfältiger zu erkunden, Wachtposten zu verteilen und
dem Feind, wenn er zurückwich, nur mäßig weit zu folgen.
14.
(1) In der Zwischenzeit wurden die Kämpfe, die täglich an seichten Stellen und Übergängen des Sumpfes in Sichtweite der beiden Lager
stattfanden, nicht unterbrochen. (2) Caesar hatte Germanen über den Rhein gebracht, um sie im Verein mit seinen Reitern kämpfen zu
lassen. Als sie bei diesen Gefechten alle zusammen den Sumpf überquert hatten, einige Feinde, die Widerstand leisteten, niedergehauen
und ihre übrigen Truppen hartnäckig verfolgt hatten, (3) gerieten bei den Feinden nicht nur die, die im Handgemenge bedrängt wurden,
sondern auch die, die aus der Ferne verwundet wurden, ebenso wie die, die etwas weiter entfernt sich gewöhnlich zur Unterstützung
bereithielten, in Panik, so dass sie feige die Flucht ergriffen. Sie hielten damit nicht eher ein, als bis sie sich ins Lager der Ihren gerettet
hatten, auch wenn sie dabei oft höher gelegene Stellungen aufgaben. Einige trieb sogar die Scham, noch weiter zu fliehen. (4) Ihre Haltung
gegenüber dieser Gefahr brachte die Gesamtheit der feindlichen Soldaten so in Verwirrung, dass schwer zu entscheiden war, ob nach
winzigen Erfolgen ihr Übermut oder nach mäßigen Niederlagen ihre Furcht größer war.
15.
(1) Als die Bellovacer mehrere Tage in demselben Lager verbracht hatten, erfuhren ihre Anführer, dass der Legat C. Trebonius mit seinen
Legionen in die Nähe gekommen sei. Da sie Furcht vor einer Belagerung ähnlich der Alesias hatten, schickten sie bei Nacht gemeinsam
mit dem übrigen Troß die Leute fort, die sie auf Grund ihres Alters oder ihrer Kräfte für zu schwach hielten oder für ganz kriegsuntauglich.
(2) Während sie den durcheinandergeratenen und ungeordneten Zug dieser Menschen zu entwirren suchten - gewöhnlich folgt auch den
kampfbereiten Galliern eine große Anzahl von Wagen -, überraschte sie das Tageslicht. Die Gallier stellten daher bewaffnete Truppen vor
dem Lager auf, um die Römer daran zu hindern, sich an die Verfolgung des Zuges mit dem Troß zu machen, ehe dieser etwas weiter
vorangekommen wäre. (3) Caesar schien es zwar nicht geraten, den zur Gegenwehr entschlossenen Feind die starke Steigung hinauf
anzugreifen, hielt es aber für angebracht, die Legionen so weit vorrücken zu lassen, dass die Barbaren wegen der bedrohlichen Nähe der
Soldaten nur unter großer Gefahr von dem Platz abziehen konnten. (4) Caesar erkannte zwar, dass, da die Lager durch den unzugänglichen
Sumpf voneinander getrennt waren, der schwierige Obergang eine schnelle Verfolgung des Feindes verzögern konnte, doch sah er, dass
zwischen dem Bergrücken, der sich jenseits des Sumpfes fast bis zum feindlichen Lager zog, und dem Hügellager selbst nur ein mäßig
tiefes Tag lag. Er ließ daher Knüppelwege über den Sumpf anlegen, führte die Legionen hinüber und gelangte schnell auf die Hochebene
des Bergrückens, die auf zwei Seiten durch stelle Abhänge geschützt war. Hier ließ er die Legionen antreten und zum En e des
Gebirgskamms marschieren. (5) Er stellte sie an der Stelle in Schlachtordnung auf, von der aus man mit einer Wurfmaschine Geschosse
auf die keilförmigen Abteilungen der Feinde schleudern konnte.
16.
(1) Da die Barbaren auf die Gunst des Geländes vertrauten, wollten sie einerseits einem Kampf nicht aus dem Weg gehen, wenn die Römer
vielleicht versuchen sollten, die Anhöhe hinaufzukommen, andererseits wagten sie nicht, ihre Truppen, die sich nach und nach auf das
Gelände verteilt hatten, zu entlassen, um sie nicht vereinzelt in Gefahr zu bringen. So blieben sie in Schlachtordnung aufgestellt. (2) Als
Caesar erkannte, dass sie dabei verharrten, ließ er 20 Cohorten in Schlachtordnung aufmarschieren, gleichzeitig an dieser Stelle ein Lager
ausmessen und befestigen. (3) Nach Beendigung dieser Arbeit stellte er vor dem Lagerwall die kampfbereiten Legionen auf und verteilte
die Reiter mit aufgezäumtem Pferd auf verschiedene Standorte. (4) Als die Bellovacer sahen, dass die Römer zur Verfolgung
bereitstanden, so dass sie nicht länger ohne Gefahr an derselben Stelle bleiben, geschweige denn dort übernachten konnten, faßten sie
folgenden Rückzugsplan: (5) An der Stelle, an der sie sich niedergelassen hatten -wie Caesar in den vorhergehenden »Commentarien«
schildert, waren die Gallier gewöhnt, sich auf dem Schlachtfeld zu lagern -, reichten sie von Hand zu Hand Bündel aus Stroh und Reisig
weiter, wovon es in ihrem Lager große Mengen gab, und schichteten es vor der Front auf. Beim letzten Tageslicht zündeten sie auf ein
Rufzeichen hin alles auf einmal an. Das zusammenhängende Feuer entzog plötzlich ihre gesamten Truppen den Blicken der Römer. (6)
Sobald dies eintrat, liefen die Barbaren in wilder Flucht davon.
17.
(1) Obwohl Caesar den Abzug der Feinde nicht wahrnehmen konnte, da das Feuer dazwischenlag, vermutete er, dass sie diese Maßnahme
getroffen hatten, um zu fliehen. Erließ daher die Legionen vorrücken und schickte die Reiterabteilungen zur Verfolgung aus. Da er jedoch
einen Hinterhalt fürchtete, weil die Feinde vielleicht an derselben Stelle stehenblieben und nur versuchten, unsere Soldaten auf ungünstiges
Gelände zu locken, ging er selbst ziemlich langsam vor.(2) Die Reiter fürchteten sich, in den Rauch und die lebten Flammen hineinzureiten;
wenn einige es etwas stürmischer taten, konnten sie kaum das Vorderteil ihrer eigenen Pferde sehen, so dass auch sie einen Hinterhalt
fürchteten und daher den Bellovacern ungehinderte Möglichkeit zum Rückzug gaben. (3) So kamen die Feinde in einer Flucht, die sich
gleichermaßen durch Furcht und Schlauheit auszeichnete, ohne jeden Verlust etwa 10 Meilen voran und errichteten an einem überaus gut
geschätzten Ort ein Lager. (4) Da sie von dort aus wiederholt Reiter und Fußsoldaten in einen Hinterhalt legten, fügten sie den Römern
große Verluste zu, wenn diese Futter beschafften.
18.
(1) Nachdem dies wiederholt geschehen war, erfuhr Caesar von einem Gefangenen, dass der Anführer der Bellovacer, Correus, 6000
besonders tapfere Fußsoldaten und aus der Gesamtzahl der Reiter 1000 ausgewählt habe, um sie an der Stelle in den Hinterhalt zu legen,
von der er annahm, dass die Römer Soldaten dorthin schicken würden, um Futter zu holen. Denn es gab dort reichlich Getreide und Futter.
(2) Als Caesar von diesem Plan erfuhr, ließ er mehr Legionen als gewöhnlich ausziehen und schickte die Reiter voraus, die er den
Futterholern auch sonst in der Regel als Schutz mitgab. (3) Unter die Reiterei mischte er leichtbewaffnetes Fußvolk. Er selbst rückte mit
den Legionen nach, so nahe er konnte.
19.
(1) Die Feinde hatten für den bevorstehenden Kampf ein Gelände ausgewählt, das sich nach allen Seiten nicht weiter als eine Meile
erstreckte und ringsum durch undurchdringliche Wälder und einen sehr tiefen Fluß gesichert war. Hier legten sie sich an verschiedenen
Punkten in den Hinterhalt und schlossen damit das Gelände wie bei einem Kesseltreiben ein. (2) Da ihr Plan bekannt war, kamen unsere
Reiter, auf eine Schlacht eingestellt und gut bewaffnet, in einzelnen Abteilungen dorthin. Weil ihnen die Legionen auf dem Fuße folgten,
waren sie entschlossen, den Kampf aufzunehmen. (3) Als sie eintrafen, glaubte Correus, hier biete sich ihm eine Gelegenheit zum Kampf,
so dass er zunächst mit einer kleinen Schar erschien und die ersten Reiterabteilungen angriff. (4) Unsere Soldaten leisteten dem Ansturm
der Feinde, die aus dem Hinterhalt erschienen, hartnäckig Widerstand. Zudem drängte sich auch nicht eine größere Zahl an einer einzigen
Stelle zusammen; denn wenn dies bei Reitergefechten geschieht, dann meist aus Furcht, wobei sich die Reiter dann durch ihre große Zahl
selbst schaden.
20.
(1) Weil unsere Reiterabteilungen verteilt waren, kämpften jeweils nur wenige, und sie ließen es daher auch nicht zu, dass man sie von den
Flanken her umzingelte. Infolgedessen brachen nun auch die anderen Feinde aus den Wäldern hervor, während sich Correus im Gefecht
befand. So wurde an verschiedenen Stellen und unter Anspannung aller Kräfte gekämpft. (2) Als sich das Gefecht er längere Zeit mit
unentschiedenem Ausgang hingezogen hatte, kamen nach und nach aus den Wäldern eine große Anzahl von Fußsoldaten in
Schlachtordnung heran, die unsere Reiter zwangen zurückzuweichen. Doch kamen diesen schnell die 1-eichtbewaffneten Fußsoldaten zu
Hilfe, die Caesar, wie erwähnt, den Legionen vorangeschickt hatte. Im Verein mit unseren Reiterabteilungen schlugen sie sich hartnäckig.
(3) Wieder wurde eine Zeitlang mit gleicher Anstrengung gekämpft. So, wie ein solches Gefecht aussehen mußte, erlangten dann jedoch
die, die den ersten aus dem Hinterhalt vorgetragenen Angriff der Feinde abgewehrt hatten, die Oberhand, denn da sie auf den Angriff aus
dem Hinterhalt vorbereitet waren, hatten sie keine Verluste erlitten. (4) Inzwischen rückten auch die Legionen näher, wobei die Feinde
gleichzeitig mit unseren Soldaten durch zahlreiche Boten die Nachricht erhielten, der Oberbefehlshaber sei mit kampfbereiten Truppen zur
Stelle. (5) Im Vertrauen auf den Schutz der Cohorten kämpften daraufhin unsere Soldaten besonders hitzig, um nicht, wenn sie für den
Kampf zu lange brauchten, den Anschein zu erwecken, sie hätten die Ehre des Sieges mit den Legionen teilen müssen. (6) Den Feinden
sank der Mut, so dass sie in verschiedene Richtungen flohen. Vergeblich: Das schwierige Gelände, in dem sie uns hatten einschließen
wollen, hielt sie jetzt selbst auf. Sie wurden schließlich überwältigt und völlig geschlagen. (7) Nach Verlust des größeren Teils ihrer
Soldaten flohen sie bestürzt und entsetzt, wo auch immer sie sich zufällig befanden, teils in die Wälder', teils zum Fluß. (8) Doch auch auf
der Flucht wurden sie von unseren Soldaten stürmisch verfolgt und niedergemacht, während in der Zwischenzeit Correus, den kein Unglück
erschütterte, nicht dazu gebracht werden konnte, aus dem Kampf in Richtung auf die Wälder zu fliehen, geschweige denn unserer
Aufforderung nachzukommen, sich zu ergeben. Statt dessen kämpfte er aufs tapferste weiter, verwundete einige Soldaten und zwang die
von Zorn erfüllten Sieger, ihn mit ihren Geschossen zu töten.
21.
(1) Nach diesem Erfolg traf Caesar auf dem Schlachtfeld ein, kaum dass der Kampf vorüber war. Da er glaubte, die Feinde würden auf die
Nachricht von einer derartigen Niederlage hin ihr Lager verlassen, das nicht weiter als etwa 8 Meilen vom Schlachtfeld entfernt sein sollte,
rückte er mit seinem Heer über den Fluß... vor, obwohl er sah, dass der Vormarsch durch das Übersetzen erschwert wurde. (2) Wider alles
Erwarten suchten bei den Bellovacern und den Übrigen Stämmen nur einige wenige Verwundete Zuflucht, die dank der Wälder dem Tod
hatten entkommen können. Nachdem alles zu ihrem Unglück ausgeschlagen war Correus war tot, sie hatten die gesamte Reiterei und die
tapfersten Fußsoldaten verloren -, war die Niederlage nun allen klar. Da beriefen sie schnell mit der Tuba eine Versammlung ein und
forderten lautstark, man solle Gesandte und Geiseln zu Caesar schicken, weil sie glaubten, die Römer rückten heran.
22.
(1) Als alle den Vorschlag billigten, floh der Atrebate Commius zu den Germanen, von denen er für diesen Krieg Hilfstruppen geliehen
hatte. (2) Die anderen schickten auf der Stelle Gesandte an Caesar und baten, er möge sich mit der Bestrafung der Feinde begnügen, die
er auf Grund seiner Menschlichkeit und Milde gewiß nie über sie verhängt hätte, wenn er sie ohne Kampf, als sie noch alle unversehrt
waren, hätte festsetzen können. (3) Die Streitmacht der Bellovacer sei in dem Reitergefecht völlig vernichtet worden, viele Tausende
ausgewählter Fußsoldaten seien umgekommen, kaum jemand sei entronnen, der die Niederlage hätte melden können. (4) Dennoch hätten
die Bellovacer in dieser Schlacht trotz dieses so großen Unglücks einen großen Vorteil erlangt, da Correus tot sei, der Anstifter des
Krieges, der die Menge aufgehetzt habe. Zu seinen Lebzeiten habe der Adel in ihrem Stamm niemals die gleiche Macht besessen wie die
unerfahrene Menge.
23.
(1) Als die Gesandten so baten, hielt Caesar ihnen folgendes entgegen: Im vorigen Jahr hätten die Bellovacer und die übrigen Stämme
Galliens alle zum gleichen Zeitpunkt den Krieg begonnen. Vor allem ihr Stamm sei hartnäckig bei seinem Vorsatz geblieben und habe nicht,
wie die übrigen, mit einer Kapitulation zur Vernunft zurückgefunden. (2) Er wisse sehr wohl, dass man besonders gern die Schuld an
Verbrechen Toten zuschiebe. Niemand könne jedoch so mächtig sein, dass er gegen den Willen des Adels, gegen den Widerstand aller
Vernünftigen mit einer kleinen Schar niederen Volkes einen Krieg anstiften und durchfuhren könne. Dennoch werde er sich mit der
Bestrafung zufriedengeben, die sie sich selbst zugezogen hätten.
24.
(1) In der folgenden Nacht überbrachten die Gesandten ihrem Stamm Caesars Antwort. Sie holten Geiseln zusammen. Rasch kamen nun
auch die Gesandten der übrigen Stämme, die die Entscheidung über die Bellovacer abgewartet hatten. (2) Sie stellten Geiseln und folgten
Caesars Anordnungen, mit Ausnahme des Commius, den die Furcht abhielt, sein Wohlergehen irgend jemandem auf Treu und Glauben
anzuvertrauen. (3) Denn als Caesar im vergangenen Jahr im diesseitigen Gallien Gerichtstage abhielt, hatte T. Labienus erfahren, dass
Commius die Stämme aufhetzte und zur Verschwörung gegen Caesar anstiftete. Labienus hatte jedoch geglaubt, er könne dieses treulose
Verhalten unterbinden, ohne sich den Vorwurf eines Vertrauensbruches zuzuziehen. (4) Da er nicht glaubte, Commius werde einem Ruf ins
Lager folgen, ihn jedoch auch nicht durch einen Versuch dazu mißtrauisch machen wollte, entsandte er C. Volusenus Quadratus. Er sollte
eine Unterredung mit Commius vortäuschen und dafür sorgen, dass dieser getötet wurde, Zu diesem Zweck hatte ihm Labienus
ausgesuchte und geeignet erscheinende Centurionen mitgegeben. (5) Als man zu der Unterredung zusammenkam und Volusenus Commius,
wie vereinbart, bei der Hand gefaßt hatte, konnte der betreffende Centurio, weil ihn dieses ungewöhnliche Vorhaben verwirrte oder aber
die Freunde des Commius ihn schnell zurückhielten, Commius nicht umbringen. Dennoch wurde dieser durch den ersten Schwertstreich
schwer am Kopf getroffen. (6) Als nun beide Seiten das Schwert zogen geschah dieses bei beiden nicht so sehr in der Absicht zu kämpfen
als vielmehr, die Flucht zu sichern, denn auf unserer Seite glaubte man, dass Commius tödlich getroffen sei, die Gallier dagegen erkannten,
dass sie in einen Hinterhalt geraten waren, und fürchteten noch mehr, als sie sahen. Daraufhin soll Commius beschlossen haben, sich
niemals wieder in die Gegenwart eines Römers zu begeben.
25.
(1) Nach dem entscheidenden Sieg über diese äußerst kriegerischen Stämme gab es, wie Caesar sah, keinen Stamm mehr, der sich zum
Krieg rüstete, um ihm Widerstand zu leisten. Da er zudem bemerkte, dass viele sogar die Städte verließen und von ihren Feldern f lohen,
um sich der gegenwärtigen Herrschaft zu entziehen, beschloß er, das Heer in mehrere Gruppen zu teilen und zu entlassen. (2) Den
Quaestor M. Antonius behielt er mit der 12. Legion bei sich. Den Legaten C. Fabius sandte er mit 25 Cohorten in den entlegensten Teil
Galliens, weil er hörte, dass dort einige Stämme unter Waffen stünden. Er hielt daher die zwei Legionen unter dem Legaten C. Caninius
Rebilus, die in diesem Gebiet... standen, für nicht schlagkräftig genug. (3) T. Labienus berief er zu sich, während er die 15. Legion, die
unter Labienus im Winterlager gestanden hatte, in die Gallia togata entsandte, um den Schutz der römischen Colonien zu übernehmen.
Damit wollte er verhindern, dass durch einen Einfall der Barbaren ein ähnliches Unglück geschähe, wie es im vergangenen Sommer bei den
Tergestinern eingetreten war, die durch einen überraschenden Raubzug und Angriff der 11lyrer überwältigt worden waren. (4) Er selbst
brach auf, um das Gebiet des Ambiorix gründlich zu verwesten. Da Ambiorix voll Schrecken geflohen war, hatte Caesar die Hoffnung
aufgegeben, ihn selbst in seine Gewalt bekommen zu können, doch hielt er es für das nächste Ziel, das seinem Ansehen angemessen war,
das Gebiet des Ambiorix, Bewohner, Gehöfte und Vieh, so zu verwesten, dass Ambiorix keine Möglichkeit mehr hätte, zu seinem Stamm
zurückzukehren, weil seine Stammesgenossen ihn auf Grund eines derart großen Unglücks hassen würden, wenn das Schicksal noch einige
übrigließe.
26.
(1) Als Caesar Legionen oder Hilfstruppen in alle Teile des Gebiets des Ambiorix ausgesandt und alles durch Mord, Brand und Raub hatte
verwesten lassen, wobei eine große Anzahl der Bewohner umgekommen oder in Gefangenschaft geraten war, sandte er T. Labienus mit
zwei Legionen zu den Treverern. (2) Dieser Stamm unterscheidet sich in der Lebensweise und Wildheit nicht sehr von den Germanen, weil
er in ihrer Nachbarschaft lebt und täglich mit ihnen Krieg führen muß. Auch folgte er Anweisungen nur, wenn er durch ein Heer dazu
gezwungen wurde.
27.
(1) Inzwischen hatte der Legat C. Caninius durch Boten und Briefe des Duratius erfahren, dass sich eine große Anzahl von Feinden im
Gebiet der Pictonen gesammelt habe. Duratius hatte stets die freundschaftlichen Beziehungen mit den Römern aufrechterhalten, auch als
ein Teil seines Stammes abgefallen war. Caninius eilte daher in Richtung auf die Stadt Lemonum. (2) Als er dort eintraf, erfuhr er von
Gefangenen mit noch größerer Sicherheit, dass Dumnacus, der Führer der Anden, mit vielen Tausend Menschen Duratius in Lemonum
eingeschlossen hatte und die Stadt bestürmte. Da Caninius nicht wagte, den Feinden mit zwei schwachen Legionen entgegenzutreten,
errichtete er an einer geschätzten Stelle ein Lager. (3) Als Dumnacus erfuhr, dass Caninius anrücke, wandte er sich mit allen Truppen
gegen die Legionen und ging daran, das römische Lager zu stürmen. (4) Da er jedoch einige Tage mit der Belagerung hinbrachte, ohne
einen Teil der Befestigung einreißen zu können, während er selbst große Verluste erlitt, wandte er sich erneut der Belagerung von
Lernonum zu.
28.
(1) Zur gleichen Zeit, als der Legat C. Fabius die Kapitulation einiger Stämme annahm und sie durch die Stellung von Geiseln sicherte,
erfuhr er durch einen Brief des Caninius, was bei den Pictonen vor sich ging. Da brach er auf, um Duratius zu Hilfe zu kommen. (2) Als
Dumnacus von seinem Anrücken erfuhr, sah er, dass es ein hoffnungsloses Unternehmen wäre, wenn er gezwungen würde, dem Feind von
außen Widerstand zu leisten und gleichzeitig die Einwohner der Stadt mit Furcht und Argwohn zu Beobachten. Er gab daher mit seinen
Truppen überraschend die Belagerung auf und hielt sich nicht eher für ausreichend Sicher, bis er mit seinen Truppen über den Fluß gesetzt
wäre. Da dieser sehr breit war, mußte man ihn auf einer Brücke überqueren. (3) Obwohl Fabius den Feind noch nicht zu Gesicht bekommen
und sich noch nicht mit Caninius vereinigt hatte, vermutete er, die erschrockenen Feinde würden sich ebendahin wenden, wohin sie in der
Tat zogen, denn Ortskundige hatten ihn über die Gegend aufgeklärt. (4) Er eilte daher mit seinen Truppen auf dieselbe Brücke zu und gab
den Reitern den Befehl, dem Zug der Legionen nur so weit vorauszureiten, wie sie es tun könnten, ohne die Pferde zu ermüden, so dass sie
sich dann wieder in das alte Lager zurückziehen könnten.' (5) Unsere Reiter verfolgten den Zug des Dumnacus wie befohlen und gingen
gegen ihn vor. Sie griffen die erschrockenen Feinde, die durch ihr Gepäck gehindert waren, auf ihrem Fluchtweg an, machten große Beute
und töteten viele. Nach diesem Erfolg zogen sie sich wieder ins Lager zurück.
29.
(1) 1n der Folgenden Nacht schickte Fabius die Reiter voraus, die gerüstet waren, den feindlichen Heereszug anzugreifen und aufzuhalten.
Er selbst folgte nach. (2) Der Reiterpraefect Q. Atius Varus, der sich durch besondere Klugh7eit und einzigartigen Mut auszeichnete,
feuerte seine Soldaten an, das Unternehmen befehlsgemäß durchzuführen. Als er die Feinde erreicht hatte, verteilte er einige
Reiterabteilungen auf geeignete Punkte, mit anderen verwickelte er die feindlichen Reiter in einen Kampf. (3) Die Reiterei der Feinde
kämpfte ungemein verwegen, weil ihr die Fußsoldaten unmittelbar folgten, die mit dem ganzen Zug haltmachten und den Reitern gegen
unsere Abteilungen zu Hilfe kamen. (4) Beide Seiten wetteiferten in erbittertem Kampf. Denn da unsere Reiter nach dem Sieg am Vortag
die Feinde gering einschätzten, sich zugleich bewußt waren, dass ihnen die Legionen unmittelbar folgten, schlugen sie sich ganz besonders
tapfer mit den feindlichen Fußsoldaten, weil sie sich schämten, vor ihnen zu weichen, und gleichzeitig den Kampf allein zu einem
entscheidenden Ende zu bringen wünschten. (5) Die Feinde dagegen glaubten, es kämen keine weiteren Truppen hinzu, wie sie es vom
Vortag her noch wußten, und hatten hier scheinbar die Gelegenheit, unsere Reiterei völlig zu vernichten.
30.
(1) Nachdem man eine Zeitlang unter Anspannung aller Kräfte gekämpft hatte, bildete Dumnacus eine regelrechte Front, damit sich Reiter
und Fußsoldaten gegenseitig schätzten. Da erschienen plötzlich die dichtgeschlossenen Reihen der Legionen im Blickfeld Bier Feinde. (2)
Ihr Anblick entmutigte die feindlichen Reiterabteilungen, versetzte die Fußsoldaten in Schrecken und brachte den ganzen Zug des Trosses
in Verwirrung, so dass die Feinde unter großem Geschrei nach allen Richtungen auseinanderliefen und flohen. (3) Unsere Reiter, die, als
die Feinde Widerstand leisteten, kurz zuvor aufs tapferste mit ihnen gekämpft hatten, wurden durch die Freude über den Sieg übermütig,
erhoben auf allen Seiten ein großes Geschrei und kreisten die Flüchtigen ein. Solange bei der Verfolgung die Kräfte ihrer Pferde
ausreichten und ihre Hände das Schwert führen konnten, hieben sie in diesem Kampf alles nieder, (4) Auf diese Weise fielen auf feindlicher
Seite mehr als 12000 Bewaffnete; Männer, die aus Furcht ihre Waffen weggeworfen hatten, und der gesamte umfangreiche Troß wurde
erbeutet.
31.
(1) Zu Beginn des gallischen Aufstandes hatte der Senone Drappes von überall her verkommenes Gesindel um sich gesammelt, hatte
Sklaven zur Freiheit aufgerufen, die Verbannten aus allen Stämmen herbeiholen lassen und Räuber bei sich aufgenommen. Mit all diesen
hatte er Troß und Nachschub der Römer abgefangen und erbeutet. Auf der Flucht hatte er jetzt nicht mehr als 2000 Flüchtlinge gesammelt
und gemeinsam mit dem Cadurcer Lucterius den Plan gefaßt, sich gegen die Provinz zu wenden. Von Lucterius ist aus dem
vorangegangenen »Commentar« bekannt, dass er zu Beginn des gallischen Aufstandes die römische Provinz überfallen wollte. Da die
Absichten der beiden sicher bekannt waren, (2) setzte sich der Legat Caninius mit zwei Legionen eilends in Marsch, um sie zu verfolgen; er
wollte die Römer nicht in schlechten Ruf kommen lassen, wenn die Raubzüge der Verbrecher in der Provinz Furcht erregten oder Schaden
verursachten.
32.
(1) Mit dem übrigen Heer brach C. Fabius zu den Carnuten und den übrigen Stämmen auf, deren Truppen in der Schlacht, die er Dumnacus
geliefert hatte, geschwächt worden waren. (2) Er hegte keinen Zweifel daran, dass sie sich auf Grund der kürzlichen Niederlage in Zukunft
leichter unterwerfen würden, dass Dumnacus sie dagegen nach einer gewissen Zeitspanne und bei Gelegenheit wieder zum Aufstand
veranlassen könnte, wenn er sie aufhetzte. (3) Hier hatte Fabius bei der Unterwerfung der Stämme besonders große und schnelle Erfolge.
(4) Denn die Carnuten, die niemals einen Frieden erwähnt hatten, obwohl sie häufig unterlegen waren, stellten Geiseln und ergaben sich.
Die übrigen Stämme in den entferntesten Gebieten Galliens ebenso wie die an den Ozean grenzenden, die Aremoricer heißen, veranlaßte
das Ansehen der Carnuten, beim Eintreffen des Fabius und der Legionen seinen Anordnungen ohne Verzug nachzukommen. (5) Dumnacus,
aus seinem Land vertrieben, irrte auf der Suche nach Verstecken umher und war schließlich gezwungen, sich allein in die entlegensten
Gebiete Galliens zu flüchten.
33.
(1) Als Drappes und Lucterius erfuhren, dass Caninius mit seinen Legionen da sei, glaubten sie, es bedeute für sie das sichere Verderben,
in die Provinz einzufallen, wenn unser Heer sie verfolge. Gleichzeitig sei es ihnen auch nicht mehr möglich, frei umherzustreifen und
Raubzüge zu unternehmen. Deshalb blieben sie beide im Gebiet der Cadurcer. (2) Da Lucterius bei seinen Stammesgenossen in
Friedenszeiten einstmals große Macht gehabt hatte und auch als Anstifter von Aufstandsplänen bei den Barbaren stets großen Einfluß
hatte, besetzte er die Stadt Uxellodunum, die sich unter seiner Schutzherrschaft befand und auf Grund ihrer Lage hervorragend geschätzt
war, mit seinen und des Drappes Truppen und gewann die Einwohner für sich.
34.
(1) Caninus, der sofort dorthin kam, sah, dass alle Teile der Stadt durch überaus steil abfallende Felsen gesichert waren, so dass der
Aufstieg für bewaffnete Soldaten schwierig war, selbst wenn die Stadt nicht verteidigt wurde. Er sah aber auch, dass die Einwohner einen
umfangreichen Troß besaßen. Sollten sie versuchen, diesen heimlich auf der Flucht mit fortzuschaffen, könnten sie nicht nur nicht den
Reitern, sondern nicht einmal den Legionen entkommen. Er teilte daher seine Cohorten in drei Gruppen auf und errichtete an einer sehr
hoch gelegenen Stelle drei Lager, (2) ehe er daranging, von hier aus nach und nach, wie es die Zahl seiner Truppen zuließ, um die Stadt
herum einen Wall anlegen zu lassen.
35.
(1) Als die Einwohner dies bemerkten, erfaßte sie Unruhe, weil sie sich an das unglückliche Schicksal Alesias erinnerten und fürchteten,
dass die Belagerung ähnlich verhängnisvoll ausgehe. Lucterius, der die Stadt in diese gefährliche Lage gebracht hatte, forderte unter allen
am eindringlichsten, für Getreide zu sorgen. Infolgedessen beschlossen die beiden Anführer mit Zustimmung aller, einen Teil ihres Heeres
in der Stadt zurückzulassen und selbst mit kampfbereiten Truppen auszurücken, um Getreide heranzuschaffen. (2) Tier Plan wurde gebilligt,
und während 2000 Bewaffnete zurückblieben, zogen in der folgenden Nacht Drappes und Lucterius mit dem Rest der Truppen aus der
Stadt. (3) Sie blieben einige Tage fort und beschafften währenddessen aus dem Gebiet der Cadurcer eine große Menge Getreide, wobei die
einen sie bereitwillig mit Korn unterstützten, die anderen nicht verhindern konnten, dass man es ihnen wegnahm. Einige Male griffen die
Feinde sogar in nächtlichen Streifzügen unsere Castelle an. (4) Daher zögerte Caninius, die gesamte Stadt einzuschließen, weil er fürchtete,
eine vollständige Befestigung nicht schützen oder an den meisten Stellen nur schwache Wachmannschaften aufstellen zu können.
36.
(1) Nachdem sie eine große Menge Getreide beschafft hatten, gingen Drappes und Lucterius nicht weiter als 1 0 Meilen von der Stadt
entfernt in Stellung, um von da aus allmählich das Getreide heimlich in die Stadt zu bringen. Sie teilten die Aufgaben unter sich auf: (2)
Drappes blieb mit einem Teil der Truppen zum Schutz des Lagers zurück, Lucterius führte die Wagenkolonne zur Stadt. (3) Nachdem er
entlang der Wegstrecke Wachen verteilt hatte, begann er etwa um die 10. Stunde der Nacht, das Getreide auf engen Waldwegen in die
Stadt zu bringen. (4) Da die Wachtposten unseres Lagers jedoch das Geräusch hörten, sandte man Späher aus, die meldeten, was vor sich
ging. Daraufhin griff Caninius kurz vor Tagesanbruch mit bewaffneten Cohorten aus den nächstgelegenen Castellen schnell die
Getreideholer an. (5) Diese gerieten durch den überraschenden Angriff in Schrecken und flohen einzeln zu ihren Wachtposten zurück. Als
unsere Soldaten dies sahen, gingen sie noch hitziger gegen die Bewaffneten vor und ließen nicht zu, dass auch nur einer aus ihrer Zahl
lebendig gefangen wurde. Mit einigen wenigen seiner Leute floh Lucterius von dort und kehrte nicht mehr ins Lager zurück.
37.
(1) Nach diesem Erfolg erfuhr Caninius von Gefangenen, dass sich ein Teil der feindlichen Truppen nicht weiter als 12 Meilen entfernt mit
Drappes in einem Lager befinde. Als er dies den Aussagen mehrerer Feinde entnommen hatte, nahm er zwar an, dass nach der Flucht des
einen Führers die übrigen leicht in Schrecken versetzt und überwältigt werden könnten, doch hielt er es für einen großen Glücksfall, wenn
niemand aus dem Gemetzel ins Lager des Drappes geflohen wäre, um diesem die Nachricht von dem Unglück zu bringen. (2) Er sah es
jedoch für ungefährlich an, einen Versuch zu wagen, und sandte die gesamte Reiterei und die germanischen Fußsoldaten, die sich durch
besondere Schnelligkeit auszeichneten, zum Lager der Feinde voraus. Er selbst verteilte eine Legion auf die drei Lager und nahm die
andere, zum Kampf bereit, mit sich. (3) Als er näher an die Feinde herangekommen war, erfuhr er von Spähern, die er vorausgesandt hatte,
dass die Feinde, wie es in der Regel bei den Barbaren geschieht, die Anhöhe aufgegeben und ihr Lager unten an das Ufer des Flusses
verlegt hatten; die germanischen Reiter hätten die völlig Ahnungslosen überraschend angegriffen und ihnen ein Gefecht geliefert. (4) Auf
diese Meldung hin ließ er die Legion zu den Waffen greifen und zur Schlacht aufgestellt anrücken. Nachdem plötzlich auf allen Seiten das
Signal zum Angriff gegeben worden war, bemächtigte er sich der Anhöhen. Als dies geschah, kämpften die Germanen und die Reiter mit
größter Heftigkeit, da sie die Feldzeichen der Legion erblickten. (5) Unmittelbar darauf griffen die Cohorten auf allen Seiten an, nahmen
alle Feinde gefangen oder töteten sie und erlangten reiche Beute. In diesem Gefecht wurde auch Drappes selbst gefangengenommen.
38.
(1) Nach diesem überaus glücklichen Erfolg, der uns fast keine Verwundeten gebracht hatte, wandte sich Caninius wieder der Belagerung
der Stadt zu. Er befahl, sie auf allen Seiten mit Befestigungen einzuschließen, denn jetzt war der äußere Feind vernichtet, (2) der vorher
seine Befürchtungen erregt und ihn davon abgehalten hatte, seine Mannschaften zu verteilen und die Stadt durch Belagerungswerke völlig
einzuschließen. (3) Am folgenden Tag traf auch C. Fabius mit seinen Truppen dort ein und übernahm es, einen Abschnitt der Stadt zu
belagern.
39.
(1) Caesar ließ inzwischen den Quaestor M. Antonius mit 15 Cohorten bei den Bellovacern zurück, um den Belgern keine Gelegenheit zu
geben, erneut einen Aufstand zu planen. (2) Er selbst zog zu den übrigen Stämmen, befahl, mehr Geiseln zu stellen, und nahm allen durch
seinen Zuspruch die Furcht. (3) Als er zu den Carnuten kam, bei denen der Krieg, wie Caesar im vorigen »Commentar« schilderte, seinen
Ausgang genommen hatte, wurde ihm klar, dass sie sich fürchteten, weil sie sich ihres Verbrechens bewußt waren. Um den Stamm schneller
von seinen Befürchtungen zu befreien, forderte er die Hinrichtung des Cotuatus, des Anstifters des Verbrechens, der sie zum Krieg
aufgehetzt hatte. (4) Obwohl sich dieser nicht einmal seinen eigenen Stammesgenossen auslieferte, sorgten alle dafür, dass er schnell
gefunden und ins Lager gebracht wurde. (5) Caesar sah sich gegen seine Natur dazu gezwungen, ihn hinrichten zu lassen, weil die Soldaten
einen großen Auflauf machten und alle Gefahren und Verluste, die sie in dem Krieg erlitten hatten, auf Cotuatus schoben. Daher wurde
dieser zu Tode geprügelt und dann enthauptet.
40.
(1) Durch zahlreiche Briefe des Caninius erhielt Caesar dort die Nachricht von den Erfolgen gegen Drappes und Lucterius und von dem
beharrlichen Widerstand der Einwohner von Uxellodunum. (2) Obwohl er ihre kleine Zahl gering einschätzte, war er der Ansicht, man
müsse ihre Hartnäckigkeit schwer bestrafen, um nicht in ganz Gallien den Eindruck zu erwecken, es habe nicht an Kräften gefehlt, den
Römern Widerstand zu leisten, sondern nur an Standhaftigkeit. Die übrigen Stämme sollten nicht nach dem Beispiel dieser Stadt auf ihre
günstige Lage vertrauen und versuchen, ihre Freiheit wiederzuerlangen, (3) da es allen Galliern, wie er wußte, bekannt war, dass er seine
Provinz nur noch diesen Sommer verwalten würde. Wenn sie diesen überstehen könnten, brauchten sie darüber hinaus keine Gefahr mehr
zu fürchten, (4) Caesar ließ daher den Legaten Q. Calenus mit zwei Legionen zurück und wies ihn an, ihm sofort in gewöhnlichen
Tagesmärschen zu folgen. Er selbst eilte, so schnell er konnte, mit der gesamten Reiterei zu Caninius.
41.
(1) Als Caesar wider alles Erwarten nach Uxellodunum kam und bemerkte, dass die Stadt durch Belagerungswerke eingeschlossen war, so
dass man unter keinen Umständen die Belagerung aufgeben konnte, dass die Einwohner, wie er von Gefangenen wußte, jedoch über
Getreide im Überfluß verfügten, machte er den Versuch, den Feind von der Wasserzufuhr abzuschneiden. (2) Ein Fluß durchzog die Sohle
des Tales, das fast um den ganzen Berg herumlief, auf dem die Stadt Uxellodunum lag, auf allen Seiten durch Steilabhänge gesichert. (3)
Die Natur des Geländes erlaubte nicht, den Flußlauf zu verändern. Er floß nämlich so dicht an den Ausläufern des Berges entlang, dass
man nirgends Gräben ausheben und ihn dadurch ableiten konnte. (4) Der Abstieg zum Fluß war jedoch für die Einwohner steil und
schwierig, so dass sie, wenn unsere Soldaten sie abhalten wollten, nur unter Verlusten und unter Lebensgefahr an den Fluß herankommen
und sich dann auf dem steilen Weg nach oben wieder zurückziehen konnten. (5) Als Caesar diese für die Einwohner schwierige Lage
durchschaut hatte, verteilte er Bogen und Schleuderschützen, stellte sogar gegenüber einigen besonders leichten Abstiegswegen
Wurfgeschosse auf und sperrte den Einwohnern den Zugang zum Wasser des Flusses.
42.
(1) Danach kam die gesamte Einwohnerschaft an einen einzigen Ort, um Wasser zu holen. Denn unmittelbar unterhalb der Stadtmauer
brach eine starke Quelle an einer Stelle hervor, die eine Windung des Flusses fast 300 Fuß weit freiließ. (2) Während die anderen es nur
wünschten, sah Caesar als einziger einen Weg, die Einwohner von dieser Quelle abzuschneiden. Er begann, ihr gegenüber Laufgänge gegen
den Berg hin vorzutreiben und einen Damm aufzuwerfen. Dies erforderte große Anstrengung und dauernden Kampf, (3) weil die Einwohner
von den Anhöhen herabstürzten und von fern den Kampf aufnahmen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen, wobei sie viele Soldaten
verwundeten, die beharrlich von unten nachrückten. Dennoch schreckten sie unsere Soldaten nicht davon ab, die Laufgänge weiter
heranzuführen und in anstrengender Bautätigkeit alle Schwierigkeiten des Geländes zu überwinden. (4) Gleichzeitig trieben sie
unterirdische Stollen zu den Wasseradern und zum Ursprung der Quelle vor, eine Arbeit, die sie ohne jede Gefahr und, ohne dass der Feind
Verdacht schöpfte, ausfahren konnten. (5) Ein Damm in der Höhe von 60 Fuß wurde errichtet, darauf ein Turm von zehn Stockwerken, der
freilich nicht die Höhe der Stadtmauern erreichte, da dies durch Belagerungsbauten nicht möglich war, doch überragte der Turm den
hochgelegenen Ort, wo die Quelle entsprang. (6) Da von dort mit Wurfgeschützen Geschosse auf den Zugang zur Quelle geschleudert
wurden, konnten die Einwohner nicht ohne Gefahr Wasser holen, so dass nicht nur das Kleinvieh und die Packpferde, sondern auch eine
große Zahl von Menschen an Durst starb.
43.
(1) Dieses Unglück versetzte die Einwohner in Schrecken. Sie füllten daher Fässer mit Talg, Pech und Holzspänen, zündeten sie an und
wälzten sie auf die Belagerungswerke hinab, während sie gleichzeitig überaus hitzig angriffen, um die Römer durch den Kampf zu gefährden
und dadurch davon abzuschrecken, den Brand zu löschen. (2) Plötzlich brach auf den Befestigungswerken selbst ein großes Feuer aus, denn
was auch immer über den steilen Abhang von hoch oben heruntergeworfen wurde, prallte zwar zunächst auf den Damm und die Laufgänge
auf, setzte dann aber diese Hindernisse selbst in Brand. (3) Doch obwohl unsere Soldaten durch diese gefährliche Art des Kampfes auf
ungünstigem Gelände in Bedrängnis gerieten, wehrten sie alles aufs tapferste ab. (4) Denn dieser Vorfall ereignete sich nicht nur an
erhöhter Stelle, sondern auch vor den Augen unseres Heeres, und auf beiden Seiten erhob man ein lautes Kampfgeschrei. Daher warf sich
jeder möglichst augenfälligsten Geschossen der Feinde und dem Feuer entgegen, um seine Tapferkeit vor noch mehr Zeugen offenkundig
werden zu lassen.
44.
(1) Als Caesar sah, dass einige seiner Soldaten verwundet wurden, ließ er die Cohorten auf allen Seiten der Stadt den Berg ersteigen und
überall das Kampfesschrei erheben, als wollten sie die Mauern besetzen. (2) Dadurch gerieten die Einwohner in höchsten Schrecken, und
da sie im unklaren darüber waren, was in den übrigen Stadtteilen geschah, riefen sie ihre Bewaffneten vom Kampf gegen die
Belagerungswerke zurück und verteilten sie auf den Mauern. (3) Da der Kampf auf diese Weise ein Ende fand, konnten unsere Soldaten
schnell den in Brand geratenen Damm löschen oder Teile davon einreißen. (4) Als die Einwohner der Stadt jedoch weiter bei ihrem Vorsatz
blieben und hartnäckig Widerstand leisteten, obwohl schon ein großer Teil der Bevölkerung verdurstet war, wurden schließlich die
Wasseradern der Quelle mit unterirdischen Gängen abgeschnitten und in andere Bahnen gelenkt. (5) Dadurch trocknete die sonst stetig
fließende Quelle plötzlich aus und versetzte die Einwohner der Stadt in eine solche Verzweiflung an ihrer Rettung, dass sie glaubten, dies
sei nicht nach einem menschlichen Plan, sondern mit göttlichem Willen geschehen. Die Notlage zwang sie daher, sich zu ergeben.
45.
(1) Da Caesar wußte, dass seine Milde allgemein bekannt war, brauchte er den Eindruck nicht zu fürchten, er sei auf Grund seiner
grausamen Natur zu hart vorgegangen. Er sah jedoch nicht, wie er das Ziel seiner Pläne erreichen sollte, wenn sich noch mehr Stämme an
verschiedenen Orten zu einem solchen Vorgehen entschlössen. Daher glaubte er, er müsse die übrigen durch eine exemplarisch harte
Bestrafung der Einwohner abschrecken. Erließ deshalb allen, die Waffen getragen hatten, die Hände abhauen, schenkte ihnen aber das
Leben, um die Strafe für ihre Schlechtigkeit augenfälliger werden zu lassen. (2) Drappes, den Caninius, wie ich berichtete,
gefangengenommen hatte, verweigerte einige Tage die Nahrung und kam so ums Leben, sei es , dass ihn der Verlust seiner Würde, der
Schmerz über seine Fesselung oder aber die Furcht vor einer zu schweren Bestrafung leiteten. (3) Um dieselbe Zeit geriet Lucterius, der,
wie ich schrieb, aus der Schlacht geflohen war, in die Gewalt des Arverners Epasnactus. Lucterius hatte immer wieder seinen
Aufenthaltsort gewechselt und sein Vertrauen auf immer neue Männer gesetzt, denn er konnte anscheinend nirgends länger ungefährdet
bleiben, weil ihm bewußt war, wie feindlich Caesar gegen ihn eingestellt sein mußte. Der Arverner Epasnactus, der dem römischen Volk
überaus freundlich gesinnt war, lieferte Lucterius ohne Zögern gefesselt an Caesar aus.
46.
(1) Währenddessen siegte Labienus im Gebiet der Treverer in einem Reitergefecht und tötete mehrere Treverer und Germanen, die
niemandem Unterstützung gegen Rom verweigerten. Er brachte die Anführer der Treverer lebend in seine Gewalt, unter ihnen den
Haeduer Surus, (2) der in seinem Stamm auf Grund seiner Tapferkeit und Herkunft besonders hoch geachtet war und als einziger der
Haeduer bis zu diesem Zeitpunkt weitergekämpft hatte.
47.
(1) Auf diese Nachricht hin brach Caesar mit zwei Legionen nach Aquitanien auf. Zwar hatte P. Crassus einen Teil davon schon
unterworfen, doch war Caesar selbst noch nie dorthin gekommen. Da er sah, dass die Römer überall in Gallien erfolgreich gewesen waren
und Gallien in den vergangenen Sommern völlig besiegt und unterworfen worden war, wollte er den Rest des Sommers in Aquitanien
verbringen. (2) Wie alles sonst führte er auch dieses Unternehmen schnell und glücklich durch. Denn alle Stämme Aquitaniens schickten
Gesandte zu ihm und stellten Geiseln. (3) Nach diesem Erfolg brach Caesar mit einer Schutztruppe aus Reitern nach Narbo auf und ließ die
Legaten das Heer in die Winterlager führen. (4) Vier Legionen legte er unter den Legaten M. Antonius, C. Trebonius und P. Vatinius nach
Belgien. Zwei ließ er in das Gebiet der Haeduer ziehen, die, wie er wußte, das höchste Ansehen in ganz Gallien genossen. Zwei Legionen
legte er in das Gebiet der Turonen an die Grenze zu den Carnuten; sie sollten das ganze an den Ozean grenzende Land ruhig halten. Die
beiden restlichen Legionen sollten an den Grenzen der Lemovicer, nicht weit vom Gebiet der Arverner entfernt, überwintern, damit kein
Teil Galliens ohne römische Besatzung wäre. (5) Darauf hielt sich Caesar einige Tage in der Provinz auf, besuchte rasch alle Gerichtstage,
entschied über öffentliche Streitfälle und verteilte Belohnungen an Männer, die sich verdient gemacht hatten. (6) Er hatte nämlich die beste
Gelegenheit gehabt zu erfahren, wie sich jeder beim Aufstand von ganz Gallien verhalten hatte, den er nur auf Grund der Treue und mit
Hilfe dieser Provinz hatte abwehren können. Nach diesen Maßnahmen begab er sich zu den Legionen nach Belgien zurück und
überwinterte in Nemetocenna.
48.
(1) Dort erfuhr er, dass der Atrebate Commius seiner Reiterei eine Schlacht geliefert hatte. (2) Denn als Antonius ins Winterlager
gekommen war und der Stamm der Atrebaten seine Verpflichtungen auch einhielt, machte Commius die Wege unsicher und hatte bei
Überfällen mehrere Nachschubtransporte abgefangen, die ins römische Winterlager gingen. Nach der oben erwähnten Verwundung pflegte
Commius seinen Stammesgenossen immer für Aufstandsversuche zur Verfügung zu stehen, damit sie, wenn sie einen Krieg planten, einen
Mann hätten, der ihn in Gang setzen könnte und anführte. Während sein Stamm den Römern gehorchte, hatte er mit seinen Reitern
Raubzüge unternommen, um sich und seine Anhänger zu ernähren.
49.
(1) Antonius hatte zu seiner Unterstützung eitlen Reiterpraefecten erhalten, der mit ihm im Winterlager stand, C. Volusenus Quadratus.
Diesen sandte Antonius aus, um die feindliche Reiterei zu verfolgen. (2).In Volusenus vereinten sich einzigartige Tapferkeit mit einem
gewaltigen Haß auf Commius, so dass er diesem Befehl um so bereitwilliger nachkam. Er legte seine Truppen an einigen Stellen in den
Hinterhalt und griff die Reiter des Commius wiederholt und mit Erfolgen. (3) Als beim letzten derartigen Zusammenstoß erbittert gekämpft
wurde und Volusenus in seinem Eifer, Commius selbst zu fangen, ihn mit wenigen Reitern zu hartnäckig verfolgte, hatte Commius ihn in
wilder Flucht zu weit weggelockt. Da rief er, der Volusenus seinerseits haßte, plötzlich die Seinen zu Treue und Unterstützung für den
Versuch auf, seine Wunden nicht ungerecht zu lassen, die er im Vertrauen auf ein gegebenes Wort empfangen habe. Er wandte sein Pferd
und warf sich, ohne sich um die übrigen zu kümmern und ohne jede Vorsicht, auf den Praefecten. (4) Das gleiche taten alle seine Reiter, so
dass sie unsere wenigen Reiter in die Flucht schlugen und verfolgten. (5) Commius trieb sein Pferd mit den Sporen an und drängte neben
das Pferd des Quadratus. Mit seiner Lanze durchbohrte er haßerfüllt mit aller Kraft den Oberschenkel des Quadratus. (6) Obwohl ihr
Praefect verwundet war, zögerten unsere Reiter nicht, Widerstand zu leisten, und wandten ihre Pferde, um den Feind in die Flucht zu
schlagen. (7) Daraufhin wurden mehrere Feinde infolge des heftigen Ansturms der Unseren ins Wanken gebracht und verwundet, so dass
sie teils auf der Flucht aufgerieben, teils gefangengenommen wurden. Ihr Führer entging diesem Unglück dank der Schnelligkeit seines
Pferdes. Das Gefecht war zwar für uns siegreich verlaufen, doch unser Reiterpraefect war so schwer verwundet, dass er in Lebensgefahr zu
schweben schien und so ins Lager zurückgebracht wurde. (8) Commius aber schickte Gesandte an Antonius, sei es, weil seine Wut nun
abgekühlt war, sei es, weil er einen großen Teil der Seinen verloren hatte, und ließ Antonius versichern, er werde an dem Ort bleiben, den
er ihm anweise, werde Geiseln stellen und allen seinen Anordnungen nachkommen. Als einziges bat er sich jedoch aus, dass man auf seine
Furcht Rücksicht nehme und ihn nicht vor die Augen eines Römers kommen lasse. (9) Da Antonius der Ansicht war, diese Forderung
entspringe einer berechtigten Furcht, gewährte er ihm seine Bitte und nahm die Geiseln an. (10) Ich weiß, dass Caesar je einen
»Commentar« über ein Jahr verfaßte, doch war ich der Meinung, ich sollte das nicht tun, weil im folgenden Jahr unter den Consuln L.
Paulus und C. Marcellus in Gallien nichts von Bedeutung geschah. (11) Damit jedoch niemand in Unkenntnis darüber bleibt, wo Caesar und
das Heer in dieser Zeit standen, beschloß ich, davon zu berichten und diesem »Commentar« eine kurze Darstellung darüber anzufügen.
50.
(1) Während Caesar in Belgien überwinterte, hatte er sich als einziges Ziel gesetzt, die Stämme in ihrem freundschaftlichen Verhältnis zu
Rom zu erhalten und weder Hoffnung auf eine bewaffnete Auseinandersetzung aufkommen zu lassen noch Anlaß dazu zu geben. (2) Denn
nichts wünschte er weniger, als kurz vor Ende seiner Statthalterschaft gezwungen zu werden, einen Krieg zu führen, damit er nicht beim
Abzug des Heeres einen Kriegsschauplatz zurückließe. Denn ganz Gallien würde bereitwillig in den Krieg eintreten, wenn keine
unmittelbare Gefahr drohte. (3) Er erwies daher den Stämmen alle möglichen Ehren, ließ den fahrenden Männern bedeutende Belohnungen
zukommen und legte dem Land keine neuen Lasten auf, so dass er für das durch so viele Niederlagen erschöpfte Gallien eine
Unterwerfung vorteilhafter erscheinen ließ und auf diese Weise mühelos den Frieden erhalten konnte.
51.
(1) Nach seinem Aufenthalt im Winterlager brach er gegen seine Gewohnheit, so schnell er konnte, in Eilmärschen nach Italien auf, um sich
in den Municipien und Colonien, die er gebeten hatte, die Kandidatur seines Quaestors M. Antonius für ein Priesteramt zu unterstützen,
persönlich für ihn einzusetzen. Er gebrauchte dabei seinen Einfluß besonders gern für einen ihm überaus verbundenen Mann, den er kurz
zuvor nach Rom vorausgesandt hatte, damit er sich bewerben könne. (2) Gleichzeitig kämpfte er dabei erbittert gegen den mächtigen
Zusammenschluß einiger wenige, die M. Antonius durchfallen lassen wollten, um damit das Ansehen Caesars zu untergraben, gerade jetzt,
wenn er aus seiner Provinz zurückkehrte. (3) Obwohl er noch vor seinem Eintreffen in Italien auf dem Marsch erfuhr, dass Antonius zum
Angut gewählt worden war, glaubte er, der Anlaß, die Municipien und Colonien aufzusuchen, sei dadurch nicht weniger gerechtfertigt. Denn
einmal wollte er ihnen danken, dass sie in so großer Zahl ihren Verpflichtungen gegenüber Antonius nachgekommen seien, gleichzeitig
wollte er ihnen seine eigene Person und seine Ehre für seine Kandidatur im folgenden Jahr fehlen. Denn seine Feinde rühmten sich in
unverschämter Weise, dass L. Lentulus und C. Marcellus zu Consuln gewählt worden waren, die Caesar seiner Ehre und seines Ansehens
berauben wollten. Ebenso brüsteten sie sich damit, dass man Ser. Galba das Consulat entrissen hatte, obwohl seine Beliebtheit bei den
Wählern bei weitem größer gewesen war. Dies war geschehen, weil er Caesars Freund und ihm auf Grund seines Dienstes als Legat unter
ihm verbunden war.
52.
(1) Alle Municipien nahmen Caesar bei seinem Eintreffen mit unglau61icher Zuneigung und unter großen Ehren auf. Denn damals kehrte
er zum ersten Mal von jenem Krieg zurück, der ganz Gallien erfaßt hatte. (2) Es fehlte nichts, was sie sich zum Schmuck der Tore, der
Wege und Oberhaupt aller Plätze, zu denen Caesar kommen würde, ausdenken konnten. (3) Die ganze Bevölkerung kam im mit ihren
Kindern auf dem Weg entgegen, überall wurden Opfertiere geschlachtet, und überall in Tempeln und auf den Marktplätzen standen mit
Teppichen bedeckte Speisediwans für Gastmähler, so dass man sich den Jubel bei einem prächtigen Triumph schon im voraus vorstellen
konnte; derart groß war de Pracht, die die Wohlhabenden entfalteten, aber auch die Begeisterung, die die unteren Schichten zeigten.
53.
(1) Als Caesar alle Gegenden des römischen Gallien durcheilt hatte, kehrte er in höchster Geschwindigkeit zu seinem Heer nach
Nemetocenna zurück und berief die Legionen aus allen Winterlagern an die Grenzen der Treverer ein. Er selbst brach dorthin auf und
musterte das Heer. (2) T. Labienus übertrug er die Verwaltung des römischen Gallien; er sollte es durch weitere Empfehlungen für Caesars
Bewerbung um das Consulat gewinnen. (3) Caesar selbst legte nur soviel an Weg zurück, wie es ihm jeweils für eine Ortsveränderung aus
gesundheitlichen Gründen erforderlich schien. Obwohl er dabei wiederholt hörte, dass seine Feinde Labienus aufhetzten, und auch die
Nachricht erhielt, auf den Plan einiger weniger hin arbeite man daran, ihn mit Hilfe eines Senatsbeschlusses eines Teils seines Heeres zu
berauben, glaubte er den Gerüchten über Labienus nicht und konnte nicht dazu veranlaßt werden, irgend etwas gegen den Willen des
Senates zu tun. Er glaubte nämlich, seine Sache könne leicht vertreten werden, wenn es im Senat die Möglichkeit zu freier
Meinungsäußerung gebe. (4) Als der Volkstribun C. Curio die Aufgabe übernommen hatte, Caesars Ansprüche und sein Ansehen zu
verteidigen, hatte er dem Senat wiederholt versichert, Caesar und Pompeius würden beide auf kriegerische Handlungen verzichten und ihre
Heere entlassen, falls irgend jemand die Angst vor Caesars Heer beunruhige, und weil ja die tyrannische Herrschaft des Pompeius und sein
Heer in Rom keinen kleineren Schrecken hervorriefen. Durch die Entlassung der Heere erhalte der Staat dann Freiheit und
Selbstbestimmung. (5) Curio gab nicht nur diese Zusicherung ab, sondern begann auch, von sich aus darüber abstimmen zu lassen. Die
Consuln und Freunde des Pompeius schritten jedoch erfolgreich gegen ihn ein, um eine Abstimmung zu verhindern. Durch diese
Verzögerung schlugen sie die ganze Sache nieder.
54.
(1) Die Haltung des gesamten Senates bewies überzeugend ein weiterer Vorgang, der mit dem oben berichteten inhaltlich übereinstimmte.
Im vergangenen Jahr hatte der Consul M. Marcellus, der sich eifrig bemühte, Caesars Ansehen zu schaden, im Widerspruch zu dem
Gesetz des Pompeius und des Crassus im Senat vorzeitig über Caesars Provinzen verhandelt. Nachdem die Senatoren ihre Ansichten dazu
vorgebracht hatten, war Marcellus, der sein ganzes Ansehen seinem Haß gegen Caesar verdankte, in die Abstimmung eingetreten, doch
war die Mehrheit des Senates zu anderen Verhandlungspunkten übergegangen. (2) Dadurch ließen sich die Feinde Caesars jedoch nicht
entmutigen, sondern fühlten sich dazu aufgefordert, mehr Anhänger für ihre Sache zu gewinnen, um den Senat zu einer Zustimmung zu ihren
eigenen Beschlüssen zwingen zu können.
55.
(1) Daraufhin beschloß der Senat, dass Cn. Pompeius für den Partherkrieg eine Legion abgeben solle, Caesar eine zweite. Ganz
offensichtlich wurden diese beiden Legionen aber einem einzigen entzogen, (2) denn Pompeius gab ausgerechnet die 1. Legion ab, die er
Caesar gesandt hatte, als ob sie zu seinen Legionen gehörte. Sie war jedoch nach einer Aushebung in Caesars Provinz entstanden. (3)
Obwohl nicht der geringste Zweifel über die Absichten seiner Gegner bestand, sandte Caesar Pompeius dennoch die Legion zurück. Als
seinen eigenen Beitrag ließ er die 15. Legion, die er im diesseitigen Gallien stehen hatte, auf den Senatsbeschluß hin übergeben. An ihrer
Stelle sandte er die 13. Legion nach Italien, die die Stützpunkte sichern sollte, aus denen die 15. Legion abgezogen wurde. (4) Dann wies er
selbst dem Heer die Winterlager zu: C. Trebonius legte er mit vier Legionen nach Belgien, C. Fabius ließ er mit ebenso vielen Legionen in
das Gebiet der Haeduer ziehen, (5) denn er glaubte, Gallien sei am besten gesichert, wenn die Belger, die am tapfersten waren, und die
Haeduer, die das größte Ansehen genossen, durch Heere in Schach gehalten wurden. Caesar selbst brach nach Italien auf. 55 (1) Als er
dort eintraf, erfuhr er, dass der Consul C. Marcellus die zwei von Caesar Übergebenen Legionen Pompeius unterstellt hatte, so dass sie in
Italien zurückgehalten wurden, obwohl sie auf Senatsbeschluß in den Krieg gegen die Parther geführt werden sollten. (2) Wenn nach dieser
Maßnahme auch niemand mehr daran zweifelte, dass Vorkehrungen gegen Caesar getroffen würden, beschloß dieser dennoch, alles
hinzunehmen, solange ihm noch irgendeine Hoffnung blieb, den Konflikt eher auf dem Rechtswege als durch einen Krieg auszutragen. Er
eilte.
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